Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Spieler und Forscher“

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Beitrag von Kiffing

Kategorisierungen kann man mit Schaubildern vergleichen. Sie erleichtern die Übersicht zu einem bestimmten Sachverhalt und helfen einem dabei, sich bestimmte Dinge bewußt werden zu lassen, die einem als Ansatzpunkt für weitergehende Überlegungen dienlich sein können. Ihre Grobheit kann durch diese weitergehenden Überlegungen ausgeglichen werden. Die Feindifferenzierung erfolgt am Schluß. Kategorisierungen von Spielertypen gibt es im Schach viele, bspw. Angriffsspieler und Verteidigungskünstler, Positions- und Kombinationsspieler oder rational und intuitiv denkende Schachspieler. Immer werden hier Extrempole vorgestellt. Die meisten Spieler dürften sich dabei innerhalb dieser Extrempole wiederfinden. Doch viele dürften sich dabei von einem dieser beiden Pole hingezogen fühlen.Die Unterteilung in Spieler und Forscher ist im deutschen Schach eher unbekannt, war aber im Sowjetschach ein bekannter Topos. Ein Spieler sieht das Schach in erster Linie als ein Spiel. Ihm geht es in erster Linie darum, daß er das Spiel gewinnt, und so wird er nach Zügen Ausschau halten, die ihn dieses Ziel am ehesten erreichbar werden lassen. Ob die Züge in erster Linie gut sind, ist für ihn zweitrangig. Ihm kommt es darauf an, daß die Züge Erfolg bringen. Er spielt so gerne gegen die Persönlichkeit des Gegners, gegen seine Schwächen. Ein Forscher dagegen hat einen wissenschaftlichen Anspruch im Schach und berauscht sich gerne an seiner Schönheit. Schach ist für ihn ein wissenschaftliches Spiel, wo derjenige gewinnt, der besser spielt. Also wird er versuchen, sich den wissenschaftlichen Problemen im Spiel zu stellen und durch besseres Spiel zu gewinnen. Praktische Ansätze sind für ihn zweitrangig, er mag es nicht zu spekulieren; wenn er gute Züge macht, fühlt er sich auf der sicheren Seite. Ein Forscher gewinnt, weil er der bessere Spieler ist, für einen Spieler ist dagegen alles recht, was Erfolg bringt. Schachhistorisch war das Schach für die Aufklärer ein Probierstein des Gehirns. Sie dachten, wie z. B. ihr Wegbereiter Philidor, streng wissenschaftlich. Im selben Geist der erste Weltmeister Wilhelm Steinitz, der das Schach endgültig zu einer Wissenschaft erhob und den Anspruch erhob, als erster das Schachspiel als Ganzes in seine Einzelteile zerlegen und damit erklären zu können. Es war das Verdienst seines Nachfolgers Emanuel Lasker, daß er das Schachspiel um seinen praktischen Wert als Spiel bereichert hat. Er zog den Gegner in seine Überlegungen mit ein und machte aus dem Monolog Steinitz´ (und dem Verkünder seiner Lehren, Tarrasch) einen Dialog. Emanuel Lasker ging dabei mit der Zeit, weil das Schach in dieser Zeit zunehmend professionalisiert wurde. Die zahlreichen neu entstandenen Wettbewerbe in dieser Zeit, ein immer mehr erstarkendes Vereinsleben hoben tatsächlich zunehmend den spielpraktischen Bezug des Schachs in den Fokus. Erneut sollte es Alexander Aljechin werden, der auch hier wieder als Wegbereiter der Moderne fungierte und die beiden Pole synthetisierte. War er tatsächlich von der Schönheit des Schachs berauscht und bestrebt darin, das Königliche Spiel endgültig zu einer formvollendeten Kunst zu erheben, so waren ihm doch spielpraktische Überlegungen alles andere als fremd, und er war ein Kämpfer vor dem Herrn, in jeder Situation spielstark und flexibel. Auch spätere Meister lassen sich noch sehr gut in diese Kategorien unterteilen. Garri Kasparov galt als Forscher und Anatoli Karpov als Spieler. Könnt ihr euch selbst in einem der beiden Spielertypen wiederfinden? Bei mir selbst ist es so, daß ich sowohl objektive als auch spielpraktische Überlegungen mitberücksichtige. Was mich persönlich an dem Spielertypus stört, ist daß hier dem Glück eine unangemessen hohe Bedeutung zukommt. Wenn ich z. B. objektiv zweifelhaft spiele, riskiere ich, daß der Gegner das ausnutzt und damit besser steht. Und ich fühle mich auch nicht in der Lage, so wie Lasker die Schwächen im Spiel meines Gegners zu erkennen. Diese Fähigkeit ist aber überhaupt die Bedingung dafür, daß man ein Spiel gegen die gegnerische Persönlichkeit aufziehen kann. Wenn ich auf Verlust stehe, bin ich natürlich viel eher dazu bereit, zu „pokern“.

Beitrag von Kampfkeks

Bei mir ist´s beides. Überwiegend versuche ich, die Position nach objektiven Kriterien zu beurteilen und rechne die gefundenen Züge durch, soweit ich kann. Manchmal spiele ich aber auch aus dem Bauch heraus, nicht selten auch mal ein Opfer ohne alles bis zum Schluss berechnet zu haben (es muss aber vielversprechend aussehen!). Und meine heissgeliebten Blitzpartien sprechen sowieso Bände... hab das aber schon eingeschränkt..