Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Eine "nationalsozialistische Eröffnung" - das Blackmar-Diemer-Gambit“

schachburg.de

Beitrag von Kiffing

Emil Joseph Diemer galt in der Nazizeit als Chefideologe im deutschen Schach, dessen Bestreben es gewesen war, einen Schachstil gemäß der nationalsozialistischen Ideologie zu entwickeln. In dieser Rolle kreierte er mit dem teilweise auch nach ihm benannten Blackmar-Diemer-Gambit (kurz: BDG), das nach den Zügen 1. d4 Sf6 2. Sc3 d5 3. e4 dxe4 4. f3 entsteht, eine Schacheröffnung, die zu 100 Prozent von dem neuen Geist erfüllt war. Denn in dieser Eröffnung lassen sich alle Ideale des NS-Regimes ablesen: Die vom Urheber seinem System gewidmete Parole: "Vom ersten Zug auf Matt" erfüllt sich tatsächlich in dieser Eröffnung, weil Weiß, dem in dieser Eröffnung, wenn Schwarz nicht aufpaßt, eine Vielzahl von taktischen Tricks und Kombinationen zur Verfügung stehen können, konsequent auf Königsangriff setzt. Ein Endspiel ist in dieser Eröffnung nicht vorgesehen. Entweder schlägt der Königsangriff durch oder Weiß geht mit wehenden Fahnen unter. In dieser Eröffnung sollen sich also Tapferkeit, Kampfgeist, Abenteuerdrang und ganz generell das von Diemer dem "feigen jüdischen Sicherheitsschach" gegenübergestellte Ideal vom "gefährlich leben" widerspiegeln. In gewisser Weise wird hier sogar die nationalsozialistische Blitzkriegsstrategie im Zweiten Weltkrieg antizipiert, und der Drang, dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen, ist unverkennbar.Wie geht es euch so? Nehmt ihr das Gambit an oder lehnt ihr es lieber ab? Diese Frage hängt nicht nur von objektiven Gründen hinsichtlich der Stärke dieses Eröffnungssystems ab, sondern berührt in hohem Maße auch die stilistischen Vorlieben der Schwarzspieler. Ich selbst lehne dieses Gambit z. B. ab, weil es mir einfach zu heiß ist. Nicht nur spüre ich hier die Atmosphäre von Pulverdampf, Blut und Kanonendonner. Mir liegt es einfach nicht, mich an einem Bauern zu klammern, nur um irgendwie zu überleben. Natürlich ist hier Weiß der aktive Part, während Schwarz zur genauen Verteidigung verdammt ist. Eine gute Ablehnung besteht in 1. d4 Sf6 2. Sc3 e6 und Schwarz hat alle Probleme gelöst und Weiß kommt zumindest nicht aus der Eröffnung heraus zu dem von ihm angestrebten Angriffsspiel. Nach 3. e4 d5 4. e5 Sfd7 geht das Spiel z. B. in die Hauptvariante eines gewöhnlichen Steinitzfranzosen über. PS.: Beim Rilton-Cup in Stockholm 1973 fiel der alternde Diemer durch eine weitere Eröffnungskreation auf, gegen die Tony Miles´ 1. e4 a6 gegen Anatoli Karpow noch solide wirkt. Gegen den Schweden Pär Hammergren wählte er auf 1. Sf3 f6? und gewann sogar die Partie.

Beitrag von Zapp Brannigan

Die eröffnung kann ja nichts dafür, dass sie von einem Nazi gespielt resp. erfunden wurde. Die idee vom ersten zug an auf matt zu spielen finde ich durchaus attraktiv, aber das BDG ist evtl. der falsche weg...Das BDG mit französisch abzulehnen scheint mir wenig zweckmässig, schon gar nicht wenn man nicht französisch spielt sonst. Vor allem wird der BDG-spieler auch gegen französich irgend ein gambit auspacken, z.bsp. 1. d4 Nf6 2. Nc3 e6 3. e4 d5 4. Bg5 dxe4 5. f3. Auch musst du auf diese zugfolge bereit sein:1. d4 Nf6 2. f3 was von BDG-spielern als "genauer" angeschaut wird.Ich hatte das BDG noch nie in einer turnierpartie, in schnellpartien habe ich folgendes system mit erfolg angewandt:1. d4 d5 2. e4 dxe4 3. Nc3 Nf6 4. f3 c6 A) 5. fxe4 e5 6. Nf3 exd4 7. Qxd4 Qxd4 8. Nxd4 mit der besseren bauernstrukturB) 5. Bc4 exf3 6. Nxf3 Bf5 7. O-O e6 8. Ne5 Bg6 und der angriff geht nicht durch, in den stellungen sollte der läufer auf d3 stehen, geht aber nicht...

Beitrag von Zapp Brannigan

Aus aktuellem anlass, hatte letzten samstag das erste mal das BDG in einer gewerteten partie:[Event ""][Site "CSE"][Date "2016.06.18"][Round "4"][White "Philip J. Fry"][Black "Zapp Brannigan"][Result "1/2-1/2"][WhiteElo "1734"][BlackElo "1965"][ECO "D00u"][EventDate "2016.06.18"][FlipB "1"]1.d4 d5 2.e4 dxe4 3.Nc3 Nf6 4.f3 c6 5.fxe4 e5 6.d5 $2 Bb4 7.Bg5 Qa5 8.Bd2 O-O9.a3 Bxc3 10.Bxc3 Qb6 11.Bd3 cxd5 12.exd5 Nxd5 $6 ( 12...Rd8 $1 )13.Bxh7+ Kxh7 14.Qxd5 Qe3+ 15.Ne2 Nc6 16.Bd2 Qb6 17.Bc3 Rd8 $2 ( 17...Be6 $1 )18.Qxf7 Bg4 19.Qf2 $1 Qxf2+ 20.Kxf2 Bf5 21.Rac1 Rac8 22.Be1 Nd4 23.Nxd4 Rxd4 24.c3 Rdd8 25.h4 b5 26.Kg3 Be6 27.Rf1 Kg6 28.Kh2 a5 29.Bg3 Rd2 30.Rf2Rxf2 31.Bxf2 Rd8 32.Be3 Rd3 33.Bg5 a4 34.Re1 Kf5 35.g4+ Kxg4 36.Rxe5 Bc4 37.Re4+ Kh5 38.Rd4 Rxd4 39.cxd4 Kg4 40.Kg2 g6 41.Kf2 Kf5 42.Ke3 Bd5 43.Kd3Bc4+ 44.Kc3 Ke4 45.Bf6 Kd5 46.Be5 Ke4 1/2-1/2Ich kam ziemlich gut aus der eröffnung, 6.d5 ist einfach zu langsam. Leider habe ich dann zweimal falsch weitergespielt, 12...Nxd5 gibt schon mal viel vom vorteil ab (12...Rd8!), ich habe zwar 13.Bxh7 gesehen, dachte aber mit dem weissen König im Zentrum ist die weisse stellung quasi futsch. Die weissen verteidigungs-resourcen sind aber doch grösser als erhoft. 17...Rd8? hat dann einfach einen bauern auf f7 eingestellt, vor allem weil weiss mit 19.Qf2 den damentausch erzwingen kann, wonach er ein endspiel mit mehrbauer hat. Dank den ungleichen läufern konnte ich dann zumindest dieses halten...