Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Instruktive Partien“

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Beitrag von blunder1

Dieses Thema möchte ich Partien widmen, die zwar keine Meisterpartien sind, aber dennoch lehrreich. Beiträge von anderen Usern sind sehr willkommen.Skopje, 1972. Im Rahmen der Schacholympiade treffen bei der Begegnung Ungarn-Bulgarien am Spitzenbrett die beiden Großmeister Lajos Portisch und Milko Bobozow aufeinander.Portisch (*1937) ist eine lebende Schachlegende, sein Gegner (1931-2000) war zwar nicht so stark, doch gehörte er 1972 zu den nur 83 Großmeistern, die es damals weltweit gab.Die Partie finde ich sehr instruktiv: Bobozow „kombiniert“ unglücklich zwei bekannte Eröffnungsvarianten, wodurch sein Spiel in der Eröffnung nicht dynamisch genug ist und vor allem die rechtzeitige Rochade verpasst wird.Portisch öffnet mit einem resoluten Bauernopfer das Zentrum (9.d5!) und schafft es, gegen den schwarzen König eine lokale Überlegenheit an Kräften zu bewerkstelligen. Mit einer Reihe von zwar nicht komplizierten, doch wirkungsvollen taktischen Schlägen bzw. Drohungen erzwingt er die schnelle Kapitulation.Auch Großmeister können die potentiellen Gefahren in einer Stellung unterschätzen, bis es zu spät ist.[Event "Chess Olympiad Final-A"][Site "Skopje MKD"][Date "1972.09.28"][EventDate "?"][Round "2"][Result "1-0"][White "Lajos Portisch"][Black "Milko Bobotsov"][ECO "E41"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "49"]1.d4 Nf6 2.c4 e6 3.Nc3 Bb4 4.e3 c5 5.Bd3 b6 { ?! Dieser Zug ist zumindest zweifelhaft, da er die Varianten 4...c5 und 4...b6, die beide gut spielbar sind, miteinander vermischt. } 6.Ne2 Bb7 7.O-O cxd4 { ?! Besser 7...0-0, obwohl Weiß auch da Vorteil hat. } 8.exd4 Be7 9.d5 { ! } exd5 { Was sonst? Nach 9...0-0 muss Schwarz mit der Möglichkeit 10.d6 Bd6 11.Bh7+ Nh7 12.Qd6 rechnen. } 10.cxd5 Nxd5 11.Nxd5 Bxd5 12.Nf4 { +- } Bb7 { 12...Be6 13.Ne6 fe6 (13...de6 14.Bd5 +-) 14.Qh5+ +- } 13.Re1 Nc6 { 13...0-0 14.Qh5 g6 (14...h6 15.Qf5 g6 16.Ng6) 15.Ng6 hg6 16.Bg6 fg6 17.Qg6+ Kh8 18.Re5 } 14.Nh5 Kf8 { 14...0-0 15.Ng7! Kg7 16.Qg4+ Kh8 17.Qf5 führt zum Matt. } 15.Nxg7 { ! } h6 { 15...Kg7 16.Qg4+ Kf8 17.Bh6+ Ke8 18.Qg7 gewinnt den Rh8, da 18...Rf8 19.Qf8# } 16.Nf5 Bg5 17.Nd6 Qc7 18.Bg6 { Einfach, aber hübsch. } Ne7 { 18...fg6 19.Qf3+ } 19.Bxf7 Rh7 20.Bb3 Qc6 21.Nxb7 Qxb7 22.Bxg5 hxg5 23.Qd3 Rg7 24.Rxe7 { ! } Kxe7 { 24...Re7 25.Bd5 gefolgt von 26.Qf3+ mit Turmgewinn. } 25.Bd5 { Schwarz verliert nach 26.Qe4+ den Ra8. } 1-0

Beitrag von blunder1

Die meisten Partien werden nicht durch spektakuläre Kombinationen entschieden; auch grobe Fehler kommen – zumindest auf hohem Niveau – nur selten vor. Die häufigsten Siege werden mit Hilfe eines besseren Positionsverständnis erzielt: Spieler A überspielt Spieler B, seine Stellung wird langsam, aber sicher immer besser, bis für letzteren nichts mehr zu machen ist. Die Kunst besteht darin, die Stellung seiner Figuren zu verbessern und Schwächen im gegnerischen Lager zu verursachen.Die folgende Partie, die in der dritten Runde des Superturniers New York 1924 gespielt wurde, verdeutlicht dies sehr gut:[Event "New York"][Site "New York"][Round "03"][Date "1924.??.??"][White "Alekhine, Alexander"][Black "Lasker, Emanuel"][WhiteElo "2700"][BlackElo "2720"][Result "0-1"]1.d4 d5 2.c4 e6 3.Nf3 Nf6 4.Nc3 Nbd7 5.cxd5 exd5 6.Bf4 c6 7.e3 Nh5 8.Bd3 {?! besser 8.Bg5 oder 8.Bg3 } Nxf4 9.exf4 { Die "Hörner"-Formation mit den Bauern d4 und f4 hat sich in gewissen Stellungen als sehr effektiv erwiesen; Aljechin hatte damit das Jahr zuvor in Karlsbad einen spektakulären Sieg gegen Rubinstein errungen und auch Botwinnik hat sie später gelegentlich eingesetzt. Schach ist allerdings sehr konkret und und in unserer Stellung ist sie nicht so wirkungsvoll. } Bd6 10.g3 O-O 11.O-O Re8 12.Qc2 Nf8 { Genauer als 12...Nf6, da ein späteres Ne5 mit ...f6 beantwortet werden kann. } 13.Nd1 {? Weiß will mit 14.Ne3 das Feld g4 kontrollieren und auch nach f5 schielen, doch beinhaltet dieser Zug ein taktisches Übersehen. } f6 {? Wie Du mir, so ich Dir! Mit 13...Bg4 14.Ne5 Bh3 15.Re1 Qb6 mit Angriff auf d4 wäre Weiß in echte Schwierigkeiten geraten. } 14.Ne3 Be6 15.Nh4 { Die Eröffnung ist abgeschlossen und nach dem Fehleraustausch im 13. Zug befindet sich die Stellung ungefähr im Gleichgewicht: Weiß hat Raumvorteil und kann mit dem Gedanken spielen, am Königsflügel anzugreifen, Schwarz hat das Läuferpaar und die bessere Bauernstruktur. Nur wie soll der Nachziehende jetzt fortfahren? Der Angriff auf d4 mit 15...Qb6 wäre nach dem einfachen 16.Rad1 ein Schlag ins Wasser. Viel sinnvoller ist der Angriff mit einer Leichtfigur, daher... } Bc7 {!} 16.b4 Bb6 17.Nf3 {?! =+ Inkonsequent! Die indirekte Deckung von d4 mit 17.Rad1 ist besser, da 17...Bd4 18.Bh7+ Nh7 19.Rd4 immer noch ausgeglichen ist. } Bf7 { Schwarz spielt einfache, aber gute Züge, die einem stellungsgerechten Plan folgen; mit 18...Bh5 will er weitere Schwächen provozieren. } 18.b5 { Weiß dagegen versteht die Stellung nicht so gut: Für einen Minoritätsangriff sind seine Figuren nicht gut platziert. Allerdings hat Schwarz nach den Alternativen 18.Qb2 oder 18.Bf5 ebenfalls Vorteil. } Bh5 19.g4 { Jetzt sind f4 und die Diagonale h2-b8 schrecklich schwach. } Bf7 20.bxc6 Rc8 21.Qb2 {? -/+ 21.a4 Rc6 22.Qb1 sieht Schwarz im Vorteil, aber Weiß kann noch kämpfen. } bxc6 { Droht mit 22...Qc7 23.f5 (23.Ng2 Ne6) 23...Qf4 und die weiße Stellung bricht zusammen. } 22.f5 Qd6 { Droht erneut mit 23...Qf4. } 23.Ng2 Bc7 { Angriffsideen wie ...h5 und ...Nh7-g5 liegen in der Luft. } 24.Rfe1 {?! Verliert endgültig. Die letzte Chance bestand in der Schließung der Diagonale h2-b8 mit 24.Rac1 h5 25.g5 fg5 26.Ne5, doch nach 26...Bb6 oder 26...Re5 27.de5 Qe5 wird Weiß kaum überleben können. } h5 25.h3 Nh7 26.Rxe8+ Rxe8 27.Re1 Rb8 {! Viel besser als der Abtausch. } 28.Qc1 Ng5 29.Ne5 { 29.Ng5 Qh2+ 30.Kf1 fg5 31.Qc6 Ba5 -+ } fxe5 30.Qxg5 e4 31.f6 g6 32.f4 hxg4 { 32...ed3? 33.gh5 und Weiß hat auf einmal Gegenspiel. } 33.Be2 gxh3 34.Bh5 Rb2 35.Nh4 Qxf4 36.Qxf4 Bxf4 0-1Quelle: John Nunn John Nunns Chess Course