Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Als das Budapester Gambit auch auf Meisterebene noch glänzende Siege möglich machte“

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Beitrag von Kiffing

Der hochengagierte Berliner Schachbuchverleger Bernhard Kagan hatte während des Ersten Weltkriegs nicht nur sein im deutschsprachigen Raum bekanntestes [URL="http://www.schachburg.de/threads/1030-Ein-Friedenslicht-von-Bernhard-Kagan?highlight=Friedenslicht"]Viermeisterturnier[/URL] im Oktober 1918 auf die Beine gestellt, an dem aus deutscher Sicht die beiden alternden Weltstars Emanuel Lasker und Siegbert Tarrasch mitwirkten, sondern auch andere Schachturniere stattfinden lassen und damit etwas gegen die Kriegsdürre aus Schachspielersicht getan. Das von ihm organisierte Viermeisterturnier im April 1918 war z. B. ähnlich gut besetzt. Es nahmen teil: Milan Vidmar, Carl Schlechter, Akiba Rubinstein und aus deutscher Sicht Jacques Mieses. Erst 1938 sollte Jacques Mieses Deutschland verlassen (er war als Jude ein Verfolgter des Naziregimes), 1940 die englische Staatsbürgerschaft annehmen und fortan für England spielen. Bei diesem Turnier gab es in der Partie Akiba Rubinstein gegen Milan Vidmar eine witzig-ernsthafte Anekdote, die uns Vidmar in seinen „Goldenen Schachzeiten“ geschildert hat. Kurz vor seiner Schwarzpartie gegen den großen Akiba Rubinstein, der trotz seines Mißerfolgs beim großen St. Petersburger Turnier 1914 immer noch als ernsthafter Anwärter auf den Schachthron galt, gab ihm ein alter Bekannter, Istvan Abonyi (Landsmann von Milan Vidmar in Österreich-Ungarn), einen interessanten Tip. Istvan Abonyi, der als einer der Väter des Budapester Gambits gilt, gab Milan Vidmar den Tip, eben dieses zu spielen. Vidmar, der überhaupt nicht wußte, was Abonyi mit dem Budapester Gambit meinte, konnte nur noch die ersten vier Züge in Erfahrung bringen, bis das Match auch schon losging. Wie Vidmar schrieb, hatte er dabei allerdings den psychologischen Vorteil auf seiner Seite, daß sein Gegner davon ausgehen mußte, er habe „im stillen Kämmerlein“ eine Geheimwaffe ausgebrütet, die nun extra gegen ihn zur Anwendung kommen sollte (wie es Capablanca gegen Marshall erging, als dieser das später nach ihm benannte Gambit gegen seinen Spanier entkorkte). Interessant war, daß beide Großmeister dafür, daß sie sich auf theoretischem Neuland befanden, erstaunlich gute Züge machten. Es zeichnet eben große Schachspieler aus, auch in unbekannten Stellungen gut spielen zu können, so wie dies einst Capablanca in der erwähnten Partie gegen Frank Marshall praktizierte, der die Partie sogar gewinnen konnte.Aus heutiger Sicht gilt allerdings das Damenmanöver 8. ...Da3 als sehr zweifelhaft für Schwarz. In seinem Werk: „The Budapest Gambit“ von 2008 hat Timothy Taylor darauf hingewiesen und auch die Widerlegung gefunden. In der Partie konnte Milan Vidmar einen famosen Erfolg gegen seinen berühmten Gegner feiern. Er gewann nach anspruchsvollem Spiel durch einen mit der Kombination 16. ...Txf4!! eingeleiteten Königsangriff. [Event "Berlin Four Masters"][Site "Berlin DEU"][Date "1918.04.22"][Round "3"][White "Akiba Rubinstein"][Black "Milan Vidmar"][Result "0-1"][ECO "A52"][PlyCount "50"][EventDate "1918.04.20"]1. d4 Nf6 2. c4 e5 3. dxe5 Ng4 4. Bf4 Nc6 5. Nf3 Bb4+ 6. Nc3 Qe7 7. Qd5 Bxc3+8. bxc3 Qa3 9. Rc1 f6 10. exf6 Nxf6 11. Qd2 d6 12. Nd4 O-O 13. e3 Nxd4 14. cxd4Ne4 15. Qc2 Qa5+ 16. Ke2 Rxf4 17. exf4 Bf5 18. Qb2 Re8 19. Kf3 Nd2+ 20. Kg3Ne4+ 21. Kh4 Re6 22. Be2 Rh6+ 23. Bh5 Rxh5+ 24. Kxh5 Bg6+ 25. Kg4 Qh5# 0-1 Das Turnier gewann am Ende auch tatsächlich Milan Vidmar vor Carl Schlechter, Akiba Rubinstein und Jacques Mieses. Dieses historische Spiel sollte die Entwicklung des Budapester Gambits natürlich beflügeln. Denn es ist klar, daß dieser Sieg die ganze Variante attraktiver gemacht hat. Das Budapester Gambit kann in vielen Varianten für Schwarz aktives Spiel hervorbringen. Heute sind sich die meisten Schachspieler allerdings einig, daß Weiß, sofern er denn korrekt spielt, Vorteil und bequemes Spiel erreichen kann.

Beitrag von hako

Nette Idee 13. .. Nxd4 :top: ich hab zuerst gedacht, der spinnt, als der Doppelisolami wegwar :DDennoch find ich ein paar Sachen fragwürdig:6.Nc3?! halte ich für fragwürdig, 6. ... Bxc3+ 7.bxc3 und Weiß hat zwei schönen Doppelbauern. Dementsprechend hat mich 6. ... Qe7?! überrascht :)Den Sinn von 12.Nd4 habe ich nicht verstanden. Den Springer c6 will er ja offenbar nicht schlagen, was nämlich die b-Linie öffnen würde. Warum zieht der Springer dann da hin?

Beitrag von Dragon

[QUOTE]6.Nc3?! halte ich für fragwürdig, 6. ... Bxc3+ 7.bxc3 und Weiß hat zwei schönen Doppelbauern. [/QUOTE]Warum?? Das ist eine normale Hauptvariante, und weiß kann sogar einen super Vorteil bewahren. Die b und d Linie sind halb offen, außerdem hat weiß in der Variante einen mehr Bauer, dass ist einfach ganz normal und besser für Weiß.Im allgemeinen hat Weiß mit etwas Theorie Kenntnisse immer ein sehr viel besseres Spiel. Eigentlich widerlegt diese Partie diese aussage. ;)

Beitrag von hako

Die Bauernstruktur von Weiß sieht zumindest komisch aus, ob zwei Linien das kompensieren? :hmpf:Andererseits ist meine nicht besser wenn ich gegen Winaver spiele ;)

Beitrag von Dragon

[QUOTE]Die Bauernstruktur von Weiß sieht zumindest komisch aus, ob zwei Linien das kompensieren?[/QUOTE]Naja nur die 2 Linien bestimmt nicht, aber in dieser Variante behält man ja auch noch den Mehrbauer und das reich normalerweise eigentlich.

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=hako;18403]Nette Idee 13. .. Nxd4 :top: ich hab zuerst gedacht, der spinnt, als der Doppelisolami wegwar :D [/QUOTE]David Vidmar schreibt zu "13. ...Sxd4!" (Vidmar):[QUOTE]Überraschend und sehr stark! Scheinbar verbessert Schwarz mit seinem 13. Zuge die Bauernstellung auf dem Damenflügel, in Wirklichkeit eröffnet er mit ihm bereits den Schlußangriff. Man kann eben nicht immer nur strategischen Richtlinien folgen: in kritischen Augenblicken sind taktische Griffe unvermeidlich, wenn der Sieg erreicht werden soll[/QUOTE]David Vidmar, Goldene Schachzeiten, Gruyter & Co, S. 119Zu 6. Sc3 hat Dragon alles gesagt. In der Variante 1. d4 Sf6 2. c4 e5 3. dxe5 Sg4 4. Lf4 Sc6 5. Sf3 Lb4+ (bzw. 4. Sf3 Sc6 (Empfehlung von Taylor) 5. Lf4 Lb4+) hat Weiß die Wahl zwischen zwei gleichermaßen etablierten Fortsetzungen. Er kann mit 6. Sc3 die schwache Bauernstruktur in Kauf nehmen und dafür auf Mehrbauer spielen. Er kann auch mit 6. Sd2 den Mehrbauern Mehrbauer sein lassen und seine Bauernstruktur stark halten. Ich persönlich finde 6. Sd2 stärker, aber das ist vermutlich Geschmackssache.