Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Ruy Lopez - Priester und Schachmeister“

schachburg.de

Beitrag von Kiffing

[IMG][Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://i.imgur.com/tnatYPJ.jpg". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://i.imgur.com/tnatYPJ.jpg" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.][/IMG]Spanien, das sich damals in der Blüte seiner Entwicklung befand, war das europäische Land gewesen, das die Tor zum modernen Schach öffnete. Vermutlich in Valencia wurden zwischen 1470 und 1490 die bekannten Regeländerungen ausgearbeitet, die so attraktiv wurden, daß diese sich, wenn auch nicht überall im selben Tempo, und auch nicht gleichförmig, weil sie in der Anfangszeit in manchen Regionen wieder verlorengingen, nach und nach in Europa durchsetzen konnten. Der Wesir, d. h. der Berater des Königs, wurde nach Petzold im Zuge der damals in Europa vorherrschenden Marienverehrung (vgl. Joachim Petzold, Schach - eine Kulturgeschichte, Edition Leipzig 1986, S. 153) zur Königin bzw. zur Dame und avancierte von der schwächsten Figur, die nur ein Feld diagonal ziehen konnte, zur stärksten. Auch der ursprüngliche Kriegselefant, eine reguläre Waffengattung im viergliedrigen indischen Heer in der Entstehungszeit des Schachspiels, erweiterte erheblich seinen Bewegungsspielraum und konnte diagonal nun unbegrenzt ziehen, während er vor den Reformen nur zwei Felder diagonal ziehen konnte, die er, wie die Reitereinheit, der heutige Springer, auch springend absolvierte. Auch der Bauer gewann an Kräften, da er nun, ganz im Geiste der spielerischen Beschleunigung, im ersten Zug zwei Felder ziehen konnte. Damit er von dem Gegner nicht einfach umgangen werden konnte, wurde die En-Passant-Regel eingeführt, und mit der Rochade wurde ein Zug entwickelt, bei dem zum ersten Mal in der Schachgeschichte zwei Figuren gleichzeitig einen Zug ausführen konnten. Gerade, was den letzten Punkt angeht, war die Entwicklung nicht einheitlich, denn in vielen Regionen bestanden die Spieler auf ihr „Gewohnheitsrecht“, statt der Rochade den althergebrachten Königssprung anzusetzen, mit dem der König, vielleicht nach dem Vorbild des auch in Indien bekannten Alexander des Großen, mit einem Springerzug überraschend in die Schlacht eingreifen konnte. Kulturell wurde das neue Schachspiel mit der Ballade [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/1541-Scachs-d´Amor-ein-Liebesgedicht-für-die-Dame-um-1485". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "Scachs d´amor" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] von Francesc de Castellví, Bernat Fenollar und Narcís de Vinyoles um 1485 eingeweiht, in welcher der Mars und die Venus mit den neuen Zugregeln gegeneinander antreten, während der Merkur in die Rolle des Schiedsrichters tritt. Während der Partie, die 21 Züge dauert, und damit weitaus weniger Züge als im nun überwundenen „Arabischen Schach“, äußern die drei Planeten insgesamt 64 mal ihre in Gedichtform vorgetragenen Eindrücke von der Partie und symbolisieren damit die dem Schachspiel inhärente Verschmelzung von Spiel, Kunst und Kultur. 1495 war es der Katalane Francesc Vicent, der das erste Schachbuch nach den neuen Regeln herausbrachte, und der nach Ansicht des spanischen Schachhistorikers José Antonio Garcón, der eine Abschrift des verschollen geglaubten Frühwerks entdeckte und daraufhin sein Buch "El regreso de Francesch Vicent: La historia del nacimiento y expansión del ajedrez moderno" 2005 veröffentlichte, „wesentlich an der Entstehung des neuen Schachspiels beteiligt, wenn nicht gar ihr eigentlicher Initiator war“. Seine Verdienste um die Entwicklung des Schachspiels schützten Vicent aber nicht vor Verfolgung, denn er mußte als Jude vor der Spanischen Inquisition nach Italien fliehen, wo er [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://de.wikipedia.org/wiki/Francesc_Vicent". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "Schutz bei den Borgia" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] fand. Mit der allgegenwärtigen Spanischen Inquisition machte auch Luis Ramirez Lucena, der ein bis zwei Jahre später in Salamanca mit "Repetición de amores e arte de axedrez" ein noch bekannteres Lehrbuch verfaßte, unliebsame Erfahrungen. Denn wie Michael Ehn und Hugo Kastner erläutern, floh sein Vater vor ihr nach Portugal (Ehn/Kastner, Schicksalsmomente der Schachgeschichte, Humboldt-Verlag, S. 25). Vorher habe Lucena „vermutlich“ (ebd.) seinen Vater auf Reisen durch Spanien, Frankreich und Italien begleitet und alles, was er dort über das Schach finden konnte, aufgezeichnet (vgl. ebd.), so daß er auf diesem Fundus aufbauen und sein Lehrbuch daran ausrichten konnte. Spätestens hier wird die Sache zu einem interessanten Kriminalfall, denn wenig später lassen Ehn und Kastner die Bombe platzen, Lucena und Vicent, aber auch Damiano (!), die allesamt jüdischer Provenienz waren, seien möglicherweise ein und dieselbe Person. Zur Begründung:[QUOTE]Der spanische Schachhistoriker José A. Garcón hat vor einigen Jahren den Fall nach Vorarbeiten der Schachhistoriker Alessandro Sanvito und Ricardo Calvo neu aufgerollt. In Perugia und Cesena fand Garcón Manuskripte, die dem „spanischen Meister Francesco“, dem Schachlehrer der Lucrezia Borgia zugeschrieben wurden. Dieser war niemand anderes als Francesch Vicent, ein sephardischer Jude, der Spanien verlassen musste und in der Emigration in Italien gelebt hat. Eine genaue Analyse des Manuskripts von Cesena brachte zu Tage, dass es sich um eine Abschrift des gesuchten und verlorenen Buches des Vicent handelt. Mehr noch zeigt Garcón, dass das Cesena-Manuskript nahezu identisch mit dem Buch des Lucena ist, das nun nur noch als Übersetzung oder Bearbeitung des Buches von Vicent erscheint. Dies wieder führt Garzón zur erstaunlichen These, dass Vicent niemand anders war als Lucena selbst, ja dass sogar hinter Damiano, dem Autor des dritten, in Rom 1512 gedruckten Schachbuches, Vicent stecke. Aus den verschiedenfarbigen Buchstaben des Wortes „Questo“ auf dem Titelblatt der zweiten Auflage interpretiert Garzón eine versteckte Botschaft: „QSO“: Quis Scriptor Operum? (Wer schrieb diese Werke?) und „VSO“: „Vicent Scriptor Operum (Vicent ist der Autor der Werke).[/QUOTE]Ebd. S. 29f.Wie schon erwähnt hing die Blütezeit Spaniens mit der spanischen Dominanz im neuen Schach, aber auch mit der Tatsache, daß die große Zugreform von der Iberischen Halbinsel ausging, zusammen. Spanien war als eines der ersten Länder mit dem Schach überhaupt in Berührung gekommen, wobei die Verbreitung des Schachs pikanterweise durch die Kreuzzüge beschleunigt wurde. Harold C. Schonberg läßt den Schachhistoriker Robert Lambe in seinem "History of Chess" (1764) zu Wort kommen, der befand: „Die Spanier spielen es zu Pferde aus dem Gedächtnis, die Mauren ebenfalls, die, wie die Spanier selbst zugeben, darin viel besser sind“ (Harold C. Schonberg, Die Großmeister des Schach, Fischer-Verlag 19774, S. 11). Durch die Reconquista mag ähnlich wie durch die Vertreibung und Ausrottung der Juden aus Nazideutschland sehr viel kulturelles und intellektuelles Kapital verlorengegangen sein, da sich schließlich der Islam in seiner seither nie mehr erreichten Blütezeit befand. Doch war die kulturelle Kraft Spaniens immer noch stark genug, die ersten Maßstäbe im modernen Schach zu setzen, zudem Spanien durch seinen kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung als global aktive Kolonial- und Handelsmacht auf ehrgeizige Einwanderer attraktiv wirkte. Petzold:[QUOTE]Wie sehr Spanien um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert durch seine wagemutigen Seefahrer und unternehmungsfreudigen Kaufleute auf schöpferische Menschen mit neuen Ideen und modernen Produktionserfahrungen anziehend wirkte, wird aus der großen Zahl deutscher Drucker deutlich, die in spanischen Städten wirkten. Bei Peter Trincher ist die Herkunft offensichtlich. Seine Eltern hatten sich bereits in Barcelona niedergelassen. Lope de la Roca, der zweite Drucker des Vicent, bezeichnet sich ausdrücklich als Alemany, das heißt als Deutscher. Er hat vermutlich Wolf von Stein geheißen. Beide waren, wie Konrad Haebler in seiner „Geschichte der spanischen Frühdrucke“ ausführt, 1494 in der Druckerei des Dr. Miguel Albert in Valencia tätig gewesen. Dieser hatte sich als Jurist, Unternehmer und Dichter in seiner Vaterstadt einen Namen gemacht. Man kann in ihm einen Anhänger der Marienverehrung sehen, denn 1474 bewarb er sich um den Preis für ein Loblied auf die heilige Jungfrau. Wahrscheinlich wurde das Schachbuch des Vicent in seiner Werkstatt gedruckt.[/QUOTE] Petzold, S. 1581561 schlug dann die Stunde von Ruy Lopez, der mit seinem „Libro de la invención liberal y arte del juego del Axedrez“, zu deutsch etwa „Die Erfindungsgabe und Spielkunst im Schach“, einen neuen Meilenstein für die Schachentwicklung setzte. Die Schachhistoriker sind sich einig, daß eine Triebfeder des aus dem südwestspanischen Zafra stammenden Priesters, der 1559 in Begleitung eines hohen spanischen Geistlichen zur Papstwahl nach Rom, dem „Mekka der Schachspieler“, (Petzold, S. 175) gekommen war und sich dort 1560 noch gegen den erst 18jährigen Leonardo da Cutri durchsetzen konnte, der ihn aber später überholen sollte, für sein Lehrbuch darin bestanden habe, Damianos Werk von 1512 zu verbessern, in dem ihm zahlreiche Fehler aufgefallen waren. Es spricht viel dafür, daß dieses Buch tatsächlich eine evolutionäre Weiterentwicklung gegenüber Damiano gewesen war. So äußert sich Petzold zu den Errungenschaften des Priesters, dessen favorisierte Eröffnung, die bei uns als Spanische Partie bekannt ist, die Spanier, aber nicht nur sie, nach ihm benannten:[QUOTE]Obwohl Ruy Lopez Damiano scharf kritisiert, hat er viele praktische Ratschläge von ihm übernommen. So war er sich der Bedeutung des Zentrums und der Mittelbauern bewußt. Solange sich die Damen noch auf dem Brett befanden, betrachtete er die Felder f2 und f7 als die neuralgischen Punkte beider Seiten. Das sogenannte Gambit des Damiano und die dem praktischen Spieler gut bekannten Schäfer- bzw. Narrenmatts mahnten zur Vorsicht. Ruy Lopez hat dem Rechnung getragen. Er vergaß aber nicht, daß der König trotz allem eine starke Figur war, die ihre Kraft allerdings nur noch im Endspiel zu entfalten vermochte und die er nach dem Damentausch durchaus zu würdigen wußte.[/QUOTE]Petzold, S. 175Wegen der bislang wahrscheinlich am gründlichsten betriebenen Ausarbeitung von verschiedenen Eröffnungssystemen gilt Ruy Lopez heute als ein wesentlicher Wegbereiter, ja sogar als Vater der Eröffnungstheorie, und es ist der noch alles andere als elaborierten Anfangszeit des modernen Schachs geschuldet, daß Ruy Lopez den von ihm auf 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 favorisierten Zug 3. Lb5 bereits als Widerlegung des auch von Damiano gespielten 2. ...Sc6 ansieht, weil Schwarz nach 3. ...d6 einen Doppelbauern erhält (vgl. Antonius van der Linde, Das Schachspiel des XVI. Jahrhunderts, S. 45). Zudem habe er Eröffnungszüge wie 1. c4 oder 1. Sf3 für „Unsinn“ (Pfleger/Treppner, Brett vorm Kopf, Leben und Züge der Schachweltmeister, Beck´sche Reihe, München 1994, S. 10) gehalten. Es gibt aber keinen Grund, hier allzu streng mit dem spanischen Priester zu verfahren, denn noch Anfang des 20. Jahrhunderts befand er sich mit solchen Aussagen in bester Gesellschaft, wo die Größen der Zeit zu ähnlich [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/1265-Die-Dogmen-der-alten-Meister". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "falschen Urteilen" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] gegenüber heute anerkannten Eröffnungssystemen kamen wie z. B. Tarrasch, welcher der Ansicht war, nur 1. ...e5 sei als Antwort auf 1. e4 „voll befriedigend“. Pfleger und Treppner bezeichnen nichtsdestoweniger Lopez´ Frühwerk als das „erste sozusagen vollwertige Lehr- und Handbuch des neuen Schachs“ (ebd. S. 10), Georg Böller läßt Lasa [URL="http://schachclub-hirschau.de/schachgeschichte.htm"]zu Wort kommen[/URL], für den Lopez´ Werk „das erste Lehrbuch des Schachs [ist], das nach neuzeitlichen Maßstäben zu messen ist“, und auch für Antonius van der Linde sind die Fortschritte im Schach durch Ruy Lopez unübersehbar:[QUOTE]Im Gegensatz mit seinen Vorgängern, deren Arbeiten noch überwiegend Problemsammlungen waren, ist der Priester zu Zafra, Ruy Lopez aus Segura, der erste, der seine Aufmerksamkeit voll der Partie zuwendete. Mit dem vollsten Rechte nennt ihn von der Lasa daher (Handbuch, S. 29) „den wahren Begründer der Schachtheorie“. Und obgleich ebenso wenig zu verneinen ist, dass „seine Partien nicht von dem Geiste durchdrungen sind, welchen ein Spieler ersten Ranges auch seinen flüchtigsten Publicationen mitzutheilen pflegt“, so zeigt sich doch bei Lopez die Morgenröthe der Kritik.[/QUOTE]Linde, S. 32Der Wert des Buches wurde erkannt, denn es verbreitete sich, wenngleich auch in einem heute nicht mehr zeitgemäßen Tempo, in Europa. Linde benennt eine italienische Übersetzung von 1584, eine französische von 1609 und mit dem Selenus eine deutsche von 1616 (Linde, S. 32). Lopez wie auch den italienischen Vorkämpfern rund um das Dreigestirn Leonardo da Cutri, Paolo Boi und Guilio Cesare Polerio kam dabei zugute, daß Philipp II. von Spanien das neuartige Schachspiel schätzte und die Schachkunst an seinem Hofe förderte. Linde schreibt in dem Zusammenhang, Philipp II. habe Lopez mit einem Schachrochen (Roch ist eine alte Bezeichnung für Turm) beschenkt, den er fortan an einer goldenen Kette trug. Hier ist von Ruy Lopez ein Meisterstück in Sachen Diplomatie überliefert. Philipp II., der Schachstunden bei Ruy Lopez nahm, hatte sich bei seinem Lehrer nach seinen Fortschritten erkundigt und als [URL="http://schulschachstiftung.schulschach-bayern.de/index.php?/archives/2014/07.html"]Antwort[/URL] erhalten: „Majestät, es gibt 4 Gruppen von Schachspielern: gute, mäßige, miserable und solche, die es nie lernen. Majestät sind bereits von der 4. in die 3. Gruppe aufgestiegen.“ Die Schachbegeisterung Philipps II. machte in Zeiten, in denen das Schach dem Adel vorbehalten blieb, das erste internationale Meisterturnier von 1575 möglich. Dort erhielt Leonardo da Cutri Gelegenheit, an Ruy Lopez Revanche zu nehmen, was ihm am Hof des Königs gelang. Insgesamt setzten sich die von Polerio unterstützten Italiener Cutri und Paolo Boi gegen Ruy Lopez und „Alfonso Ceron (Carrera nennt ihn Zerone, Salvio Girone)“ (Linde, S. 53) durch, womit die Italiener von den Spaniern die Führungsrolle im europäischen Schach übernahmen. Diese Wachablösung sollte die Rolle Lopez´ für das Schach aber nicht entscheidend schmälern. Zwar war er als Spieler verwundbar, wenngleich mir das Urteil von Tassilo von Heydebrand und der Lasa im Bilguer von 1843 als zu hart erscheint, Lopez habe es „an aller Phantasie gefehlt, wie man dies vermutlich an jeder Stelle seines Buches erkennen kann“ (Bilguer, Das Handbuch des Schachs, 1843, S. 22) - wie wir nun wissen, urteilt der ältere Lasa über Lopez gnädiger. Doch neben seinen Verdiensten als Theoretiker, zu einer Zeit, in der die Theorie noch in den Kinderschuhen steckte, kann seine Rolle als vielleicht erster Positionsspieler hervorgehoben werden. Mit dem Positionsspiel in einer Zeit der romantischen Ursprünge im Schach widerlegt er die von Kasparov, aber auch anderen vorgetragene Theorie, die in ihrer Eindimensionalität nicht stimmt, das Schachspiel verhalte sich in seiner historischen Genesis analog zu dem Entwicklungsprozeß eines Schachspielers:[QUOTE]Die Entwicklungsgeschichte der Schachkunst ist im Grunde genommen vergleichbar mit den einzelnen Entwicklungsphasen, die jeder Schachspieler vom Anfänger hin zum Profi durchläuft. Zunächst spielt jeder unbewusst wie im 16. und 17. Jahrhundert: Man nutzt jede Gelegenheit, um Schach zu geben, bringt sofort die Dame ins Spiel und unternimmt, ohne sich über die weitere Entwicklung der Figuren Gedanken zu machen, kühne Angriffe auf den gegnerischen König. Einmal gelingen die Kombinationen, beim nächsten Mal erleidet man einen Fehlschlag, weil die Verteidigung sich auf einem erbärmlichen Niveau befindet und ein tiefgreifender Plan völlig fehlt.[/QUOTE]Garri Kasparov, Meine großen Vorkämpfer, Band 1, Edition Olms 2006, S. 15Gleichzeitig nahm mit Lopez und seinem auch theoretisch begründeten Positionsspiel die das Schachspiel über die Jahrhunderte begleitende „große Streitfrage“ zwischen den Anhängern des Positionsspiels und des Kombinationsspiels ihren Anfang, die Petzold allerdings mit dem Widerstreit der Modenesen und Philidor rund zwei Jahrhunderte zu spät beginnen läßt, und die sich nach dem marxistischen Historiker „nur dialektisch durch die Aufhebung der Gegensätze lösen ließ“ (Petzold, S. 184). Der Schachmeister, der als erster diese Gegensätze durch sein großes, als Muster erscheinendes Beispiel „dialektisch auflöste“, war allerdings nicht die von Petzold vielleicht im Sinn gehabte Sowjetische Schachschule gewesen, sondern der US-Amerikaner Paul Morphy.

Beitrag von Babylonia

Hi Kiffing, dieser Auszug aus der Schachgeschichte hat mir eine wichtige Frage beantwortet, die ich schon lange im Kopf hatte. Aus dem Endspieltrainer bei Chesstempo und Silmans Endspielkurs kenne ich die "Lucena Position" und ich wusste nie, ob ich den Namen "Lucena" auf Spanisch oder Italienisch aussprechen musste. Jetzt kenne ich "Luis Ramirez Lucena" (Wann hat er genau gelebt?) als einen Spanier, also ist die korrekte Aussprache "Luthena" mit "th". Babylonia

Beitrag von Kiffing

Zu den Geburtsdaten von Lucena gibt Wikipedia an, er sei "um" 1465 geboren worden, genauso vage ist sein Todesdatum gehalten, wo er "um" 1530 gestorben sei. Ehrlicherweise heißt es dann: "Die genauen Lebensdaten von Luis Ramírez Lucena sind nicht bekannt" [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://de.wikipedia.org/wiki/Luis_Ramírez_Lucena". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://de.wikipedia.org/wiki/Luis_Ram%C3%ADrez_Lucena" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]

Beitrag von Babylonia

[QUOTE=Kiffing;26098]Zu den Geburtsdaten von Lucena gibt Wikipedia an, er sei "um" 1465 geboren worden, genauso vage ist sein Todesdatum gehalten, wo er "um" 1530 gestorben sei. Ehrlicherweise heißt es dann: "Die genauen Lebensdaten von Luis Ramírez Lucena sind nicht bekannt" [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://de.wikipedia.org/wiki/Luis_Ramírez_Lucena". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://de.wikipedia.org/wiki/Luis_Ram%C3%ADrez_Lucena" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.][/QUOTE]Danke für die Info, also kann man sich darauf verständigen, dass Lucena im 15. und 16. Jahrhundert gelebt hat. Babylonia