Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Hätte Dr. Robert Hübner Weltmeister werden können?“

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Beitrag von Kiffing

Der Zweite Weltkrieg riß eine große Lücke auch in die deutsche Schachwelt. Denn mit Klaus Junge verlor das deutsche Schach einen hoffnungsvollen jungen Spieler, der fraglos in der Lage gewesen wäre, in die großen Fußstapfen von Tarrasch und Lasker zu treten. Es brauchte eine weitere Generation, bis dieser deutsche Spieler in Gestalt des allseitig hochgebildeten Dr. Robert Hübner kam, der in gleich [URL="http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_H%C3%BCbner"]vier Anläufen[/URL] zum Schach-Weltmeister, wo er sich jeweils für die Kandidatenwettkämpfe qualifizieren konnte, denkbar unglücklich scheiterte. Bekannt sind z. B. der „[URL="http://www.schachburg.de/threads/1626-Schach-WM-1981-in-Meran-von-der-Trag%C3%B6die-zur-Farce im Kandidatenfinale"]Bock seines Lebens[/URL]“ 1980 gegen Kortschnoi, den er sich, in Führung liegend, leistete, oder der unglückliche Losentscheid gegen Smyslow im WM-Zyklus darauf. Dr. Robert Hübner hat das westdeutsche Schach in den 70er und 80er Jahren geprägt wie kein anderer deutsche Spieler, und sehr lange befand sich Hübner unter den stärksten Spielern der Welt. Ich denke, niemand würde heute einem Spieler wie Naiditsch realistische WM-Titelchancen zubilligen, denn der heute stärkste deutsche Spieler ist relativ weit von der Weltspitze entfernt, während Hübner lange zu dieser gezählt wurde. Deshalb meine Frage ans Plenum, hätte Dr. Robert Hübner das Zeug dazu gehabt, den Weltmeistertitel im Schach zu erringen?

Beitrag von zugzwang

Dr. Hübner (*1948) hatte seine Chancen und nach den Ergebnissen seiner Anläufe auf den Titel, kann ich nur konstatieren, daß es "eingeklemmt" zwischen solchen Größen wie Fischer (*1943) und Karpov (*1951) nicht verwunderlich ist, daß er "titellos" bleibt wie auch Timman, Ljubojevic, Andersson oder die noch älteren Kortschnoi und Portisch.Seit Kasparov konnte sowieso kein "Oldie" mehr ernsthaft WM werden, wenn selbst Karpov scheiterte.

Beitrag von blunder1

Eine gute, aber auch sehr schwierige Frage, die ich nicht beantworten kann.Vom Talent her glaube ich, dass Hübner Weltmeisterpotenzial hatte.Aber er hatte auch schachliche Handicaps:Er war kein Profi, im Gegensatz zu seinen stärksten Kontrahenten. Hübner ist promovierter Papyrologe, nahm für seinen Anlauf auf die Schachkrone während des Zyklus 1978-81 eine Auszeit, konnte sich aber nie voll auf das Schach konzentrieren.Dass er dennoch den dritten Platz in der Weltrangliste erreichen konnte, unterstreicht seine Stärke.Wie sah es mit seiner Nervenstärke aus?1971 hat er das Kandidaten-Viertelfinale gegen Petrosjan, das auf 10 Partien angesetzt war, nach der 7. Partie beim Stande von +0, =6, -1 aufgegeben, lag also keineswegs hoffnungslos zurück.Allerdings müssen die Spielbedingungen in Sevilla sehr schlecht gewesen sein, vor allem der Lärmpegel; Petrosjan, der schwerhörig war, stellte einfach sein Hörgerät ab.Doch was ist 1980 im Kandidatenfinale gegen Kortschnoi passiert? Der Wettkampf war auf 16 Partien angesetzt, Hübner hat ihn nach der 10. Partie aufgegeben, als er ebenfalls nur mit -1 zurücklag. Die Partien habe ich mir nicht genauer angeschaut, allerdings soll Kortschnoi in den beiden Hängepartien, die noch zu Ende gespielt hätten werden sollen, Vorteil gehabt haben.Falls er Kortschnoi geschlagen hätte, wäre Hübner im WM-Finale auf Karpow getroffen.Karpow war nicht nur ein herausragender Spieler, er genoss in der UdSSR eine unglaubliche Unterstützung: Er konnte nicht nur auf hervorragende Trainingsmöglichkeiten und ein dementsprechendes Sekundantenteam (z.B. Tal, Geller) zurückgreifen, die staatlich verordnete Hilfe ging darüber hinaus.Als Kortschnoi als sein Herausforderer 1978 feststand, wurden die führenden sowjetischen Groβmeister aufgefordert, Karpow ihre Eröffnungsgeheimnisse mitzuteilen.Sicher, Kortschnoi galt in der Sowjetunion als Landesverräter, doch halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass Karpow – im Kalten Krieg und bei der Bedeutung, welche dem Weltmeistertitel in der UdSSR beigemessen wurde – eine ähnliche Unterstützung gegen einen Westdeutschen erhalten hätte (s. die Hilfe, die er bereits erhalten hatte, als er 1974 als Fischers Herausforderer feststand).Hätte Hübner ein solchen Gegner in einem Wettkampf schlagen können?Was den folgenden Zyklus (1981-84) angeht, so hatte Hübner nicht nur Pech (Losentscheid gegen Smyslow; allerdings hatte er sich Smyslow in dem Wettkampf auch nicht überlegen gezeigt).Ich glaube, dass der junge Kasparow schon damals zu stark war.Deutlicher kann ich auf Kiffings Frage nicht antworten.