Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Der Velimirovic-Angriff“

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Beitrag von Kiffing

Nach dem Klassischen Sizilianer 1. e4 c5 2. Sf3 Sc6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 d6 ist der Richter-Rauser-Angriff 6. Lg5 die bekannteste Fortsetzung. Noch schärfer und interessanter erscheint mir dagegen der Velimirovic-Angriff, der mit 6. Lc4 und der großen Rochade eingeleitet wird. In der Folge plant Weiß einen schematischen Königsangriff, und zwar gehören dazu die Züge Tg1-g4-g5-Dh5-Tg3-Th3. Der Angriff ist freilich lange vorzubereiten. Aber es ist für Schwarz schwer, ein Mittel dagegen zu finden. Und es gibt zahlreiche Variationen, die sich im Laufe des Angriffs ergeben und die ein flexibles Vorgehen von Weiß erfordern, siehe:1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Lc4 e6 7.Le3 Le7 8.Lb3 a6 9.De2 0–0 10.0–0–0 Dc7 11.Thg1 b5 12.g4 Sxd4 13.Lxd4 e5 14.Le3 b4 15.Sd5 Sxd5 16.Lxd5 Tb8 17.g5 Lb7 18.g6 Lxd5 19.gxh7+ Kh8 20.Txd5 Tfc8 21.Kb1 Hier bot sich das stärkere 18. g6 an, im Endeffekt hat Weiß die besseren Aussichten. Wie gefährlich der Angriff ist, zeigt sich, wenn Schwarz hier auch nur einen Verteidigungszug vergißt oder nicht findet. So gewinnt Weiß mit einem Knalleffekt bereits nach 17. ...a5? 18. g6 +- hxg6 19. Txg6 a4 20. Txg7+!! Kxg7 21. Dh5 mit Matt.

Beitrag von Kiffing

Hier eine aktuelle Partie, welche die vorzüglichen Angriffsmöglichkeiten von Weiß zeigt. Weiß greift hier ebenfalls mit dem Manöver g4-g5-g6 an. Aber er hat f4 vorgeschaltet, um nach ...hxg6 mit dem Hebel f5 zu kommen. Daraufhin entzündet sich über den armen Schwarzen ein Feuerwerk von brillanten Kombinationen. Seht selbst:[Event "67th Polish Ekstraliga"][Site "MyTown"][Date "2011.10.07"][Round "?"][White "Kryvoruchko, Yuriy"][Black "Czarnota, Pawel"][Result "1-0"][PlyCount "51"][TimeControl "300"]{767MB, Fritz8.ctg, MYCOMPUTER} 1. e4 c5 2. Nf3 d6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 Nf6 5.Nc3 Nc6 6. Bc4 e6 7. Be3 Be7 8. Qe2 a6 9. O-O-O Nxd4 10. Bxd4 b5 11. Bb3 Bb712. a3 O-O 13. f4 Qb8 14. g4 Rc8 15. g5 Nd7 16. Rhg1 Nc5 17. Ba2 a5 18. g6 hxg619. f5 g5 20. Qh5 d5 21. Rdf1 e5 22. Nxd5 Qd6 23. Nxe7+ Qxe7 24. f6 gxf6 25.Rxg5+ fxg5 26. Bxf7+ *

Beitrag von Mattmonster

[QUOTE=Kiffing;2067]Hier eine aktuelle Partie, welche die vorzüglichen Angriffsmöglichkeiten von Weiß zeigt. Weiß greift hier ebenfalls mit dem Manöver g4-g5-g6 an. Aber er hat f4 vorgeschaltet, um nach ...hxg6 mit dem Hebel f5 zu kommen. Daraufhin entzündet sich über den armen Schwarzen ein Feuerwerk von brillanten Kombinationen. Seht selbst:[Event "67th Polish Ekstraliga"][Site "MyTown"][Date "2011.10.07"][Round "?"][White "Kryvoruchko, Yuriy"][Black "Czarnota, Pawel"][Result "1-0"][PlyCount "51"][TimeControl "300"]{767MB, Fritz8.ctg, MYCOMPUTER} 1. e4 c5 2. Nf3 d6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 Nf6 5.Nc3 Nc6 6. Bc4 e6 7. Be3 Be7 8. Qe2 a6 9. O-O-O Nxd4 10. Bxd4 b5 11. Bb3 Bb712. a3 O-O 13. f4 Qb8 14. g4 Rc8 15. g5 Nd7 16. Rhg1 Nc5 17. Ba2 a5 18. g6 hxg619. f5 g5 20. Qh5 d5 21. Rdf1 e5 22. Nxd5 Qd6 23. Nxe7+ Qxe7 24. f6 gxf6 25.Rxg5+ fxg5 26. Bxf7+ *[/QUOTE] eine schöne partie ! giebt es elo zahlen der 2 spieler??:confused:

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=lonny22;2104]eine schöne partie ! giebt es elo zahlen der 2 spieler??:confused:[/QUOTE]Ja, der Weiße hatte 2666, und der Schwarze 2554.

Beitrag von Kiffing

In seinem Werk Das Verständnis des Mittelspiels im Schach macht John Nunn auf eine weitere Angriffsidee des Velimirovic-Angriffs aufmerksam, und zwar das Springeropfer auf f5, das in dieser Variante mit dem darauffolgenden Sd5 kombiniert wird. John Nunn sagt, daß die Theorie nach dem Opfer von einem Gleichgewicht spricht, das Springeropfer „in den Händen eines Angriffsspieler“ aber „nach wie vor eine gefährliche Waffe sei“. Tatsächlich ist der Angreifer oft im Vorteil gegenüber dem Verteidiger, da, wie Nunn an anderer Stelle betont, ein schlechter Zug für den Verteidiger direkt tödlich sein kann, für den Angreifer aber oft nur eine Verschiebung des Gleichgewichts bedeute, während „die Hauptschlacht noch auszufechten“ sei. Eine Warnung sei aber trotzdem hinzugefügt: In meinen Partien habe ich schon oft einen Angriff aufgrund ungenauer Züge gegen die Wand gefahren. Ich denke daher, daß es auch sehr gefährlich ist, den Angriff ungenau fortzusetzen, weil diese Ungenauigkeit leicht zu einem Versiegen des Angriffs führen kann, so daß sich nun das geopferte Material zugunsten des Gegners auswirkt. Es ist immer noch die sicherste Variante den Gewinn, sofern er sich denn bietet, zu vollstrecken. Und daß man die Fähigkeit dazu erlangt, auch daran sollte der Schachspieler arbeiten. In Volotikins und Grabinskis Perfektionieren Sie ihr Schach ist deswegen das zweite Kapitel „Finden Sie den Gewinnweg“ extra dieser Qualifikation gewidmet. Ein Gewinn stellt sich nicht einmal nach laut Engine gewonnener Stellung von alleine ein. Die kritische Zugfolge ist 1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 Sc6 6. Lc4 e6 7. Le3 Le7 8. De2 a6 9. 0-0-0 Dc7 10. Lb3 Sa5 11. g4 b5 12. g5 Sxb3 13. axb3 Sd7 14. Sf5”!?” (Nunn) exf5 15. Sd5.Hier ein Beispiel, was man aus diesem Angriff herausholen kann: Ein direkter Gewinnweg ist zwar nicht möglich, aber Weiß erhält für den geopferten Springer ausreichend Kompensation, durch ständiges, nie nachlassendes Druckspiel ringt er Schwarz schließlich nieder. Ein Gewinn in nur 28 Zügen spricht für eine wirkliche Glanzpartie. Nunn zeigt die Partie zwischen Sergei Asarov und Baadur Jobawa, Kemer 2007.[Event "Europapokal für Vereinsmeisterschaften Kemer 2007"][Site "MyTown"][Date "????.??.??"][Round "?"][White "Sergei Nikolajewitsch Asarow"][Black "Baadur Jobava"][Result "1-0"][PlyCount "55"][TimeControl "1200"]{767MB, Fritz8.ctg, MYCOMPUTER} 1. e4 c5 2. Nf3 d6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 Nf6 5.Nc3 Nc6 6. Bc4 e6 7. Be3 Be7 8. Qe2 a6 9. O-O-O Qc7 10. Bb3 Na5 11. g4 b5 12.g5 Nxb3+ 13. axb3 Nd7 14. Nf5 exf5 15. Nd5 Qd8 16. exf5 Bb7 17. f6 gxf6 18.Rhe1 Bxd5 19. Rxd5 Rg8 20. gxf6 Nxf6 21. Rf5 Rg6 22. Bb6 Qd7 23. Qf3 Rc8 24.Rxf6 d5 25. Rxg6 hxg6 26. Qf6 Qb7 27. b4 Rc4 28. f3 *

Beitrag von Zapp Brannigan

Ja, das opfer auf f5 ist ziemlich typisch für die variante. Gibt ja auch ein springeropfer auf f5 im spanier, da aber mit der idee die g-linie zu öffnen.Meine frage beim Velimirovic-Angriff ist eher, wer lässt das überhaupt zu? Bei den grossen klassich-spielern sieht es so aus (eine nicht unbedingt repräsentative auswahl) :Dreev: spielt sowohl 6...e6 wie auch 6...Bd7Khalifman spielt 6...Qb6Kozul spielt 6...Qb6Kramnik spielt(e) 6...Qb6Shirov spielte 6...e6, mit durchschlagendem erfolgD.h. Qb6 sieht doch einiges beliebter aus, e6 wird nur von Shirov gespielt, welcher wohl nichts gegen taktische komplikationen hat.

Beitrag von Kiffing

Ja, dieses ...Db6 ist sowieso für Weiß in vielen Sizilianern ein typischer Nervzug. Was also tun nach 6. Lc4 Db6 ?Hier bieten sich wohl mit 7. Sb3, 7. Sbd5, 7. Sde2 und 7. Sxc6 in erster Linie vier Möglichkeiten an, wobei ich persönlich bereits eine klare Präferenz habe. 7. Sxc6 gefällt mir z. B. überhaupt nicht, weil der Zug antipositionell ist: Weiß läßt zu, daß Schwarz Richtung Zentrum zurückschlagen kann und dort ein Übergewicht erhält. Außerdem öffnet sich für Schwarz die b-Linie, was Weiß schon einmal die Möglichkeit der großen Rochade nimmt. Und genau das will Weiß doch im Velimirovic-Angriff. Auch 6. Sb3 und 6. Sde2 sind nach meinem Geschmack nicht im Geiste von Velimirovic.Die Idee von 7. Sdb5 ist also das Festhalten der Initiative, da nach 7. ...a6 der Zwischenzug 8. Le3 kommt. Schwarz zieht nun seine Dame entweder auf das Ausgangsfeld, oder, was wahrscheinlicher ist, nach a5, wo sie auch nicht wirklich gut steht. Nun zieht Weiß seinen Springer zurück nach d4, behauptet seine angenehme Stellung und kann weiter in Ruhe an seinem Konzeptangriff Richtung gegnerischen König feilen. Das Störfeuer ist abgewehrt.Schwarz kann zwar nun mit 9. ...Se5 10. Sb3 Dc7 11. Ld3 e6 fortsetzen. Weiß steht aber nach 12. f4 leicht besser und kann weiter in Ruhe auf Königsangriff spielen.

Beitrag von Zapp Brannigan

So klar ist die tempo-gewinn/verlust sache aber nicht. b6 ist eh nur eine zwischenstation für die Dame, die geht später eh nach c7. Von daher gewinnt weiss mit 7.Ndb5 nur 1 nützliches tempo (Be3), während schwarz auch mindestens 1 nützliches tempo (a6) gewinnt. Man könnte sogar behaupten, dass die dame auf a5 besser steht als auf b6 wegen dem pin des c3-springers, auch eine lange rochade wird eher entmutiget.Nach dem weissen hauptzug 7.Nb3 hat schwarz sowieso einiges gewonnen, nicht nur ist der gute springer von d4 weg, auch kann der läufer nicht mehr auf b3...