Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Ein neuer Schrei im Spanier - das Gajewski-Gambit“

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Beitrag von Kiffing

Das Gajewski-Gambit ist eine neue Erscheinung in der Schachwelt, die vermutlich aus der Idee geboren wurde, eine Art Marshall-Gambit anzubringen, dem der Gegner nicht so leicht ausweichen kann. Und tatsächlich dürfte Weiß dieses Gambit ziemlich überraschend treffen, da Schwarz erst einmal normal ...d6 spielt, um dann im 10. Zug den typischen Marshallzug zu spielen. Das sieht aus wie ein Tempoverlust, doch wie Lestat sagte, der dieses neue Gambit in sein Repertoire aufgenommen hat, brandmarke das Gambit den typischen Spanierzug 9. h3 als Schwäche, während auch der Lc2 nicht ideal stünde. Nach 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. 0-0 Le7 6. Te1 b5 7. Lb3 d6 8. c3 0-0 9. h3 Sa5 10. Lc2 d5 11. exd5 e4 12. Sg5 Sxd5 gibt es für Weiß eine verlockende Gelegenheit, die aber anscheinend widerlegt werden kann: 13. Lxh7+?! Kxh7 14. Lxe4+ Kg8 15. Lxd5 Dxd5 16. Txe7 Lxh3!!, und nun scheitert 17. gxh3 an der Damengabel Dg5+ -+. Am vernünftigsten ist noch 17. Df3, aber trotz des Minusbauern dürfte am schwarzen Vorteil nach 17. ...Dxf3 18. gxf3 c5 kein Zweifel bestehen. Weiß hat extremen Entwicklungsrückstand, und seine Bauernstruktur am Königsflügel ist eine Katastrophe.Das Gajewski-Gambit scheint voller Gift zu sein. Auch nach der vernünftigen Zugfolge 13. Sxe4 f5 14. Sg3 f4 15. Se4 f3! 16. d4! fxg2 17. Kxg2 Lf5 ist die schwarze Kompensation mit Händen zu greifen. Schwarz hat sich perfekt auf das weiße Spiel eingestellt. Wie stark Schwarz hier aufspielen kann, zeigt der aufsehenerregende Sieg von "Erfinder" Gregor Gajewski gegen Viktor Kuznetsov in Pardubice 2007:[Event "Czech Open GMA"][Site "Pardubice CZE"][Date "2007.07.22"][EventDate "?"][Round "3"][Result "0-1"][White "Viktor Kuznetsov"][Black "Grzegorz Gajewski"][ECO "C96"][WhiteElo "2449"][BlackElo "2601"][PlyCount "62"]1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 a6 4. Ba4 Nf6 5. O-O Be7 6. Re1 b57. Bb3 d6 8. c3 O-O 9. h3 Na5 10. Bc2 d5 11. exd5 e4 12. Ng5Nxd5 13. Nxe4 f5 14. Ng3 f4 15. Ne4 f3 16. d4 fxg2 17. Ng3 Qd618. Be4 Bb7 19. Nf5 Rxf5 20. Bxf5 Rf8 21. Re6 Rxf5 22. Rxd6Bxd6 23. a4 Bg3 24. f3 Bf4 25. axb5 Bxc1 26. Rxa5 Nf4 27. Qe1Bxf3 28. bxa6 Nxh3+ 29. Kh2 Bf4+ 30. Kxh3 g1=N+ 31. Qxg1 Rxa50-1Zu prüfen wäre hier das weiße Figurenopfer 15. Sh5!? g6 16. d4 gxh5 17. Dxh5, das zwar objektiv nicht korrekt sein dürfte, aber wo Weiß im aktiven Sinne dagegenhält und einige praktische Chancen erhält. Vielleicht werde ich in einer Turnierpartie auch so gegen Schwarz spielen, da mir momentan die Alternativen nicht so geläufig sind. Denn auch 12. Lxe4 gefällt mir nicht, weil Weiß nach 12. ...Sxe4 13. Txe4 Lb7 14. De2 Lf6 15. d3 Lxd5 16. Te3 in das typische Gewürge einer Marshallstellung gerät und für meine Begriffe äußerst blockiert steht.

Beitrag von Zapp Brannigan

Laut meiner Literatur (Attacking the Spanish, Brunello) und auch datenbank ist 12.Ng5 ein "?!"-zug, schwarz bekommt zu viel kompensation. Auch dein (ungewolltes?) figurenopfer mit 15.Nh5 ist nicht wirklich gut hätte ich 16...Bf5 gefunden.Stärkere Abspiele für weis sind:A) 11.d3 --> Dies passt vor allem zu den spielern, welche auch marshall und evtl. das berliner endspiel mit d3 umgehen, es entstehen diese typischen d3-c3-spanier-strukturen. Schwarz hat wohl nichts zu fürchten, aber weiss wird auch nicht überanntB) 11.d4 --> Dies wird normalerweise als die stärkste Antwort angeschaut. Anstelle den Bauern zu gewinnen und danach zu "leiden" wird der bauer ignoriert und die eigene entwicklung abgeschlossen. Schwarz kann entweder mit dxe4 komplikationen einrufen, der bauer auf e4 ist eher schwach aber gleichzeitig extrem nervig solange er da ist, welche aber von Brunello zu weissem vorteil analysiert wurde (was auch immer das bedeutet). Die solidere antwort ist 11...Nxe4 12.Nxe5, was dann leicht petroff-ähnlich aussieht, hier scheint weiss mühe zu haben, einen vorteil zu beweisen, insbesonder auch weil der typische petroff-zug c4 durch a6-b5 verhindert istC) 11. exd5 e4 12.Bxe4 Nxe4 13.Rxe4--> Es tut natürlich immer weh, sein läuferpaar so abzugegeben, aber ein bauer bleibt ein bauer. Die beste variante scheint hier 13...Bb7 14.d3 zu sein, wobei ich nicht wirklich verstanden habe wieso 14.d3 besser als 14.d4 sein soll, aber auf GM-niveau scheint dies ziemlich gut zu scoren...

Beitrag von Kiffing

Danke, @Lestat, dieses 11. d4 ist eine starke Alternative zu meinen genannten Vorschlägen. Komisch, daß ich in der Beschäftigung mit dem Gajewski-Gambit nicht selbst drauf gekommen bin. Aber dafür haben wir ja die Diskussionsthreads. :)[QUOTE=Lestat] Schwarz kann entweder mit dxe4 komplikationen einrufen, der bauer auf e4 ist eher schwach aber gleichzeitig extrem nervig solange er da ist, welche aber von Brunello zu weissem vorteil analysiert wurde (was auch immer das bedeutet).[/QUOTE]Da muß ich Dir absolut Recht geben. Mir gefällt z. B. die Zugfolge 11. d4 dxe4 12. Sxe5 c5 13. Lg5 sehr gut, womit Weiß bereits im Stil des isolierten d-Bauern seine Ambitionen unterstreicht. Bei Stellungen mit isoliertem d-Bauern sind ja bekanntlich die Diagonalen a2-g8 und b1-h7 für Weiß so wichtig, und mit 13. Lg5 greift Weiß gleich einen Verteidiger von h7 an, was sich im Interesse des Angriffs später taktisch auszahlen kann. Hält Schwarz gut dagegen, ist nach 13. ...cxd4 14. cxd4 Lb7 15. Sc3 der Bd4 tatsächlich der Fels in der Brandung bzw. für Schwarz "extrem nervig". [QUOTE=Lestat]Die solidere antwort ist 11...Nxe4 12.Nxe5, was dann leicht petroff-ähnlich aussieht, hier scheint weiss mühe zu haben, einen vorteil zu beweisen, insbesonder auch weil der typische petroff-zug c4 durch a6-b5 verhindert ist[/QUOTE]Ja, wir sind wieder in einer Art Hauptvariante, wo sich erst später zeigen wird, wer der bessere Spieler ist. Auf jeden Fall deuten die Analysen darauf hin, daß dieses Gambit ein vollwertiges System ist, das dem Kenner heute gegen den meisten und oft sogar unvorbereiteten Gegnern einen wichtigen Wissensvorteil bietet.

Beitrag von Kiffing

11. ...exd4 12. exd5 dxc3 13. Dd3! scheint minderwertig zu sein. Mir persönlich gefällt hier der weiße Angriff. Die unmittelbare Drohung ist Lg5, und um sich zu verteidigen, muß Schwarz seine Bauern am Königsflügel vorrücken, was neue Schwächen und damit Angriffsmarken erzeugt; auch auf den immer mächtiger gewordenen d-Bauern muß Schwarz achtgeben, z. B.: 13. ...c5 14. Sxc3 Te8 15. d6! c4 16. dxe7! Dxd3 17. Lxd3 cxd3 18. Lg5 und Schwarz kämpft bereits ums Überleben. Stärker ist das konsequente 14. ...c4 15. De2 Te8 16. Lg5 Lb7 17. Tad1, aber auch hier hat Weiß eine wunderbare Stellung.

Beitrag von Kiffing

Nachdem ich durch Lestat dank seiner Analysen gut supported wurde, konnte ich gegen das Gajewski-Gambit auch tatsächlich mit 11. d4 Remis halten. Meine Spielanalage war bis zum 15. Zug wohl ok, auch wenn der Computer bereits 13. Sd3 leicht besser einschätzt als 13. Sf3. Ich wollte aber nicht meinen Lc2 versperren. Die kritische Stellung ist wohl vor dem 15. Zug. Nach 15. Lf4?! steht Schwarz die ganze Partie über besser, und wäre es auch weiterhin gestanden, wenn er mit 22. ...Tae8! seine Trumpfkarte, den Be3, ausgespielt hätte, statt ins Remis abzuwickeln.Offenbar kann Weiß 15. f3 Sg3 zulassen, um dann mit 16. a4 auf dem Damenflügel aktiv zu werden. Nach 16. ...Lb7 erzielt Schwarz aber problemlos Ausgleich bzw. vorläufig ausgeglichenes Spiel. :-/[Event "Chessmail"][Site "Hewlett-Packard Company"][Date "????.??.??"][Round "?"][White "Kiffing"][Black "Lestat"][Result "1/2 - 1/2"][PlyCount "46"][TimeControl "240+2"]{1024MB, Fritz8.ctg} 1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 a6 4. Ba4 Nf6 5. O-O Be7 6. Re1b5 7. Bb3 d6 8. c3 O-O 9. h3 Na5 10. Bc2 d5 11. d4 Nxe4 12. Nxe5 f6 13. Nf3 f514. Ne5 Bd6 15. Bf4 Qh4 16. Bxe4 fxe4 17. Bg3 Qf6 18. Ng4 Bxg4 19. Qxg4 Nc4 20.Re2 e3 21. b3 Bxg3 22. Qxg3 exf2+ 23. Rxf2 Qxf2+ *