Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Lasker“

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Beitrag von Mattmonster

Lasker,E - Capablanca,J [C68] St Petersburg final St Petersburg, 1914 [Comments by Kasparov] Kommentare von KasparovNo story about Laskers chess career is complete without the following famous game. The young Cuban genius, Capablanca, was playing easily and convincingly in this tournament, probably the strongest ever held until that time. Lasker, as usual, began quite slowly and, with just four rounds to go, he was trailing a full point behind Capablanca, whom he was desperately trying to catch. His last chance to fight for tournament victory was to beat the leader. Ohne die folgende berühmte Partie ist keine Erzählung über Laskers Schachkarriere vollkommen. Das junge kubanische Genie Capablanca spielte unbeschwert und überzeugend in diesem Turnier - dem wahrscheinlich stärksten, das bis zu dieser Zeit je abgehalten wurde. Lasker begann wie gewohnt recht langsam und lag bei nur noch vier verbleibenden Runden einen vollen Punkt hinter Capablanca, den er unbedingt einholen wollte. Seine letzte Chance, um um den Turniersieg zu kämpfen, bestand darin, den Führenden zu schlagen. 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.Lxc6 (!)A very surprising choice. The Exchange Variation of the Ruy Lopez was a dangerous weapon in Laskers hands. But nobody in the audience and amongst the participants believed that this quiet opening would work against Capablanca, whose excellent technique was already widely recognised. With the charming self-confidence of youth, José Raoul unfortunately shared this misconception and did not recognise Laskers real intentions. Eine sehr überraschende Wahl. Die Abtauschvariante der spanischen Verteidigung war eine gefährliche Waffe in den Händen Laskers. Allerdings glaubte niemand im Publikum oder unter den Teilnehmenden, dass diese ruhige Eröffnung gegen Capablance, dessen herausragende Technik bereits weithin bekannt war, funktionieren würde. Mit dem vereinnahmenden Selbstbewusstsein der Jugend teilte unglücklicherweise auch José Raoul diese Fehleinschätzung und erkannte Laskers wahre Absichten nicht. 4...dxc6 5.d4 exd4 6.Dxd4 Dxd4 7.Sxd4Now even the queens are off the board. Is this the way to play for a win in the decisive game?Jetzt sind sogar die Damen vom Brett. Ist dies die Art, um auf Gewinn zu spielen in dem entscheidenden Spiel? 7...Ld6 8.Sc3 Se7 9.0-0 0-0 10.f4 Te8 Later Dr Tarrasch suggested a better line: [10...f5 11.e5 Lc5 12.Le3 Lxd4 13.Lxd4 b6 and despite Whites strong passed pawn Black has enough defensive resources. So strong was the impression of Laskers original plan that the commentators tried to improve Blacks play at the earliest possible stage! But Capablanca was right in his assessment: Black had little to worry about.] Später schlug Dr. Tarrasch eine bessere Variante vor: 10...f5 11.e5 Lc5 12.Le3 Lxd4 13.Lxd4 b6 und trotz des starken weißen Freibauern hat Schwarz genügend Verteidigungsressourcen. So stark war der Eindruck von Laskers originellem Plan, dass die Kommentatoren versuchten, das schwarze Spiel an der frühestmöglichen Stelle zu verbessern. Capablanca lag mit seiner Einschätzung jedoch richtig: Für Schwarz gab es wenig, worüber er sich Sorgen hätte machen müssen. 11.Sb3 f6 12.f5! Under the classical rules of the Steinitz positional school this move has to be damned. White gets a weak pawn on e4, Black a stronghold on e5, with a devaluation of Whites pawn advantage on the kingside -- too many negative points for just one move. But Laskers eagle eye had seen much further. Unter den klassischen Regeln der steinitzschen Schule des Positionsspiels ist dieser Zug zu verdammen. Weiß erhält einen schwachen Bauern auf e4, Schwarz erhält ein starkes Feld auf e5 mitsamt einer Entwertung des weißen Bauernvorteils auf der Königsseite -- zu viele negative Punkte für gerade mal einen Zug. Laskers Adlerauge hatte jedoch viel weiter geblickt. 12...b6 and here [12...Ld7 13.Lf4 Tad8 was recommended by stern post-mortem analysts. But obviously the bishop is better placed on b7, where it attacks the pawn on e4] und hier wurde von streng post-mortem Analytikern 12...Ld7 13.Lf4 Tad8 vorgeschlagen. Der Läufer ist aber offenkundig besser auf b7 platziert, von wo aus er den e4-Bauern angreift. 13.Lf4 Lb7? Now a serious mistake! In general Black should be happy to undouble his c-pawns, but here the pawn on d6 will become a permanent weakness. Necessary was [13...Lxf4! 14.Txf4 c5! 15.Td1 Lb7 16.Tf2 Tad8 17.Tfd2 (17.Txd8 Txd8 18.Td2 Txd2 19.Sxd2 Sc6 or...) 17...Txd2 18.Txd2 Sc6 19.Td7 Tc8 and after Ne5 Black is fine. This plan was recommended by Capablanca -- but alas, only after the game was over.]Und jetzt ein ernster Fehler! Normalerweise sollte Schwarz glücklich sein, seine Doppelbauern auf der c-Linie aufzulösen, doch hier wird der Bauer auf d6 zu einer dauerhaften Schwäche. Notwendig war 13...Lxf4! 14.Txf4 c5! 15.Td1 Lb7 16.Tf2 Tad8 17.Tfd2 (17.Txd8 Txd8 18.Td2 Txd2 19.Sxd2 Sc6 oder...) 17...Txd2 18.Txd2 Sc6 19.Td7 Tc8 und nach Se5 hat Schwarz keine Probleme. Dieser Plan wurde von Capablanca empfohlen - doch leider erst, als die Partie vorbei war. 14.Lxd6 cxd6 15.Sd4 Tad8? Capablanca doesnt take Whites plan seriously. The knight on e6 will be a bone in the throat. So ... Capablanca nimmt den weißen Plan nicht ernst. Der Springer auf e6 wird ein Dorn im Fleische sein ... daher ... 15...Bc8 ... was obligatory. Maybe the Cuban was too proud to recognise his mistake so soon. ... war 15. ... Lc8 erzwungen Vielleicht war der Kubaner zu stolz um seinen Fehler so zeitig schon zu erkennen. 16.Se6 Td7 17.Tad1 Sc8 18.Tf2 b5 19.Tfd2 Tde7 20.b4 Kf7 21.a3 La8? The question mark is deserved, not by the move, but for the idea to open the a file, which can be used effectively only by the white rooks. Of course Black has lost the strategical battle, but an exchange sacrifice [21...Txe6 22.fxe6+ Txe6 would have given him the best fighting chances.] Das Fragezeichen steht verdientermaßen - nicht wegen des Zuges, sondern wegen der Idee die a-Linie zu öffnen, die nur von den weißen Türmen effektiv genutzt werden kann. Natürlich hat Schwarz den strategischen Kampf verloren, aber ein Qualitätsopfer mit 21...Txe6 22.fxe6+ Txe6 hätte ihm noch die besten Chancen zum Weiterkämpfen gegeben. 22.Kf2 Ta7 23.g4 h6 24.Td3 a5? 25.h4 axb4 26.axb4 Tae7 A sad retreat. 27.Kf3 Tg8 28.Kf4 g6 29.Tg3 g5+ The last move to be criticised by the annotators. But its too late for good advice. [29...gxf5 doesnt offer any relief: 30.exf5 d5 31.g5! hxg5+ 32.hxg5 fxg5+ 33.Sxg5+ Kf8 34.f6 Ta7 35.Ke5! etc.] Der letzte Zug, der von den Kommentatoren kritisiert wurde. Aber es ist bereits zu spät für gute Ratschläge.[29...gxf5 entlastet nicht: 30.exf5 d5 31.g5! hxg5+ 32.hxg5 fxg5+ 33.Sxg5+ Kf8 34.f6 Ta7 35.Ke5! usw.] 30.Kf3 Sb6 A desperate try. Ein verzweifelter Versuch 31.hxg5 hxg5 32.Th3! Lasker continues to execute his plan without any diversions. [32.Txd6 would have given Black some extra breathing time. 32...Sc4 33.Td1 Th8] Lasker führt seinen Plan weiter durch ohne irgendwelche Umschweife. [32.Txd6 hätte Schwarz etwas zusätzlichen Freiraum verschafft 32...Sc4 33.Td1 Th8] 32...Td7 The knight is chained to the b6 square. After [32...Sc4 33.Ta1 the combined invasion of the white rooks on the a and h files demolished Blacks defence.] Der Springer ist an das Feld b6 gebunden. Nach 32...Sc4 33.Ta1 zerstörte das kombinierte Eindringen der weißen Türme auf der a- und h-Linie die schwarze Verteidigung. 33.Kg3 The final preparation. Die letzte Vorbereitung 33...Ke8 34.Tdh1 Lb7 35.e5! For 23 moves (after 12.f5) Black hasnt been able to prevent this pawn from going ahead! Nach 12. f5 ist Schwarz seit 23 Zügen nicht in der Lage, diesen Bauern am Vorrücken zu hindern. 35...dxe5 36.Se4 Sd5 37.S6c5 Lc8 38.Sxd7 Lxd7 39.Th7 Tf8 40.Ta1 Painful punishment for the mistake on move 24. Die schmerzhafte Strafe für den Fehler im 24. Zug 40...Kd8 41.Ta8+ Lc8 42.Sc5 1-0and Black resigned, and the old chess wizard Lasker had become the winner of this historical contest. The psychological effect of this brilliant victory was long-lasting. A shaken Capablanca lost with white in the next round to Dr Tarrasch. And even seven years later, in his world championship match against Lasker, he never played 3...a6 in the Ruy Lopez!Und Schwarz gab auf und der alte Schachhexer Lasker war zum Sieger dieses historischen Wettstreits geworden. Der psychologische Effekt dieses brillianten Sieges war langanhaltend. Der zerrüttete Capablance verlor in der nächsten Runde mit Weiß gegen Dr. Tarrasch. Und noch sieben Jahre später spielte er in seinem Weltmeisterschafts-Kampf gegen Lasker niemals 3. ... a6 in der spanischen Verteidigung

Beitrag von Kiffing

Laskers Idee rund um 12. f5! war tatsächlich revolutionär und ein gutes Beispiel seiner kämpferischen Kompensationsstrategie. Die Idee, eigene Schwächen zuzulassen, um dafür andere (bessere) Vorteile zu erhalten, ist zwar heute selbstverständlich, aber jemand muß darauf auch erst einmal kommen. Einem Tarrasch wäre es z. B. niemals eingefangen, seine eigene Lage auf dem Brett so mutwillig zu kompromittieren, auch nicht um dafür andere positionelle Vorteile auf dem Brett zu erhalten, es wäre auch seinem klassischen Schönheitsideal des Schachspiels zuwidergelaufen, und wahrscheinlich sah er Laskers Zug einfach als "inkorrekt" an. Aber rund um 1914 und den baldigen Great War hatten in allen kulturellen Feldern die Avantgardisten den Klassikern bereits den Kampf angesagt, im Schach waren es die Hypermodernen, von denen auch diejenigen, die sich nicht dieser Richtung anschließen wollten, zahlreiche Ideen aufgriffen. Zentrales Argument gegen die Klassik war, welche Reinheit und Harmonie der Natur zum Vorbild nahm, daß der Mensch mehr ist als nur Natur. Übrigens war Lasker damals in Topform, denn nicht zuletzt aufgrund dieser bemerkenswerten Partie gewann er das Turnier in St. Petersburg nach einer fulminanten Aufholjagd auf Capablanca. Hier findet man noch mehr Gedanken zu diesem Zug und der gesamten Partie: [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/625-Eine-berühmte-Lasker-Stellung-unter-den-Augen-von-heute?highlight=Capablanca+Lasker+1914". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://www.schachburg.de/threads/625-E ... asker+1914" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]