Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Politische Korrektheit und Schlechtmenschen“

schachburg.de

Beitrag von Kiffing

Der Unterschied zwischen demokratischen und totalitären Gesellschaften ist der, daß in demokratischen Gesellschaften der streitige Sektor groß ist und in totalitären Gesellschaften klein. Das, was nicht verhandelbar ist, nennt man in den demokratischen Gesellschaften den Minimalkonsens. Ohne diesen Minimalkonsens kann eine Gesellschaft nicht funktionieren. Sie droht auseinanderzufallen und von unmenschlichen Werten und Taten innerlich zerfressen zu werden. Ohne diesen Minimalkonsens fehlt ihr der Kompaß in der stürmischen See der Geschichte.Es ist ein Verdienst der Linken gewesen, diesen Minimalkonsens produktiv verändert und erweitert zu haben. Das, was wir heute politische Korrektheit nennen, war ursprünglich der Versuch gewesen, sexistische, rassistische, chauvinistische, faschistische, fremdenfeindliche und gewaltverherrlichende Ideen zu ächten und die Sprache von eben diesen Gedanken zu säubern, so daß diese Gedanken möglichst gar nicht erst entstehen können.Die Rechten werden ja nicht müde, gegen die politische Korrektheit der „Gutmenschen“ zu polemisieren. Das tun diese Schlechtmenschen, um wieder ungestört gegen Frauen, Ausländer, Linke und andere Sündenböcke zu hetzen und das Dritte Reich oder eine andere Form eines nationalen starken Staates zu verherrlichen. Wenn Deine Feinde Dich loben und Deine Freunde sich von Dir abwenden, dann hast Du etwas falsch gemacht. In diesem Sinne ist es ein Gütesiegel der Idee der politischen Korrektheit, daß es gerade die Rechten sind, die mit Verve gegen diese „Meinungsdiktatur“ der „Gutmenschen“ anrennen. Meinungsfreiheit der Rechten heißt ja ohnehin nur, daß jeder das äußern darf, was die Rechten selber denken.Das Problem der politischen Korrektheit ist freilich, daß die Linken die Hoheit über das, was politische Korrektheit überhaupt ist, verloren haben. Längst haben sich die Herrschenden dieses Instrument angenommen. Und so richtet sich die politische Korrektheit in ihrer heute praktizierten Form nicht nur gegen die Rechten, sondern längst auch gegen die Linken. Politische Korrektheit auf heute angewendet heißt etwa, daß man Syrien oder Lybien wegen Menschenrechtsverletzungen kritisieren darf, aber nicht die USA. Das gilt insbesondere für hochrangige Politiker, die fest eingebunden sind in die politische Struktur und ihren ideologischen Überbau. Politische Korrektheit ist also durchaus ein Phänomen, das nur in seiner ganzen Komplexität begriffen werden kann. Falsch wäre es aber, dabei den Sinn für die ursprüngliche Intention dieses Konzepts zu verlieren. Denn die politische Korrektheit in ihrer ursprünglichen Funktion ist ja genau das, wofür progressive Menschen kämpfen, eine Welt ohne Haß und Gewalt.

Beitrag von Chessfriend

Es ist ja alles richtig, was Du da geschrieben hast. Wenn Du das dem "kleinen Mann" (um den geht es ja auch in unserer Gesellschaft) zu lesen gibst, dann wird er wahrscheinlich den Kopf schütteln, oder er wird`s gar nicht lesen wollen. Ich habe schon immer vor der Rechten Szene gewarnt. Es wurde immer herunter gespielt. Das seien ja nur Dumpfbacken. Dumpfbacken sind für mich Leute, die nichts im Hirn haben, die Rechte Szene ist dagegen sehr gut organisiert, und ihre Köpfe sind höchst intelligent. Du hast recht, wenn Du die Kritikfähigkeit einiger Politiker anzweifelst, auch das interessiert wohl kaum jemanden. Leider wird unser aller Zusammenleben immer problematischer. Und was den Tenor der Rechten angeht, bin ich mir sicher, dass man ihn ganz "leise" begrüsst. Und sage ich nur: Wehret den Anfängen. Und die Anfänge haben wir verschlafen. Wenn das so weiter geht, schaffen wir die Demokratie so langsam ab. Davor habe ich regelrecht Angst.

Beitrag von yury

Sehr richtig, Kiffing. Ich verabscheue dieses Wort "Gutmensch" zutiefst.

Beitrag von Maschendrahtzaun

Zunächst einmal muss ich dich ausdrücklich loben, deinem ersten Absatz kann ich kommentarlos zustimmen, das ist auch nocht nicht häufig vorgekommen. Dass jede Gesellschaft also einen Minimalkonsens braucht, darüber sind wir uns einig. Dieser Minimalkonses ist dann auch per Definition nicht der streitigen Zone zuzurechnen. Du fügst hinzu, dass ein Merkmal der demokratischen Gesellschaft ist, dass die streitige Zone im Vergleich zu einer totalitären Gesellschaft größer ist - auch hier stimme ich dir uneingeschränkt zu. Weiterhin schreibst du dann allerdings, dass es ein Verdienst der Linken sei, diesen Konsens "produktiv erweitert" zu haben. Diese kreativen Formulierung leitet mich zu der Frage, wo das "Erweitern" dann tatsächlich noch "produktiv" ist, und wo es den Minimalkonsens so weit ausdehnt, dass er die streitige Zone so weit verkleinert, dass erste Entwicklungen hin zu einer totalitären Gesellschaft zu erkennen sind. In dieser Grauzone ist meiner Meinung nach der Begriff der politischen Korrektheit anzuordnen.Wenn du dann in der weiteren Folge schreibst, dass die Sprache von diesen Gedanken "gesäubert" werden solle, dann hat das für mich doch einen sehr schalen Beigeschmack, wie eigentlich immer, wenn ich "säubern" in einem politischen Kontext höre - ist säubern nicht schon an sich ein totalitäres Element?Aus dieser "Säuberung" resultiere dann die Möglichkeit, solche Gedanken gar nicht erst entstehen zu lassen. Diese Annahme überschätzt meiner Auffassung nach die Wirkung Maßnahmen dieser Art. Tatsächlich ist es doch so, dass umgekehrt der neu eingeführte Begriff, der etwas bezeichnet, was als abwertend betrachtet werden könnte, nach einiger Zeit selbst in diese Richtung geschoben wird.Bestes Beispiel dafür ist der allseits bekannte Neger. Hier lässt sich sehr gut das Scheitern dieser Maßnahmen beobachten: Jedes Jahrzehnt erfindet man einen neuen, zunächst neutralen Begriff, der dann zehn Jahre später im allgemeinen Bewusstsein wieder negativ besetzt ist, sodass ein neuer, politisch korrekter Begriff "notwendig" wird.Im darauffolgenden Absatz vermischt du meiner Meinung nach etwas zu stark die Sprache als abstraktes Konstrukt an sich und die Absichten, die einzelne Individuen mit ihr ausdrücken wollen. Tatsächlich ist es nicht so, dass jeder, der sich gegen das abstrakte Konstrukt der politischen Korrektheit wendet, dies zwangsläufig aus dem Motiv tut, Minderheiten diskriminieren zu wollen. Schließlich könnte er dies auch problemlos tun, ohne politisch inkorrekte Begriffe zu verwenden - ob man nun prollig-banal von einem "dummen Kameltreiber" spricht oder von "erbgutbedingten Ausfällen eines Mitglieds unserer Gesellschafts von nichtdeutscher Herkunft" ändert in der Sache relativ wenig. Meiner Meinung nach kann man noch so viele Begriffe des Sprachgebrauchs diskreditieren, es werden sich immer neue kreative Wege finden lassen, Minderheiten zu diskriminieren.Tatsächlich werden von der politischen Korrektheit aber auch solche Bereiche erfasst, die nichts mit der Diskriminierung von Minderheiten zu tun haben - und spätestens hier wird es meiner Meinung nach gefährlich. Wenn politische Korrektheit zu einem allgemein von der Gesellschaft akzeptierten Mittel zur Normierung von Sprache sein soll, was es meiner Meinung nach momentan nur teilweise ist und nicht eben mit zunehmender Tendenz, dann muss die Haltung vieler Linken aufgegeben werden, die politische Korrektheit eben nicht korrekt zu handhaben, sondern viel eher zur Diskreditierung politischer Gegner. Dein Schlusssatz zeigt dann noch einmal deutlich das Grundproblem der politischen Korrektheit auf. Wenn sie tatsächlich dazu dienen soll, für eine Welt "ohne Hass und Gewalt zu kämpfen", offenbarst du damit eines der Grunddefizite. Nur mit der abstrakten Normierung der Sprache wird eine Welt ohne Hass und Gewalt nicht zu erreichen sein.Realistisch denkende Menschen werden womöglich zu dem Schluss kommen, dass eine Welt ohne Hass und Gewalt gar nicht erreicht werden kann, und sodann die politische Korrektheit als Kampfmittel abzulehnen beginnen.Zu Recht, wie ich finde, da bis jetzt noch jeder Versuch, die Menschheit zur Gewaltfreiheit und Hasslosigkeit zu erziehen, in deutlich mehr Hass und Gewalt als zuvor geendet ist. Darauf kann ich gut verzichten.

Beitrag von Kiffing

Es ist ja nicht so, daß diese Maßnahmen nichts gebracht hätten. Daß in Deutschland im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern in Europa rechtspopulistische und rechtskonservative Kräfte einfach nicht hochkommen wollen, obwohl es in jüngster Zeit mehrere Parteineugründungen und damit Versuche gegeben hat, eine starke Rechte im Lande zu etablieren, liegt eben auch daran, daß rechtes Denken bei uns durch Sprache und Erziehung verpönt ist. Wenn bspw. die politische Korrektheit Aussagen nicht mehr ohne weiteres zuläßt, die klar auf rechte Gedankengänge anspielen, dann ist das durchaus als Erfolg der Idee der politischen Korrektheit zu begreifen. In diesem Sinne teile ich auch nicht Deine Skepsis gegenüber der von mir genannten Sprachreinigung. Wenn ein Wort Allgemeingut ist, dann kommt dieses Wort und die damit in Beziehung stehende Gedankenwelt nur allzu leicht über die Lippen. Ist das Wort dagegen ein Tabu, dann wird darüber reflektiert, warum das Wort ein Tabu ist und es wird entweder darüber nachgedacht, warum man so ein Wort lieber nicht sagen sollte oder es wird eben nicht mehr bei jeder Gelegenheit unbefangen verwendet und damit weiter in der Gesellschaft verbreitet. Die Gewöhnung an Dinge, die wir nicht wollen, ist ein ganz gefährlicher Prozeß der zur Etablierung derselben führen kann. In diesem Sinne ist es ein Unterschied, ob so ein mittlerweile häßliches und ehrverletzendes Wort wie Neger gebraucht wird oder ein eher neutrales Wort wie Schwarzer oder Dunkelhäutiger. Und so viele neue Wörter habe ich seit der Tabuisierung von Neger auch nicht kennengelernt, zumindest keines, das es in puncto Ehrverletzung mit diesem alten Begriff aufnehmen kann. Oder fällt Dir ein Wort ein?Du hast natürlich damit Recht, daß sich immer neue „kreative Wege“ finden lassen, Menschen und deren Abstammung zu diskriminieren. Aber schon alleine dadurch, daß solch ein Aufwand nötig ist, zeigt eben jedem Beteiligten schon, daß so etwas in der Gesellschaft nicht mehr erwünscht ist. Wir sollten uns ohnehin mehr trauen, offensiver gegen rechte Einstellungen vorzugehen und uns von der immer bemühten Gutmenschenkeule nicht einschüchtern lassen. Denn daß rechtes Gedankengut noch stark in der Gesellschaft verbreitet wird, belegt jede Studie immer wieder aufs Neue. Und mit diesem Relativitätsgerede von wegen Diskreditierung politischer Gegner kann ich mich auch nicht abfinden. Du tust ja gerade so, als wären die Leute, gegen die sich die politische Korrektheit auch in der heute praktizierten Form noch wendet, ganz normale politische Teilhaber in der demokratischen Willensbildung. Dann würde ich Dir einmal einen Blick ins Grundgesetz empfehlen, wo klar steht, daß niemand aufgrund seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf (Artikel 3). Diese Ziele, welche die politische Korrektheit sowohl in ihrer ursprünglichen als auch in ihrer heutigen Form verfolgt, stehen in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz sowie mit den politischen Programmen der sechs großen Parteien in Deutschland. Wer gegen diese Ziele handelt bzw. trotz ausdrücklichen Verbots Menschen diskriminieren will, der ist in Wirklichkeit der Verfassungsfeind, gegen den vorgegangen werden muß. Da kann man nicht mehr alles wegrelativieren, da muß man einfach klare Werturteile fällen.Einer Welt ohne Haß und Gewalt kann man sich aber annähern. Und dazu notwendig ist auch eine gewisse politische Steuerung. Um den Kreis zu schließen, hätten wir von Anfang an, zumindest seit Bestehen der Bundesrepublik darauf verzichtet, dann wären die Rechten heute nicht ins Abseits geschossen mit ihrem ganzen Haß und ihrer ganzen Menschenverachtung. Das war ein langer Prozeß, der dem Klima in unserem Land sicher ungemein gutgetan hat, auch wenn dieser Prozeß natürlich noch lange nicht zuende ist.

Beitrag von Maschendrahtzaun

Dass es in Deutschland momentan keine starke Rechte Kraft gibt, haben wir freilich nicht der politischen Korrektheit zu verdanken, sondern der Tatsache, dass wir bis vor 65 Jahren einen Pappkopf an der Spitze hatten, der aus dieser Richtung kam.Politische Korrektheit ist schließlich auch keine deutsche Erfindung, sondern vielmehr eine US-Amerikanische. Die USA war das erste Land, die den Begriff der "Political Correctness" gebrauchte und ist auch heute noch auf diesem Feld am weitesten vorangeschritten, beispielsweise, was die sprachliche Gleichstellung der Frau betrifft.Allerdings hat, wie zum Beispiel auf diesem Feld, die politische Korrektheit nicht nur mit der Grenze zum Totalitarismus zu kämpfen, sondern auch mit der Grenze zur Lächerlichkeit. So wirken auf mich jedenfalls manche sprachliche Blüte, die der gute Wille treibt. Nehmen wir zum Beispiel das Binnen-I. Was zur Hölle soll das Binnen-I? Es stört den Redefluss, hat inhaltlich keine Aussage und jeder, der BauarbeiterInnen schreibt und dabei keinen Lachanfall kriegt, muss wohl zwangsläufig ein überzeugter Linker sein. Was ich damit sagen will: Gut gemeint ist manchmal das Gegenteil von gut. Es reicht nicht aus, etwas als politisch korrekt zu Kennzeichnen, damit es als "Gütesiegel" herhalten kann und genauso andersherum.Du schreibst, dass "wir" uns "mehr trauen sollten, offensiver gegen rechte Einstellungen vorzugehen". Hier sehe ich einen großes Problem. Jeder Mensch in Deutschland hat das Recht, eine linke, rechte, oder sogar astronautische Einstellung zu haben, wer allein dagegen vorgehen möchte, macht sich selbst zum Totalitaristen - generell tut dies immer derjenige, der versucht, die Gedanken anderer Menschen zu beeinflussen.Danach meinst du, man solle klare "Werturteile" treffen, wenn jemand diskriminiert wird. Es ist dir ja ungenommen, so viele Werturteile zu fällen, wie du nur willst, nur darfst du nicht davon ausgehen, dass jeder Bürger dieses Staates diese Meinung auch teilt. Und eine demokratische Gesellschaft unterscheidet eben gerade nicht in "gute" und "böse" Menschen, sondern orientiert sich an der Mehrheit. Hieran kann man mal wieder eines der klassischen Dilemmas der Linken erkennen: Das Volk, für das sie zu sprechen vorgeben, ist ihnen immer ein bisschen unheimlich, es könnte womöglich gar nicht beglückt werden wollen.Auch hier sehe ich also die Aufgabe des Staates und seiner Funktionsträger eher darin, übertriebene Repression einzudämmen, anstatt sie zu forcieren.Mir fällt übrigens noch ein anderes Wort ein, an dem sich die Diskriminierungsinflation, die wir zur Zeit durchleben, oder zu durchleben meinen, schließlich wird heute jeder diskriminiert, der will, ablesen lässt: Der Fremdarbeiter.Zunächst hieß er als Fremdarbeiter, dann wurde er später etwas warmherziger zum Gastarbeiter, dann allgemeiner zum Ausländer, zur Person nichtdeutscher Herkunft, schließlich zur Person mit Migrationshintergrund. Interessant an der Sache ist, dass sich die Entwertungsgeschwindigkeit mit jedem Zyklus erhöht, es dürfte also nur eine Frage der Zeit sein, bis die "Person mit Migrationshintergrund" auch schon wieder in den Abfalleimer der Diskriminierungsgegner geschmissen wird.Allerdings wird es zunehmend schwerer, einigermaßen aussprechbare Begriffe zu finden. Andererseits kann man den Weltverbesserern mangelnde Kreativität in dieser Richtung ganz sicher nicht vorwerfen.Diese Kreativität geht immer erst dann aus, wenn es wirklich daran ginge, die Welt zu verbessern.

Beitrag von Kiffing

Na ja, was das Binnen-I betrifft, so finde ich, ist der Gedanke, der dahintersteckt, logisch und richtig. Denn es war ja davor so, daß Frauen sprachlich ausgeschlossen worden sind, ich erinnere mich daran, wie in der DDR immer vom „Minister für Bildung Margot Honecker“ gesprochen wurde, und so etwas wirkt auf mich eher lächerlich. Diese Vermännlichung der Sprache hat sicherlich historische Ursachen und spiegelt die Bedeutung wider, welche die Frauen in der Geschichte über Jahrtausende innehatten. Ich erinnere da an das frühere Credo der Geschichtswissenschaften: Große Männer – große Taten. Aber diese Vermännlichung der Sprache paßt nicht mehr in die heutige Zeit, wo die Frauen nun endlich zumindest rechtlich denselben Stellenwert wie die Männer haben. Sprache spiegelt nun auch den gesellschaftlichen Wandel wider. Und insofern spiegelt das Binnen-I eben den Emanzipationsprozeß der Frauen wider seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Man kann sicherlich einzelne Phänomene des Binnen-Is kritisieren, etwa, daß bei negativen Aussagen gerne darauf verzichtet wird. Wer sagt schon gerne: Mörderinnen und Mörder? Oder, daß der Sprachfluß stocken kann, wenn in sinnloser Weise damit übertrieben wird, wo wir bei Deinem Bauarbeiterbeispiel sind. Aber der Prozeß ist im Kern richtig und sollte deswegen nicht in Gänze verworfen werden.Wenn es die von Dir angeprangerte höfliche Ersetzung von Begriffen nicht gegeben hätte, würden wir heute immer noch von Sonderschulen und Negern sprechen. Ich denke nicht, daß dies den Betroffenen in irgendeiner Art und Weise eine Hilfe wäre. Wenn wir als Wert festlegen, daß Sprache nicht diskriminierend und verletzend sein soll, dann sind wir quasi dazu gezwungen, beleidigende und diskriminierende Begriffe durch freundlichere Begriffe zu ersetzen. Auch Du profitierst davon, denn so bist Du jetzt ein Studierender und nicht mehr ein Student, das Studentenpack läßt grüßen.Im Übrigen fällt mir wieder Deine Relativierungssehnsucht auf. Rechte sind nun einmal nicht Personen, deren Auffassung man denselben Respekt und dieselbe Toleranz entgegenbringen sollte wie Angehörige anderer politischen Positionen. Das kann auch der Blick in die Geschichte lehren oder ein Blick darauf, was Nazis heute fordern und welche Taten sie begehen. Nicht alles ist relativ, sondern das Denken und Handeln der Menschen ist objektivierbar und damit nach objektiven Kriterien zu messen, wenn wir ernsthaft den Versuch unternehmen wollen. Man kann die Wahrheit zwar nie erreichen, denn der Mensch irrt, solang er strebt (Goethe). Aber man kann sich ihr zumindest annähern. Und selbst wenn man sich dabei die gebotene Zurückhaltung auferlegt, dann ist das Denken und Handeln der Nazis gefährlich und schlecht. Zu diesem Werturteil muß man einfach kommen, wenn man den Kompaß an der rechten Stelle hat. Du schreibt, eine demokratische Gesellschaft unterteile nicht in gute und böse Mitglieder. Zu so einer Einstellung kann man nur kommen, wenn man selbst diesem Relativierungszwang aufgesessen ist.Gut, es gibt, was demokratisches Handeln gibt, ja zwei theoretische Modelle. Das eine Modell hält das für demokratisch, wirklich alles zu erlauben. Das andere Modell wiederum sagt, wir erlauben nur das, was auch wirklich demokratisch ist und nicht selbst die Demokratie bekämpfen will. Und eben dieser Gedanke erscheint mir wesentlich. Warum sollen wir etwas erlauben, was genau diese Demokratie, für die wir stehen, mit allen Mitteln bekämpfen will? Warum erlauben wir etwas, dessen Gedankengut schon per se menschenverachtend und gefährlich ist und das dazu beiträgt, viele auch junge Menschen aufzuhetzen und den ideologischen Nährboden für Straftaten gegen Menschen und Sachen herzustellen? Da muß eine Demokratie einen Schlußstrich ziehen, um sich und ihre Mitglieder zu schützen. Toleranz gegenüber Nazis hat schließlich zu Adolf Hitler geführt. Wenn wir die Nazis bloß als eine politische Strömung von vielen begreifen, die denselben Wert habe wie jede andere Strömung auch, dann würde dies bedeuten, daß der Staat nicht mehr dagegensteuern könnte, daß alle Maßnahmen gegen die Rechten, alle Aufklärungen an Schulen usw., um junge Menschen von den braunen Volksverhetzern fernzuhalten, gestrichen werden, was den braunen Ungeist in einer bedenklichen Art und Weise begünstigen würde. Ich sage es gerne noch einmal: der Faschismus ist keine politische Strömung wie jede andere auch.

Beitrag von yury

[QUOTE=Kiffing;4524]Wenn wir die Nazis bloß als eine politische Strömung von vielen begreifen, die denselben Wert habe wie jede andere Strömung auch, dann würde dies bedeuten, daß der Staat nicht mehr dagegensteuern könnte, daß alle Maßnahmen gegen die Rechten, alle Aufklärungen an Schulen usw., um junge Menschen von den braunen Volksverhetzern fernzuhalten, gestrichen werden, was den braunen Ungeist in einer bedenklichen Art und Weise begünstigen würde. Ich sage es gerne noch einmal: der Faschismus ist keine politische Strömung wie jede andere auch.[/QUOTE]Wobei zu ergänzen wäre, dass unsere liebe Bundesregierung mit der Extremismusklausel und ähnlichen Scherzen ja genau diese Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus betreibt (während sie gleichzeitig die beteiligten Organisationen zur Überwachung ihrer "Partner" zwingt) und damit den Kampf gegen die Nazis erheblich erschwert.

Beitrag von Maschendrahtzaun

Ich wäre mit dir ja weitgehend einig Kiffing, wenn die Armada der politisch Korrekten nicht immer den Zeigefinger herausholten, was der Begriff der politischen Korrektheit aber im Prinzip schon impliziert.Es ist überhaupt nichts dagegen auszusetzen, wenn du von Bauarbeiterinnen und Bauarbeitern sprächest und von Krankenschwestern und -brüdern, und ich eben von Bauarbeitern und Krankenschwestern.Das Problem bei der Sache ist indes, dass die in einem Anflug von Hybris sich selbst als "korrekt" bezeichnenden Personen diejenigen, die sich - ganz allgemein, nicht nur auf das Beispiel bezogen - eben nicht daran halten mögen, aber auch nicht recht jemandem dabei schaden, erbarmungslos attackieren zu müssen meinen.Dies widerspricht meiner Auffassung von Freiheit, die sich eben auch auf die Sprache beziehen muss in den Grenzen, dass dabei niemand in eindeutigem Maße diskriminiert ist.Da das jedoch immer subjektiv ist (und sein muss), sollte die Devise lauten: Lieber weniger Zensur als zu viel.Also ich bin kein Studierender sondern ein Student, das Wort besitzt einfach halb so viele Silben und ansonsten dieselbe Bedeutung für mich, hier beweist sich wieder die von mir eben benannte Subjektivität - wo du meinst, ich würde profitieren, kann ich keinen erkennbaren Unterschied erkennen.Dieses Recht sollte allgemein den selbst denkenden Individuen zugestanden werden, anstatt sie in ein übertrieben enges Korsett aus politisch korrekten Ausdrücken zu zwingen.Das, was du als "Relativierungssehnsucht" bezeichnest, ist meiner Ansicht nach bitter notwendig. In meinen Augen gibt es momentan eine Troika der bedrohlichen Ideologien, nämlich Nazismus, Kommunismus und Islamismus, die sich gegenseitig in nichts nachstehen. Da diese Ideologien auf einer Skala von 1 bis 100 alle bei -1 landen würden, sind Vergleiche zwischen ihnen sinnlos.Dennoch halte ich momentan in Deutschland den Linksextremismus und den Islamismus fast schon für gefährlicher, weil sich gegen den Nazismus aus geschichtlichen Gründen in Deutschland ein starker gesellschaftlicher Konsens gebildet hat. In der Tat liegt die Anzahl der linksextremistischen Straftaten in Deutschland deutlich über der derer mit eindeutig rechtsextremem Hintergrund.Ich finde es ja sehr interessant, dass du den Gedanken aufwirfst, dass Demokraten dort Grenzen setzen sollten, wo sie Undemokratisches tolerieren würden.Das schöne daran ist, dass du dich damit voll in einer Linie mit Henryk M. Broder befindest, der in seiner "Kritik der reinen Toleranz" genau das sagt - wie du vielleicht weißt jemand, der häufiger von den politisch sogenannten "Korrekten" aufgrund missliebiger Meinung versucht wird, in die rechte Ecke gedrängt zu werden.Die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremisten ist meiner Meinung nach nicht bedauerlich, sondern wichtig und konsequent. Tatsächlich wäre es mir auch relativ egal, ob ich auf der Straße von einem glatzköpfigen Nazi, einem vermummten sogenannten "Antifaschisten" oder einem Hobby-Imam mit verehrenmordeten Schwester zusammengeschlagen würde. In einer demokratischen Gesellschaft ist es schließlich wichtig, die Verfassung gegen ihre Feinde zu verteidigen, egal ob sie von links, rechts, oben oder unten kommen.

Beitrag von Kiffing

Die Gleichsetzung von Rechts und Links muß ich natürlich energisch zurückweisen. Auch stimmt Deine Behauptung nicht, wonach die „Anzahl der linksextremistischen Straftaten in Deutschland deutlich über der derer mit eindeutigem rechtsextremistischem Hintergrund“ liege. So war laut Welt die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten in Deutschland 2009, die bei 18750 Fällen lag, „viermal so hoch“ wie bei linksextremen Delikten. [url]http://www.welt.de/politik/deutschland/article8125095/Verfassungsschutz-nimmt-Linksextreme-ins-Visier.html[/url] Deine Aussage ist also schlichtweg falsch.Zwar ist es richtig, daß im Namen des Kommunismus furchtbare Verbrechen begangen worden sind. Allerdings gebe ich zu bedenken, daß das linke Spektrum überaus heterogen und vielfältig ist. Während Rechte im Prinzip immer nur dasselbe wollen und sich kaum voneinander unterscheiden, höchstens in so Nuancen, ob Juden oder Muslime das ausländische Feindbild seien, gibt es die verschiedensten Entwürfe für eine neue Gesellschaftspolitik im linken Lager. Das hat auch einen einfachen Grund, denn während das rechte Denken an Traditionen, also an der Vergangenheit und damit am Beharren auf Bestehendem ausgerichtet ist, wollen Links ja genau mit diesen ehernen Traditionen brechen und etwas völlig neues aufbauen. Und daß es darüber Differenzen gibt, wie das Neue konkret gestaltet wird, liegt auf der Hand.Auch unterscheiden sich Kommunismus und Faschismus von der Weltanschauung her so stark, daß ein Vergleich hier nichts bringt. Während Kommunisten durchaus von hehren idealistischen Motiven geleitet sein können wie der Kampf um eine Welt ohne Hunger, Ausbeutung und Krieg und sich in der Regel mit jeglichen linken Bewegungen wie dem Kampf der Frauen um ihre Rechte, den Kampf der Jugend, der Friedensbewegung usw. solidarisieren, ist der Faschismus von seiner Natur aus ein höchst asoziales System, das einen straffen Führerstaat, also eine Diktatur, eine homogene Gesellschaft, die Überhöhung der eigenen Nation und die Abwehr von allem Fremden schon idealiter vorsieht. Daraus ergibt sich dann in der Praxis der Umstand, daß man mit einem Kommunisten ganz normal reden kann wie von Mensch zu Mensch, während der vernünftige Normalbürger in einem Gespräch mit einem Nazi schon rein gefühlsmäßig angeekelt werden kann. Denn Nazis sind im Gegensatz zu Kommunisten keine Menschen wie Du und ich. Genau das ist mir im Prinzip immer bei den seltenen Interviews mit Vertretern rechtsradikaler Parteien aufgefallen, die im Fernsehen gezeigt wurden. Dumpfbackig, stiernackig, mit haßerfüllten Augen und mit sengender Stimme hauen sie ihre Parolen heraus. Wenn Du Dich einmal mit der Geschichte von linken und rechten Bewegungen beschäftigst, wirst Du auch sehen, daß es früher, vor der Russischen Revolution tatsächlich so war, daß Demokratie und Sozialismus immer im Einklang verstanden und von der Obrigkeit stets bekämpft wurden. Erst mit der Russischen Revolution schälte sich langsam ein Bedeutungswandel hervor, so daß, auch begünstigt durch die Westmedien und dem steigenden Einfluß der USA, zunehmend der Kapitalismus mit der Demokratie gleichgesetzt wurde, was übrigens unverdienter Ruhm für den Kapitalismus ist, der in seiner Natur alles ist, aber nicht demokratisch. Tatsächlich war es in den Zeiten vor unserer konsensorientierten Konkordanzdemokratie so, daß links immer die Menschen standen, die für mehr Rechte, für soziale, liberale und demokratische Rechte standen, während die Rechten stets das Rad der Geschichte zurückdrehen wollten und sich damit gegen die neuen progressiven Bewegungen stellten.Die Gleichsetzung von rechts und links beleidigt die Linken und verharmlost den Faschismus.

Beitrag von Maschendrahtzaun

Was die Gesamtzahl der Delikte angeht, hast du offenbar Recht, allerdings muss man differenzieren, um welche Art von Straftaten es sich handelt (diese Zahlen hatte ich gelesen, und dabei irrtümlicherweise auf alle Delikte geschlossen): Bei den Gewaltverbrechen beispielsweise liegt die Linksextreme Szene mit 1,115 zu 891 von Rechtextremen begangenen Straftaten deutlich vorne. Ebenso ist das hohe Wachstum linksextremer Straftaten von 51,5% von 2009 auf 2010 ist ein bemerkenswerter Fakt.Deine Argumentation ist nicht kohärent wenn du sagst, dass es zwar richtig sei, dass im Namen des Kommunismus schlimme Verbrechen begangen seien, aber dass man daraus auf keinen Fall auf alle Linksextremen schließen könnte, schließlich sei die Szene so vielfältig. Dann könnte man genauso mit Rechtextremen argumentieren - schließlich haben auch die Verbrechen angestellt - aber wer will ihnen das denn heute noch übelnehmen? Du siehst, wenn man deiner Argumentation konsequent folgt, kommt man zu nicht besonders logischen Sprüchen. Man kann also die Verfassungsfeindlichkeit einer Bewegung nicht mit ihrer Vielfältigkeit widerlegen. In der Folge vermischt du - wie so oft, "rechts" mit "rechtsextrem" - etwas, dass du furchtbar übel nimmst, wenn man das mit der Gegenseite machen würde, schließlich würdest du auch keinen Sozialdemokraten als verkappten Kommunisten bloßgestellt sehen. Dass Rechtsextreme - und über die sprechen wir hier, nicht über konservative Personen der rechten Mitte - indes ebenso viel Veränderung herbeiführen möchten wie Linksextreme, liegt dabei auf der Hand: Schließlich einen sich links- und rechtsextreme Positionen in ihrem Ziel der Schaffung eines neuen Menschen, auch wenn sie dabei unterschiedliche Ansätze verfolgen. Mehr Veränderung, als den Menschen selbst zu verändern, ist wohl nicht denkbar.Dass du nun festzustellen meinst, dass Faschismus und Kommunismus sich so stark voneinander unterschieden, dass ein Vergleich zwischen beidem nur schwer oder gar unmöglich sei, überrascht bei der bereits erwähnten Vermischung der Elemente nicht, wird dadurch aber nicht richtiger.Je rechtsextremer die Geschichte wird, desto mehr Sozialismus spielt mit hinein. Schließlich hatte die Politik Hitlers durchaus sozialistische Züge, ebenfalls die NPD tritt für eine Installation eines nationalen Sozialismus ein.Tatsächlich ist der Kommunismus für mich auch eine Form des Faschismus, der sich vor allem dadurch kennzeichnet, dass sämtliche Formen der persönlichen Freiheit ausgesetzt sind, das Individuum ständiger Überwachung unterliegt und nicht das denken darf, was er möchte. Diese Punkte treffen sowohl auf rechtsextremen Faschismus zu als auch auf kommunistischen. Lediglich der Ansatz, über den die beiden Konzepte vorgehen, unterscheidet sich: Während Rechtextreme vorwiegend rassisch argumentieren, gehen Kommunisten über die Klassen der Gesellschaft vor. Die von dir angesprochene gesellschaftliche Homogenität, den der Faschismus im Vergleich zum Kommunismus schaffen wolle, wird also auch von den Kommunisten vorangetrieben, nur dass hierbei keine rassische Homogenität erreicht werden soll, sondern eben eine klassische.Hernach schreibst du dann, dass Nazis im Gegensatz zu Kommunisten keine "Menschen wie du und ich" seien und dass alle Nazis "dumpfbackig, stiernackig und mit haßerfüllten Augen" versehen seien.Also ich kenne persönlich jetzt keine Nazis und lege auch keinen Wert darauf, welche kennenzulernen, dennoch möchte ich diese Charakterisierung mal bestreiten.Und anders herum: Wenn diese Charakterisierung wirklich zuträfe, dann müssten wir uns um den Rechtsextremismus in Deutschland ja nun wirklich keine Sorgen mehr machen.Gefährlich sind meiner Meinung nach eher diejenigen, auf die diese klassische Klischeebeschreibung eben nicht zutrifft.Dass in der Geschichte Demokratie und Sozialismus in Einklang standen, halte ich für falsch. Auch der angebliche Beleg, dass sie beide von den damaligen Regierungen verfolgt worden seien und schon allein deshalb zusammen gehören müssten, erreicht fast schon rechtsextreme Dumpfbackigkeit, schließlich haben die damaligen monarchistischen Systeme diese beiden Ideen nicht verfolgt, weil sie sich so ähnlich seien, sondern weil sie beide einfach einen Verlust ihrer Macht bedeutet hätten.Wenn du sagst, dass der Kapitalismus in seiner Natur alles sei, nur nicht demokratisch, in der Folge also diktatorisch, ohne einen einzigen Beleg dafür zu haben, erinnert dieses vorgehen schon annähernd an "stiernackig und mit sengender Stimme herausgehauene Parolen" - mal wieder ein Zeichen, dass der Unterschied kein besonders großer ist. In ihrer Ablehnung des Kapitalismus sint Rechtsextreme und Linksextreme übrigens auch traut vereint.Dementsprechend ist dein Schlusssatz vielleicht auch in die Parolenkiste einzuordnen, er geht jedenfalls völlig am Thema vorbei.Niemals käme ich auf die Idee, Links und Rechts gleichzusetzen, ich spreche hier vom Linksextremismus und Rechtsextremismus, die beide sich durchaus ähnlicher Mittel bedienen (Gewalt etc.), ähnliche Ziele verfolgen (Abschaffung der Demokratie in ihrer jetzigen Form) und ähnliche Feinde haben (Kapitalismus, Bürgerliche, Liberale).Hierzu passt auch die vergleichsweise hohe Zahl der Wechselwähler zwischen linksextremen und rechtsextremen Splittergruppen.Da für mich der Kommunismus vor allem ein rot angestrichener Faschismus ist, ist die Verharmlosung ebenso nicht gegeben, da ich vor beidem gleichermaßen warne.

Beitrag von Kiffing

Mag ja sein, daß eine Einzelstatistik bei den Linksextremen höher ist als bei den Rechtsextremisten. Aber sich eine Einzelstatistik herauszusuchen, um damit die Gefährlichkeit der Linksextremisten belegen zu können, funktioniert nicht. Da ist eine Gesamtstatistik schon aussagekräftiger. Und was die vermeintliche Gefährlichkeit von Linksextremisten angeht, so sind es meines Wissens doch fast ausschließlich die Autonomen, die in bestimmten Situationen bereit sind zu Gewalt zu greifen. Selbst die von Dir verfemten Kommunisten, also Mitglieder von DKP, MLPD oder anderen kommunistischen Parteien, greifen nicht als politische Aktion zur Gewalt, was man von Mitgliedern der äußersten Rechten wie z. B. der NPD nicht gerade behaupten kann. Mittlerweile hat der BND ja sogar herausgefunden, daß NPD-Mitglieder in das jüngst aufgedeckte Naziterrornetzwerk involviert sind.Was die Bezüge von Vergangenheit und Gegenwart angeht, so habe ich ja in meinem letzten Beitrag herausgearbeitet, daß bei Nazis schon ideologisch wenig erwartet werden kann. Da sich stets an der „glorreichen“ Vergangenheit eines Volkes orientiert wird und so am Bewahrenden festgehalten wird anstatt neue Wege zu beschreiten, sieht jeglicher Nationalismus egal welchen Volkes im Prinzip immer gleich aus. Höchstens gibt es graduelle Unterschiede, die mit den Besonderheiten einer jeder Kultur zusammenhängen.Wenn also die Vergangenheit gezeigt hat, daß Rechtsextremismus zu schauderhaften Taten fähig ist, dann sollte dies als Warnsignal verstanden werden und als Mahnung, sich in Zukunft gegen den Rechtsradikalismus zu stellen. Bei dem sogenannten „Linksextremismus“ verhält es sich etwas anders, denn der Kommunismus ist auch anders zu verstehen als pure Gewalt. Seine Grundidee ist nicht die Unterdrückung, sondern die Befreiung, insofern kann der Kommunismus also durchaus als Befreiungsideologie verstanden werden. In diesem Kontext hatte es nach Stalins Tod genauso wie nach dem Zusammenbruch des Ostblocks in der ganzen linken Welt massive selbstkritische Debatten gegeben, um mit Fehlern und Fehlentwicklungen aufzuräumen und um es im nächsten Anlauf besser zu machen. Die Linke lehnt etwa heute sogar die DDR in Bausch und Bogen ab und spricht von einem autoritären, bürokratischen und teilweise sogar von einem stalinistischen Sozialismusversuch in der DDR, der historisch gescheitert sei. Sogar in der DKP, die bis etwa Mitte der 80er Jahre der DDR zumeist unkritisch gegenüberstand, fanden seit der Wendezeit zahlreiche selbstkritische Debatten über die DDR statt. Aber da Du mit der linken Szene nichts zu tun hast, will ich Dir nachsehen, daß Du von diesen Debatten keine Kenntnis hast. Solche selbstkritischen Debatten hat es in der äußersten Rechten nie gegeben. Was Deine Differenzierung von links und linksextremistisch und rechts und rechtsextremistisch angeht, so mag dies bei der Linken durchaus zutreffen. Es ist ein Unterschied, ob jemand etwa die Partei die Linke vertritt oder die Deutsche Kommunistische Partei. Bei der Rechten sehe ich aber kaum Anzeichen einer gewissen Beruhigung, wenn der eigene Pol nicht mehr extrem rechts, sondern „nur“ noch rechts ist. Lasse mich diesen Gedanken ausführen, indem ich die Werte von Konservativen und Nazis herausarbeite, um die Gemeinsamkeiten zu belegen: Während Nazis für einen Führerstaat stehen, wollen Konservative einen Staat, in dem Ordnung herrscht. Beide Gruppierungen betonen stark die Vergangenheit einer Nation und ziehen daraus ihre Kraft und ihre Werte. Beide stehen im Sinne einer homogenen Gesellschaft Abweichlern mißtrauisch gegenüber ebenso wie Ausländern. Höchstens der Ansatzpunkt mag sich unterscheiden, da Nazis eher das rassische „Problem“ bei Ausländern betonen und Konservative eher das kulturelle. Derweil herrscht in der Gesellschaft der seltsame Umstand vor, daß Haß gegenüber den Juden, der nach wie vor von der extremen Rechten ausgelebt wird, gesellschaftlich vollkommen verpönt ist, während der Haß auf den Islam und damit auch der Haß auf Ausländer mit islamischem Hintergrund als gemäßigt rechts, ja als rechtsdemokratisch wahrgenommen wird, vielleicht der Blick auf die zahlreichen mittlerweile längst etablierten islamkritischen Parteien im Ausland. Und beide lehnen die politische Linke gleichermaßen ab. Breivik etwa ist nicht ein Nazi oder Rechtsextremist, als wie er in den Medien immer dargestellt wird, sondern seine Ideologie ist das, was wir heute als „gemäßigt rechts“ verstehen, Hang zu einem stärkeren Bezug zum Christentum, Haß auf den Islam, Reduktion auf die Vergangenheit. Das, was er äußerte, findet sich in vielerlei Bezügen in der „rechtsdemokratischen“ Hetzschrift: „Politicial Incorrekt“. Auch in der Weimarer Republik wurde vielfach deutlich, wie stark Konservative und Nazis zusammengearbeitet haben. Die immer noch stark in Staat und Wirtschaft verflochtene Elite aus dem Kaiserreich, konservativ und damit reaktionär bis über beide Ohren, wollte Hitler, und es war das konservative Zentrum, das Hitlers Ermächtigungsgesetz zugestimmt hatte. Wer etwa den Terror der Nazis schon in der Weimarer Republik verhindern wollte, der mußte nicht nur gegen Hitler und die NSDAP kämpfen, sondern hatte gleich einen übermächtigen reaktionären Block gegen sich. In diesem Sinne war die NSDAP nicht etwas eigenes, ein Aliud sozusagen, sondern eingebettet in diesen reaktionären Block, dem, wie so oft in der Geschichte seit der Aufklärung, die Progressiven gegenüberstanden.In diesem Sinne warne ich auch davor, die Nazibarbarei als nationale Spielart des Sozialismus zu begreifen, was sowohl Konservative als auch Neoliberale so gerne tun. Die soziale Phraseologie der NSDAP hatte eher den Zweck, die Arbeiter für sich zu gewinnen, um an die Macht zu kommen. Im Prinzip verachtete Hitler auch den deutschen Arbeiter. Was Hitler von einem nationalen Sozialismus hielt, hatte er unmißverständlich in der Nacht der langen Messer deutlich gemacht, als er nicht nur seine Rivalen beseitigen ließ, sondern auch mit dem „linken“ sozialrevolutionären Flügel seiner Partei abrechnete. Es gab zwar eine starke Kontrolle der Wirtschaft und ein ausgeprägter Hang zu keynesianischer Staatsauftragspolitik wie den Autobahnbau oder die Hochrüstung. Dies tat Hitler aber nicht, weil er Sozialist war, sondern, weil das seinen Zielen nutzte. Das Vermögen der nichtjüdischen Unternehmer dagegen blieb i. d. R. unangetastet und auch ausländische Großkonzerne merkten, daß man mit Hitler wunderbare Geschäfte machen konnte. Zudem zerschlug Hitler die Arbeiterbewegung, setzte das Führerprinzip in den Betrieben durch und verbot das Streik als Mittel des Widerstands. So konnte der Ausbeutungsprozeß reibungslos funktionieren.Genau dies erklärt auch, warum Hitler bei Teilen der US-amerikanischen Elite so ungeheuer populär war. Er zeigte, wie man mit der aufmüpfigen Arbeiterschaft umzugehen hat, er war die Möglichkeit, den wirklichen Sozialismus im Osten zu zerschlagen und man konnte mit ihm wunderbar Geschäfte machen. So hatten General Motors, Ford und Coca Cola etwa große Verträge mit dem Dritten Reich abgeschlossen und investierten auch in Nazideutschland selber.

Beitrag von yury

[QUOTE=Maschendrahtzaun;4561]Tatsächlich wäre es mir auch relativ egal, ob ich auf der Straße von einem glatzköpfigen Nazi, einem vermummten sogenannten "Antifaschisten" oder einem Hobby-Imam mit verehrenmordeten Schwester zusammengeschlagen würde.[/QUOTE]Das ist nicht Dein Ernst, oder? Hast Du schon mal davon gehört, dass Autonome grund- und wahllos irgendwelche Leute verprügeln? Vermutlich nicht. Und warum nicht?Erstens ist [URL="http://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/"]rechtsextreme Gewalt eher Körperverletzung, während sich linksextreme Gewalt eher gegen Sachen richtet[/URL]. Zweitens wird ein erheblicher Anteil der linksextremen Körperverletzung sich auf Polizisten beziehen und auch von diesen angezeigt worden sein. Ohne das rechtfertigen zu wollen, geht davon sicherlich nicht alles ursprünglich von den Autonomen aus. Drittens entsteht rechtsextreme Gewalt meist aus Hass, linksextreme eher nicht.Und noch ein paar Links zum Thema:[URL="http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/service/chronik"]Chronik der rechten Gewalt[/URL]defekter Link entfernt, Kiffing

Beitrag von Maschendrahtzaun

[QUOTE=spreCo;5425]Egal ob linker, rechter oder religiös motvierter Extremismus, alles das gleiche Übel.[/QUOTE]That is what I mean!

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=spreCo;5425]Egal ob linker, rechter oder religiös motvierter Extremismus, alles das gleiche Übel.[/QUOTE]Schon mal davon gehört, daß der Begriff: "Linksextremismus" in vielerlei Hinsicht ein Konstrukt ist, um alternative Gesellschaftsformen schon sprachlich ins Abseits zu stellen und mit Nazi-Ideologien in einen Topf zu werfen?

Beitrag von Maschendrahtzaun

[QUOTE=Kiffing;5452]Schon mal davon gehört, daß der Begriff: "Linksextremismus" in vielerlei Hinsicht ein Konstrukt ist, um alternative Gesellschaftsformen schon sprachlich ins Abseits zu stellen und mit Nazi-Ideologien in einen Topf zu werfen?[/QUOTE]Schon mal davon gehört, dass der Begriff "Rechtsextremismus" oder "religiös motivierter Extremismus" genau dasselbe ist?

Beitrag von yury

[QUOTE=Maschendrahtzaun;5483]Schon mal davon gehört, dass der Begriff "Rechtsextremismus" oder "religiös motivierter Extremismus" genau dasselbe ist?[/QUOTE]Richtig! Faschismus ist eine "alternative Gesellschaftsform"! Weiter so!:donk::donk::donk:

Beitrag von Maschendrahtzaun

[QUOTE=yury;5514]Richtig! Faschismus ist eine "alternative Gesellschaftsform"! Weiter so!:donk::donk::donk:[/QUOTE]Faschismus ist genauso eine alternative Gesellschaftsform wie Kommunismus etc. Einfach alles Käse (ohne Prädikat!)