Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Strukturelle Schwächen beim Schach und Abwärtstrend bei der DWZ“

schachburg.de

Beitrag von Babylonia

Ich bin ja sehr aktiv in Bezug auf Schach seit OKT 2014. Meine DWZ war ja 20 Jahre alt und es ist nicht so verwunderlich, dass sie jetzt mit Reaktivierung des Schachs abgesunken ist. Mit der Stappenmethode und den Premium Features auf Chesstempo.com bin ich sehr aktiv im Taktiktraining. Außerdem unterrichte ich meine Freundin in "Mart in 1" und inzwischen auch "Matt in 2" Aufgaben. Bei uns im Verein bekomme ich meine Turnierpartien analysiert und ich besuche den VHS - Schachkurs in Düsseldorf. Noch immer habe ich Schwierigkeiten beim Übergang von der Eröffnung ins Mittelspiel. Es gelingt mir nicht, einen Plan zu entwickeln und nach Plan zu spielen. Unser Schachlehrer zeigt Beispiele auf, wie man Pläne entwickeln kann. Ich habe mit einem Vereinskameraden gesprochen, der erzählte mir, dass er Angriffspläne entwickelt und die dann durchzieht. Ich spiele zu sehr aus der jeweiligen Situation heraus und überlege mir dabei, welche Züge möglich wären. Das ist ein strukturelles Problem, das ist nicht so einfach zu bekämpfen wie z.B. Schwächen beim Visualisieren. Spielt ihr alle eure Schachpartien "nach Plan"? Das würde mich mal interessieren. Babylonia

Beitrag von ToBeFree

Ich habe mal gelesen, dass die Spielstärke nach intensivem Taktiktraining zunächst abnimmt, bevor sie deutlich ansteigt. Zumindest scheint das ein recht verbreitetes Phänomen zu sein.

Beitrag von Qf3

[QUOTE=Babylonia;28175]....Spielt ihr alle eure Schachpartien "nach Plan"?....[/QUOTE]Nach den ersten theoretischen Eröffnungszügen entwickelt sich langsam eine Stellung mit eigenen Merkmalen, Ungleichgewichten und einem eigenen Charakter.Da wird es dann Zeit für Pläne. Typische Stichpunktgeber für Pläne:schwache Felder oder Kampf um wichtige Felder, rückständige Bauern, mögliche Bauernhebel, halboffene und offene Linien, Bauernmehrheit an einem Flügel, FigurenKoordination, mögliche Vorposten, isolierte Bauern, schwache 7te Reihe,Entwicklungsvorsprung oder -nachteil, schwache Königsstellung, einzelne Figuren besser stellen oder hemmen, möglicher Bauernsturm, Stellung vereinfachen, Königsangriff, Raumvorteil etc. Das ganze entweder aus defensiver Sicht, also keine eigenen Schwächen und keine gegnerischen Pläne zulassen; oder aber aus offensiver Sicht, also Schwächen in gegnerischer Stellung ausnutzen oder erstmal provozieren.Lässt sich nichts finden, ist es aber auch durchaus auch mal ratsam zu gucken (wie du schon geschrieben hast), welche Züge überhaupt möglich sind. Manchmal hat man einen Plan und richtet dann seine Züge nach dem entsprechenden Ziel. Manchmal guckt man sich einfach gut aussehende Züge an und kommt so zu einem Plan.Wie jemand mal Karpov beschrieben hat:Karpov guckt sich die möglichen Pläne seiner Gegner an. Dann hat der Gegner keine Pläne mehr; weil Karpov sie alle gestoppt hat.Im Buch "Schach für Zebras" wurde u.a. das Folgende über Pläne geschrieben:Was ist mein Plan? Schon der Frage wohnt der Kern des Fehlers inne, weil sie impliziert, man könne ganz unabhängig vom Gegner einen Plan aufstellen. Der einzig lohnende Plan ist ein anpassungsfähiger Plan, einer, der die möglichen Ideen des Gegners in Betracht zieht......In dieser Hinsicht sollten wir unsere Pläne ebenso mit Bleistift eintragen wie einen Termin auf dem Terminkalender, von dem wir noch nicht wissen, ob er wirklich stattfinden wird. Wir arbeiten auf die Ziele hin und möchten sie in die Tat umsetzen, aber wir wissen, das Leben ist unvorhersehbar.....

Beitrag von Zapp Brannigan

Als ich vor ~10 jahren angefangen habe, auf [url]http://www.chessvideos.tv/[/url] curtains (IM Greg Shahade) beim blitzen zuzuschauen hatte ich einen grossen Aha-Moment. Bis da versuchte ich immer mit einem "master-plan" (oft königsangriff) im kopf zu ziehen. Jede figur stellte ich auf felder, wo sie diesem plan dienten. Figuren, die dem plan nicht dienten, zog ich gar nicht erst.Bei IM Shahade war das anders. Eine figur wird nicht auf ein feld gezogen, weil sie da gebraucht wird. Sie wird auf ein feld gezogen, weil sie auf dem feld besser steht als da wo die figur jetzt ist. So habe ich früher z.bsp. nie züge wie Lc1-d2 gespielt, weil ich nicht einsah was der läufer auf d2 denn gross bewirken soll. Aber das ist nicht der punkt. Der läufer steht auf d2 besser als auf c1, weil er (a) hilft den turm auf a1 rauszubekommen und (b) von d2 aus nicht nur nach "rechts" richtung h6 schaut sondern jetzt auch nach "links" richtung a5. Typisch auch, wie er oft im mittelspiel die Dame ins zentrum stellt (z.bsp. d3 oder d4) mit dem kommentar "jetzt zentralisiere ich mal die dame".Pläne sind oft kurzfristig:- Verbessere deine schlechteste figur (besseres feld, abtauschen)- Tausche die beste gegnerische figur ab- Greiffe schwächen deines gegners an: König, Bauern, Felder (in der reihenfolge!)- Bauernhebel- Verhindere den plan deines gegners (alle vorangehende punkte aus der sicht des gegners): ProphylaxisWo die figuren hingehören hängt sehr von der bauernstruktur ab. Ich habe mich in den letzten 5 jahren auf eine bauernstruktur konzentriert: Isolierter damenbauer mit weiss. Ein klassisches beispiel:1. e4 c6 2. c4 d5 3. cxd5 cxd5 4. exd5 Nf6 5. Nc3 Nxd5 6. Nf3 e6 7. Bc4 Be7 8. O-O O-O 9. d4 Aus erfahrung der meisterpraxis und aus eigener erfahrung weiss ich, dass in solchen stellungen die ideale figurenaufstellung so aussieht:Türme auf d1 und e1, Dame auf e2/d3/c2, springer auf c3 und e5, läufer auf c4/d3 und e3/g5, bauer auf a3 (um Sb4 zu verhindern). Weiss möchte figurentausch verhindern, damit er genug figuren zum angreifffen hat und die schwäche auf d4 nicht zu einem problem wird.Schwarz möchte seine türme auf c8 und d8, resp. d7+d8, seine dame auf d6/d7/c7, seine Läufer auf f6/g7 und b7/c6, bauern auf b6 oder a6/b5 (riskant wegen dem loch auf c5). Schwarz möchte leichtfiguren (vor allem die springer) und dame tauschen aber türme behalten um den weissen angriff zu entschärfen aber genug schwerfiguren zu haben um den d4-bauern doppelt anzugreiffen.Das ist ein ideal, und bei guter gegnerischer behandlung bekommt man nicht alles hin. Wenn ich also am zug bin schaue ich zuerst konkret, ob taktisch was geht, danch wo ich meine figur hinstellen möchte, und dann wie mein gegner das verhindern kann. Habe ich mit weiss mal alle figuren auf den besten felder, ist schwarz fast gezwungen, sich am königsflügel mit h6, g6 oder f5 zu schwächen (weil sonst der bauer h7 hängt), wonach ich eine angriffs-marke am königsflügel habe.Je nach eröffnungswahl hast du andere bauernstrukturen, von daher hängt vieles davon ab, welche eröffnungen du spielst.

Beitrag von Birliban

Mitunter hilft auch der Plan, keine Pläne zu schmieden. Ein leidenschaftliches Plädoyer für „Keine Pläne!“, schrieb Werner Kaufmann auf seiner Website und liefert einleuchtende Gründe und manches mehr: [url]http://www.wernerkaufmann.ch/?page_id=130[/url]Und wer doch hinter die Geheimnisse der Planfindung kommen möchte, könnte bei ChessBase fündig werden:[Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://shop.chessbase.com/de/products/richter_geheimnisse_der_planfindung". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://shop.chessbase.com/de/products/ ... lanfindung" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]Aber auch die Website für Schachanfänger möchte gerne unterstützend zur Seite stehen:[url]http://www.schach-starter.de/schachstrategie.html[/url]PS: Bei Risiken und Nebenwirkungen, lesen Sie bitte gar nix mehr oder fragen Sie Ihren Vereinstrainer oder Forenbetreiber! ;)

Beitrag von Kampfkeks

[QUOTE=Babylonia;28175] Spielt ihr alle eure Schachpartien "nach Plan"? Das würde mich mal interessieren. [/QUOTE]Also ich spiele eher positionell, dh ich versuche, gute Positionen für meine Figuren herauszuspielen. Insofern sinds bei mir eher "Teilpläne" als "ein" Plan.Mit "positionell" meine ich Sachen wie:- ein starkes Vorpostenfeld für einen Springer schaffen und besetzen- schlechte Läufer gegen gut postierte feindliche Figuren abtauschen- offene Linien mit Türmen besetzen, später ggf zur 7. Reihe durchbrechen- Zentrum ggf öffnen, wenn man das Läuferpaar besitzt (und der Gegner nicht)- schwache Bauern angreifen- bei Materialvorteil runtertauschen Im Idealfall hat man eine richtig starke Stellung herausgespielt (zb mit einem Springervorposten und einem guten Läufer, währen der gegnerische Läufer hinter den eigenen Bauern eingesperrt ist). Meistens ergeben sich die Angriffschancen dann von selbst (zb Druck auf die Königsstellung erhöhen, indem man weitere Figuren hinzuzieht) oder es ist ein Figurengewinn drin. Die echten Schachcracks werden wahrscheinlich anders spielen und tatsächlich eine Art "Masterplan" entwickeln, aber das ist mir auf meinem Spielniveau auch noch zu hoch. ;)Liebe Grüße und viel Erfolg :)

Beitrag von Kiffing

Mit dem Masterplan ist das so eine Sache. Die einzelnen Pläne müssen sich ja den in einer Schachpartie schnell wechselnden Verläufen anpassen. Am ehesten entsprach die dynamische Gesichtspunkte konsequent verschmähende Hypermoderne Schachphilosophie noch den Kriterien eines Masterplans. Dies sah man an ihren geschlossenen Strukturen und ihren langschrittigen Manövrierkünsten sehr gut bei Nimzowitsch und dem von ihm inspirierten Petrosjan. Auch in alten Lehrbüchern sieht man noch Partien, die einem bestimmten Gesichtspunkt untergeordnet sind, wo ein Meisterspieler das Leitthema ohne größeren Widerstand durchdekliniert. Das heutige Schach ist dynamischer und temporeicher geworden, da geht das nicht mehr ohne weiteres.Ich selbst würde das mit dem Masterplan und den zahlreichen neuen flexiblen Plänen, die sich aufgrund des konkreten Stellungsbildes ergeben, mit einem Wirtschaftskreislauf vergleichen. Dort stehen ganz oben Schumpeters Lange Wellen, die im Hintergrund mitschwingen, und im Vordergrund steht die Konjunktur, auf die flexibel und adäquat reagiert werden sollte.Mir gefällt übrigens der Begriff der "Verführung" aus der Chessbase-Quelle von Birliban. Das erfordert subtiles Spiel, das allerdings lohnt, sich anzueignen, wenn man bedenkt, dass Gegner offensichtliche Fallen schnell bemerken. Ist eine Falle offensichtlich, wie hier nach 21. Lh7+, fällt kaum jemand drauf hinein: [Event "Wertungsspiel 6b6d4a7806c444fe"][Site "http://www.chessmail.de"][Date "2017.09.10"][Round "-"][White "Zapp.Brannigan"][Black "Kiffing"][Result "1-0"]1.d4 Nf6 2.c4 e6 3.Nf3 Bb4+ 4.Nbd2 O-O 5.e3 d6 6.Bd3 Qe7 7.O-O Bxd2 8.Bxd2 b69.e4 Bb7 10.e5 Ne4 11.Bf4 Nd7 12.Re1 f5 13.exf6 e.p. Ndxf6 14.d5 Nxf2 15.Kxf2Ng4+ 16.Kg3 Rxf4 17.Kxf4 h5 18.Rxe6 Rf8+ 19.Kg3 Qf7 20.Qd2 Bc8 21.Bh7+ Kh822.Bg6 Qg8 23.Bxh5 Bxe6 24.dxe6 Nf6 25.Bg6 Qxe6 26.Qg5 Ne4+ 27.Bxe4 Qxe4 28.Qh4+1-0Ist sie dagegen subtil, wie am Ende dieser Partie, wo Zapp Brannigan auf den Fehlzug 29. Ke1?? spekulierte, dann sind die Chancen groß, dass der Gegner tut, was der andere will:[Event "Wertungsspiel f848393b82bc40ad"][Site "http://www.chessmail.de"][Date "2017.09.10"][Round "-"][White "Kiffing"][Black "Zapp.Brannigan"][Result "0-1"]1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bb5 g6 4.c3 Nge7 5.O-O Bg7 6.d4 exd4 7.cxd4 d5 8.Bxc6+ bxc69.e5 O-O 10.Nbd2 c5 11.Re1 cxd4 12.Nxd4 Bd7 13.N2b3 Nf5 14.Nc5 Nxd4 15.Qxd4 Bf516.Bf4 Rb8 17.Rac1 Re8 18.Na6 Rc8 19.Qxa7 Ra8 20.Qb7 Qc8 21.Qxc8 Rexc8 22.Nxc7Rxa2 23.Nxd5 Rxc1 24.Bxc1 Be6 25.Nf6+ Bxf6 26.exf6 Kf8 27.Rd1 Ke8 28.Kf1 Ra129.Ke1 Bb3 0-1Diese Fähigkeit erlernt man nicht so schnell. Diese zu verinnerlichen, ist ein langer Prozess und erfordert viel Übung und Praxis. Am besten, man studiert fremde Partien und spielt eigene Partien auch unter diesem Gesichtspunkt, damit man ein Gefühl für subtiles Spiel bekommt und dieses in den eigenen Partien anwenden kann. Tartakower, Karpow und Vidmar konnten das sehr gut, und auch die chinesischen Super-GMs sind da gute Vorbilder.

Beitrag von Babylonia

Danke für eure Beiträge zur meiner Frage, wie man sinnvollerweise nach Plan spielen kann und, ob man das überhaupt soll. Meine Hobbysphäre ist sowieso schon zu Schachlastig, deswegen möchte ich mir nicht Partienstudium aufbürden. Meine letzten beiden Mannschaftspartieen waren dadurch gekennzeichnet, dass sie verloren gingen, jedoch dass mich anschließend Vereinskameraden / Spieler des gegnerischen Vereins darauf hinwiesen, dass eine Gewinnmöglichkeit drin gewesen wäre. In beiden Fällen ist mir das während der Partie nicht aufgefallen und ich habe mich schlechter eingeschätzt als ich stand. Dadurch tritt erstmal mein Ringen um das Verfolgen von Plänen in den Hintergrund. Babylonia

Beitrag von Mattmonster

Partienstudium = wichtig besonders die eigenen verlustpartien sollten mit einen guten schach spieler analysiert werden :cool:

Beitrag von Babylonia

[QUOTE=Mattmonster;28188]Partienstudium = wichtig besonders die eigenen verlustpartien sollten mit einen guten schach spieler analysiert werden :cool:[/QUOTE]Ein ganz wichtiger Tipp und ein Privileg für diejenigen, die im Verein Schach spielen! Gewisse Spieler bei uns mit einer höheren DWZ sind gerne bereit, mal Turnierpartien von mir zu analysieren. Das finde ich sehr hilfreich!Babylonia

Beitrag von Kampfkeks

Fernpartien (zB chessmail.de) sind mE ebenfalls gut geeignet, um sich eine planmäßige Spielweise anzueignen.Denn im Gegensatz zu echten Partien kann man die bisher gespielten Züge in Ruhe nachziehen und bekommt so ein besseres Gefühl für den Partiefluß. Unnötige Züge - oder besonders kraftvolle - werden dadurch viel deutlicher, als zB während einer Blitzpartie. Und in der Regel beschäftigt man sich auch intensiver mit der Stellung und denkt strategischer, als wenn man ständig die Uhr im Auge behalten muss.Viel Erfolg! :)

Beitrag von Babylonia

[QUOTE=Kampfkeks;28331]Fernpartien (zB chessmail.de) sind mE ebenfalls gut geeignet, um sich eine planmäßige Spielweise anzueignen.Denn im Gegensatz zu echten Partien kann man die bisher gespielten Züge in Ruhe nachziehen und bekommt so ein besseres Gefühl für den Partiefluß. Unnötige Züge - oder besonders kraftvolle - werden dadurch viel deutlicher, als zB während einer Blitzpartie. Und in der Regel beschäftigt man sich auch intensiver mit der Stellung und denkt strategischer, als wenn man ständig die Uhr im Auge behalten muss.Viel Erfolg! :)[/QUOTE]Danke! Ich habe schon 70 Korrepondenzpartien (7 Tage pro Zug) auf dem Schachserver von "Online-Schaken" gespielt. Unser Vereinsinternes Blitzschachturnier vor Weihnachten werde ich jetzt auch mal mitspielen. Um wirklich an seiner Spielstärke zu arbeiten, ist das Blitzen ziemlich ungeeignet. Babylonia

Beitrag von Babylonia

In dieser Saison 2017 / 2018 habe ich inzwischen 2 Schachpartien für meine Schachmannschaft gewonnen. Äh, beides Mal gegen Gegner noch ohne DWZ. :rolleyes:Babylonia