Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Eine Beleidigung mit Folgen“

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Beitrag von Kiffing

Carl Carls war ein starker norddeutscher Positionsspieler, dessen Markenzeichen es war, stets mit 1. c4 zu eröffnen. Deswegen wurde diese Eröffnung im deutschsprachigen Raum auch oft Carls-Eröffnung oder Bremer Partie genannt. Mittlerweile ist aber wohl überall der Begriff Englische Partie üblich, weil Howard Staunton wohl eher als Carls das "Copyrightrecht" auf diese Zugfolge besitzt. Dr. Siegbert Tarrasch hatte jedenfalls kurz vor dem Turnier in Breslau 1912 1. c4 als "ganz dummen Zug" gegeißelt. Nun traten beide in diesem Turnier gegeneinander an, und Carl Carls, der Weiß hatte, eröffnete selbstverständlich mit 1. c4. Und schlimmer noch, Carls gewann mit diesem "ganz dummen Zug" im allerschönsten Stile gegen einen Gegner, der zwar ganz klassisch ein schönes befestigtes und weit vorgerücktes Bauernzentrum besaß, damit aber nichts so recht anzufangen wußte und sehr effektiv ausgekontert wurde. Die Kombination am Ende ist wunderschön. Nimmt Schwarz den frechen Springer, kommt einfach 29. Te6 nebst 30. Txh6+[Event "Breslau 1912"][Site "MyTown"][Date "????.??.??"][Round "?"][White "Carl Carls"][Black "Dr. Siegbert Tarrasch"][Result "1-0"][PlyCount "67"][TimeControl "2400"]{767MB, Fritz8.ctg, MYCOMPUTER} 1. c4 e6 2. g3 d5 3. Bg2 d4 4. f4 c5 5. e4 Nc66. Nf3 Be7 7. d3 Bd7 8. Na3 a6 9. Bd2 Rb8 10. O-O b5 11. b3 b4 12. Nc2 Bd6 13.Nce1 Nge7 14. Qe2 O-O 15. e5 Bc7 16. Ng5 h6 17. Ne4 Bb6 18. Nf3 Kh8 19. Nh4 Nf520. Nxf5 exf5 21. Nd6 g6 22. Bd5 Be8 23. g4 fxg4 24. f5 g5 25. Rae1 f6 26. Bxc6Bxc6 27. Qxg4 fxe5 28. Rxe5 Rf6 29. Bxg5 Qxd6 30. Bxf6+ Qxf6 31. Re6 Qxe6 32.fxe6 Rg8 33. Qxg8+ Kxg8 34. e7 *

Beitrag von hako

Tia, man sollte vorsichtig sein, was man sagt, vor allem was Eröffnungen angeht :)Eine Eröffnung ist gut, wenn man die daraus entstehende Stellung besser kann als der Gegner ;)

Beitrag von Kiffing

Ich denke, diese Aussage zeigt ganz gut Tarraschs Dogmatismus. Tarrasch war halt felsenfest davon überzeugt, daß ein Eröffnungszug nur gut sein könne, wenn er denn gleich das Zentrum besetzt. Andere Züge ließ der "praeceptor germaniea" nicht gelten. Insofern hat dieser sich schon über ganz andere Eröffnungen abfällig geäußert, die heute fest etabliert sind. :DNa ja, dogmatisch war er sicher, der Dr. Tarrasch. Dafür ließ sich sein Konzept relativ leicht erlernen. Von Tarrasch haben ganze Generationen von Schachjüngern gelernt. Bei Lasker ging dies schon weitaus schwieriger, weil Laskers Spiel nicht wie bei Tarrasch auf einem festen Schema beruhte, sondern zu einem großen Teil rein idiosynkratisch angelegt war. Lasker war ein Mensch, der aus sich selbst heraus dachte, und dem das auch sichtlich Vergnügen bereitete.