Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Eröffnungstraining Tartakover-Variante des Damengambits“

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Beitrag von Kleinmeister

Werte Mitburger!Wie im Thread "Training" angekündigte möchte ich hier einen Thread zur von euch gewünschten Tartakover-Variante des Damengambits starten. Es freut mich, dass ihr euch hierfür entschieden habt! Klar, ich hätte mich über jede andere Wahl auch gefreut, aber ich denke der Spielverlauf in dieser Variante wird manchem von euch helfen "positionelles" Schach etwas besser zu verstehen - hoffe ich zumindest! Würde mich sehr freuen wenn auch diejenigen, deren Eröffnungswunsch leider nicht berücksichtigt werden konnte an diesem Thread beteiligen!Ich beginne mit vier Partien, für die ich euch etwa 10 Tage Zeit geben will um sie sich anzusehen. Nach dieser Zeit folgt noch einmal ein Block mit drei Partien und dann noch ein Block mit zwei bis drei Partien. Für diese beiden werde ich euch etwa eine Woche Bearbeitungszeit geben und dann weitermachen. Ich hoffe das Tempo ist angemessen, wer zu schnell fertig werden sollte, kann sich fragen ob er in der Partieanalyse vielleicht etwas übersehen haben könnte;). Und wie gesagt ich bin froh, wenn ihr hier im Thread einen regen Gedankenaustausch zum vorgestellten Lehrmaterial betreibt, das ist EUER Trainingsthread, nicht meiner! Ich greife erst dann aktiv in die Diskussion ein, wenn ihr gar nicht mehr weiterkommt!Nun aber zu den Partien und da möchte ich gleich mit Partien der Hauptvariante einsteigen. Ihr werdet gleich sehen, dass mit den schwarzen Steinen einige wirklich große Meister diese Eröffnung regelmäßig gespielt haben. Als wirkliche Experten zu nennen sind sicherlich Geller, Fischer, Short(!), Beliavsky, Kasparov und Kramnik. Ich denke wir werden von jedem noch die ein oder andere Partie zu sehen bekommen![Event "Stockholm Interzonal"][Site "-"][Date "1962.03.04"][EventDate "?"][Round "22"][Result "0-1"][White "Mario Bertok"][Black "Robert James Fischer"][ECO "D59"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "62"]1. d4 d5 2. c4 e6 3. Nc3 Be7 4. Nf3 Nf6 5. Bg5 O-O 6. e3 h67. Bh4 b6 8. cxd5 Nxd5 9. Bxe7 Qxe7 10. Nxd5 exd5 11. Be2 Be612. O-O c5 13. dxc5 bxc5 14. Qa4 Qb7 15. Qa3 Nd7 16. Ne1 a517. Nd3 c4 18. Nf4 Rfb8 19. Rab1 Bf5 20. Rbd1 Nf6 21. Rd2 g522. Nxd5 Nxd5 23. Bxc4 Be6 24. Rfd1 Nxe3 25. Qxe3 Bxc4 26. h4Re8 27. Qg3 Qe7 28. b3 Be6 29. f4 g4 30. h5 Qc5+ 31. Rf2 Bf50-1[Event "Reykjavik WCh"][Site "Reykjavik WCh"][Date "1972.01.07"][EventDate "?"][Round "6"][Result "1-0"][White "Robert James Fischer"][Black "Boris Spassky"][ECO "D59"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "81"]1. c4 e6 2. Nf3 d5 3. d4 Nf6 4. Nc3 Be7 5. Bg5 O-O 6. e3 h67. Bh4 b6 8. cxd5 Nxd5 9. Bxe7 Qxe7 10. Nxd5 exd5 11. Rc1 Be612. Qa4 c5 13. Qa3 Rc8 14. Bb5 a6 15. dxc5 bxc5 16. O-O Ra717. Be2 Nd7 18. Nd4 Qf8 19. Nxe6 fxe6 20. e4 d4 21. f4 Qe722. e5 Rb8 23. Bc4 Kh8 24. Qh3 Nf8 25. b3 a5 26. f5 exf527. Rxf5 Nh7 28. Rcf1 Qd8 29. Qg3 Re7 30. h4 Rbb7 31. e6 Rbc732. Qe5 Qe8 33. a4 Qd8 34. R1f2 Qe8 35. R2f3 Qd8 36. Bd3 Qe837. Qe4 Nf6 38. Rxf6 gxf6 39. Rxf6 Kg8 40. Bc4 Kh8 41. Qf4 1-0[Event "Hilversum AVRO"][Site "Hilversum AVRO"][Date "1973.??.??"][EventDate "?"][Round "9"][Result "0-1"][White "Jan Timman"][Black "Efim Geller"][ECO "D59"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "72"]1.d4 d5 2.c4 e6 3.Nc3 Be7 4.Nf3 Nf6 5.Bg5 O-O 6.e3 h6 7.Bh4 b68.cxd5 Nxd5 9.Bxe7 Qxe7 10.Nxd5 exd5 11.Rc1 Be6 12.Qa4 c513.Qa3 Rc8 14.Bb5 Qb7 15.dxc5 bxc5 16.Rxc5 Rxc5 17.Qxc5 Na618.Bxa6 Qxa6 19.Qa3 Qc4 20.Kd2 Qg4 21.Rg1 d4 22.Nxd4 Qh423.Re1 Qxf2+ 24.Re2 Qf1 25.Nxe6 fxe6 26.Qd6 Kh8 27.e4 Rc828.Ke3 Rf8 29.Rd2 e5 30.Qxe5 Qe1+ 31.Re2 Qg1+ 32.Kd3 Rd8+33.Kc3 Qd1 34.Qb5 Qd4+ 35.Kc2 a6 36.Qxa6 Qc5+ 0-1[Event "Bruessel I"][Site "Bruessel I"][Date "1987.??.??"][EventDate "?"][Round "11008"][Result "0-1"][White "Luc Winants"][Black "Garry Kasparov"][ECO "D59"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "110"]1.d4 Nf6 2.c4 e6 3.Nf3 d5 4.Nc3 Be7 5.Bg5 h6 6.Bh4 O-O 7.e3 b68.cxd5 Nxd5 9.Bxe7 Qxe7 10.Nxd5 exd5 11.Rc1 Be6 12.Qa4 c513.Qa3 Rc8 14.Be2 Kf8 15.dxc5 bxc5 16.O-O a5 17.Rc3 Nd718.Rfc1 Rcb8 19.Rb3 c4 20.Rxb8+ Rxb8 21.Qxa5 Rxb2 22.Nd4 Kg823.Ra1 Nc5 24.Qa8+ Kh7 25.Qa3 Rb6 26.Bd1 g6 27.Bc2 Bd7 28.h3Qd6 29.Qa5 Ba4 30.Bxa4 Ra6 31.Qb5 Rxa4 32.a3 c3 33.Nc2 Qc734.Rb1 Ra7 35.Qe8 Rb7 36.Rb4 Kg7 37.g3 Ne6 38.Qa4 Ng5 39.h4Ne4 40.Kg2 Ra7 41.Qb5 Qe5 42.Qb6 Qf5 43.f3 Ng5 44.hxg5 Qxc2+45.Kg1 Qd1+ 46.Kg2 Qe2+ 47.Kh3 Qxf3 48.Qxa7 Qh1+ 49.Kg4 h550.Kf4 Qf1+ 51.Ke5 Qf5+ 52.Kd6 Qe6+ 53.Kc7 Qe7+ 54.Kb6 Qxa7+55.Kxa7 c2 0-1Auf jeden Fall wünsche ich euch viel Spaß und viel Fleiß fürs Durcharbeiten!

Beitrag von ficus

Schöne Partien! :)Ich hätte schon einmal eine prinzipielle Frage:Warum wird im 9.Zug grundsätzlich mit der Dame und nicht mit dem Springer geschlagen? Weiß bekäme danach zwar Zentrumsvorteil, aber der schwarze Läufer könnte auf b7 schön entlang der Diagonale wirken. Gibt es also irgendeinen erwiesenen Vorteil des Damenschlagens?

Beitrag von SiegerFCN

OK,ich habe zu ficus Frage auch schon eine Vermutung:Lasse gut,bzw. aktiv stehende Figuren niemals passiv zurückziehen lassen :)Ich bin zwar so gut wie kaum guter positionell Spieler,trotzdem weiß ich noch drüber bescheid,wo die Figuren richtig stehen. Dein Springer steht gut im Zentrum und möchte sich am liebsten gegen den Springer auf c3 tauschen lassen. Wieso? Genau! Weil der weißfeldrige Läufer von Schwarz nach b7 möchte und da seine Diagonale a8-h1 sorgfältig zu beherrschen. Wenn du auch mit der Dame nimmst,verbinden sich nach Lb7-Sd7 die Türme,welche gelegentlich auf c8 und d8 gestellt werden können,um auch c5 durchzudrücken (als Idee?) . Falls dir Angst macht,dass Weiß einfach die Springer auf d5 tauscht,und der weißfeldrige Läufer keine so große Wirkung mehr auf der Diagonalen hat,biste zwar nicht im unrecht,aber dazu bisschen später! Erstmals aber noch weitere Sachen zu Sxe7: Dein Springer,den musste sowieso wieder nach d5 tun,da er auf e7 keine weitere Zukunft hat (vielleicht verteidigen,aber weiter nichts). Auf f5 bringt er überhaupt nichts (naja,dort steht er für Weiß sehr schön!). Wieso also dann Springer mal e7? Wie gesagt,die Idee ist es ja,dass der Springer,welcher auf d5 steht,sich mit den auf c3 abtauscht,damit der Läufer eine schöne,wirksame Diagonale hat. So,was aber nach Sxd5? 10.Sxd5,muss ja kommen,da sonst Lb7 kommt,und falls man dann rausnimmt auf d5,kann der Schwarze mit dem Läufer zurückschlagen,welcher nun auch extrem gut steht. Also: 10.Sxd5 exd5 11.Tc1 (meines Erachten der beste Zug) Nun ist die Hauptidee von Schwarz,c5 durchzudrücken,damit nach hoffnung der c-Bauer genommen wird,und die Diagonale für den Läufer wieder frei ist. Aber Schwarz will in diesem Moment gar nicht die Diagonale so dringend besetzen. Er kann ja auch 11. ...Le6 spielen. Nach 12.Da4 c5 13.Da3 Tc8 hat Schwarz ganz gutes Spiel am Damenflügel,kann ruhig mal seinen Springer entwickeln und normal weiterspielen. Weiß ist noch ohne Rochade,hat zwar gleich gutes Spiel,aber Schwarz kann gut mithalten und Remis holen.Hoffe,dass die Varianten nicht (allzu) falsch sind :)

Beitrag von Kleinmeister

:app: Danke Sieger FCN für diese Antwort, besser hätte ich es auch nicht formulieren können!Noch zwei ganz kleine Punkte möchte ich anmerken:Die Dd8 ist so etwas wie das schwarze Eröffnungsproblem in der Tartakover-Variante, also vergleichbar mit dem eingemauerten Lc8 im Franzosen, der Anfälligkeit auf der Diagonalen h1-a8 im Katalanen oder dem Isolani in der Tarraschverteidigung. Bleiben nämlich alle Figuren am Brett (vor allem die Lh4 und Le7!) dann ist folgendes Szenario leicht denkbar. Weiß spielt Ld3, De2, Tfd1 und Tfc1, bei Bauern auf e3, d4 und c4. Schwarz hat nun immer das Problem, dass seine Dame d8 eigentlich kein Feld hat und er somit Probleme im Zentrum hat weil ihm die weißen Türme gegenüberstehen. Wir werden solch eine Partie im weiteren Trainingsverlauf noch sehen! Folglich ist die De7 um es auf "Baseballerisch":lach: zu sagen "safe" und dabei wie FCN richtig gesagt hat AKTIVER!(Für Eröffnungskundige: DAS ist der Vorteil den das erweiterte Fianchetto a6+b5+Lb7 im Halbslawen - Meraner System, oder im Angenommenen Damengambit zu bieten hat. Man besitzt die Möglichkeit Db6! Der Nachteil dafür ist, dass das ganze mit a6+b5 natürlich Zeit kostet die oft dem Ke8 fehlt um rechtzeitig in Sicherheit zu kommen. Dann kann sich der mattgesetze Monarch aber immerhin damit trösten, dass seine Dame ein schöne Fluchtfeld nach b6 hatte :P! Die Moral ist natürlich, dass Halbslawisch z.B. etwas ambitionierter, aber auch riskanter ist als das, was Königssicherheit anbelangt, ultrasolide Damengambit)Punkt zwei ist der, dass im Falle von 9...Dxe7 10.e4?! Sxc3 11.bxc3 Schwarz das Feld d8 für den Tf8 geräumt hat (ein Motiv aus dem stellungsmäßig verwandten Grünfeldinder, in dem Da5 oder Dc7 mit gleicher Intention gespielt wird). Außerdem wird wie Sieger FCN schon erklärt hat c5 unterstützt! Diese Stellung nach 11.bxc3 sollte man sich vielleicht einmal anschauen, ich bin mir sicher bis zu einer Spielstärke von 1800-1900 wird es viele Weißspieler geben, denen so ein Zentrum gefällt. Doch im vergleich zum Grünfeldinder ist das ganze natürlich ein Traum für Schwarz. Man muss sich nämlich nicht über die Angriffsmarke g6 (h4-h5-Le3-Dd2-Lh6 Angriffe) sorgen, der Raumnachteil ist aufgrund getauschter Figuren nicht mehr wirklich wichtig und die schwarzen Figuren (De7, Lb7, Td8) stehen alle gut um das weiße Zentrum unter Druck zu setzen! Alles AUCH dank der gut positionierten De7!