Beitrag von Kiffing
Der Hypermoderne Gyula Breyer hat ja einst mit seinem Springerrückzug nach b8 in der Spanischen Partie einen verblüffenden, weil widersinnig scheinenden, jedoch tiefgründigen Zug gewählt, dessen Idee sich behaupten und durchsetzen konnte. Wie alle Hypermodernen strebte er danach, neue Wege im Schach zu bestreiten. Einen ähnlich widersinnig anmutenden Zug gibt es in der Variante 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. 0-0 Le7 6. Te1 b5 7. Lb3 d6 8. c3 0-0 9. h3 Sa5 10. Lc2 c5 11. d4 Sd7. Was ist davon zu halten? Schwarz leistet sich abermals einen tempoverzehrenden Springerrückzug und blockiert zudem seinen Lc8. Dieser möchte aber ohnehin nach b7, zudem werden der Lf6 sowie der f-Bauer befreit, so daß der starke Vorstoß des schwarzen f-Bauern in der Luft liegt. Zudem strebt der Sd7 nach der Klärung im Zentrum nach e5. Nach 12. Sbd2 cxd4 13. cxd4 Sc6 ist 14. Sb3 angezeigt, Zapp Brannigan brachte hier sogar 14. a3 ins Spiel. Einen taktischen Witz möchte ich nicht vorenthalten, so überrascht Schwarz Weiß nach 14. Sf1?! exd4 15. Sxd4 Sxd4 16 Dxd4 Se5 17. Se3/Sg3 mit 17. ...Lxh3! Weiß wurde hier das schablonenhafte Spiel zum Verhängnis, der diese Partie nach allgemeinen Kriterien in der spanischen geschlossenen Partie anwandte und keinerlei Verständnis für die Besonderheiten der Idee 11. ...Sd7 und der auf dieser Idee basierenden Variante aufbrachte. Wie schätzt ihr die Idee rund um den Zug 11. ...Sd7 ein? Meinen Erfahrungen nach ist dieser Zug für mich seit langer Zeit die größte Herausforderung im Spiel gegen den geschlossenen Spanier.Beitrag von Zapp Brannigan
Ok, da hats ein paar halbwahrheiten.- 11...Nd7 wird nicht "zweiter Breyer" genannt sondern die Keres-Varianten. Des weiteren wird die variante 12.Nbd2 exd4 Graf-variante genannt nach Alexander Graf (früher Nenashev)
- Das Breyer-manöver 9...Nb8 ist einiges "widersinniger" als das Keres manöver 11...Nd7, weil man beim Breyer-manöver den springer wieder auf sein ursprungs-feld zurücksetzt. Der Keres-zug 11...Nd7 hingegen verteidigt den doppelt angegriffene bauern e5.
- Der läufer geht eigentlich nie nach b7, sondern nach d7 oder e6 (oder h3 wenn weiss nicht aufpasst) nachdem der springer auf d7 entweder nach e5 oder b6 gegangen ist
- Es gibt zwei total unterschiedliche spielweisen in der Keres-Variante: (a) Das ältere, von Keres gespielte 12.Nbd2 cxd4 13.cxd4 Nc6, welches grosse ähnlichkeiten mit 11...Qc7 12.Nbd2 cxd4 13.cxd4 Nc6 hat mit ein paar kleinen aber feinen unterschieden. (b) das aktuell beliebtere, von Graf gespielte 12.Nbd2 exd4 13.cxd4 Nc6. Diese variante führt nach dem kritischen 14.d5 zu einer Benoni-struktur, was dem schwarzen dank der asymetrischen bauernstruktur grössere gewinn, aber auch grössere verlust-chancen gibt.
- Die idee von 14.Nb3 ist es d4 zu überdecken. Schwarz möchte auf zweimal auf d4 nehmen, um danach seinen springer auf das feld e5 und seinen läufer auf f6 stellen, wonach er dynamisches figurenspiel bekommt. Aber schwarz will nicht, dass weiss auf d4 zweimal mit dem springer zurücknehmen kann, weil er zu dominant darauf wäre. Hier kommt auch 14.a3 ins spiel, es ist ein abwartezug. Nach 14...exd4 15.Nb3! bekommt weiss trotzdem einen springer nach d4. Da aber 14.a3 eher als tempoverlust gesehen wird ist diese stellung trotzdem ok für schwarz.
- 11...Nd7 12. Nbd2 cxd4 13. cxd4 Nc6 14. Nb3 a5 15. Be3 a4 16. Nbd2 exd4 17. Nxd4 Nxd4 18. Bxd4 Ne5 gibt schwarz gute chancen, kritischer ist 15.Bd3, wonach schwarz entweder mit 15...Ba6 seinen läufer etwas ins abseits stellt oder wie romanishin mit 15...a4 16. Bxb5 Qb6 17. Bxc6 Qxc6 18. Nbd2 Bf6 einen bauern für läuferpaar und spiel am damenflügel opfert.
- 14.d5 ist ebenfalls einen möglichkeit, aber im gegensatz zu den 11...Qc7-varianten hier etwas weniger stark wegen 14. d5 Nb4 15. Bb1 a5 16. a3 Na6 17. b4 Nb6! was den turm auf a8 deckt und weiss zu einer klärung der situation zwingt.