Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Schachmeister und Starmusiker - ein ungleiches Verhältnis?“

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Beitrag von Kiffing

Daß Schach und Musik gewisse Gemeinsamkeiten haben, ist natürlich ein Topos. Hier im Forum wurde z. B. schon erwähnt, daß große Schachspieler wie Philidor, Smyslow und Taimanow auch große Musiker gewesen sind, was kein Zufall war. Smyslow mochte in diesem Zusammenhang den Begriff der Koordination nicht und sprach lieber von der "Harmonie" einer Stellung. Sein musikalisches Verständnis hatte sich auch in seinem Stil, wie er das Schach behandelte, niedergeschlagen.Ich erinnere mich, daß ich selbst das Werk: "Die Großmeister des Schach" von Arnold C. Schonberg mit Interesse gelesen habe. Dieser war nicht nur Schachhistoriker, sondern auch Musikhistoriker, und als solcher verfaßte er sogar noch mehr historische Werke über die Musik und ihrer größten Interpreten. Schonberg, der gerne die Spielweise von Schachmeistern mit großen Musikern verglich (bspw. spiele Capablanca so Schach wie Mozart Musik geschaffen habe) meinte in diesem Zusammenhang, daß es auffällig sei, daß sowohl große Musiker als auch große Schachmeister gewisse Starallüren in ihrem Verhalten aufweisen. Dies mache sie beide zu typischen Künstlern.Allerdings, große Schachmeister vergleichen sich gerne mit großen Musikern. Große Musiker dagegen reagieren auf solche Annäherungsversuche eher beleidigt. Für sie scheint ihr eigenes Schaffen eine wirklich produktive Kunst zu sein, während sie das Schach eher als unproduktive Spielerei anzusehen scheinen.In diesem Sinne fand ich folgenden [URL="http://www.zeit.de/online/2006/31/Schach-und-Musik/seite-1"]Schluß[/URL] eines interessanten Zeit-Artikels wirklich witzig:[QUOTE]Mit der Leichtigkeit ist es allerdings vorbei, wenn es um die Wertigkeit geht: Als der Schachweltmeister Botwinnik dem Komponisten Prokofjew einmal sagte, seiner Ansicht nach sei das Schach der Musik als Kunst ebenbürtig, sprach der ein Jahr lang nicht mehr mit ihm – obwohl er selber ein starker Spieler war. [/QUOTE]Er erinnerte mich an die köstliche Anekdote über Steinitz´ hoffnungsfrohen, aber gescheiterten Annäherungsversuche an den von ihm hochverehrten Starmusiker Richard Wagner:[QUOTE]Wilhelm Steinitz war ein absoluter Verehrer des Komponisten Richard Wagner. Eines Tages spielte Steinitz im Wiener Schachclub einige Partien mit einem Unbekannten. Als sich dieser zu später Stunde mit der Bemerkung, er reise am nächsten Morgen nach Bayreuth, um dort als Cellist im Festspielorchester mitzuwirken, verabschiedete, rief Steinitz: ”Dann sehen Sie ja Richard Wagner. Richten Sie dem Meister bitte aus, daß ich, der Weltschachchampion, ihn höher schätze als Mozart und Beethoven - ja, daß ich seine Musik als den Gipfel der Kunst ansehe!”Wie es der Zufall wollte, trafen sich die beiden Herren einige Wochen später erneut im Schachclub. “Haben Sie Wagner meine Worte übermittelt?” erkundigte sich Steinitz umgehend. Der Cellist gab nickend zurück: ”Ja, und Wagner meinte zu mir: ”Ihr Steinitz versteht von Musik wahrscheinlich soviel wie vom Schach!”[/QUOTE]