Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Nur mal kurz drueberschauen!“

schachburg.de

Beitrag von Schlaffi

Hallo Leute!Eine Analyse ist zeitaufwendig und erwarte ich auch garnicht. Meine Frage ist, wie ihr nach kurzem Blick auf die Partie diese beiden Spieler (Rating 1050) bei chess.com einschätzen wuerdet.Ich selber finde dass wir uns auf diesem Level recht gut geschlagen haben. Die positionellen Grundsätze wurden befolgt, Schwarz hat das Zentrum dicht gemacht, da Weiss offene Spiele liebt und taktisch leicht besser spielt.Vor 2 Jahren hatte ich mit Schach bei 1250 (chess,com) aufgehört (zugunsten Halbmarathon laufen) und das ist einer meiner ersten Spiele, nachdem mich der Virus wieder gepackt hat:[Event "Lets Play!"][Site "Chess.com"][Date "2013.12.13"][White "Ich"][Black "Gegner"][Result "1-0"][WhiteElo "1094"][BlackElo "1080"][TimeControl "1 in 3 days"]1.d4 d5 2.Nf3 c5 3.e3 f5 4.c3 c4 5.b3 b5 6.Ne5 Nd7 7.Nd2 Nxe5 8.dxe5 e6 9.Be2 Ne7 10.O-O Ng6 11.Nf3 Be7 12.Nd4 Qd7 13.Bh5 a5 14.a4 O-O 15.Ba3 Nxe5 16.Bxe7 Qxe7 17.Nxb5 g6 18.f4 Bd7 19.fxe5 gxh5 20.bxc4 dxc4 21.Nd6 Rab8 22.Qxh5 Rb3 23.Rf3 Kh8 24.Rh3 Rxc3 25.g4 Rg8 26.Rg3 Rd3 27.Nxc4 Be8 28.Qh3 f4 29.exf4 Qc5+ 30.Ne3 Qd4 31.Rf1 Bxa4 32.f5 Qxe5 33.f6 Bb5 34.f7 Rf8 35.Qh6 Rdd8 36.Rh3 Bxf1 37.Qxh7# 1-0

Beitrag von Schlaffi

[Event "Lets Play!"][Site "Chess.com"][Date "2013.12.10"][White "Gegner"][Black "Ich"][Result "0-1"][WhiteElo "1085"][BlackElo "1092"][TimeControl "1 in 3 days"]1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bc4 d6 4.c3 Bg4 5.h3 Bh5 6.Bb3 Nf6 7.g4 Bg6 8.d3 d5 9.Bc2 Bc5 10.Bg5 h611.Bh4 h5 12.g5 Nd7 13.Qe2 Qe7 14.Nbd2 dxe4 15.dxe4 O-O-O 16.Nf1 Qe6 17.b3 Ba3 18.N1d2 Bb2 19.Nc4 Bxa1 20.Kd2 Nc5+21.Ke3 Bxc3 22.b4 Bd4+ 23.Nxd4 exd4+ 24.Kd2 d3 25.Bxd3 Nxd3 26.Rd1 Nf4+ 0-1

Beitrag von Kiffing

Hallo Schlaffi,Weiß ist offensichtlich ein Hobbyspieler ohne weitergehenden Ambitionen. Er spielt Schach, weil es ihm Spaß macht, aber bei einer Analyse muß man natürlich erwähnen, daß schon die Essentials nicht stimmen, Stichwort: einzügige Figureneinsteller.Bei Deinem Spiel ist mir aufgefallen, daß 3. ...d6?! unnötig passiv ist. Den Läufer sperrt man normalerweise nur ein, wenn er hinten gebraucht wird oder um eine Fesselung des Springers aufzuheben. So etwas "droht" hier aber erst einmal nicht, und so bieten sich die beiden Hauptfortsetzungen 3. ...Lc5 (Italienisch) und 3. ...Sf6 (Zweispringerspiel) an.Du hast richtig erkannt, daß 7. g4? (ein typischer Anfängerfehler) den weißen Königsflügel und die sichere Rochadefestung dramatisch schwächt, und daß man hier den Hebel ansetzen sollte. Dieser Zug ist nicht grundsätzlich schlecht. Man kann ihn spielen, wenn man mit dem Zug den nach g6 vertriebenen Lh5 einsperrt, so daß dieser dann vom Spiel ausgeschlossen ist. Capablanca hat zu dieser Technik einmal eine wegweisende Partie (mit Schwarz) gespielt:[Event "Hastings"][Site "Hastings ENG"][Date "1919.08.15"][EventDate "1919.08.11"][Round "5"][Result "0-1"][White "William Winter"][Black "Jose Raul Capablanca"][ECO "C49"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "58"]1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Nc3 Nf6 4. Bb5 Bb4 5. O-O O-O 6. Bxc6dxc6 7. d3 Bd6 8. Bg5 h6 9. Bh4 c5 10. Nd5 g5 11. Nxf6+ Qxf612. Bg3 Bg4 13. h3 Bxf3 14. Qxf3 Qxf3 15. gxf3 f6 16. Kg2 a517. a4 Kf7 18. Rh1 Ke6 19. h4 Rfb8 20. hxg5 hxg5 21. b3 c622. Ra2 b5 23. Rha1 c4 24. axb5 cxb3 25. cxb3 Rxb5 26. Ra4Rxb3 27. d4 Rb5 28. Rc4 Rb4 29. Rxc6 Rxd4Bronznik und Terekhin nannten diese Technik in ihrem Lehrbuch Techniken des Positionsspiels den "Läuferkäfig". Aber genau das ist hier ja nicht möglich, weil Schwarz seinen Läufer mit ...d5 sofort wieder befreien kann. 8. ...d5 ist sowieso thematisch, der (wenn auch schwache) "Flügelangriff" wird mit dem Gegenschlag im Zentrum beantwortet. Nach dem 12. Zug hing auf d5 ein Bauer, weil der Verteidiger, der Sf6, vertrieben wurde. Danach hast Du den Druck erhöht und den Gegner zu Fehlern "gezwungen". Du bist der deutlich stärkere Spieler.

Beitrag von Schlaffi

Hi Kiffing!Danke fuer die (nett verpackte) Kritik und Hinweise/Verbesserungsvorschläge!Eigentlich sollte nur die Partie von 13.12.2013 erscheinen, da lief was schief.Ist aber trotzdem ok so.Schöne Weihmachten und guten Rutsch!Was g2-g4 angeht: Chernev ("Logical Move") pruegelt einem ein, diesen Zug (und h2-h4) niemals zu machen (Stand: Meisterspiele 1920-1940). Silman sieht das schon bedeutend lockerer. ".. daß 3. ...d6?! unnötig passiv ist"Der Grund: Es sollte eine Art spiegelverkehrter Colle werden. :-)Gruss,S.

Beitrag von zugzwang

[QUOTE=Schlaffi;21202]...Ich selber finde dass wir uns auf diesem Level recht gut geschlagen haben. Die positionellen Grundsätze wurden befolgt, Schwarz hat das Zentrum dicht gemacht, da Weiss offene Spiele liebt und taktisch leicht besser spielt....[/QUOTE]Kritik soll helfen, etwas besser zu machen. Deshalb darf oder muß Kritik auch hart sein.Da ich die Spieler nicht persönlich kenne und mir die chesscom-Wertzahlen wenig sagen, beziehe ich mich auf das, was mir - Spielstärke DWZ 2000 - die Züge der Partie in #1 sagen:1. Schwarz macht mir gleich zu Anfang zu viele Bauernzüge. Die dahinterliegende Idee Deines Gegners hast Du erläutert. Er spielt gegen Deine Vorlieben und will die Stellung geschlossen halten.Für Anfänger ist es wichtiger mit den Prinzipien der Stellung und mit den Prinzipien der Entwicklung als gegen die Vorlieben des Gegners zu spielen.Ich hätte beinahe Gligorics "I Play against Pieces" als Motto für Deinen Schachfreund empfohlen, doch könnte er dies so interpretieren, daß er ja konsequent gegen Deinen Lf1 gespielt hat. Und manchmal ist es eine sehr sinnvolle Strategie gerade gegeneine einzelne Figur des Gegners zu spielen.Nur dürfen dabei die anderen Gegnerfiguren und die eigenen nicht außer Betracht bleiben.2. Dein 2. e3 und 4. c3 ist auch etwas bauernlastig und man könnte an beiden Stellen auch überlegen, ob es Alternativen gibt, die die Entwicklung vorantreiben.3. Dein 5. b3 gefällt mir und auch das b5 des Gegners ist wenigstensstrategisch konsequent,auch wenn eswiederein Bauerzug ist - und vielleicht schon nicht mehr spielbar ist.4. Dein 6. Se5 ist der Zieleinlauf beim Halbmarathon. Warum verfolgst Du nicht konsequent die mit b3 eingeleitete Idee der Bekämpfung der schwarzen Bauernkette? Was hat Dich an 6.a4 gestört? Ähnliche Thematik gegen weiße Kette gibt es im Panov-Angriff.Se5 ist der frühe Vorstoß einer Figur unter Zurückstellung der Entwicklung.5. Deine mit Se5 eröffnete Möglichkeit Dh5+ kann Schwarz mit Sf6 verhindern. Er unterläßt dies und gibt Dir mit Sd7 die Möglichkeit, mit Dh5+ einen frühzeitigen Angriff zu starten.Macht man eigentlich nicht so gern - bei Unterentwicklung -, es sei denn, es geht und bringt handfest was ein.6. Hier war also 7. Dh5+ g6, 8. Sxg6 Sf6, 9. Dh3 (h4) zu berechnen und zu bewerten.Hast Du diese Möglichkeit gesehen und bewertet. Sie wäre eine gewisse Rechtfertigung für das imo verfrühte Se5?

Beitrag von Kampfkeks

Zur ersten Partie:Ich finde die Stellung nach 24...Txc3 sehr interessant:[FEN=001]5r1k/3bq2p/3Np3/p3Pp1Q/P1p5/2r1P2R/6PP/R5K1 w - - 0 1[/FEN] Meiner Meinung nach stehst du besser als Schwarz. Der Springer steht gut und du machst Druck gegen den König. Demgegenüber geht Schwarz mit seinem Turm auf Bauernjagd, was in der Situation nicht konstruktiv sein kann.Ich bin mir nicht sicher, wie du hier am besten hättest weiterspielen können, aber 25.g4 war mMn keine gute Wahl, denn das verstärkt deine Stellung nicht. Im Gegenteil, du schwächst deine Königsstellung und ermöglichst Schwarz damit einen Gegenangriff, wie der weitere Partieverlauf ja auch zeigt.Ich persönlich hätte hier versucht, den Ta1 ins Spiel zu bringen.

Beitrag von zugzwang

[QUOTE=Kampfkeks;21208]Zur ersten Partie:Ich finde die Stellung nach 24...Txc3 sehr interessant:..[/QUOTE]Das ist sie wirklich und bietet guten Stoff für konkrete Analyse und Stellungseinschätzung, auch wenn es schon sehr spät bzw. früh ist. [QUOTE=Kampfkeks;21208]...Meiner Meinung nach stehst du besser als Schwarz. Der Springer steht gut und du machst Druck gegen den König. Demgegenüber geht Schwarz mit seinem Turm auf Bauernjagd, was in der Situation nicht konstruktiv sein kann.Ich bin mir nicht sicher, wie du hier am besten hättest weiterspielen können, aber 25.g4 war mMn keine gute Wahl, denn das verstärkt deine Stellung nicht. [/QUOTE]Den ersten Teil möchte ich zur Diskussion stellen.Nur ein Blick mit schön müden Augen:Der Springer steht zwar sehr schön und Weiß drückt auf der h-Linie.Andererseits: Wie geht es weiter? Kann der S mehr als schön stehen? Springt beim Aufmarsch auf der h-Linie etwas raus? Wie kann Weiß seine Stellung verstärken?Der Ta1 ist sicher ein Thema.wie sieht es bei Schwarz aus? Ist sein König stark gefährdet oder wird der Ld7 via c6-d5 ein Riese? die Bauernstruktur spricht für Schwarz.Meine müde Einschätzung:Strukturell steht S klar besser (Bauernschwächen a4, e5, e3 - sFreibauer c4), Damentausch könnte ihn begünstigen, weil dann sein K sicherer steht. W muß konkret etwas vorweisen, z.B. gegen den sK.Der sTc3 steht aktiv. Vielleicht muß man ihn abtauschen!? Ist e3-e4 eine Idee?Keks Einschätzung zu g4 teile ich. Das sieht brutal schwächend aus. wenn man die weiße stellung als gar nicht vorteilhaft ansieht, käme dieser Zug erst gar nicht in die Auswahl bzw. gehört in die Rubrik Verwirrung des Gegners wegen eigener Verzweiflung.

Beitrag von Schlaffi

Danke auch an @KampfKeks und @Zugzwang fuer eure Muehe!Sollte ich mal wieder eine Partie posten, schreibe ich bei jedem Zug daneben, was ich dachte und vor hatte, ich glaube das nuetzt ungemein - und zeigt, dass man sich nicht nur "bedienen" lassen will.Schöne Weihnachten!Gruss,S.

Beitrag von zugzwang

[QUOTE=Schlaffi;21211]...Sollte ich mal wieder eine Partie posten, schreibe ich bei jedem Zug daneben, was ich dachte und vor hatte, ich glaube das nuetzt ungemein - und zeigt, dass man sich nicht nur "bedienen" lassen will....[/QUOTE]Das ist sehr gut!Ich kenne aber keinen Spieler, der das so durchhält (selbst in den sehr guten "Zug um Zug"-Büchern), weil es sehr aufwendig und arbeitsintensiv ist.In einer abgespeckten Form ist dies eher praktikabel und für mehr Partien durchführbar.Wenn Du so eine Art Zugtagebuch führst, dann hast Du schon eine Grundlage für die Selbstkontrolle, kannst Motive und Motivation nachvollziehen, Gründe für Irrtümer und Fehleinschätzungen finden usw.Eine abgespeckte Form ist es, wenn Du (vermeintliche) wendepunkte in der partie hinsichtlich Deiner Gedanken und Berechnungen näher beschreibst.Stellen, an denen Du unsicher bist/warst, Schwierigkeiten hattest, Dich zu entscheiden oder eine Idee zu finden.Alles sehr viel Arbeit und zeitintensiv - Marathon und nicht Halb-Marathon;).Ein Beispiel, was Aufzeichnungen und Darstellungen bringen könn(t)en, zeigt meine müde Beurteilung der von Kampfkeks angesprochenen Stellung.Ich meinte,daß man sehr konkret suchen müßte, gerade aus weißer Sicht. Dann äußerte ich die Vermutung, daß Damentausch für Schwarz günstig ist - wegen der vielen Bauernschwächen bei Weiß, die sich im Endspiel besonders auswirken und wegen der geringeren Gefahr für den sK nach Damentausch.Diese kurze Darstellung zeigt, warum ich den vielleicht stärksten weißen Zug Dh4 anstatt g2 nicht gefunden hätte. Es ist gerade der Damentausch, der aber an dieser stelle ganz konkret interessant und brauchbar ist, weil der schwarze Bauer c4 sogleich angegriffen und wohl auch erobert wird.Dies habe ich nicht selbst gefunden, sondern erst nachdem ich "Ängie" zuschaltete.Meine grundsätzlichen Überlegungen sind vermutlich nicht ganz falsch, doch die eigene vorgabe.konkret zu suchen, habe ich nicht ausreichend umsetzen können und vermutlich hätte mir die Grundsatzeinschätzung (W tauscht vorerst nicht die Damen!) die Kandidateneingrenzung ohnehin verbaut.Schach ist schon kompliziert - als Marathonmann bringt man gute Voraussetzungen für Verbesserungen mit: Ausdauer, Bereitschaft sich anzustrengen/ zu quälen, Bewältigung von Rückschlägen, Trainingsfleiß