Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Warum war Lasker so stark?“

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Beitrag von blunder1

Seit ca. 2 Jahren befasse ich mich in meiner Freizeit recht intensiv mit dem Leben und dem Schach von Emanuel Lasker (1868-1941), der von 1894 bis 1921 Weltmeister und sehr wahrscheinlich der dominanteste Spieler der Schachgeschichte war, zumindest über einen längeren Zeitraum.

Warum war Lasker so stark? Leider hat er nur wenig über sein Schach geschrieben und sich in der Öffentlichkeit immer sehr bedeckt gehalten.

Lasker hatte einen universellen Stil und konnte alle Stellungstypen gut behandeln: ob taktisch oder strategisch, ob dynamisch oder statisch, ob Angriff oder Verteidigung, er spielte alle Stellungen gut. Dazu war er ein Endspielvirtuose und hatte ein sehr gutes Wettkampftemperament. Dies wurde besonders deutlich, wenn er nach einem schwächeren Zug in Schwierigkeiten geraten war: Die meisten Spieler lassen in solchen Situationen die Schultern sinken und verlieren ohne große Gegenwehr, doch Lasker „vergaß“ den Fehler sofort und war ausgesprochen finderisch in der Verteidigung (Capablanca nannte ihn den „Mann mit den 1000 Ressourcen“).
Außerdem betrieb er ein sehr gutes risk management; sein Siegeswille war ausgeprägt, doch ging er nicht zu viel Risiken ein. Typisch für ihn war, dass er in Situationen, in denen er zwischen einem sofortigen einfachen Remis oder einer komplexeren Stellung mit beiderseitigen Chancen wählen konnte, fast immer den zweiten Weg einschlug.

Dies erklärt aber nicht alles: Lasker war in seinem Schachverständnis seinen Zeitgenossen so weit voraus (er war für heutige Verhältnisse „modern“), dass sein Spiel über Jahrzehnte hinweg nicht verstanden und falsch beschrieben wurde; seit ca. 20 Jahren hat eine oft Computer-gestützte Neubewertung stattgefunden, um die sich u.a. die Großmeister Hübner, Nunn und Marin verdient gemacht haben. Als erster hatte Lasker erkannt, dass Schach äußerst komplex ist und es in vielen Stellungen nicht „den einzigen Zug“ gibt, sondern mehrere nahezu gleichwertige Alternativen zur Verfügung stehen können; sein „schachideologischer Erzfeind“ Siegbert Tarrasch glaubte an den einzigen Zug und konnte Laskers Spiel nie verstehen („Glück“, „Zauberei“).

Die folgende Partie stammt aus dem Turnier New York 1924 und verdeutlicht dies sehr gut. Das zentrale strategische Thema ist das Spiel gegen Bauernketten.
Aron Nimzowitsch empfahl, eine gegnerische Bauernkette an ihrer Basis anzugreifen, doch im modernen Schach wird sie auch oft an ihrer Spitze attackiert; genau dies macht Lasker in der Partie (9...cxd4 und 13...f6!). Er nimmt eine statische Schwäche in Kauf (rückständiger e-Bauer auf einer halboffenen Linie), doch die dynamischen Faktoren (Raum und Figurenaktivität) kompensieren dieses Manko.
John Nunn vergleicht diese Partie mit Socko – M. Gurevich, Venaco rapid 2005.
Die Pointe liegt darin, dass Lasker diese Stellung sehr modern behandelt, bevor Nimzowitsch Mein System überhaupt veröffentlicht hat.

[Event "New York"] [Site "03.-- R07 USA New York NY"] [Round "07"] [Date "1924.??.??"] [White "Maroczy, Geza"] [Black "Lasker, Emanuel"] [WhiteElo "2620"] [BlackElo "2720"] [Result "0-1"] 1.e4 Nf6 2.Nc3 d5 3.e5 Nfd7 4.d4 e6 5.Nce2 c5 6.c3 Nc6 7.f4 Be7 8.Nf3 O-O { Aus einer Aljechin-Verteidigung ist durch Zugumstellung eine Französische Verteidigung entstanden. } 9.g3 cxd4 { Dieser Zug widerspricht der damaligen Auffassung vom Spiel gegen Bauernketten; damals wurde ...c5-c4, gefolgt von ...b5-b4, als richtig angesehen; allerdings ist dieser Plan langsam und der weiße Angriff auf dem Königsflügel droht schneller durchzuschlagen . Doch mit ...f6 kombiniert, wirkt Laskers Plan viel moderner. } 10.cxd4 Nb6 11.Bh3 Bd7 12.O-O Rc8 13.g4 f6 { ! } 14.exf6 { 14.b3 fxe5 15.fxe5 Na8!? 16.Nf4 Nc7 17.Qe2 Nb4 (droht 18...Bb5) 18.a4 Nca6 und Schwarz hat ein sehr gutes Figurenspiel. } Bxf6 15.g5 Be7 16.Kh1 { ?! 16.b3 und die Stellung steht gleich. } Nc4 17.Nc3 { ?! 17.b3 } Bb4 { ! } 18.Qe2 Re8 19.Qd3 Nd6 { Droht 20...Bxc3 21.bxc3 Na5, aber auch das einfache 20...Ne7 ist unangenehm für Weiß. } 20.f5 { ? Weiß steht sowieso schlechter, doch dieser über-aggressive Zug führt zu einem schnellen Kollaps. } Nxf5 21.Nxd5 Bd6 { ?! Der einzige schwächere Zug von Schwarz in der Partie; 21...Rf8 mit großem Vorteil. } 22.Bxf5 { ?! 22.Bd2 Bb8 23.Bc3 Rf8 24.Ne3 Nce7 und Schwarz steht viel besser, doch ist kein sofortiger Gewinn in Sicht. } exf5 23.Nf4 Re4 24.Qb3+ Kh8 25.Nh4 Nxd4 26.Qh3 Rc2 27.g6 Bc6 28.Nf3 h6 29.Ne6 Nxe6 30.Bxh6 Rh4 0-1

Geza Maroczy war 1924 immer noch ein sehr starker Großmeister, doch war er ein Kind seiner Zeit und spielte dementsprechend, während Lasker diese Stellung wie ein Großmeister des 21. Jahrhunderts behandelte.

Nunn: „It is often said that Lasker founded no school, but this is merely a reflection of his versatility. He made contributions to many openings, often not with specific moves, but more with the plans leading from the opening into the middlegame. Today's grandmasters have assimilated such understanding and almost subconsciously employ many of Lasker's ideas in their everyday play. Looking at this game, it is easy to imagine it being played (at least from the black side) by a 21st-century grandmaster, and there can be no clearer indication of Lasker's enduring chess legacy.“ (S. 114)


Quelle: John Nunn John Nunn's Chess Course

Beitrag von blunder1

Der erste Topspieler, der meines Wissens Laskers Spiel einer genauen, modernen Analyse unterzogen hat, war Dr. Robert Hübner, zuerst als Artikel, dann in Form seines Buchs Der Weltmeisterschaftskampf Lasker - Steinitz 1894, das 2008 erschien und das auch auf andere Wettkämpfe Laskers eingeht.

Es ist wirklich erstaunlich: Vergleicht bitte einmal, welche Art Schach Steinitz und Tschigorin in ihrem WM-Wettkampf 1892 (Havanna) spielten...z.B.:

[Event "World Championship 4th"] [Site "Havana CUB"] [Round "7"] [Date "1892.1.14"] [White "Chigorin, Mikhail"] [Black "Steinitz, Wilhelm"] [WhiteElo "2600"] [BlackElo "2650"] [Result "1-0"] 1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bc4 Bc5 4.b4 Bxb4 5.c3 Ba5 6.O-O d6 7.d4 Bd7 8.Qb3 Qf6 9.dxe5 dxe5 10.Rd1 h6 11.Ba3 Rd8 12.Nbd2 Bb6 13.Bd5 Na5 14.Qb4 c5 15.Qb2 Ne7 16.Nb3 Nxb3 17.Qxb3 O-O 18.Bxb7 Ng6 19.c4 Nf4 20.Qe3 Bg4 21.Bd5 Rfe8 22.Bb2 Rd6 23.Rd2 Nxg2 24.Kxg2 Bxf3+ 25.Qxf3 Qg5+ 26.Kh1 Qxd2 27.Qxf7+ Kh7 28.Rg1 1-0

mit dem nahezu zeitgleich ausgetragenen Match Lasker – Blackburne (1892 London):

[Event "London m"] [Site "London"] [Round "5"] [Date "1892.??.??"] [White "Blackburne, Joseph"] [Black "Lasker, Emanuel"] [WhiteElo "2570"] [BlackElo "2720"] [Result "0-1"] 1.d4 d5 2.Nf3 Nf6 3.c4 e6 4.Nc3 b6 5.Bg5 Be7 6.e3 Bb7 7.Rc1 a6 8.Bxf6 Bxf6 9.cxd5 exd5 10.Qb3 O-O 11.Be2 Qd6 12.O-O Nd7 13.Rfd1 Rfe8 14.Na4 Rab8 15.Ne1 c5 16.Qa3 Be7 17.dxc5 bxc5 18.Bf3 Qe6 19.Qd3 Ne5 20.Qd2 Nxf3+ 21.Nxf3 Rbc8 22.Nc3 d4 23.exd4 Bxf3 24.gxf3 Qg6+ 25.Kh1 Qh5 26.Rg1 Qxf3+ 27.Rg2 Bf6 28.d5 Rcd8 29.Qd1 Qf5 30.Qb3 g6 31.Rd1 Rb8 32.Qa4 Red8 33.Qe4 Qh5 34.f3 Rb4 35.Qe2 Kg7 36.Rg4 Rb7 37.d6 Bd4 38.Rd2 Rxd6 39.Ne4 Re6 40.Ng3 Qxg4 41.fxg4 Rxe2 42.Rxe2 Rxb2 43.Rxb2 Bxb2 44.Nf1 Bc1 45.Kg2 Kf6 46.Kf3 Ke5 47.Ke2 Bf4 48.Kd3 Kd5 49.a4 a5 50.Ng3 Bxg3 51.hxg3 f6 0-1

[Event "London m"] [Site "London"] [Round "7"] [Date "1892.??.??"] [White "Blackburne, Joseph"] [Black "Lasker, Emanuel"] [WhiteElo "2570"] [BlackElo "2720"] [Result "0-1"] 1.e4 e5 2.Nc3 Nf6 3.d4 exd4 4.Qxd4 Nc6 5.Qe3 g6 6.Bd2 Bg7 7.O-O-O O-O 8.f3 d5 9.Qc5 dxe4 10.Bg5 Qe8 11.Bxf6 Bxf6 12.Nxe4 Bg7 13.Bb5 Qe5 14.Qxe5 Nxe5 15.Ne2 a6 16.Bd3 f5 17.N4c3 Be6 18.Kb1 Rfd8 19.Nf4 Bf7 20.Be2 Nc6 21.Rxd8+ Rxd8 22.Rd1 Re8 23.Bf1 b5 24.Nd3 Bd4 25.Ne2 Bb6 26.b3 Kg7 27.c3 Kf6 28.Kc2 Ne7 29.Nec1 Nd5 30.Kb2 b4 31.Nxb4 Ne3 32.Re1 Nc4+ 33.Bxc4 Rxe1 34.Bxa6 Rg1 35.g3 Rg2+ 36.Ka3 Rxh2 37.Ne2 Rg2 38.Nc2 g5 39.Bd3 h5 40.Kb4 Bf2 41.a4 c5+ 42.Kb5 Bxb3 43.a5 c4 44.Bxc4 Bxc2 45.a6 Bd1 46.Nd4 Bxd4 47.cxd4 Bxf3 48.d5 Be2 49.Bxe2 Rxe2 0-1

Hübner: „Insbesondere entwickelte er in den Partien 4, 5 und 7 in Stellungstypen, welche in der damaligen Zeit so gut wie unbekannt waren, Muster der Behandlung, die bis heute gültig sind.“ (S. 50)

Auf den WM-Wettkampf Lasker – Steinitz 1894 bezogen:
Hübner:„ Viele neue Stellungsmuster tauchen in den Partien Laskers zum ersten Male auf, und er wies in ihnen Wege, die noch heute gültig sind;...Es ist mir rätselhaft, warum Lasker bis heute häufig als Neuerer im positionellen und strategischen Bereich so gering eingeschätzt wird.“ (S. 177)

Beitrag von blunder1

Der IM Ken Regan ist Computerwissenschaftler an der Universität Buffalo/USA und hat eine Analyse der Züge moderner und historischer Großmeister gemacht, um festzustellen, bei welchem Spieler die Züge am häufigsten den Zügen entsprechen, die ein moderner, starker Computer vorschlägt.

Unter den historischen Spielern ist der Sieger niemand anders als Emanuel Lasker, vor Botwinnik, Fischer, Aljechin und Euwe.

Die Liste ist hier einsehbar: [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://cse.buffalo.edu/~regan/chess/fidelity/WCallperfs.txt". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://cse.buffalo.edu/~regan/chess/fi ... lperfs.txt" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]

Beitrag von Babylonia

Sehr interessant, dass so etwas wissenschaftlich analysiert wurde. Und, dass Lasker unter den historischen Spielern diese Liste anführt. Noch interessanter finde ich beinahe, dass 2 Frauen diese Liste anführen, nämlich Susan Polgar und Hou Yifan.

Babylonia

Beitrag von blunder1

Ursprünglich hat Regan diese Analyse gemacht, um möglichen Betrügereien moderner SpielerInnen auf die Schliche zu kommen; Susan Polgar ist übrigens wegen solcher Machenschaften z.B. auf ICC gesperrt worden.
Mittlerweile sind gute Programme den Menschen so überlegen, dass dies auch als Qualitätskriterium herangezogen werden kann, ganz besonders bei historischen Spielern, als Computer diesbezüglich noch keine Rolle spielten.
Die modernen SpielerInnen haben bei einer solchen Analyse allerdings den "Vorteil", dass ihre oft sehr weit reichende Eröffnungsvorbereitung natürlich mit Programmen abgecheckt wird bzw. von diesen stammt; daher stimmen zumindest am Anfang der Partien ihre Züge 100%ig mit Computerzügen überein.

Beitrag von blunder1

Laskers Turnier-/Wettkampfergebnisse gegen die stärksten Gegner (Thematurniere/-partien bzw. exhibition games sind nicht enthalten):

Wilhelm Steinitz (1836-1900): +26, =12, -8

Joseph Henry Blackburne (1841-1924): +11, =4, -2

Mikhail Tschigorin (1850-1908): +8, =4, -1

Siegbert Tarrasch (1862-1934): +18, =8, -4

Dawid Janowski (1868-1927): +25, =7, -4

Richard Teichmann (1868-1925): +4, =0, -0

Geza Maroczy (1870-1951): +4, =2, -0

Harry Nelson Pillsbury (1872-1906): +5, =4, -4

Carl Schlechter (1874-1918): +5, =12, -2

Frank Marshall (1877-1944) : +12, =11, -2

Akiba Rubinstein (1880/82-1961): +2, =3, -1

Oldrich Duras (1882-1957): +1, =0, -0

Rudolf Spielmann (1883-1942): +1, =3, -0

Milan Vidmar (1885-1962): +1, =1, -0

Aron Nimzowitsch (1886-1935): +0, =1, -1

Savielly Tartakower (1887-1956): +3, =3, -0

José Raúl Capablanca (1888-1942): +2, =16, -6

Efim Bogoljubow (1889-1952): +4, =1, -1

Richard Réti (1889-1929): +3, =1, -0

Alexander Aljechin (1892-1946): +3, =4, -1

Max Euwe (1901-1981): +3, =0, -0

Mikhail Botwinnik (1911-1995): +0, =3, -1

Beitrag von Babylonia

Hi Blunder,

ich finde das sehr sehr interessant, was man wissenschaftlich über Spielstärken oder Eigenheiten von Schachspielern herausfinden kann. Gerne lese ich solche Posts, die das darstellen. Gerade in Bezug auf Lasker ist das interessant, aber auch generell bezogen auf andere prominente Spieler / innen.

Babylonia

Beitrag von blunder1

Laskers Schach hat oft eine schlechte Presse erhalten. Seine Zeitgenossen verstanden sein Spiel nicht und besonders Tarrasch hat mit seinen erfolgreichen Büchern ein Bild vermittelt, das oft falsch und immer noch weit verbreitet ist. Ich habe mir schon die Frage gestellt, ob nicht auch Neid auf seinen großen und vor allem erfolgreicheren Rivalen zu einer gewissen Voreingenommenheit beigetragen hat; auf jeden Fall hatte Tarrasch eine formalisierende Herangehensweise an das Schach, während Lasker dieses konkreter, moderner behandelte (s. Modernes Schach ist konkret oder wie glaubwürdig sind Tarrasch, Reti und Euwe [Hier befand sich ein Link auf die Seite "viewtopic31f2.html". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "viewtopic.php?f=22&t=2616" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]). Moderne Analysen mit Computerunterstützung stellen viel richtig.

Wirklich bedenklich ist, dass auch modernere Autoren, die auf die EDV zurückgreifen können, alte falsche Analysen manchmal unkritisch übernehmen.
Nunn geht in John Nunn's Chess Course, das auf Laskers Schach aufgebaut ist, in dem zweiten Kapitel, Misunderstood Genius, darauf ein und analysiert Beispiele.
Folgende Partie wurde in dem Turnier Hastings 1895 gespielt und die kritische Stellung entsteht nach dem 24. Zug von Weiß (24. Kh1):

[Event "Hastings"] [Site "Hastings ENG"] [Date "1895.08.20"] [EventDate "1895.08.05"] [Round "12"] [Result "1-0"] [White "Emanuel Lasker"] [Black "Harry Nelson Pillsbury"] [ECO "C60"] [WhiteElo "?"] [BlackElo "?"] [PlyCount "78"] 1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 g6 4. d4 exd4 5. Nxd4 Bg7 6. Nxc6 bxc6 7. Bc4 Ne7 8. Nc3 d6 9. O-O Be6 10. Bb3 O-O 11. Be3 c5 12. Bxe6 fxe6 13. Qd2 Rb8 14. Rab1 Nc6 15. b3 Qh4 16. f3 Nd4 17. Ne2 Be5 18. f4 Nxe2+ 19. Qxe2 Bxf4 20. Bxf4 Rxf4 21. Rxf4 Qxf4 22. Rf1 Qe5 23. Qa6 Qd4+ 24. Kh1 { die kritische Stellung } Qxe4 25. Qxa7 Qb7 26. Qa4 c6 27. Qe4 Qd7 28. a4 e5 29. h3 Rb4 30. Qe1 e4 31. a5 d5 32. a6 Qe7 33. Qg3 e3 34. Ra1 Qf6 35. Re1 d4 36. a7 Qd8 37. Ra1 Qa8 38. Qd6 Rb7 39. Qxc6 e2 40. Qxb7 {source: New York Daily Tribune, 1895.08.29.} 1-0

Die Stellung nach dem 24. Zug von Weiß gibt Tarrasch in seinem Turnierbuch als zumindest viel besser, wenn nicht gewonnen für Schwarz an. Crouch in Hastings 1895 (erschienen 1995) und Soloviov in Emanuel Lasker Games 1889-1903 (erschienen 1998) übernehmen diese Einschätzung „blind“ und können aufgrund dieser Voreingenommenheit bei ihren Analysen nicht richtig liegen; sie versuchen zu „erklären“, warum Schwarz auf Gewinn stehen soll, und „finden verpasste Gewinne“ für Pillsbury.
Eine objektive Analyse mit Computerunterstützung ergibt, dass Schwarz höchstens ganz leicht besser steht und die Partie bei fehlerfreiem Spiel Remis hätte sein müssen; Lasker hat Pillsbury also nur in einer unklaren Stellung überspielt.
Dazu meint Nunn: „I have done my best to avoid falling into the same trap in this book by first analysing the games myself before looking at what previous annotators have written.“ (S. 15)

Interessant ist auch, wie unterschiedlich alte Analysen sein können. Einer der am meisten diskutierten Züge der WM-Geschichte ist Laskers 15...Te5 in der 4. Partie des WM-Wettkampfs Lasker – Tarrasch 1908 (Düsseldorf/München). Die Bewertungen von Kommentatoren reichen von „!!“ bis „?“.
Nunn verleiht diesem Zug ein Ausrufezeichen und meint u.a. dazu: „For what it's worth, the latest version of the powerful Houdini chess engine, if left on for a long time, gives Lasker's move as its first choice.“ (S. 247)

[Event "World Championship 8th"] [Site "Germany"] [Round "4"] [Date "1908.??.??"] [White "Tarrasch, Siegbert"] [Black "Lasker, Emanuel"] [WhiteElo "2610"] [BlackElo "2720"] [Result "0-1"] 1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bb5 Nf6 4.O-O d6 5.d4 Bd7 6.Nc3 Be7 7.Re1 exd4 8.Nxd4 Nxd4 9.Qxd4 Bxb5 10.Nxb5 O-O 11.Bg5 h6 12.Bh4 Re8 13.Rad1 Nd7 14.Bxe7 Rxe7 15.Qc3 Re5 { ! } 16.Nd4 Rc5 17.Qb3 Nb6 18.f4 Qf6 19.Qf3 Re8 20.c3 a5 21.b3 a4 22.b4 Rc4 23.g3 Rd8 24.Re3 c5 25.Nb5 cxb4 26.Rxd6 Rxd6 27.e5 Rxf4 28.gxf4 Qg6+ 29.Kh1 Qb1+ 30.Kg2 Rd2+ 31.Re2 Qxa2 32.Rxd2 Qxd2+ 33.Kg3 a3 34.e6 Qe1+ 35.Kg4 Qxe6+ 36.f5 Qc4+ 37.Nd4 a2 38.Qd1 Nd5 39.Qa4 Nxc3 40.Qe8+ Kh7 41.Kh5 a1=Q 0-1