Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Wie analysiere ich am besten meine Partien?“

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Beitrag von Kiffing

Das Analysieren eigener Partien nimmt im Schachtraining einen hohen Stellenwert ein. Es ist eine wichtige Bedingung, sich weiter zu entwickeln. Umso sinnvoller erscheint es mir zu sein, dem Analysieren eigener Partien auch einen eigenen Thread zu widmen, denn eine Analyse ist nicht gleich eine Analyse, es kommt hier auf das Wie an, also wie man eigene Partien am besten analysiert.Hat man für das Analysieren eigener Partien einen persönlichen Trainer, so ist das natürlich ein Luxus, über den bei weitem nicht jeder Schachspieler verfügt. Wenn wir nun davon ausgehen, daß der eigene Trainer fehlt, so daß die Analyse eigener Partien autodidaktisch vonstatten gehen muß, sollte diese Arbeit möglichst effizient geschehen, damit man von der Analyse auch viel von hat bzw. viel lernen kann.Ich möchte nun meine Art und Weise vorstellen, wie ich meine eigenen Partien analysiere. Daraufhin freue ich mich auf Feedback bzw. auf Antworten von Burgbewohnern, die vielleicht das noch bessere Rezept für diese Arbeit haben.1. Eröffnung: ich spiele die Partie so lange mit meinem Fritz-Programm nach, bis der Computer mir sagt, an welcher Stelle ich falsch fortgesetzt habe. Dann setze ich mich mit dem an dieser Stelle besten Zug auseinander und vertiefe mich in die Eröffnung (das Vertiefen ist leider nicht ganz wörtlich zu nehmen).2. Fehler: Fehler werden ausfindig gemacht, ich präge mir das Motiv ein, das diesen Fehler verursacht hat, um diesen in Zukunft zu vermeiden. 3. Kombinationen: ich suche nach Kombinationen, die mein Gegner oder ich verpaßt haben. Dadurch mache ich gleichzeitig Taktiktraining.4. Charakter: ich versuche den Charakter der Partien zu verstehen und als Ganzes zusammenzufassen. So kann ich übergeordnete Fehler von mir erkennen, die auf Charakterschwächen meinerseits zurückzuführen sind wie z. B. fehlender Mut oder fehlende Geduld usw.Was ist euer Erfolgsrezept, möglichst effizient die eigenen Partien zu analysieren?

Beitrag von Kampfkeks

Ich analysiere meine Partien viel zu wenig, obwohl ich weiss, dass das eine Menge bringt. Im Schnitt gucke ich mir vielleicht 1 von 10 Partien nochmal an und das wahrscheinlich auch viel zu oberflächlich.Dabei ziehe ich die Partie ganz einfach langsam nach, Zug für Zug, und versuche die entscheidenden Stellen herauszufiltern, wo ich sehr schlecht gespielt habe. Neben verpaßten taktischen Kombinationen bzw. Rechenfehlern lege ich sehr viel Wert auf positionelle/strategische Fehler, die leider nicht ganz so offensichtlich sind. Dabei kann es mitunter helfen, wenn man sich von der spielentscheidend schlechten Stellung rückwärts tastet und auf diese Weise den Punkt findet, ab dem man anders hätte spielen müssen. Also den Punkt, wo die gute/ ausgeglichene Stellung gekippt ist. Dann experimentiere ich mit anderen Zügen herum und probiere, eine bessere Fortsetzung zu finden.Insgesamt ist es mir wichtig, die Partie fließend und als Ganzes zu betrachten.

Beitrag von Zapp Brannigan

Idealerweise sollte man seine partien zuerst ohne engine analysieren, und dann die eigene analyse nochmals mit einer Engine durchgehen. Aber das braucht jede menge zeit. Ich habe mir eine zeit lang vorgenommen das so zu machen, das endresultat war, dass ich die partien gar nicht mehr analysiert habe (das ist so ähnlich wie wo ein freund mir sagte, ich soll mein fahrrad nicht mit einem wasserschlauch putzen, weil das schlecht ist für die schaltung, sondern von hand, und ich seit dem mein fahrrad gar nicht mehr putze...)Ohne engine analysiere ich meine partien nur noch gleich nach der partie zusammen mit dem Gegner wenn er dazu einverstanden ist. Vor allem wenn der gegner stärker ist lerne ich dabei oft sehr viel. Wenn dann aber auf einmal die halbe mannschaft auch noch mitanalysieren will wird es oft chaotisch und sehr unproduktiv...Zu hause tipp ich die partie so schnell wie möglich in den computer, markiere die gegnerischen züge welche mich überascht haben und ein paar varianten welche ich während der partie anschaute. Die Eröffnung schau ich mit der datenbank (einerseits turnierpartien >2400 vs > 2400, andererseits "profesionelles" fernschach) an, da weiss seh ich normalerweise nicht nur, wann ich oder mien gegner von der theorie abgewichen bin sondern auch, warum der gewählte zug weniger gut ist. Wenn ein plausibel aussehender zug nicht in der datenbank vorkommt hat er oft einen grossen haken, da lohnt es sich auch schon mal die engine anzuwerfen.Der rest der partie gehe ich zug um zug durch, während ich mir von der engine die 3 besten züge anzeigen lasse. Falls ein zug viel schlechter scored als die engine schau ich die 3 besten züge an und versuch zu verstehen warum sie besser sind.Wichtig sind die markierten gegnerischen züge welche mich überascht haben. Falls ein zug mich überascht, welcher laut engine sehr gut ist, habe ich einen fehler beim rechnen während der partie gemacht (sonst hätte ich ihn ja gesehen), falls er sowieso nicht gut ist ist es vertretbar es nicht angeschaut zu haben.

Beitrag von Jimmy

Ich finde die Vorgehensweise von Kiffing eigentlich ganz gut, würde sie aber etwas anders strukturieren.Ist-Aufnahme: Nachspielen der Partie.Analyse des Spiels: Darstellung von guten und schlechten Kombinationen und Fehlern.Analyse der Umweltfaktoren und der eigenen Fitness: Beispiel: Wie ist die Situation im Raum/Saal? Wie laut ist es vor dem Spiel, während des Spiels? Welchen Einfluss haben die Umweltfaktoren auf die Konzentration? Was habe ich vor dem Spiel gemacht? Was habe ich an dem Tag gegessen? Habe ich mich so ernährt wie immer oder wich die Ernährung an dem Tag von den vorherigen Tagen ab?Beispiel: Stand ich auf dem Weg zum Zielort im Stau und wie hat sich dies auf mich ausgewirkt. Schlussfolgerungen: Zusammenfassung neuer Erkenntnisse in einem Heft/Datei.Das ist die grobe Vorgehensweise wenn ich etwas analysiere, das gilt auch für andere Situationen. Am wichtigsten ist aber, dass man sich die neuen Erkenntnisse notiert und daraus etwas lernt. Viele achten nicht auf den Faktor Mensch und seine individuellen Schwächen, Ernährung habe ich angesprochen. Die Ernährung an dem Tag der Partie ist wichtig und sollte nicht vernachlässigt werden.

Beitrag von hako

Ich analysiere meine Partien kaum. Während der Partie merke ich grob wo meine Schwäche lag (Taktik zu schwach, falsche Strategie, Fehler in der Eröffnung, zu wenig Endspielpraxis) und darauf baisert dann mein Training zuhause. So lege momentan Wert auf Eröffnung und Taktik, da ich gemerkt habe, dass das in meinen letzten Partien die entscheidenen Defizite waren.Sonst Partieeingabe in die persönliche Schachdatenbank und Sichern der Partie, dass man sie schnell wiederfindet! Wenn man später gegen denselben Gegner spielt, kann das vorteilhaft sein.Die eigentliche Analyse erfolgt bei mir durch Vorführen. Ich zeige meine Partie Freunden und Vereinskollegen und analysiere mit ihnen dann verschiedene Varianten. So bekommt man zur einen Feedback bezüglich der eigenen Ideen, um sein strategisches Verständnis zu verbessern. Das gemeinsame Analysieren von taktischen (zum Teil skurielen) Varianten, die man nicht gesehen hat oder die man sich in der Partie nicht getraut hat, stärkt die Taktik. Und das Gespräch fördert obendrein noch die Gemeinschaft im Verein und pflegt das Sozialleben. :)Sicher ist nur diese Form der Analyse etwas wenig und könnte gesteigert werden, aber für mich persönlich ist das genau richtig. Das professionelle Vorgehen, wo man sogar die körperliche und geistige Verfassung unter die Lupe nimmt, ist für mich nichts.

Beitrag von Roter Teufel

Ich will diesen Theard nochmal aufleben lassen, Die Kiffing Variante des Analysieren ist schon sehr zeitaufwendig, das glaub ich kann man machen, wenn man die Partie eines Mannschaftskampfes analysiert. Spielt man aber ein Turnier mit mindestens 5 Runden verbraucht die vorgegebene Analyse meiner Meinung zu viel Zeit.Bei einem Turniere versuche ich wie folgt die Partie zu analysieren. Nach der Partie mit dem Gegner, weil man da noch frisch ist und seine eigenen Pläne noch im Kopf hat. So kann ich hinterfragen, was der Gegner auf die ein oder andere Fortsetzung gezogen hätte. Funktioniert das nicht, dann zu Hause. Ich habe sonst immer auf der Plattform chess24.com analysiert, war aber nicht so glücklich, da die vorgeschlagenen Computerzüge sehr sprunghaft waren. Ich habe am Wochenende ein Turnier in Groß-Gerau mitgespielt 5 Runden und all meine Partien über die Plattform chess.com analysiert und ich bin begeistert! Fazit: Ich habe in einer meiner 2 Verlustpartien ein 4 zügiges Matt übersehen und am Ende die Chance auf ein Dauerschach. Ich habe die Eröffnungen durchgespielt mit der Engine um geschaut was sie so spielt, das war relativ aufschlußreich. Am liebsten würde ich mit einem Schachpartner analysiere aber ich habe keinen. :straight_face:

Beitrag von KlaRo

Vielleicht gibt es hier ja noch ein paar mehr Tipps zur Analyse der gespielten Partien.Mich wundert etwas, dass die "Taktische Analyse" von CB noch von niemandem erwähnt wurde. Ich bin kein starker Spieler und kann mich auf mich selbst also nicht sehr stützen bei der Analyse. Trainer und Verein ist auch nicht da, ich bin also froh, eine einigermaßen "objektive" Analyse aus dem PC zu quetschen. Und so lass ich das mal laufen, während ich mir die Partie nochmal am Brett durch den Kopf gehen lasse. Danach habe ich dann Fehleranzeigen, Alternativen und Varianten. An taktisch interessanten Stellen mach ich auch Trainingsaufgaben daraus und sammle die in einer eigenen Trainingsdatenbank. Von Zeit zu Zeit da durch gegangen hilft durchaus.Aus den Fehlern in der Eröffnung habe ich eine Datenbank mit guten Antworten auf ungewöhnliche oder schlechte Züge gemacht. Auch sehr nützlich.Wie ich es sowieso schwierig finde, schlechte Züge des Gegeners zu erkennen und bestmöglich auszuschlachten. Aber das ist ein anderes Thema. :hmpf:

Beitrag von Babylonia

Zum gegenseitigen Nutzen habe ich ein Tandem "Schachtrainier + Deutschlehrerin". Er ist Kanadier und übt sich während des Schachtrainings im Deutsch Sprechen. Auf seine Empfehlung hin habe ich mir auf Lichess.org private virtuelle Studienräume eingerichtet, wo man nur auf persönliche Einladung Zutritt bekommt. Wenn meine Partien auf "Online-Schaken" zu Ende gespielt sind, lade ich die PGNs in die Studienräume hoch. Wenn eine solche Partie noch "ganz frisch" ist, versehe ich sie selbst mit schriftlichen Analyse-Bemerkungen. Mein Schachtrainer hat uneingeschränkten Zutritt zu meinen Analyseräumen. Wenn wir Schachtraining machen, dann sprechen auf Deutsch über Skype und er geht dann mit Pfeilen und alternativen Varianten eine ganze Partie von mir durch und wir diskutieren da drüber. Und ich bringe dann auch meine Sichtweisen ein. Wenn die Analyse zu Ende ist, schalten wir beide die sich in dem Raum befindliche Stockfish - Engine ein und dann kontrollieren wir gemeinsam, welche Bewertungen die einzelnen Züge von der Engine bekommen. Eine solche Session dauert + / - 2 Stunden. Babylonia

Beitrag von KlaRo

Das ist natürlich auch pfiffig gelöst.