Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Rubinsteins Unsterbliche“

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Beitrag von Kiffing

Akiba Rubinstein war für sein tiefes, schönes und erfolgreiches Spiel in der Schachwelt hochgeschätzt. Die folgende Partie gilt als seine allerbeste Partie und steht gleichberechtigt mit vielen anderen großen Meisterpartien auf dem Schach-Olymp. Nach einem fein vorbereiteten Angriff schlägt Rubinstein im 22. Zug zu. Die darauffolgende Kette an Traumzügen bildet eine der schönsten und tiefsten Kombinationen, die jemals in der Schachwelt gespielt worden ist.[Event "Lodz"][Site "Lodz"][Date "1907.??.??"][EventDate "?"][Round "?"][Result "0-1"][White "Georg Rotlewi"][Black "Akiba Rubinstein"][ECO "D32"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "50"]1.d4 {Notes by Carl Schlechter and Dr. Savielly Tartakower.}d5 2.Nf3 e6 3.e3 c5 4.c4 Nc6 5.Nc3 Nf6 6.dxc5 {Tartakower:Less consistent than 6.a3 or 6.Bd3, maintaining as long aspossible the tension in the center.} Bxc5 7.a3 a6 8.b4 Bd69.Bb2 O-O 10.Qd2 {? Schlechter: A very bad place for thequeen. The best continuation is 10.cxd5 exd5 11.Be2, followedby O-O. *** Tartakower: Loss of time. The queen will soon haveto seek a better square (14.Qe2). The most useful move is10.Qc2.} Qe7 {! Schlechter: A fine sacrifice of a pawn. If11.cxd5 exd5 12.Nxd5? Nxd5 13.Qxd5 Rd8! and Black has a strongattack.} 11.Bd3 {Schlechter: Better was 11.cxd5 exd5 12.Be2.}dxc4 12.Bxc4 b5 13.Bd3 Rd8 14.Qe2 Bb7 15.O-O Ne5 {!Schlechter: Introduced by Marshall and Schlechter in a similarposition with opposite colors, but here with the extra moveRd8.} 16.Nxe5 Bxe5 {Tartakower: Threatening to win a pawn by17...Bxh2+ 18.Kxh2 Qd6+. Whites next move provides againstthis, but loosens the kingside defenses.} 17.f4 Bc7 18.e4 Rac819.e5 Bb6+ 20.Kh1 Ng4 {!} 21.Be4 {Schlechter: There is nodefense; e.g., 21.Bxh7+ Kxh7 22.Qxg4 Rd2 etc.; or 21.h3 Qh422.Qxg4 Qxg4 23.hxg4 Rxd3, threatening ...Rh3 mate and...Rxc3; or 21.Qxg4 Rxd3 22.Ne2 Rc2 23.Bc1 g6! threatening...h5; or 21.Ne4 Qh4 22.h3 (if 22.g3 Qxh2+ 23.Qxh2 Nxh2 andwins.) 22....Rxd3 23.Qxd3 Bxe4 24.Qxe4 Qg3 25.hxg4 Qh4+ mate.}Qh4 22.g3 {Schlechter: Or 22.h3 Rxc3! 23.Bxc3 Bxe4 24.Qxg4Qxg4 25.hxg4 Rd3 wins. *** Tartakower: The alternative 22.h3,parrying the mate, would lead to the following brilliant linesof play: 22...Rxc3! (an eliminating sacrifice, getting rid ofthe knight, which overprotects the bishop on e4) 23.Bxc3 (or23.Qxg4 Rxh3+ 24.Qxh3 Qxh3+ 25.gxh3 Bxe4+ 26.Kh2 Rd2+ 27.Kg3Rg2+ 28.Kh4 Bd8+ 29.Kh5 Bg6+ mate) 23...Bxe4+ 24.Qxg4 (if24.Qxe4 Qg3 25.hxg4 Qh4+ mate) 24...Qxg4 25.hxg4 Rd3 with thedouble threat of 26...Rh3+ mate and 26....Rxc3, and Blackwins. Beautiful as are these variations, the continuation inthe text is still more splendid.} Rxc3 {!!} 23.gxh4 Rd2 {!!}24.Qxd2 Bxe4+ 25.Qg2 Rh3 {!} 0-1Viele sagen, daß Rubinstein der stärkste Nicht-WM der Schachgeschichte gewesen sei. Akiba Rubinstein war allerdings ein bescheidener, zurückhaltender und später auch nervlich überspannter Mann, der für sein Schach nie so aktiv geworben hat wie es Nimzowitsch und Tarrasch taten. Dadurch erhielt sein Schach nie den Stellenwert, den es verdiente. Es sind so eher die Experten, die um seine überragende Bedeutung für die Schachentwicklung wissen.

Beitrag von hako

Im 14 Zug haben Weiß und Schwarz eine fast symmetrische Stellung, nur hat Weiß noch nicht rochiert und den Turm nicht auf d1; sprich 2 Tempo verloren.. :confused:Schöne Kombi am Ende :top:

Beitrag von zugzwang

Kiffings Beschreibung hält auch der Soltisschen Überprüfung stand:Rank 10 mit 87 Punkten: Overall 20, originality18, opposition14, soundness18, Breadth/depth 17.Soltis kurze Anmerkungen zu Gersz Rotlewi (1889-1920) - [url]http://en.wikipedia.org/wiki/Gersz_Rotlewi[/url] - sind nicht uninteressant:Rotlewi gewann als relativ Unbekannter Haupturnier A in Hamburg 1910 und erhielt dafür den Meistertitel sowie eine Einladung zum Karlsbader Turnier 1911 - [url]http://en.wikipedia.org/wiki/Carlsbad_1911_chess_tournament[/url] -, eines der stärksten Turniere dieser Ära. (John Nunn hat zu diesem Turnier eine ganz eigene Meinung). Dort gewann Rotlewi gegen Nimzowitsch, Schlechter, Marshall und Spielmann und hätte (evtl.) den 1. Platz geteilt, wenn er die letzte Partie gewonnen hätte (4. Platz mit 16 aus 25 - 1. Teichmann 18, 2.-3. Rubinstein, Schlechter 17, 5.-6. Nimzowitsch, Marshall 15,5).In der 25. Runde verlor er gegen Leonhardt.Kurz nach diesem brillanten Auftritt erkrankte Rotlewi (Nerven) und spielte niemals wieder.Die erste Runde des Turniers sah das erneute Aufeinandertreffen von Rotlewi und Rubinstein:[Event "Karlsbad"][Site "Karlsbad"][Date "1911.08.21"][EventDate "1911.08.21"][Round "1"][Result "1/2-1/2"][White "Georg Rotlewi"][Black "Akiba Rubinstein"][ECO "D33"]1.d4 d5 2.Nf3 c5 3.c4 e6 4.cxd5 exd5 5.Nc3 Nc6 6.g3 Nf6 7.Bg2Be6 8.O-O Be7 9.dxc5 Bxc5 10.a3 O-O 11.b4 Be7 12.Nd4 a5 13.b5Ne5 14.Nxe6 fxe6 15.Qd4 Nf7 16.Bh3 Qd6 17.Rd1 Rac8 18.Bb2 Ng519.Bg2 Qb8 20.Qh4 h6 21.Kh1 Rf7 22.Qf4 Nfe4 23.Qxb8 Nxf2+24.Kg1 Rxb8 25.Rdc1 Bc5 26.Nxd5 Nd3 27.Rxc5 Nxc5 28.Nf4 Rd829.h4 Nge4 30.Nxe6 Nxe6 31.Bxe4 Rd2 32.Bc3 Rxe2 33.Bd5 Kh834.Bxa5 Rd7 35.Bc4 Re4 36.Rc1 Nd4 37.Kg2 Re3 38.Rf1 g6 39.Bb6Rxa3 40.Bxd4+ Rxd4 41.Rf8+ Kg7 42.Rf7+ Kh8 43.Rf8+ 1/2-1/2 Laut User-Kommentaren bei chessgames.com[url]http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1000617[/url]ist diese Partie nur eine von 2 (!!) Remispartien Rotlewis in diesem Turnier

Beitrag von Kiffing

In der Deutschen Zeitung Bohemia von 1926 hat Rubinstein auf die Frage, wie er Schachmeister wurde, sein schachliches Credo festgehalten, das wunderbar auf seine Unsterbliche Partie paßte und auch erklärt, warum nur ein Akiba Rubinstein eine solche Perle kreieren konnte:[QUOTE]Mit dem Schachspiel wurde ich schon als 14jähriger im Cheder bekannt. Mit 16 Jahren habe ich mich mit der Theorie verfaßt. Dann hat man mir geraten, nach Lodz zu fahren, wo der große Meister Salwe lebte. Bei ihm habe ich mich vervollkommnet, ich war bei ihm sozusagen in der Lehre. So wurde ich Meister. Neigung und Talent habe ich lebhaft in mir gefühlt. Ich besitze auch ein außerordentlich gutes Gedächtnis. Ich erinnere mich zum Beispiel noch jetzt an alle Partien, die ich während meiner 21jährigen Schachmeisterschaft gespielt habe. Namen- und Ortgedächtnis habe ich nicht, nur ein spezielles Schachgedächtnis. Mich fesselt der ästhetische Genuß, welcher einer schönen Kombination entspringt. Dabei gerate ich geradezu in einen Fieberzustand. Schach ist nicht nur Kunst, sondern auch Wissenschaft. Kampf und Sieg vollziehen sich auf wissenschaftlicher Grundlage.[/QUOTE]zit. aus Karl, 3/2013, S. 17Ein [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/1033-Aljechin-zerlegt-Rubinstein". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "ähnliches Credo" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] hatte später auch Alexander Aljechin aufgestellt, der in der Zeit, als Rubinstein schachlich schwächer wurde, Rubinstein als größter Rivale von Lasker und Capablanca erfolgreich ablösen konnte. Aus den Großen Drei, nämlich Lasker, Capablanca und Rubinstein wurden so Lasker, Capablanca und Aljechin, wobei sowohl Rubinstein als auch Aljechin das Schach um eine Art von wissenschaftlicher Schönheit bereicherten, die eher als Einheit denn Gegensatz aufgefaßt werden sollten, die auf die Erfordernisse des praktischen Kampfes zugeschnitten wurden. Schönheit ohne Wissenschaft im Schach ist Blendwerk. Wissenschaft ohne Schönheit im Schach ist trockenes Brot.

Beitrag von Kiffing

Akiba Rubinstein war es wichtig, daß bei einem Angriff möglichst alle seine Figuren mitwirkten. Wie vor ihm Paul Morphy bewies er nachhaltig, daß sich Positions- und Kombinationsspiel nicht einander ausschließen, sondern einander bedingen. Er war gleichermaßen ein glänzender Stratege als auch ein glänzender Taktiker mit feinster Begabung für Imagination:[Event "Mch"][Site "Vienna"][Date "1908.05.07"][EventDate "?"][Round "4"][Result "1-0"][White "Akiba Rubinstein"][Black "Richard Teichmann"][ECO "D61"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "51"]1.d4 d5 2.c4 e6 3.Nc3 Nf6 4.Bg5 Nbd7 5.e3 Be7 6.Nf3 O-O 7.Qc2b6 8.cxd5 exd5 9.Bd3 Bb7 10.O-O-O c5 11.h4 c4 12.Bf5 Re813.Bxf6 Nxf6 14.g4 Bd6 15.g5 Ne4 16.h5 Qe7 17.Rdg1 a6 18.Bxh7+Kxh7 19.g6+ Kg8 20.Nxe4 dxe4 21.h6 f6 22.hxg7 exf3 23.Rh8+Kxg7 24.Rh7+ Kg8 25.Qf5 c3 26.Rxe7 1-0

Beitrag von blunder1

Ich bin ein Riesen-Fan von Rubinstein; in seinen besten Jahren spielte er einfach nur traumhaftes Schach.Ich erinnere mich noch sehr gut an die Wirkung, die diese Partie auf mich hatte, als sie mir in meiner Schachjugend zum ersten Mal gezeigt wurde: Sie hat mich regelrecht umgehauen! Die Stellung nach 23...Td2!! - schöner kann Schach nicht sein.Außerdem ist sie sehr lehrreich. Wie hako schon in #2 erwähnt: Tempoverluste können auch in symmetrischen Stellungen verhängnisvoll sein.GM Zenon Franco weist in seinem Buch Rubinstein move by move auf die Ähnlichkeit zwischen dieser Partie und Aronjan-Anand (Wijk aan Zee 2013) hin:[Event "75th Tata Steel GpA"][Site "Wijk aan Zee NED"][Round "4.5"][Date "2013.1.15"][White "Aronian, Levon"][Black "Anand, Viswanathan"][WhiteElo "2802"][BlackElo "2772"][Result "0-1"]1.d4 d5 2.c4 c6 3.Nf3 Nf6 4.Nc3 e6 5.e3 Nbd7 6.Bd3 dxc4 7.Bxc4 b5 8.Bd3 Bd6 9.O-O O-O 10.Qc2 Bb7 11.a3 Rc8 12.Ng5 c5 13.Nxh7 Ng4 14.f4 cxd4 15.exd4 Bc5 16.Be2 Nde5 17.Bxg4 Bxd4+ 18.Kh1 Nxg4 19.Nxf8 f5 20.Ng6 Qf6 21.h3 Qxg6 22.Qe2 Qh5 23.Qd3 Be3 0-1Anand hat nach seiner Partie darauf hingewiesen, dass er sich während des Spiels dieser Ähnlichkeit mit Rubinsteins Meisterwerk bewusst war.Auch auf höchsten Niveau hilft es sehr, wenn man mit den Klassikern vertraut ist.