Schachburg-Archiv: Benutzerthema „FIDE kehrt zum Rundenmodus zurück“

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Beitrag von Kiffing

Die FIDE kehrt für den nächsten WM-Zyklus nun wieder zum Rundenmodus des Kandidatenturniers zurück. Die acht Kandidaten spielen nun doppelrundig gegeneinander und spielen so den Herausforderer des amtierenden Weltmeisters untereinander aus. Damit fallen zwei Gründe weg, wegen denen Magnus Carlsen seinen Rückzug aus dem aktuellen WM-Zyklus erklärt hatte. Carlsen war zum einen unzufrieden damit, daß das Kandidatenturnier im KO-System ausgetraten wurde, und zum anderen damit, daß die Matches für die Zweikämpfe zu kurz waren. Die Details findet ihr auf [url]http://www.schachbund.de/news/article.html?article_file=1314550632.txt[/url]

Beitrag von zugzwang

Und wenn dieser Modus dann auch wieder nicht den favorisierten Herausforderer gebiert oder sogar Absprache- oder Manipulationsgerüchte auftauchen, dann hat mansich auch damit wieder ins Knie geschossen.Merines erachtens müßten wenigstens die beiden Erstplatzierten dieses Kandidatenturnieers einen Stichkampf austragen, um etwas stärker zu erschweren, was Fischer bereits 1962 bemerkt und völlig zu Recht kritisiert hatte.Teamwork einzelner Verbände oder bestimmter Teilnehmergruppen sind auch heutzutage nicht ausgeschlossen.Ich mag diesen Qualifikationsmodus wegen seiner Manipulationsmöglichkeiten nicht.Da sind mir die Schnellschachentscheide und die ziemlich unsäglichen blitzentscheide fast noch lieber als ein Herausforderer mit dem kaum zu beweisenden, aber auch nicht auszuschließenden Manipulationsverdacht.Wie gesagt, es muß nicht sein beim Doppelrundenturnier, daß der Verdacht aufkommt, aber irgendwann wird er aufkommen und Thema sein. Deshalb ist diese Lösung keine Lösung.

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=zugzwang;1023]Da sind mir die Schnellschachentscheide und die ziemlich unsäglichen blitzentscheide fast noch lieber als ein Herausforderer mit dem kaum zu beweisenden, aber auch nicht auszuschließenden Manipulationsverdacht.[/QUOTE]Grundsätzlich würde ich davon ausgehen, daß ein jeder in erster Linie für sich selbst spielt, was Manipulationen zumindest erschwert. Denn wenn ein Spieler eines Verbandes für einen anderen spielt, schwächt er damit gleichzeitig seine Position. So würde er bei einem geschobenen Remis bspw. sich selbst die Chance nehmen, die konkrete Partie auch zu gewinnen. Ok, bei im Turnierverlauf chancenlosen Spielern zieht dieses Argument nicht, aber gegen Manipulationen kann man zumindest etwas tun. Ein Rundenmodus dagegen hätte den Vorteil, daß das System logischer ist, oder anders ausgedrückt, daß es wahrscheinlicher ist, daß sich auch der stärkste Spieler durchsetzt. Denn Formschwankungen sind auch bei Spitzenkräften nicht unmöglich. Während sie bei KO-Kämpfen aber entscheidend sein können, kann der Spitzenspieler bei langen und ausgewogenen Rundenturnieren diese ausgleichen. Die kommenden Rundenqualifikationskämpfe werden ja doppelrundig ausgetragen.

Beitrag von MagnusFTW

Das ist doch mal eine gute Neuigkeit von der Fide :) (ausnahmsweise mal :( ). Ich persönlich finde Rundenturniere viel besser und sie sind gerechter. Hier gewinnt eigentlich immer der (formell) beste Spieler (und nicht der bessere Blitzspieler wie teilweise beim letzten Turnier ... :( )

Beitrag von zugzwang

[QUOTE=Kiffing;1024]Grundsätzlich würde ich davon ausgehen, daß ein jeder in erster Linie für sich selbst spielt, was Manipulationen zumindest erschwert. Denn wenn ein Spieler eines Verbandes für einen anderen spielt, schwächt er damit gleichzeitig seine Position. So würde er bei einem geschobenen Remis bspw. sich selbst die Chance nehmen, die konkrete Partie auch zu gewinnen. Ok, bei im Turnierverlauf chancenlosen Spielern zieht dieses Argument nicht, aber gegen Manipulationen kann man zumindest etwas tun...[/QUOTE]Wie denn? Es gibt auch im Schach Arbeitsgemeinschaften bis hin zu Seilschaften.Heute gewinnst Du und morgen eben der andere...Ein Rundenmodus dagegen hätte den Vorteil, daß das System logischer ist, oder anders ausgedrückt, daß es wahrscheinlicher ist, daß sich auch der stärkste Spieler durchsetzt...[/QUOTE]Kannst Du das beweisen oder begründen?Hat sich der stärkere Spieler wirklich durchgesetzt, wenn er aufgrund der Auslosung mit einer Siegpartie gegen einen abgehängten Mitstreiter problemlos gewinnt, während seine beiden Konkurrenten in der letzten Runde ein ausgekämpftes Remisgegeneinander erzielten. Gegen den abgehängten Mitstreiter schafften sie dagen auch nur ein Remis, als dieser eben selbst noch motivierter und mit Chancen versehen war.Kann man aus dieser Konstellation wirklich folgern, daß der Sieger mit einem halben Punkt vorsprung wirklich der stärkste Spieler war oder hat er von den zufälligkeiten der Auslosung und des Partieverlaufs profitiert?Was ist wenn ein Spieler plötzlich krank wird und erkennbar die verbleibenden Partien nur mit beschränkter Kraft spielen kann.Sind die gegen ihn erzielten vollen Punkte tatsächlich das Ergebnis stärkeren Spiels oder Begünstigungen durch Zufall?Es ist ein großer Irrglauben zu denken, daß dieses Rundensystem notwendigerweise und zwangsläufig den wirklich besten Spieler an der Spitze wiederfindet.Und dabei haben wir uns noch nicht einmal über den auch denkbaren Fall unterhalten, daß 2 oder mehr Spieler punktgleich einlaufen...

Beitrag von Kiffing

Bei einem doppelrundigen Turnier kann sich alles irgendwie ausgleichen, bei einem KO-System ist die Distanz dafür zu gering, weil gerade in den ersten Runden nur extrem wenige Partien um das Fortkommen entscheiden. Ein einziger Fehler in einer Partie kann da schon entscheidend sein, was mit den von mir erwähnten Formschwankungen zusammenhängt. Wie gesagt, kann man etwas gegen Absprachen tun. Aber wegen der Absprachenproblematik jetzt gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten bzw. auf das bessere System zu verzichten, hielte ich für keine gute Lösung. Da würde ich eher da ansetzen, etwas gegen die Absprachenproblematik zu tun, um das an sich bessere System nicht zu gefährden und diskreditieren.

Beitrag von yury

Klar hat das (Doppel-)Rundensystem auch Schwächen und macht auch nicht immer den "objektiv stärksten Spieler" (mal angenommen, es gibt so etwas) zum Turniersieger. Entscheidend ist aber, dass es das immer noch mit größerer Wahrscheinlichkeit als das KO-System tut; und zwar umso mehr, je höher die Anzahl an Teilnehmern ist. Denn es liegt nicht im Wesen eines stärkeren Spielers, dass er immer und zwangsläufig gegen schwächere Spieler gewinnt, sondern dass er das mit einer gewissen (je nach Spielstärkeunterschied mehr oder weniger hohen) Wahrscheinlichkeit tut. Angenommen, ein starker Spieler muss in einem Turnier dreimal hintereinander gegen Spieler spielen, gegen die er normalerweise 67% holt. Im Rundensystem hätte er danach 2 aus 3 Punkte geholt, im KO-System wäre er mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% aus dem Turnier ausgeschieden.Man könnte das auch simulieren; vielleicht mache ich das mal irgendwann demnächst. ;)

Beitrag von zugzwang

@ yury:Dem Vorteil, daß das Rundensystem möglicherweise mit einer höheren Wahrscheinlichkeit die stärkeren Spieler nach oben bringt, steht der signifikante Nachteil gegenüber, daß es deutlich stärker und leichter manipulierbar ist als das KO-System.Damit im Schach nicht glückliche Zufallsherausforderer gekürt werden, sah das alte Kandidatensystem Distanzen vor, die dem stärkeren Spieler gute Chancen gaben, sich durchzusetzen.Seit Einführung des alten Kandidatensystems hat es mit Short nur einen einzigen Außenseitersieg gegeben.Ansonsten haben sich mit Spassky (2x), Fischer, Karpov (3x), Kasparov sowie zuletzt Anand im PCA-Zyklus die Topfavoriten/Hauptfavoriten.Bei Karpovs erstem Sieg war er vielleicht vorher nicht Topfavorit. Seine Elozahl lag mit 2660 zum 01.07.73 aber schon knapp über der von Spassky und Korchnoi. Entwicklungskurve und Turniererfolge sprachen genauso wie Partieinhalte schon für ihn, was er später bestätigte.Daß Kamsky 1995/1996 im Fidezyklus sich durchsetzte, lag wohl auch etwas am "dualen System", bei dem es anderen Spieler nicht so leicht fiel sich auf beide Zyklen (Fide oder PCA) zu konzentrieren. Überdies hat sich mit Kamsky damals der junge "Shootingstar" der Szene durchgesetzt.Ich kann an einem System, das auch dieses unter vielen Möglichkeiten zuläßt, keinen Strickfehler erkennen.Bleibt noch der Überraschungssieger Short übrig, der 1991/1992 einen Lauf hatte, auf einen ermüdeten Fast-Veteranen (Karpov) traf, einen noch nicht ausgereiften Jungspund namens Gelfand ausschaltete und den im WM-Zyklus zumeist unglücklichen Jan Timman besiegte.Auch hier wüßte ich nicht, warum ein eminent "falscher" Herausforderer durch das System gekürt wurde.Bei der deutlichen WM-Niederlage gegen Kasparov hat Short übrigens mehr Widerstand geleistet, als es das Ergebnis letztlich aussagt und bis auf Karpov hat bis dahin noch jeder Matchgegner von Kasparov eine verpaßt bekommen.Das spricht also auch nicht für einen vom System "flasch" ermittelten Herausforderer.Schauen wir uns die alten Kandidatenturniere an:Zunächst setzte sich Bronstein durch, der übrigens noch einen Stichkampf gegen Boleslavski wegen Punktgleichheit im Budapester Kandidatenturnier spielen mußte.Spricht auch nicht für das alleinige Rundenturnier, wenn man noch einen Tiebreak braucht.Allerdings ist es dieses Format, was ich noch am ehesten akzeptiere:Rundenturnier, um die beiden besten zu ermitteln, die dann ein Kandidatenfinale im Matchformat ermitteln.Das Tiebreak- und Manipulationsbleibt trotzdem bestehen, ist aber etwas abgemildert.Nach Bronstein folgten Smyslov (2x), Tal und Petrosjan. Sicher auch nicht die falschen Herausforderer für Botwinnik. Ob sie die wirklich besten und stärksten immer waren, kann aber aus den Ergenissen auch nicht gefolgert werden.Petrosjan haftet für 1962 zudem der Geruch der Absprachen mit Geller und "Gentleman" Keres (gegen Fischer aber auch den Rest) an.Keres scheiterte dagegen 3x knapp. War er nicht stark genug, hatte er nicht dieTopform während der Rundenturniere, ist das System doch nicht optimal gewesen, durfte oder wollte er nicht gegen seinen Angstgegner Botwinnik antreten?Keiner kann es mit Sicherheit beantworten.Fazit:Ich kann keine gravierenden Vor- oder Nachteile bei beiden Verfahren erkennen und weiß nur, daß 1962 mit großer Wahrscheinlichkeit manipuliert wurde, was in einem KO-System nicht soviel Schaden anrichtet, für ein Rundensystem aber tödlich ist!