Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Der Vorteil des Läuferpaars“

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Beitrag von Kiffing

Zwar sind nach allgemeiner Auffassung Läufer und Springer in etwa gleich wertvoll. Jedoch gibt das Läuferpaar quasi einen halben Bauern Bonus. Warum das so ist, ist einleuchtend. Der Läufer hat zwar gegenüber den Springer den Vorteil größerer Reichweite und größere Felderbeherrschung, aber er hat den Nachteil, daß er nur einer Felderfarbe festgelegt ist und die andere Hälfte nie betreten wird. Durch das Läuferpaar wird dieser dem Läufer immanente Mangel kompensiert.Wer das Läuferpaar mehr hat, für den empfiehlt es sich, die Stellung, etwa mit Hebeln, zu öffnen. Auch gut ist ein Spiel auf der Felderfarbe aufzuziehen, auf welcher der Gegner keinen Läufer mehr hat. Vielleicht kann man da sogar einen Felderkomplex in der Nähe des gegnerischen Königs beherrschen, was fast schon die Garantie für einen erfolgsversprechenden Königsangriff wäre.

Beitrag von zugzwang

Literatur zum Thema:Jan Timman "Power Chess with Pieces" (NewInChess 2004) Chapter 3 (Domination of the Pair of Bishops) - Jan Timman "Die Kraft der Leichtfiguren" (NewInChess 2006) Kapitel 3.Kleiner Merksatz:Ein Vorteil des Läuferpaars ist auch, daß man sich an geeigneter Stelle von ihm trennen kann und dann in eine vorteilhafte Struktur L gegen L oder L gegen S wechselt.

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=zugzwang]Kleiner Merksatz:Ein Vorteil des Läuferpaars ist auch, daß man sich an geeigneter Stelle von ihm trennen kann und dann in eine vorteilhafte Struktur L gegen L oder L gegen S wechselt.[/QUOTE]Ich erinnere mich hier an einen kleinen Streit. Spieler wie Janos Flesch oder Pjotr Romanowski waren ganz entschiedene Vertreter der Schachspieler, die dem Läuferpaar keinerlei Bonus zuweisen wollten. Laut Watson basiere dieser Streit noch aus den Zeiten von Lasker und Tschigorin, die hier andere Ansätze vertraten. Während Lasker noch der Lehre von Steinitz von dem Vorteil des Läuferpaars folgte, wollte der "Neuerer" Tschigorin diese Lehre widerlegen. Er glaubte nicht an diesen Vorteil. Und da die Sowjetische Schachschule bis zu Stalins Tod sehr ostzentrisch gewesen ist (einige Autoren haben dazu wunderbare Dinge gesagt), hatte Tschigorins Aussage hier sehr viel Gewicht.Es ist interessant, daß sich der postmoderne Watson selbst in seinem umwälzenden Klassiker: "Geheimnisse der modernen Schachstrategie - Fortschritte seit Nimzowitsch" auf die Seite der Traditionalisten stellt und den Vorteil des Läuferpaars verteidigt. Er gibt dazu Statistiken an, daß bei gleicher Bauernanzahl die Partei mit zwei Läufern gegen zwei Springern oder Läufer und Springer ohne weitere Figuren 40 Prozent der Spiele gewinnt, die Springerpartei dagegen nur in 15 Prozent aller Fälle. Das wäre der Gewinnprozentsatz von 63%/37%. Mit weiteren Figuren wie z. B. Dame und Türme sind es noch Gewinnprozentsätze von 62%/38% mit Weiß und 57%/43% für Schwarz jeweils für die Läuferpartei (S. 166).Watson kommt also zu dem Schluß, daß das Läuferpaar tatsächlich in mehr Stellungen besser ist. Die Argumentation von Romanowski widerlegt er übrigens durch Romanowski selber, indem er ein Partiebeispiel von Romanowski nimmt, indem Romanowski beweisen wollte, daß die Partei mit dem Läuferpaar (Kotow) nur gewonnen habe, weil der Gegner einen Fehler gemacht habe:[Event "Radiowettkampf UdSSR - USA 1945"][Site "MyTown"][Date "????.??.??"][Round "?"][White "Alexander Kotow"][Black "Isaac Kashdan"][Result "1-0"][PlyCount "81"][TimeControl "2400"]{767MB, Fritz8.ctg, MYCOMPUTER} 1. d4 Nf6 2. c4 g6 3. Nc3 d5 4. Nf3 Bg7 5. Qb3c6 6. Bf4 O-O 7. e3 dxc4 8. Bxc4 Nbd7 9. O-O Nb6 10. Be2 Be6 11. Qc2 Nbd5 12.Be5 Bf5 13. Qb3 Qb6 14. Nd2 Qxb3 15. Nxb3 Rad8 16. Na5 Bc8 17. Bf3 h5 18. h3Nh7 19. Bh2 Ng5 20. Bd1 c5 21. Bb3 Nxc3 22. bxc3 b6 23. Nc6 Rd7 24. f3 Ba6 25.Nb8 Rxb8 26. Bxb8 Bxf1 27. Kxf1 Ne6 28. Rb1 cxd4 29. cxd4 Rb7 30. Bg3 b5 31.Rc1 a5 32. Rc8+ Kh7 33. Ke2 a4 34. Bxe6 fxe6 35. Rb8 Rxb8 36. Bxb8 b4 37. Kd3Bh6 38. f4 g5 39. g4 hxg4 40. hxg4 gxf4 41. exf4 *Nach dem 35. Zug hatte Romanowski kühn verlauten lassen, nicht das Läuferpaar habe die schwarze Niederlage verursacht, sondern die "schreckliche Stellung" des Bg7. John Watson, sicherlich auch die Zerrüttung der schwarzen Bauernstruktur nach 34. Lxe6 fxe6 miteinbeziehend, entgegnete kühl:[QUOTE]Ich brauche nicht extra auf eine alternative Erklärung, bekannt als Konzept der Transformation eines Vorteils in einen anderen, hinzuweisen, was hier mit Sicherheit vorliegt. Die Partie endete schnell [...][/QUOTE]Ebd.