Schachburg-Archiv: Benutzerthema „WM-Kampf Anand vs. Carlsen findet in Indien statt“

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Beitrag von Kiffing

Die FIDE hat entschieden und dem indischen Chennai die Austragung der kommenden Schach-WM zwischen Titelverteidiger Vishy Anand und Herausforderer Magnus Carlsen zugesprochen. Das kann durchaus ein Vorteil des Titelverteidigers sein, weswegen der norwegische Schachverband protestiert. Zum [URL="http://www.chessbase.de/Home/TabId/176/PostId/4009716/norwegischer-schachverband-protestiert-030513.aspx"]Wortlaut[/URL] des Protestes.

Beitrag von Kiffing

Der Protest der Norweger hatte sich vor allem daran entzündet, daß die FIDE Chennai ohne jeden Vergabewettbewerb die Rechte zur Austragung der Schach-WM zugesprochen hatte. Dieses in der Tat eigenmächtige und wenig diplomatische Vorgehen könnte sich für die FIDE als ein Boomerang erweisen. Paris hat sich nun offiziell als Austragungsort der WM beworben und bietet mehr Geld als Chennai (2,65 Mio Euro für die Spieler und 800.000 Euro für die FIDE gegenüber 1,94 Mio Euro für die Spieler und 636.000 Euro für die FIDE). Wenn sich auch noch der Norwegische Schachverband um die Austragung der WM bewerben würde, könnte Paris in der Tat ein guter Kompromiß sein und würde damit das Problem vermeiden, daß einer der beiden Titelkämpfer durch eine WM im eigenen Land bevorteilt wird. Daß so etwas tatsächlich sein kann, zeigt ein Blick in die Schachhistorie. Bei der WM 1921 zwischen Titelverteidiger Emanuel Lasker und Herausforderer Jose Raul Capablanca in Havanna soll sich der Kubaner in seiner Heimat wesentlich wohler gefühlt haben als der Deutsche, auch wenn sich der Kubaner höchstwahrscheinlich ohnehin durchgesetzt hätte. Die WM gewann Capablanca nach 4-0 Gewinnpartien, woraufhin der demoralisierte Lasker die Flinte ins Korn warf.Es zeichnet sich bereits jetzt ab, daß die schnelle und wenig transparente Entscheidung der FIDE ein unbedachter Schnellschuß war, der für die FIDE noch verschiedene Probleme legitimatorischer, moralischer, reputabler und organisatorischer Art nach sich ziehen könnte. Es droht eine lange Hängepartie. [URL="http://www.chessbase.de/Home/TabId/176/PostId/4009719/paris-will-wm-ausrichten-040513.aspx"]Mehr dazu[/URL]

Beitrag von hako

[QUOTE=Kiffing;19184]Das kann durchaus ein Vorteil des Titelverteidigers sein[/QUOTE]Bei Fußball hab ich ja durchaus Verständnis für den Heimvorteil durch die Fans. Bei Schach auf dieser Ebene, wo Anreise und Begleitung kaum eine Rolle spielt, eher weniger. Carlsen fährt da schließlich nicht allein hin.

Beitrag von Kiffing

Natürlich ist der Heimvorteil im Fußball offensichtlicher. Beim Schachspiel kann er aber durchaus subtil wirken. Bspw. kam Lasker nicht so Recht mit dem randtropischen Klima in Havanna zurecht, während Capablanca damit verständlicherweise keine Probleme hatte. Und Indien ist sogar noch deutlich heißer als Kuba, wo die frischen Brisen vom Meer einem Abkühlung verschaffen. Außerdem fühlt man sich auf fremdem Boden generell nicht so wohl wie im eigenen Land. Dort wird eine andere Sprache gesprochen, Kultur und Mentalität mögen einem fremd sein, und man muß zum Gegner reisen und nicht umgekehrt. Evtl. mag man auch das fremde Essen nicht. Außerdem hat man als Spieler den Kopf nicht so frei, weil man mehr organisieren muß als der Gegner. Ein Blick in die Schachistorie zeigt auch, welchen Stellenwert die Spielorte für den WM-Kampf für die Spieler gehabt haben, wo nicht nur ausgehend von Robert Fischer oft ein langer Streit entbrannt ist, wo gespielt werden soll.

Beitrag von zugzwang

Das Ganze beginnt also mit der WM 2012 in Moskau.Ich wage ja gar nicht zu fragen, ob die Vergabeprozedur der Fide demokratischen Grundsätzen folgt.Das wäre bei "Gens una sumus" wirklich zuviel verlangt.Schließlich sind ja etliche geprüfte und anerkannte Diktaturen (Militär, Monarchie, "Gott"), dubiose Regimes und sogenannte freie, westliche "Demokratien" mit zumindest der Fide prima als Vorbild dienender "Korruptions- und Steuerbetrugspraxis" Mitglied.Unter diesen Voraussetzungen kann die Fide kaum besser sein als der Sumpf, in dem ihre Mitgliedsverbände zu Hause sind.Wie kann man nur erwarten, daß die Fide sich an das eigene Statut usw. hält!:neinnein:Das ist heute nicht modern. Überall wird getrickst, getäuscht, gelogen.Ein anderes Verfahren wäre geradezu eine Brüskierung vieler Verbände, die in diesem Mischungsverhältnis ihrer Heimatgesellschaften zu Hause sindAlso kann bei "Gens una sumus" nur der Brei herauskommen, den die Mitglieder selbst gewohnt sind.Anand hat übrigens bessere Erfahrungen mit anderen Austragungsorten als Indien.1994 unterlag er Kamsky in Madras/Chennai, glaube ich.Achso,ist natürlich Pech für Carlsen, wenn es so ausgeht, was ich noch nicht zu 100% glaube.Hätte er "brav" beim vorigen Kandidatenturnier mit gespielt und gewonnen, dann hätte er in Moskau antreten können - oder vielleicht sogar in Norwegen.Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben - manchmal ein klein wenig oder auch gar nicht.Prinzipiell kann ich Carlsen verstehen.Nur was hat der norwegische Schachverband damit zu tun.Den brauchte er ja auch nicht, um das Kandidatentunrier von 2011 abzusagen.Vielleicht sollte er mal wieder eine Seite zu Papier bringen und schreiben, warum er lieber nicht in Chennai antreten möchte.Ist eigentlich offener und ehrlicher, als über den Verband der Fide vorzuwerfen, sie hielten Regularien nicht ein.Das ist man von der Fide gewohnt und nichts Überraschendes und dies hat Carlsen ja bei seinem vormaligen Rückzug aus dem Kandidatenturnier auch als Grund angegeben.Bleibt er konsequent oder ist ihm so nah am Titelkampf eine Grundsatzdebatte verständlicherweise nicht mehr ganz so wichtig?Mein Tip:Die WM Anand-Carlsen wird nicht in Chennai stattfinden!

Beitrag von Kiffing

Ja, ist richtig, da gab es diese Vereinbarung zwischen der FIDE und Chennai während der Vergabe der letzten WM (nach Moskau). Oder sollte ich besser sagen, diesen Kuhhandel? Jedenfalls scheint auch Magnus Carlsen davon nichts gewußt zu haben und reagiert entsprechend [URL="http://www.chessdom.com/official-statement-by-magnus-carlsen-regarding-the-wcc-in-chennai/"]empört[/URL]:[QUOTE] After qualifying for the World Championship match by winning the London Candidates I have been highly motivated for, and looking forward to the World Championship match against reigning champion V. Anand.I’m deeply disappointed and surprised by the FIDE decision to sign a contract for the 2013 match without going through the bidding process outlined in the WC regulations, and for not choosing neutral ground. The bid from Paris clearly showed that it would be possible to have more options to choose from.The lack of transparency, predictability and fairness is unfortunate for chess as a sport and for chess players.My team and I will now start preparing for the match. The main thing now will be to come to an agreement with the Indian Chess Federation and FIDE regarding terms and conditions before and during the match. I really hope this process will run quick and smoothly.Lastly, I will not let the news from Baku diminish the joy and excitement derived from playing the top level Norway Chess tournament starting tomorrow.[/QUOTE]Transparenz sieht wirklich anders aus. :grübel: