Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Königsangriff unter zwei Qualitätsopfern“

schachburg.de

Beitrag von Kiffing

Tigran Petrosjan sah in der [URL="http://www.schachburg.de/threads/1276-Gligorics-Glanzsieg-gegen-Tigran-Petrosjan"]vorgestellten Partie[/URL] gegen Svetozar Gligoric sicherlich nicht gut aus. Es wird Zeit, ihn zu rehabilitieren! Gegen Boris Spassky gelang ihm 1966 bei der WM in Moskau 1966 eine Glanzpartie. Zur Vorgeschichte:Tigran Petrosjan galt als Verteidigungskünstler, der vor allem dazu in der Lage sei, statische positionelle Merkmale in einer Partie auszubeuten. In diesem Sinne legte Boris Spassky seine WM-Strategie so an, daß er, frei nach Garri Kasparov, Petrosjan früh aus der Vorbereitung bringen wollte, um in unübersichtlichen taktisch geladenen Strukturen Petrosjan zu bezwingen, der sich auf diese Art „ohne klare positionelle Orientierungsmerkmale“ behaupten mußte. So wählte Spassky bspw. in der 12. Partie die seltene Ujtelky-Verteidigung gegen Petrosjans Aufbau mit Sf3, c4 und d4.Diese Strategie erwies sich allerdings als verfehlt. Denn wiewohl es richtig ist, daß Tigran Petrosjan das Risiko nicht mochte; in taktisch geladenen Stellungen konnte er sich durchaus zurechtfinden. Und, was noch schwerer wog, gerade Positionsspieler wie Petrosjan sind sehr gut darin, Ungenauigkeiten im Spiel des Gegners auszunutzen...Die hier vorgestellte 10. WM-Partie soll dies verdeutlichen. Nach Garri Kasparov war Spasskys verfehlte WM-Strategie hauptverantwortlich für dieses Fiasko. Tigran Petrosjan dagegen gab sich keine Blöße und spielte wunderbar auf. Der für seine Spieltiefe – das hat er mit Nimzowitsch gemeinsam! – bekannte Armene ließ hier mit ...f5 und ...b5 zwei typische Sprengungszüge im Königsinder zu. Er baute darauf, daß der vom Spiel abgeschlossene Sa5 dem Gegner fehlen würde, so daß er praktisch mit einem Übergewicht von einer Figur spielen kann. Gleichzeitig war seine Spielanlage eine Provokation, und tatsächlich versuchte Boris Spassky es im 15. Zug mit der Brechstange, als er früh über das Zentrum die Entscheidung zu erzwingen trachtete. Natürlich konnte Tigran Petrosjan den schwarzen Angriff abwehren. Und wie so oft, war er es dann, der die Früchte der Schlacht einfahren konnte. In diesem Fall war es eine nach dem schwarzen Angriff entblößte Bauernstruktur am Königsflügel, die Petrosjan zum Konterangriff einlud. Mit gleich zwei Qualitätsopfern griff Petrosjan Spasskys König an, und standesgemäß verwandelte er mit einem effektvollen Damenopfer den Matchball, seht selbst:[Event "Moscow-Wch"][Site "Moscow-Wch"][Date "1966.05.02"][EventDate "?"][Round "10"][Result "1-0"][White "Petrosian"][Black "Boris Spassky"][ECO "E63"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "59"]1. Nf3 Nf6 2. g3 g6 3. c4 Bg7 4. Bg2 O-O 5. O-O Nc6 6. Nc3 d67. d4 a6 8. d5 Na5 9. Nd2 c5 10. Qc2 e5 11. b3 Ng4 12. e4 f513. exf5 gxf5 14. Nd1 b5 15. f3 e4 16. Bb2 exf3 17. Bxf3 Bxb218. Qxb2 Ne5 19. Be2 f4 20. gxf4 Bh3 21. Ne3 Bxf1 22. Rxf1 Ng623. Bg4 Nxf4 24. Rxf4 Rxf4 25. Be6+ Rf7 26. Ne4 Qh4 27. Nxd6Qg5+ 28. Kh1 Ra7 29. Bxf7+ Rxf7 30. Qh8+ 1-0

Beitrag von zugzwang

[QUOTE=Kiffing;19937]Tigran Petrosjan sah in der [URL="http://www.schachburg.de/threads/1276-Gligorics-Glanzsieg-gegen-Tigran-Petrosjan"]vorgestellten Partie[/URL] gegen Svetozar Gligoric sicherlich nicht gut aus. Es wird Zeit, ihn zu rehabilitieren! Gegen Boris Spassky gelang ihm 1966 bei der WM in Moskau 1966 eine Glanzpartie...[/QUOTE]Zur "Rehabilitation" von Boris Spassky folgende Partie aus seinem Anlauf auf den WM-Titel gegen den großen Paul Keres.Keres hatte die 8. Partie in einem Nimzoinder gewonnen und lag vor dieser Partie 4:5 zurück. Er mußte viel riskieren, um in dieser letzten Partie den Ausgleich zu schaffen.Und Boris Spassky spielte keine Langweiler-Klammervariante, sondern mußte/wollte früh die Qualität opfern.Vielfach wurde behauptet, daß Keres mit 20. Sd1 überlegenes Spiel erhalten hätte.Wie kompliziert und unklar alles warund ist, erfährt man, wenn man "Ängie Leidt" draufschauern läßt.[Site "Riga LAT"][Date "1965.04.23"][EventDate "1965.04.07"][Round "10"][Result "0-1"][White "Paul Keres"][Black "Boris Spassky"][ECO "E77"]1.d4 Nf6 2.c4 g6 3.Nc3 Bg7 4.e4 d6 5.f4 c5 6.d5 O-O 7.Nf3 e68.Be2 exd5 9.cxd5 b5 10.e5 dxe5 11.fxe5 Ng4 12.Bf4 Nd7 13.e6fxe6 14.dxe6 Rxf4 15.Qd5 Kh8 16.Qxa8 Nb6 17.Qxa7 Bxe6 18.O-ONe3 19.Rf2 b4 20.Nb5 Rf7 21.Qa5 Qb8 22.Re1 Bd5 23.Bf1 Nxf124.Rfxf1 Nc4 25.Qa6 Rf6 26.Qa4 Nxb2 27.Qc2 Qxb5 28.Re7 Nd329.Qe2 c4 30.Re8+ Rf8 31.Rxf8+ Bxf8 32.Ng5 Bc5+ 33.Kh1 Qd734.Qd2 Qe7 35.Nf3 Qe3 0-1Das Qualitätsopfer wird mit 12. ... Sbd7 als Antwort auf die Neuerung Lf4 von Keres eingeleitet. Ein defensives Angriffsopfer? Spekulation oder Kalkulation?Über seinen 14. Zug dachte Spassky 35 Minuten nach (Cafferty).Keres überschritt später in allerdings schon verlorener Stellung die Zeit.Gegen Geller und Tal verlor Spassky in diesem Zyklus nur eine einizge Partie (Tal).Keres brachte ihm im Viertelfinale immerhin 2 Niederlagen bei.Im Finale wartete dann aber der eiserne armenische Tiger auf den jungen Leningrader.