Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Die Richtungsregel“

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Beitrag von Kiffing

Selten ist eine Schachregel so umstritten wie die Richtungsregel, obwohl Jeremy Silman so angetan von ihr ist. Sie wird deswegen kaum im Jugendtraining gelehrt. Obwohl ein guter Trainer immer betont, daß gerade im Schach die meisten Regeln ihre Ausnahmen haben und von daher nicht als Dogmata aufzufassen sind, so gilt gerade die Richtungsregel als so wenig konkret, daß ihr Wert selbst als Faustregel so umstritten ist.Kurz erklärt, bedeutet die Richtungsregel, daß die Position der Bauern als eine Art imaginärer Pfeil aufzufassen ist, der anzeigt, an welchem Flügel nun angegriffen werden soll. Die Bauernstruktur c2, d3, e4 etwa zeigt in Richtung des Königsflügels. Also sollte laut dieser Faustregel auch am Königsflügel angegriffen werden. Die Richtungsregel hat dabei nur Gültigkeit, wenn das Zentrum geschlossen/gefestigt ist (siehe dazu: [url]http://www.schachburg.de/threads/22-Die-Abh%C3%A4ngigkeit-des-Spiels-am-Zentrum-vom-Spiel-an-den-Fl%C3%BCgeln[/url]).Die Richtungsregel kann in etwa so hergeleitet werden, daß durch die Position der Bauern man an dem Flügel, wohin der „Pfeil“ zeigt, schnell ein Übergewicht schaffen kann und so gefährlich an den Gegner heranrollt, wenn man den Bauernsturm metaphorisch als Lawine betrachten möchte.Wie sinnvoll haltet ihr die Richtungsregel?

Beitrag von yury

Ich halte die Regel für teilweise sinnvoll, auch wenn ich sie in dieser Form nicht anwenden würde. Um im Kmochschen Slang zu sprechen, ist der am weitesten fortgeschrittene Bauer aber dazu geeignet, ein Spitzenduo zu bilden, z.B. wäre bei der weißen Bauernstruktur f2, e3, d4, c5 am ehesten b2-b4-b5 geboten, während bei der Bauernstruktur b2, c3, d4, e5 tendenziell f2-f4-f5 gespielt werden sollte. :)

Beitrag von Fabritianum

Ich halte die Regel nur bei einer Sache sinnvoll: Königsangriff! (Gegen den kurtz rochierten König)bekanntermaßen sind die optimalen Bedingungen die Kontrolle des Zentrums, Raumvorteil am Königsflügel und ein Figurenübergewicht an diesem. Optimal halte ich dafür die Zentrumskonstellation d4-e5. Der Bauer e5 ist bekannt für seine Wichtigkeit beim Königsangriff. Er sichert den besagten Raumvorteil,die Kontrolle im Zentrum und das Feld e4. Dadurch kann auch ein Sc3 schnell über e4 rübermanövriert werden. Zum Beispiel kann es dann konkrete Motive wie Sf6+ geben,die oft einen endscheidenen taktischen Schlag darstellen.

Beitrag von yury

Bei der Zentrumskonstellation d4,e5 ist das Feld e4 meist alles andere als gesichert, weil - zumindest wenn das Zentrum, wie Kiffing sagte, geschlossen ist - den weißen Bauern d4,e5 schwarze auf e6,d5 gegenüberstehen...Auch verstehe ich nicht, warum die Regel nur für den Königsflügel und nicht für den Damenflügel gelten soll.

Beitrag von Fabritianum

ich sprach jetzt von einem kurtz rochierten König. Lange rochade natürlich andersrum

Beitrag von yury

Ja, aber es geht ja nicht nur um den König, sondern allgemein um Stellungsspiel. Man kann auch auf dem Damenflügel angreifen, ohne dass da der König steht. ;)

Beitrag von Fabritianum

nein,es geht nur um den könig. Zumindest in meinem Post. Steht sogar drüber!

Beitrag von yury

[QUOTE=Fabritianum;474]nein,es geht nur um den könig. Zumindest in meinem Post. Steht sogar drüber![/QUOTE]Ja, Du schriebst, die Regel sei nur auf den Königsangriff anwendbar, woraufhin ich fragte, warum das so sein sollte. Meiner Meinung nach gilt sie auch für Damenflügelangriffe bei kurz rochiertem König.

Beitrag von ToBeFree

Wenn die Regel den Ausschlag für einen Angriff auf den Königs- oder Damenflügel geben soll, kann sie nicht nur für eine der beiden Sachen gelten - oder habe ich jetzt etwas falsch verstanden? :grübel:

Beitrag von Kiffing

Sie bietet zumindest eine grobe Orientierung, welchem Flügel man sich zuwenden sollte, kann aber natürlich keine ernsthafte Analyse dafür ersetzen.

Beitrag von ToBeFree

Ich bezog mich vor allem auf Fabritianums Aussage :D

Beitrag von Kampfkeks

Ich finde, die Richtungsregel macht durchaus Sinn: Insbesondere wenn ich an die Läufer denke, halte ich es für logischer, an dem Flügel zu spielen, wo man mehr Platz hat, da sie parallel zum "Bauernpfeil" ihre diagonale Wirkung voll entfalten können.Und mal angenommen, die weißen Bauern stehen tatsächlich auf c2, d3 und e4: Hat man dann nicht sowieo schon Stellung bezogen? Ich meine, der Bauer auf e4 steht ja schon vorgerückt (und gedeckt) auf dem Königsflügel.

Beitrag von whiteshark

Auf diese Regel hat die Welt gewartet. :donk:

Beitrag von Kleinmeister

Weder sinnvoll, noch bescheuert! Die Regel trifft auf viele Stellungen generell zu, ich denke da z.B. an Klassischen Königsinder, Vorstoßfranzosen, Carlsbader-Strukturen. Da ist es aber sonnenklar was der Hauptplan ist, sodass die Regel allenfalls kindisch, aber nicht verkehrt oder bescheuert ist. Andererseits gibt es in all diesen exzellenten Beispielen Ausnahmen: Z.B. wenn Weiß im Königsinder g4 spielt um Schwarz am Königsflügel zu stoppen. Wenn Weiß b4 oder dxc5, bzw. Schwarz f6, oder f5 oder g5 oder h5 spielt um im Franzosen am ganzen Brett zu spielen. Im Carlsbader kann die Seite mit Zentrumsmajorität immer auch f3+e4 bzw. f6+e5 versuchen. Die gegen den Minoritätsangriff verteidigende Seite hat dagegen auch b4 respektive b5 zur Verfügung.Und dann gibts da ja noch die Stonewalls, die Botwinnikstrukturen, Spanisch mit weißen d5+e4-Zentren mit Spiel am Königsflügel, geschlossene Nimzoindische Zentren mit Spiel an beiden Flügeln, Modernes Benoni in dem Weiß ja auch auf e4-e5 spielt und nicht laut Richtungsregel am Damenflügel, geschlossene Italiener wo Weiß der ursprünglichen Bauernstruktur c2-d3-e4 zuerst einmal c3+b4+a4 etc folgen lässt...Fazit: Mit einer strikten Regelbefolgung sollte man Kinder hier GANZ SICHER NICHT verwirren. Aber in einer Analyse mal anklingen lassen, dass man bei der oder jener Bauernstruktur besser hier angreift als dort, das macht auf jeden Fall Sinn!