Schachburg-Archiv: Benutzerthema „War der WM-Abbruch 1984 korrekt?“

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Beitrag von Kiffing

Die Schachweltmeisterschaft 1984 in Moskau gehört zu den kontroversesten Erscheinungen in der Schachgeschichte, die von der Schachwelt diskutiert werden. Stein des Anstoßes sind immer wieder die Zusammenhänge um den Abbruch der WM durch FIDE-Präsident Florencio Campomanes. Die WM war so beschaffen, daß derjenige Weltmeister wird, der zuerst sechs Siege erzielt. Remispartien fielen also einfach aus der Wertung. Weltmeister Anatoli Karpov hatte in diesem Match losgelegt wie die Feuerwehr und schon nach neun Partien, gekonnt die Ungenauigkeiten von Kasparovs Angriffspiel ausnutzend, mit 4:0 geführt. Kasparov änderte daraufhin seine Taktik und versuchte, korrekter zu spielen, mußte dann aber in der 27. Partie das 0:5 hinnehmen und spielte von da an immer am Abgrund weiter. Er brauchte nur noch einmal zu verlieren und Anatoli Karpov wäre Weltmeister geblieben. Karpov hatte fortan immer Matchball, um genau zu sein noch 21 Mal in diesem Duell. Aber er verwertete keinen einzigen.In der 32., der 47. und der 48. Partie siegte dagegen Kasparov. Das Match hatte nun fünf Monate und fünf Tage gedauert, und Anatoli Karpov schienen die Kräfte zu schwinden. Gegen den darauffolgenden Abbruch der Spiele durch Campomanes hatte Kasparov lautstark protestiert und Campomanes Parteilichkeit vorgeworfen. Er erfand den Neologismus Karpomanes für den FIDE-Präsidenten, der sich aus Karpovs Namen und dem des FIDE-Präsidenten zusammensetzt.Ich möchte nun mit euch darüber diskutieren, ob ihr das ähnlich seht. Ich habe daran so meine Zweifel. Zwar war Campomanes damals ähnlich unbeliebt wie Iljumschinow heute. Aber die vorgetragene Begründung, der Wettkampf gefährde ernsthaft die Gesundheit der Spieler und sei diesen nach so einer langen kräfteverzehrenden Dauer nicht mehr zumutbar, leuchtet mir ein. Dies erscheint mir auch unter dem Gesichtspunkt plausibel, daß ein Spieler, der Weltmeister wird aufgrund der Erschöpfung des Gegners, aus sportlichen Gesichtspunkten keine wünschenswerte Option wäre. Zudem lag Kasparov immer noch mit 5:3 hinten, und entgegen der Forderung von Karpov, die bisher erzielten Punkte in den Folgewettkampf 1985 mitzunehmen, begann dieser Folgewettkampf für jeden Spieler wieder ab 0. Auch dies gilt es zu berücksichtigen.Kasparov hatte die letzten beiden Spiele in diesem Wettkampf gewonnen, und deshalb lagen Vorwürfe der Parteilichkeit von Campomanes auf dem ersten Blick nahe. Allerdings kann dies auch reiner Zufall gewesen sein. Irgendwann mußte der Wettkampf zuende gehen, die FIDE hatte lange genug gewartet, also warum dann nicht nach 48 Partien? Diese fixe Zahl scheint mir ideal zu sein, denn 48 Partien sind genau das doppelte, wie in den früheren modernen WM-Modi gespielt wurde. Dort wurden nämlich immer 24 Spiele angesetzt. Wenn jetzt nach der doppelten Anzahl an Partien immer noch kein Sieger feststand, dann ist es Zeit aufzuhören, so dachte sich vermutlich die FIDE.Wie denkt ihr darüber?

Beitrag von Zapp Brannigan

irgendwie habe ich ja immer noch den eindruch, obwohl kasparov das gegenteil behauptet, dass kasparov davon am schluss profitierte. es ist doch für ihn viel einfacher, bei 0-0 nochmals anzufangen als bei 3-5 versuchen 3 siege ohne 1 niderlage zu erreichen. im folgenden jahr hat er ja auch gewonnen, was das ganze ja nur bestätigt.klar war kasparov sauer im ersten moment, weil er dachte er habe den psychologischen vorteil, aber was solls. im besten fall wäre er bereit 1984 anstelle von 1985 weltmeister geworden was ja nun wirklich nicht soooo einen grossen unterschied macht, aber im schlimmsten fall hätte er eben doch noch eine partie eingestellt und dann hätte er nochmals die gesamte qualifikations-runden spielen müssen!