Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Die Funktion des Spielens für die eigene Entwicklung“

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Beitrag von Kiffing

Es gibt immer wieder verschiedene Spieler über 2000, die behaupten, sie würden nie trainieren, sondern nur spielen. Das kann natürlich der ähnliche Effekt sein wie bei guten Schülern, die behaupten, noch nie für die Schule gelernt zu haben. Der Appell an die anderen ist klar, ich habe es nicht nötig zu lernen, ich bin halt so gut. Und ob man diesem Bekenntnis von daher unbedingt Glauben schenken mag, ist also nicht unumstritten. Trotzdem gibt es auch von einigen Trainern Ratschläge, daß das eigene Spielen am wichtigsten sei.Ich als Jugendtrainer, der auch aus eigener Erfahrung berichten kann, denke, daß Spielen am Anfang der Entwicklung tatsächlich das Zuträglichste ist. Man lernt, wie die Figuren ziehen, lernt, sich überhaupt einmal richtig ins Spiel zu orientieren und lernt einige Dinge kann, auch die man später achten kann. Man sammelt Erfahrung, die man praktisch verwerten kann. Doch irgendwann gibt es dann eine Stufe, an der man seine Probierspiele erst einmal erschöpft hat. Man beginnt zu stagnieren und kommt nicht mehr so schnell voran. Und spätestens da ist für mich die Stelle gekommen, wo gutes Training einem weiterhilft.Praxis ohne Theorie ist schal und Theorie fehlt ohne der Praxis die Basis. Die richtige Lösung wäre also die Verbindung von Praxis und Theorie. So lernt man im Training die Theorie, und wenn man dann dabei noch spielt, kann man das Gelernte in praktischen Partien umsetzen, so daß es sich noch mehr festigt und wo wieder wichtige Erfahrungspunkte gesammelt werden können. Von daher mein Appell an die Lernenden, laßt euch von diesen +2000ern nichts einreden. Entweder stimmt es nicht, was sie womöglich stolz von sich behaupten, oder sie mögen zwar selbst recht talentiert sein, aber mit Training stünden sie sicher noch viel weiter oben da. Grundsätzlich meine ich, daß wer Talent hat, aber nicht trainiert, sein Talent verschludert. Ist aber natürlich eines jeden Spielers gutes Recht. Dann ist Schach aber wirklich nur ein Hobby und nicht mehr. Wie seht ihr die Verbindung Training und Spielen?

Beitrag von hako

Schach ist ein Spiel/Sport (man kann sich drüber streiten ;)), das/den man nur durch das Kennen der Regeln erst einmal spielen kann. Genau wie Fußball muss man sich nicht von Beging an Techniken aneignen, um das überhaupt spielen zu können. Die Regeln sind wichtiger. Um einmal das Gegenteil zu demonstrieren: bei Tennis und Tischtennis kann man nicht gleich von Beginn losspielen. Man muss sich zuerst fundamentale Techniken wie "wie muss ich schlagen, damit der Ball hinüber fliegt" aneignen, damit man überhaupt spielen kann. Nur die Regeln zu kennen, nützt einem gar nichts. Es kann zwar jeder von einen Ball treten oder ihn werfen. Einen Ball mit einem Schläger zurück zu befördern, erfordert erstmal Übung. :hmpf: An der Stelle ist anzumerken, dass das Ziehen von Schachfiguren an Regel und NICHT als Technik zählt. :nono:Um wieder zum Thema zu kommen: Man braucht keinerlei Technik, um Schach spielen zu können. Daher kann der Anfänger erst einmal spielen, um sich damit vertraut zu machen. Danach kann man im Training die "Techniken" (Eröffnungstheorie, Taktik, usw.) vermitteln, die der Anfänger dann direkt ins Spiel einbauen kann.Bei Leuten, die jetzt sagen, sie hätten nie trainiert, muss man vorsichtig sein. Pauschal zu sagen, dass die das alles durch reines Spiel können, halte ich für falsch. Vielleicht üben die ja zuhause :rolleyes2: nicht, sondern schauen nur ab und zu mal beim Vereinstraining zu oder lassen sich von anderen etwas erklären. Wer weiß, was die unter Training verstehen. Um das am Schulbeispiel zu verdeutlichen: Mag sein, dass manche Schüler zuhause nicht lernen und trotzdem alles können. Zu sagen, dass können die halt, ist aber einfach nur falsch. Die haben halt "in der Schule geübt". Wozu gibt es Unterricht. Wenn die das von vorn herein alles können, wären sie bestimmt nicht in der Schule. Sie lernen einfach schneller und verstehen besser.Letztendlich hat jeder geübt, ob er es bewusst gemacht hat oder unbewusst. Reines Spiel kann auch Training sein (meiner Meinung nach das beste überhaupt;)). Aber ohne jede Hilfe und ohne jeden Tipp oder Hinweis wird keiner von denen, die sagen, sie hätten nie geübt, 2000+ DWZ erreicht haben. Dann hätten die ja all die taktischen Motive sich selber ausgedacht. :confused: Eröffnungen kann man zwar noch kopieren, aber Taktik und Endspiel auf so hohem Nivieau kann man sich ohne Übung oder Training nicht aneignen.Fakt ist, mit "Training" (was immer sie darunter verstehen) wären sie besser.

Beitrag von Mufasa

Die Praxis ist im Schach schlichtweg das Element um die eigene Spielstärke voran zu treiben und so ist das Spielen ansich ungemein wichtig! Die 2000er, die behaupten ohne Training ihre Zahl erreicht zu haben vergessen eventuell die ein oder andere Taktiksitzung oder so manchen Blick in ein Eröffnungsbuch, bzw den "Eröffnungsrat" einer Engine - dennoch kann man mit relativ wenig Training und auch nicht allzu großem Talent durchaus in diesen "Wertungsbereich" kommen (das ist keine Hexerei!). Um das etwas genauer betrachten zu können müsste man allerdings den Begriff "Training" erstmal definieren. Dieser kann so unterschiedlich und für jeden persönlich zugeschnitten sein, dass eine für das Threadthema allgemeine Definition schwer möglich ist - ist es Training wenn ich einmal die Woche für eine halbe Stunde Taktikaufgaben löse und zudem noch ein paar Großmeisterpartien durchklicke?! womöglich ja, und das sollte wenn man den folgenden wichtigen Punkt beachtet schon für den angesprochenen Stärkebereich auslangen! Der andere trainiert "richtig" und investiert etliche Stunden - löst Taktik- & Endspielaufgaben, versucht die Pläne von diversen Eröffnungen per Buch zu verstehen und prägt sich hierbei womöglich Varianten bis in Zug 15-20 ein... ja, auch dies ist natürlich Training (wohl sogar das bessere) - man sieht allein an diesen zwei unterschiedlichen "kurzen Formen" die große Breite bei der Interpretation von Training.Der gerade im Hobbybereich (bis circa 2000) oft vernachlässigte Teil der schachlichen Entwicklung ist schlicht sich genug Praxis abzuholen. Die hier schon in den Raum gebrachte "These" dass Vielspielen gerade im Anfängerbereich wichtig sei, danach aber ohne Training nicht mehr viel geht halte ich für falsch, oder sagen wir ausbaubar! Praxis dient der Erfahrung, man kann Fehler machen die für das Weiterkommen immens wertvoll sind und lernt so schneller dazu. Ok, sagen wir mal der Anfängerstatus endet bei 1200 (eine genau Zahl kann man dafür eh nicht finden) - sollte man sich nun aufs Training konzentrieren?! mMn nein, kannst du die Zugregeln (hoffe ich bei der Spielstärke doch :)) und noch viel wichtiger die grundlegenden Eröffnungsregeln - das reicht gepaart mit etwas Taktiktraining die Woche schon aus um eine Karriere als Turnierspieler zu starten! Und dabei gilt es vor allem eines zu beachten - man sucht sich keine Turniere um fürs eigene Ego (oder was auch immer) deutlich schwächere verprügeln zu dürfen, sondern nimmt in erster Linie an Wettkämpfen teil wo der Großteil der Gegnerschaft deutlich über der eigenen Zahl liegt. Genau dieser Punkt ist eigentlich noch viel wichtiger als das reine Spielen - z.B. als 1300er nützt es dir schachlich gesehen null wenn du 9 aus 10 gegen 1100er holst - wenn du dagegen im ersten Moment 2,5/10 vs. 1600er holst bringt einem das viel mehr und es lehrt einem zudem noch etwas nicht zu verachtendes. Wer stärker werden will muss früh lernen mit Niederlagen umgehen zu können (diese umso intensiver analysieren und aus den Fehlern lernen - aus jeder Niederlage wird man so stärker - zwingt euch also auch mal zum verlieren und das geht am besten indem man gegen stärkere (die zeigen einem die eigenen Fehler auch schon während der Partie deutlicher auf als gleichstarke) spielt!) - ein weiterer Punkt der bei Partien gegen stärkere häufig auftritt ist, dass man sich auf einmal auch mal verteidigen muss und das will gelernt sein! "ein richtig guter wird nur derjenige werden, der nicht nur angreifen sondern sich auch exzellent zu verteidigen weiss!"Wer da dabei bleibt, bei dem werden auch die Erfolge kommen, ob später dann mit oder ohne "richtiges" Training und wenn die Gegnerstärke im Schnitt bei +200 zur eigenen Zahl bleibt so wird aus dem 1200er in schnellstmöglicher Zeit alleine durch Erfahrung ein ordentlicher 17/1800er werden. Dazu braucht es eigentlich nicht mal viel Talent sondern nur die (seltene) Gabe mit Niederlagen umgehen zu können! Wer dann auf +2000 kommen will benötigt ohne jegliches Talent sicherlich etwas Arbeit, bzw dauert es schlicht länger... aber auch da gilt regelmäßig gegen 1900/2000/21er spielen (die kochen auch nur mit Wasser und einige lassen es regelmäßig überkochen ;)) + jetzt vielleicht mal den ein oder anderen Blick in ein Endspielbuch (praxisnahe Endspieltaktik am besten) werfen, da werden bis zu den 24 noch massenweise Punkte liegen gelassen! Was auch nicht fehlen sollte bei den ganzem Turnier spielen ist die Nachbereitung der eigenen Partien - am besten analysiert man schon direkt nach dem Spiel mit dem Gegner und dann tiefergehend mit stärkeren Spielern aus dem Verein! Und wie hako schon anmerkte ist diese Form des Trainings womöglich die beste und eben auch schon jenes (ganz ohne geht es also sicherlich nicht wenn man in den Meisterkandidatenstatus vorstossen will).Kurzum: die Mischung machts! :top: aber für die Wertzahl (Spielstärke ist ja unklar zu messen) ist viel Praxis ohne Training auf jeden Fall besser als viel Training mit nur wenig (oder zu schwacher) Praxis!![QUOTE=hako;7891]Eröffnungen kann man zwar noch kopieren, aber Taktik und Endspiel auf so hohem Niveau kann man sich ohne Übung oder Training nicht aneignen.Fakt ist, mit "Training" (was immer sie darunter verstehen) wären sie besser.[/QUOTE]Eröffnungen "kopieren" geht ab 1850 mit Sicherheit schief - natürliche Eröffnungszüge wählen und sich durch Erfahrung eine für diese Spielstärke angemessene Stellungseinschätzung (brennt nach diesem oder jenen Zug das Brett oder geht es eher ruhig weiter?) reicht völlig aus. Wenn du damit leben kannst im Endspiel null Plan zu haben wieso die Stellung denn nun so ausging, dann ist auch das bis 2000 kaum nötig (da haben die meisten genauso wenig Ahnung von der Materie) - Taktiktraining ist der Schlüssel zum Erfolg und ja, genau dort darf man die Übung nicht komplett weglassen (da dürften allerdings schon täglich 10 Minuten auf chesstempo oder dergleichen Wunder bewirken!). Yep, da muss ich dir Recht geben - mit vernünftigem Training wären einige wohl deutlich besser (jedoch ist der enorme Zeitfaktor beim Schach nicht zu verachten (wenn man in höhere Regionen kommen will) und damit eben ein nicht geringes "Opfer" verbunden, so dass es die meisten bei ihren 21/22 mit mittelmässigem bis gar keinem richtigem Training belassen)!