Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Präsidentschaftswahlen in den USA“

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Beitrag von Maschendrahtzaun

Am 6. November dieses Jahres wählen die Vereinigten Staaten von Amerika ihren Präsidenten für die nächsten vier Jahre. Zur Wahl stehen der amtierende Präsident und Kandidat der Demokratischen Partei, Barack Obama, der Kandidat der Republikanischen Partei, Mitt Romney, ehemaliger Gouverneur von Massachusetts, sowie einige kuriose Kandidaten, darunter ein Häftling aus West Virginia. Letztgenannter dürfte allerdings eher keine Rolle spielen, sodass es, auch durch das Wahlrecht bedingt, auf einen Zweikampf zwischen dem demokratischen und dem republikanischen Kandidaten hinauslaufen wird.Beide Kandidaten sind in der US-Amerikanischen Bevölkerung nicht unumstritten:Auf der einen Seite Obama, der vor gut vier Jahren mit einer Welle der Euphorie des "Yes, we can" in das Amt gespült wurde und seitdem viele der in ihn gesetzten Hoffnungen enttäuscht hat. So hat er weder die Wirtschaftskrise effektiv in den Griff bekommen, noch Kernversprechen seines Wahlprogramms 2008 umgesetzt, wie zum Beispiel die Schließung des auf der Insel Kuba befindlichen Gefängnisses Guantanamo.Auf der anderen Seite Romney, der als wendehalsiger Kandidat gilt und von dem rechten Flügel seiner Partei, der Tea-Party-Bewegung und verwandten Gruppierungen vor sich hergetrieben wird. Er hatte enorme Probleme, die Vorwahlen der Republikanischen Partei für sich zu entscheiden, sein stärkster Konkurrent war ausgerechnet der zuvor als krasser Außenseiter gehandelte christlich-konservative Rick Santorum, der den rechten Flügel der Partei vertrat und besonders im mittleren Westen der USA einige Bundesstaaten für sich entscheiden konnte.Bei der letzten Wahl 2008 hatte sich Obama mit 53% der Wählerstimmen unerwartet deutlich gegen den Kandidaten der Republikanischen Partei und Kriegsveteranen John McCain durchgesetzt, der allerdings als schwacher Kandidat galt. Insgesamt stellt sich das Land vor dieser Wahl als gespalten dar, einzelne Bevölkerungsgruppen und geographische Regionen zeigen stark unterschiedliches Wahlverhalten.Die Küstenregionen sind traditionell demokratisch geprägt, während der mittlere Westen republikanisch dominiert ist. Weiße stimmten bei der letzten Wahl zu 57% für McCain, wohingegen Schwarze und Hispanics zu einem überwiegend großen Teil für Obama stimmten. Ebenso ist die Zustimmung für McCain unter Wählern mit Universitätsabschluss überschnittlich hoch gewesen, für Obama unter Wählern ohne Schulabschluss.Einige Faktoren, die den Ausgang der Wahl determinieren könnten, sind deutlich auszumachen:Die Zahl der Nicht-Weißen ist in den USA in den letzten vier Jahren deutlich schneller gestiegen als die Zahl der Weißen. Dies dürfte einen deutlichen, womöglich gar wahlentscheidenden Vorteil für Obama bedeuten.Das "Winner takes it all"-Prinzip, wonach der Sieger der Wahl in einem bestimmten Bundesstaat alle Wahlmännerstimmen erhält, könnte wiederum Romney in die Hände spielen: Die Bevölkerung in republikanischen Staaten ist in den letzten Jahren stärker angestiegen als diejenige in demokratischen Staaten, sodass derselbe Wahlausgang wie vor vier Jahren heute sechs Wahlmännerstimmen mehr für den republikanischen Kandidaten bedeuten würde (davon gewann alleine Texas 4).Der angesprochene demographische Faktor ist zwar eindeutig der mächtigste, könnte aber eventuell nicht schnell genug sein, um Obama die Wiederwahl zu sichern. Hier wird es in vier Jahren richtig spannend: In traditionell konservativen Staaten wie Texas und New Mexico werden dann erstmals Schwarze und Hispanics die Bevölkerungsmehrheit stellen.Auf der anderen Seite ist die Wahlbeteiligung in diesen Bevölkerungsgruppen meist deutlich geriner, bei der letzten Wahl wurde sie von der Aufbruchstimmung, die Obama gerade unter ihnen anfachen konnte, hochgetrieben. Dies dürfte ihm bei dieser Wahl so nicht mehr gelingen.Das Verhalten der Kandidaten vor der Wahl ist ebenfalls interessant:Mit einem klaren Bekenntnis zur Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe versuchte Obama in den vergangenen Wochen, das sozialliberale Großstadtbürgertum an sich zu binden, um den Preis sinkender Zustimmung in der Mitte. Dieser Schritt wurde im Nachhinein kritisiert, da das sozialliberale Großstadtbürgertum ohnehin eine derjenigen Bevölkerungsgruppen ist, die überwiegend die Demokratische Partei wählen.Romney ist dagegen während der Vorwahlen, getrieben vom rechten Parteiflügel, selbst immer weiter nach rechts gerückt, um überhaupt erst einmal zum Präsidentschaftskandidaten gekürt zu werden. So hat er zum Beispiel die von Obama initiierte Gesundheitsreform scharf angegriffen, obwohl er selbst eine ähnliche Reform in seiner Gouverneurszeit in Massachusetts umgesetzt hatte.So sind beide Kandidaten eher an den Rand gerückt als in die Mitte, obwohl hier auch in den USA die Wahlen entschieden werden. Es bleibt also spannend im Rennen um die Präsidentschaft.Wie seht ihr die Sache?Welchem Kandidaten räumt ihr die höheren Chancen ein?

Beitrag von Maschendrahtzaun

Nachtrag:In den letzten Tagen haben sich die Umfragen in Richtung Obama verschoben. Nicht so sehr die gesamten Wählerstimmen, sondern die Gewichte in den einzelnen Staaten.So werden Obama momentan 221 Wahlmännerstimmen vorausgesagt, Romney nur 181.Interessant ist auch, dass sich die demographischen Verschiebungen doch recht deutlich bemerkbar machen:Florida, einst ein absoluter Südstaat, ist durch die starke Zuwanderung sowohl von Hispanics, als auch von Rentnern aus den restlichen USA, vom republikanischen Stammland zum Swing State geworden.Nicht einmal Texas, eigentlich der republikanische Staat schlechthin, wird sicher Romney zugerechnet, auch hier vor allem aufgrund der Zuwanderung.Ebenso Nevada - es sieht also so aus, als sei die republikanische Partei nicht mehr im Stande, eine Präsidentschaftswahl zu gewinnen.[url]http://www.realclearpolitics.com/epolls/2012/president/2012_elections_electoral_college_map.html[/url]Außerdem noch ein relativ simpler Wahl-O-Mat, in dem jeder seine eigene Position herausfinden kann:[url]http://www.usatoday.com/news/politics/candidate-match-game[/url]Zum Schluss noch ein Video, dass das Profilierungsproblem Romneys eindeutig widerspiegelt[url]http://www.youtube.com/watch?v=bxch-yi14BE[/url]

Beitrag von yury

Das Video ist lustig; wie viel davon stimmt, kann ich allerdings mangels Ahnung von dem amerikanischen Präsidentenwahlkampf nicht beurteilen.Ich habe mal "meine eigene Position" herausgefunden: 100% Obama. Bei der Alternative ist das irgendwie auch kein Wunder. Na ja. Ich glaube jedenfalls, dass es Obama noch einmal schafft. Sicherlich das kleinere Übel, mehr aber auch nicht. Ich glaube nicht, dass Romney in Deutschland - egal mit welchem Wahlsystem - auch nur ansatzweise eine Chance hätte. Die politischen Koordinaten sind in den USA doch sehr weit nach rechts verschoben.

Beitrag von Maschendrahtzaun

100% Obama?Bist du sicher, dass du dabei nicht etwas zielgerichtet angekreuzt hast?Gerade die letzte Frage:"In tough economic times, it is important that the president have business experience.", also:"In ökonomisch herausfordernden Zeiten ist es wichtig, dass der Präsident Erfahrung mit Wirtschaft hat" kann man doch eigentlich nicht mit "nein" beantworten, wenn man nicht 100% Obama haben möchte, oder? ;)Bei mir kam jedenfalls 43% Obama, 57% Romney, aber bei der knappen Hälfte der Frage fand ich es ziemlich schwer, die Frage eindeutig zu beantworten. Dass Romney in Deutschland wenig bis gar keine Chancen hätte, sehe ich genauso, würde sich aber vermutlich teilweise ändern, wenn sich die betreffenden Personen etwas mehr mit den Positionen der Kandidaten beschäftigten.Vielleicht sind ja auch nicht die politischen Koordinaten in den USA nach rechts verschoben, sondern unsere nach links?

Beitrag von Kiffing

Verstehe ich es richtig, daß die Verneinung von: "In ökonomisch herausfordernden Zeiten ist es wichtig, dass der Präsident Erfahrung mit Wirtschaft hat" Obama zugeschrieben wird. Wenn das so ist, dann wirkt der amerikanische "Wahlomat" auf mich doch arg tendenziös. Denke nicht, daß es die ernsthafte Position von Obama ist, daß der Präsident keine Erfahrung mit Wirtschaft zu haben braucht.

Beitrag von Maschendrahtzaun

[QUOTE=Kiffing;15712]Verstehe ich es richtig, daß die Verneinung von: "In ökonomisch herausfordernden Zeiten ist es wichtig, dass der Präsident Erfahrung mit Wirtschaft hat" Obama zugeschrieben wird. Wenn das so ist, dann wirkt der amerikanische "Wahlomat" auf mich doch arg tendenziös. Denke nicht, daß es die ernsthafte Position von Obama ist, daß der Präsident keine Erfahrung mit Wirtschaft zu haben braucht.[/QUOTE]Die Frage geht ja nicht an den Präsidenten, sondern an dich.Es wird gefragt, ob du es wichtig findest, dass der Präsident Erfahrung mit Wirtschaft hat.Auf der einen Seite ist Romney, der erfolgreicher Unternehmensberater war und die olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City organisiert hat, und auf der anderen Seite ist Obama, der Jurist ist und ein Leben lang in der Politik verbracht hat. Das finde ich eher eindeutig als tendenziös."Before his election as president in 2008, Obama served eight years in the Illinois state Senate and four years in the U.S. Senate. Prior to entering politics, Obama worked as a community organizer in Chicago. He also worked as a constitutional law professor at the University of Chicago prior to and during his years in the state Senate."und"Romney spent most of his professional career in the private sector. He worked as a business consultant, then later founded private-equity firm Bain Capital in 1984. In 1999, Romney was tapped to manage the 2002 Salt Lake City Winter Olympics. He was elected governor of Massachusetts in 2002. He served for one term, then sought the 2008 Republican presidential nomination."

Beitrag von yury

[QUOTE=Maschendrahtzaun;15711]100% Obama?Bist du sicher, dass du dabei nicht etwas zielgerichtet angekreuzt hast?Gerade die letzte Frage:"In tough economic times, it is important that the president have business experience.", also:"In ökonomisch herausfordernden Zeiten ist es wichtig, dass der Präsident Erfahrung mit Wirtschaft hat" kann man doch eigentlich nicht mit "nein" beantworten, wenn man nicht 100% Obama haben möchte, oder? ;)[/quote]Was heißt schon "möchte", bei der Alternative. Ich möchte die Kandidaten beide nicht als Präsidenten sehen...Vermutlich ist Dien Englisch besser als meins, aber "business experience" war für mich "Geschäftserfahrung", und ich finde es nicht wichtig, dass der Präsident schon mal ein Unternehmen geführt hat o.ä. Das ist etwas anderes, als eine Nation zu "führen".[QUOTE=Maschendrahtzaun;15711]Dass Romney in Deutschland wenig bis gar keine Chancen hätte, sehe ich genauso, würde sich aber vermutlich teilweise ändern, wenn sich die betreffenden Personen etwas mehr mit den Positionen der Kandidaten beschäftigten.Vielleicht sind ja auch nicht die politischen Koordinaten in den USA nach rechts verschoben, sondern unsere nach links?[/QUOTE]Das ist das Gleiche. Aus dem deutschen Blickwinkel sind die US-Koordinaten nach rechts verschoben, aus dem amerikanischen die deutschen nach links. ;-)@Kiffing: Wie gesagt, "business experience" ist eher Geschäftserfahrung, denke ich. Und es ist nun mal nicht zu bestreiten, dass Obama nicht gerade den größten Teil seines Lebens in Privatunternehmen verbracht hat - ob man das nun positiv, negativ oder neutral bewertet.

Beitrag von Maschendrahtzaun

[QUOTE=yury;15773]Was heißt schon "möchte", bei der Alternative. Ich möchte die Kandidaten beide nicht als Präsidenten sehen...Vermutlich ist Dien Englisch besser als meins, aber "business experience" war für mich "Geschäftserfahrung", und ich finde es nicht wichtig, dass der Präsident schon mal ein Unternehmen geführt hat o.ä. Das ist etwas anderes, als eine Nation zu "führen".[/quote]Mir ist jetzt der Unterschied zwischen "Erfahrung mit Wirtschaft" und "Geschäftserfahrung" nicht so besonders klar. Für beide Fälle dürfte aber gelten: Wenn man die Frage ernsthaft beantwortet, kann die Antwort eigentlich nicht "nein" lauten.Denn ganz gleich für wie wichtig man es hält, schaden kann es jedenfalls nicht.[quote]Das ist das Gleiche. Aus dem deutschen Blickwinkel sind die US-Koordinaten nach rechts verschoben, aus dem amerikanischen die deutschen nach links. ;-)[/quote]Nein, das ist eben nicht das gleiche. Mit dem "nach Rechts verschoben" suggerierst du ganz bewusst, dass Deutschland normal ist, weil so schön links, und die USA nicht, weil nicht ganz so weit links. Diesen Tricksereien muss man entschieden entgegentreten! ;)

Beitrag von yury

[QUOTE=Maschendrahtzaun;15805]Mir ist jetzt der Unterschied zwischen "Erfahrung mit Wirtschaft" und "Geschäftserfahrung" nicht so besonders klar.[/quote]Geschäftserfahrung ist für mich, schon mal ein Unternehmen geleitet oder wirtschaftlich beraten zu haben o.ä.[QUOTE=Maschendrahtzaun;15805]Für beide Fälle dürfte aber gelten: Wenn man die Frage ernsthaft beantwortet, kann die Antwort eigentlich nicht "nein" lauten.Denn ganz gleich für wie wichtig man es hält, schaden kann es jedenfalls nicht.[/quote]"In tough economic times, it is important that the president have business experience."Nein, es ist nicht wichtig, dass der Präsident Geschäftserfahrung hat. Wozu soll das wichtig sein?[QUOTE=Maschendrahtzaun;15805]Nein, das ist eben nicht das gleiche. Mit dem "nach Rechts verschoben" suggerierst du ganz bewusst, dass Deutschland normal ist, weil so schön links, und die USA nicht, weil nicht ganz so weit links. Diesen Tricksereien muss man entschieden entgegentreten! ;)[/QUOTE]Nein, ich suggerierte ganz unbewusst, dass ich in Deutschland lebe.[QUOTE]Deutschland [...] so schön links[/QUOTE]Höchstens gemessen an den USA :P

Beitrag von Maschendrahtzaun

Seit den letzten Beiträgen hat sich einiges getan im Rennen um die amerikanische Präsidentschaft:Herausforderer Romney ist von Fettnapf zu Fettnapf gesprungen, Obama hat tendenziell abgewartet und dem Treiben zugesehen.Seinen vorläufigen Gipfel fand das ganze vor einigen Tagen, als ein Video an die Öffentlichkeit geriet, in dem Romney vor einer Gruppe von potentiellen Spendern für die Wahlkampfkasse sprach.[url]http://www.youtube.com/watch?v=XnB0NZzl5HA[/url]In diesem Video ist zu hören, wie der darüber spricht, dass 47% der Amerikaner keine Steuern zahlen würden und sich dazu bemüßigt fühlen, dem Rest auf der Tasche zu liegen. Auch wenn darin sicher ein Fünkchen Wahrheit steckt, ist die Aussage alles in allem diffamierend und nicht richtig, und ganz sicher nicht geeignet, einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen.Die Obama-Kampagne, die nur auf eine solche Gelegenheit gewartet hatte, schlachtete das Ereignis entsprechend aus:[url]http://www.youtube.com/watch?v=OUQ-j2sOA7c[/url]Die danach entstandene Situation verleitete viele Beobachter dazu, die Wahl für gelaufen zu erklären. Sehr unterhaltsam z.B. hier, allerdings von einer stark demokratisch orientierten Sendung:[url]http://www.youtube.com/watch?v=d6fUgISSkq8&list=UU1yBKRuGpC1tSM73A0ZjYjQ&index=59&feature=plcp[/url]Vor einigen Stunden fand die erste der drei Debatten statt, in denen der Präsident und der Kandidat der Republikanischen Partei sich duellieren. Sie fand statt in Denver, einer Stadt in Colorado, welches einer der am stärksten umkämpften Staaten der USA ist. [url]http://www.realclearpolitics.com/video/2012/10/04/full_first_presidential_debate_between_romney_and_obama.html[/url]In den Analysen danach wurde Romney als deutlicher Sieger der Debatte ausgerufen - und ich muss sagen, dass es auch für mich danach aussieht. Allerdings stehen zwei Debatten noch aus, und es wird Romney schwer fallen, seine Performance noch zu steigern. Auch die Auswirkung auf die tatsächliche Wählerentscheidung ist fraglich.Vom heutigen Standpunkt kann also mit relativer Sicherheit gesagt werden: Die Wahl ist gelaufen, Obama wird wiedergewählt.