Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Wenn Efim Geller gereizt wird“

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Beitrag von Kiffing

Der gefürchtete „Weltmeisterschreck“ Efim Geller schuf 1971 beim Turnier in Havanna eine bemerkenswerte Partie gegen den großen Theoretiker Dragoljub Velimirovic, welcher der Schachwelt gegen das Klassische Sizilianisch mit dem nach ihm benannten Velimirovic-Angriff ein bemerkenswertes Angriffskonzept schenkte. Ich selbst wende es gegen das Klassische Sizilianisch gerne an und bevorzuge es damit sogar gegenüber dem etablierten Richter-Rauser-Angriff.In dieser Partie wählte Velimirovic ein für ihn typisch aggressives System, wobei er den Bogen mit 12. ...e4?! freilich überspannte. 12. ...gxf5 wäre hier möglich gewesen, und die Partie hätte einen ganz anderen Verlauf angenommen. So konnte Velimirovic aber mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden, denn Geller konterte böse, und bald fand sich sein Gegner in einer hoffnungslosen Verteidigung wieder. Zwar hätte Velimirovic nach 19. ...Dh8 20. Dc3 b6 21. Te6 Txe6! 22. dxe6+ Lxe6 23. Df3 Lf5 24. Dd5+ Le6 25. Df3+ noch remisieren können. Aber, wie Efim Geller anschließend bemerkte, sei es „fast unmöglich, diese Variante am Brett zu finden.“ (Wjatscheslaw Eingorn, Entscheidungsfindung am Schachbrett, GAMBIT-Verlag 2003, S. 72). Als sich die Wogen nach dem weißen Angriff glätteten, fanden sich beide Parteien in einem Endspiel wieder, das für Weiß aufgrund der extrem aktiveren Figuren schon gewonnen war. Efim Geller demonstrierte das im weiteren Verlauf und gewann schnell entscheidendes Material, mit denen er zwei verbundene entfernte Freibauern bilden konnte, die das Rennen am Ende machten. Neben dem sehr schön vorgetragenen und konsequent zu Ende geführten Gegenangriff von Geller, der perfekt rechnete, zum richtigen Zeitpunkt opferte und sämtliche seiner Figuren geschickt am Angriff teilhaben ließ sowie der starken Endspielbehandlung von Geller, ist hier eine weitere Lehre dieser Partie, daß man gerade gegen sehr starke Gegner vorsichtig damit sein sollte, die Brechstange auszupacken. Selbst ein Michail Tal hat selten Brechstangen verwendet, sondern sich in seinem Spiel auf seine meisterhafte Intuition und Rechenfähigkeit verlassen. Er kam nicht zum Siege, weil er die Brechstange auspackte, sondern weil der „Feuerkopf“ wie kein Zweiter die richtigen Ideen im richtigen Moment fand. [Event "Havana"][Site "9"][Date "1971.??.??"][EventDate "?"][Round "?"][Result "1-0"][White "Efim Geller"][Black "Dragoljub Velimirovic"][ECO "E66"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "99"]1.Nf3 Nf6 2.d4 g6 3.c4 Bg7 4.g3 O-O 5.Bg2 d6 6.O-O c5 7.Nc3Nc6 8.d5 Na5 9.Nd2 e5 10.e4 Ng4 11.b3 f5 12.exf5 e4 13.f6 Nxf614.Ndxe4 Nxe4 15.Nxe4 Bxa1 16.Bg5 Bf6 17.Nxf6+ Rxf6 18.Qa1 Kf719.Re1 Rb8 20.Re3 b6 21.Rf3 Bf5 22.g4 Qh8 23.Bxf6 Qxf624.Qxf6+ Kxf6 25.gxf5 gxf5 26.Re3 Nb7 27.Re6+ Kf7 28.Bf3 Rg8+29.Kf1 Kf8 30.Bh5 Rg5 31.Re8+ Kg7 32.Re7+ Kh6 33.Rxb7 Rxh534.Rxa7 Rxh2 35.Rd7 Kg5 36.Rxd6 Kf4 37.Ke2 b5 38.cxb5 Ke539.Rd7 h5 40.a3 Rh3 41.f3 Kd4 42.b6 Rh2+ 43.Kf1 Rh1+ 44.Kf2Rh2+ 45.Kg3 Rb2 46.b7 Rxb3 47.a4 c4 48.a5 c3 49.a6 c2 50.Rc71-0