Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Schrecklicher Fauxpas von Magnus Carlsen in Stavanger“

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Beitrag von Kiffing

Ausgerechnet in seiner Heimat ist Magnus Carlsen gleich zum Auftakt beim Super-Turnier in Stavanger ein schrecklicher Fehler unterlaufen, der nicht aufgrund einer spielerischen Fehleinschätzung entstand, sondern seine Ursache in falsch gespeicherten Bedenkzeitmodalitäten hatte. Magnus Carlsen hatte seinen Gegner Veselin Topalov nach allen Regeln der Kunst überspielt und ließ in klarer Gewinnstellung die Platte fallen. Er war davon ausgegangen, nach dem 60. Zug noch einmal eine Gutschrift von 15 Min. zu bekommen. Tatsächlich sieht das Regelwerk von Stavanger eine solche Gutschrift nicht vor, Carlsen hätte aber mit 30 Sekunden Zeitbonus pro Zug problemlos die Stellung zum Siege geführt. Das Entsetzen stand Carlsen nach dem Plättchenfall ins Gesicht geschrieben, aber auch für seine Landsleute im Zuschauerraum dürfte dieser Fauxpas wie eine kalte Dusche gewirkt haben. Der indisponierte Carlsen verlor auch in der nächsten Runde deutlich gegen seinen Rivalen Fabiano Caruana, was auch kein Wunder ist, würde mir soetwas in einem Turnier passieren, wäre nicht nur die Partie, sondern auch gleich das ganze (!) Turnier für mich gelaufen. Kein gutes Omen für Carlsen, denn die Geschichte hat einen bösen Vorläufer. Der hochmotivierte Siegbert Tarrasch wollte das Super-Turnier in [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/1841-Tarraschs-Fast-Tod-in-Hastings-Reminiszenzen-an-ein-Weltklasseturnier-Anno-1895". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "Hastings 1895" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] um jeden Preis gewinnen, doch er scheiterte bereits in der ersten Runde gegen den krassen Außenseiter James Mason - ebenfalls in klarer Gewinnstellung - aufgrund einer ähnlichen außerschachlichen Torheit. Tarrasch verlor im 30. Zug auf Zeit, weil er davon ausgegangen war, den 30. Zug schon ausgeführt zu haben und somit bereits über die damit verbundene Zeitgutschrift zu verfügen: Tarrasch kam danach als einer der Topfavoriten nur noch auf den 4. Rang. Kurios: sein Gegner hatte Tarrasch noch auf die drohende Zeitüberschreitung hingewiesen (ebd.). In Stavanger freut sich derweil die Konkurrenz: nun ist der Weg frei für den Turniersieg, der normalerweise fast schon für Carlsen reserviert schien. Berichte und Reaktionen zu dem Vorfall: [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://chess24.com/de/lesen/news/norway-chess-1-carlsen-verliert-durch-zeitueberschreitung". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://chess24.com/de/lesen/news/norwa ... schreitung" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.][Event "Norway Chess"][Site "0:14:33-0:06:33"][Date "2015.06.16"][EventDate "2015.06.15"][Round "1"][Result "0-1"][White "Magnus Carlsen"][Black "Veselin Topalov"][ECO "D43"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "120"]1.d4 d5 2.c4 c6 3.Nf3 Nf6 4.Nc3 e6 5.Bg5 h6 6.Bxf6 Qxf6 7.e3Nd7 8.Rc1 g6 9.Be2 Bg7 10.cxd5 exd5 11.b4 a6 12.a4 O-O 13.b5axb5 14.axb5 Qd6 15.O-O Nb6 16.Qb3 Rb8 17.Nd1 Bf5 18.Nb2 Rfc819.Nd3 Bxd3 20.Qxd3 c5 21.dxc5 Rxc5 22.h4 Na4 23.h5 Rbc824.Rxc5 Nxc5 25.Qc2 gxh5 26.Nd4 Qg6 27.Nf5 Bf8 28.Rd1 Qe629.Rc1 Nb3 30.Qxc8 Nxc1 31.Qxc1 Qxf5 32.Qc7 Qb1+ 33.Bf1 d434.exd4 Qd1 35.Qe5 Bg7 36.Qe8+ Bf8 37.Qd8 Kg7 38.Qd5 b639.Qe5+ Kg8 40.Qf6 Bg7 41.Qxb6 Bxd4 42.Qxh6 Qg4 43.Qd6 Qd144.Qd8+ Kh7 45.Qc7 Kg7 46.b6 Qg4 47.b7 Qh4 48.g3 Qf6 49.Qc2Qe5 50.Qd3 Ba7 51.Qf3 Qf6 52.Qe2 Qc3 53.Kh2 Qd4 54.Qf3 Bb855.Kh3 Bc7 56.Be2 Bb8 57.Bd1 f5 58.Be2 f4 59.Qxh5 Qxf2 60.Qg5+Kf7 0-1

Beitrag von Kampfkeks

Oh mann, das ist wirklich brutal. :eek: Carlsen hat es sich aber ausschliesslich selbst zuzuschreiben. Denn wie in dem Artikel zu lesen ist, wurde ausdrücklich auf die Neuregelung hingewiesen. Und auch der Schiedsrichter hat unmittelbar vor Turnierbeginn extra nochmal darauf hingewiesen. Doch Carlsen verspätete sich und verpaßte damit den Hinweis (er selbst sagt allerdings, er hätte den Hinweis sowieso nicht wahrgenommen). Na jedenfalls dürfte sich Magnus Carlsen damit endgültig einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert haben und ich vermute, dass er sich künftig SEHR gewissenhaft über die Bedenkzeitregelungen erkundigen wird. :DZur Partie selbst kann ich wenig sagen. Bemerkenswert finde ich aber, wie wenig sich der Lf1 bewegt.

Beitrag von Kiffing

Besagter Fauxpas erwies sich für Carlsen in der Tat als fatal. Nach der so entstandenen Niederlage kam der Weltmeister in seiner Heimat nur noch auf den 8. Rang (bei 10 Teilnehmern) mit 3,5/9. Nach 4 Runden hatte er gar nur bei 0,5 Punkten gelegen, und in der Schlußrunde verlor er gar gegen seinen Landsmann Jon Ludvig Hammer. Seine Leistung entspricht einer Elozahl von 2693, und er fällt tief mit -23 auf 2853 Punkte. Das Turnier war zu kurz, um nach dem Schock eine ähnliche Aufholjagd wie Tarrasch in Hastings 1895 zu starten, der sich damals am Ende des Großturniers durch sieben Siege in Serie noch auf den 4. Rang rettete. Des einen Leid, des anderen Freud, und so gewann Carlsens Widersacher aus der 1. Runde, Veselin Topalov, mit 6,5/9 das Turnier vor Anand und Nakamura, die jeweils auf 6 Punkte kamen. Der Weltmeister ist in jeder Hinsicht zurückgefallen, und die Art und Weise ist tragisch.Abschlußtabelle von Stavanger: [url]http://de.chessbase.com/post/norway-chess-ein-kurzes-remis-ein-wichtiger-sieg[/url]

Beitrag von Zapp Brannigan

Also mit einer performance von 2693 waere ich ja zufrieden ;-)

Beitrag von Kampfkeks

Ich kann mir gut vorstellen, dass man sich nach einem solchen Fauxpas ganz besonders "beobachtet" fühlt und dadurch nervöser wird. Vom Ärger auf einen selbst mal ganz abgesehen - vielleicht hatte er das Turnier für sich selbst bereits abgeschrieben und einfach keinen Ehrgeiz mehr.

Beitrag von Kiffing

@anonym: im Prinzip ist Dein Beispiel mit der Auswahl der zwei Kandidaten wie eine Schachpartie. Wer einfach spielt, kann umso leichter Fehler vermeiden, wer kompliziert spielt, macht eher Fehler (siehe z. B. Arkadij Naiditsch mit seinem ambitionierten Spiel, der sich seine Arbeit aber dann durch Fehler ab und an verbaut). Das Streben sollte also m. E. darum drehen, sowohl kompliziert als auch fehlerlos zu spielen. Bei der dem Schach innewohnenden Komplexität des Spiels ist dies aber ein schwieriges Unterfangen. Carlsen geht dabei m. E. den Weg von Capablanca mit dem Hauptaugenmerk auf Perfektion, ein Naiditsch macht mir hier für meinen Geschmack zu viele Fehler. Ich denke, dem Ideal des sowohl annähernd ambitionierten als auch fehlerfreien Spiels kommt am ehesten Alexander Aljechin nach. Er ist auch mein Lieblingsspieler in der Schachgeschichte. Ich selbst mag an Fehlern übrigens nicht, daß sie einen stark zurückfallen können, und daß man aus Fehlern lernt ist noch das Beste, was man daraus mitnehmen kann. Das sollte nicht in einem lebenslangen "Lernen aus Fehlern" enden. Carlsen ist jetzt wieder zurückgefallen, die 23 Punkte wird er nicht in einem Turnier wieder aufholen können.

Beitrag von Kampfkeks

anonym, das ist eine interessante Geschichte mit dem gescheiterten Soldaten. Ich denke, dass es von charakterlicher Stärke zeugt, wenn man sich von einem Rückschlag nicht komplett aus der Bahn werfen läßt, sondern sich aufrafft und weitermacht. Diese Qualität hat der Soldat aus deiner Geschichte bewiesen und damit nicht zu Unrecht den Posten verdient.Im Schach lohnt sich diese Einstellung nach meiner Erfahrung ganz besonders. Es ist erstaunlich, wie oft man eine verloren geglaubte Partie noch gewinnt, wenn man sich nicht aus der Ruhe bringen läßt und normal weiterspielt. Vermutlich hat die schwächere Partei sogar einen "spiel-psychologischen" Vorteil - die stärkere Partei sieht sich bereits als Sieger und ist infolgedessen nicht mehr ganz bei der Sache.