Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Der ewige Springer“

schachburg.de

Beitrag von hako

Nach unserer allbekannten Schachspielerweisheit "Springer am Rande bringt Kummer und Schande" steht der Springer am besten mittig, da er da mehr Felder hat. Ein ewiger Springer zeichnet sich genau dadurch aus. Dazu steht er auf der gegnerischen Bretthälfte und lässt sich nicht von gegnerischen Bauern nicht verdrängen. Der Titel "ewiger Springer" rührt daher, dass der Springer von seiner guten Position sich nur schwer beseitigen lässt, bzw ein Tausch ungünstig für den Gegner wäre. Ein solcher Springer stellt meist einen nennenswerten strategischen Vorteil dar. So ein Pferd im Hausflur nimmt halt ne Menge Platz weg.Die folgenden zwei Partien sind zwei gute Beispiele dafür. Das Opfer bin in beiden Fällen ich :)[Result "1-0"]1.Nf3 Nf6 2.g3 d5 3.Bg2 Bf5 4.d3 c5 5.0-0 Nbd7 6.Nbd2 e5 7.Qe1 h6 8.e4 dxe4 9.dxe4 Be6 10.Qe2 Be7 11.Nc4 Qc7 12.Nh4 Nb8? 13.Nf5 Bxc4 14.Qxc4 0-0 15.Be3 b6 16.Rad1 Nc6 17.c3 Rfd8 18.Qe2 Kh7 19.Bc1 a6 20.Ne3 b5? 21.Nd5 Qb7 22.Qf3 Rd6 23.Be3 Re6 24.Bh3 Nxd5 25.exd5 Rf6 26.dxc6 Qc7 27.Qe4+ Kg8 28.Rd7Sinn von meinem kuriosen Springermanöver Nd7-b8-c6 war ein ewiger Springer auf d4. Die simple Antwort 17.c3 war dem entsprechen.d bitter für mich... :grübel:Nach 21.Nd5 hatte ich dann das Pferd in der Haustür.... :)(21. ... Nxd5 22.exd5 verliert Material)Meine anschließenden Rechenfehler sorgten dann für ein schnelles Ende ;)[Result "0-1"]1.e4 c5 2.Nf3 Nf6 3.Nc3 Nc6 4.d4 cxd4 5.Nxd4 e5 6.Ndb5 d6 7.Bg5 a6 8.Na3 b5 9.Nd5 Be7 10.Nxf6+ Bxf6 11.Bxf6 Qxf6 12.c3 0-0 13.Be2 Qg6 14.0-0 Ne7 15.Bf3 Bb7 16.Re1 Rad8 17.c4 bxc4 18.Nxc4 Nc6 19.Qd3?! d5 20.Qb3 dxc4 21.Qxb7 Nd4 22.Bd1 Rb8 23.Qd5 Qf6 24.Qxc4 Rfc8 25.Qd3 Rxb2 26.Rf1 Qb6 27.Bg4 R8c2 28.Rfc1 Rxa2 29.h3 Qb2 30.Rxc2 Rxa1+ 31.Kh2 Qxc2Am Ende klärte mich mein 2100 DWZ starker Gegner auf, dass ich nach 10.Bxf6 Bxf6 einen starken (und ewigen) Springer auf d5 habe, der das Läuferpaar überwiegt. In der Partie habe ich das zwar auch überlegt, aber hielt das Läuferpaar für stärker.12.c3 hat übrigens den offensichtlichen Sinn einen ewigen Springer auf d4 zu verhindern ;) :P15.Bf3 nennt sich dann ewiger Läufer ;)21. ... Nd4 Wir erinnern uns daran, dass der Sinn von 12.c3 war, einen ewigen Springer auf d4 vorzubeugen. Nun habe ich den Salat.

Beitrag von Kiffing

Sehr instruktive Beispiele für die Stärke des ewigen Springers. Es liegt gewissermaßen in der Natur von Springern, nach Vorposten zu streben, ebenso wie Linienfiguren offene Linien und Diagonalen suchen.Zu diesem Thema fällt mir ein schwarzer Eröffnungsfehler im Englischen Angriff der Najdorfvariante ein. Nach 1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 a6 6. Le3 e5 7. Sb3 Le6 8. f3 Le7 9. Dd2 0-0 10. 0-0-0 Sbd7 11. g4 b5 12. g5 Se8/h5? (richtig ist 12. ...b4) kann sich Weiß einen ewigen Springer auf c6 bilden und steht damit im höheren Sinn schon auf Gewinn. Hier ein Notationsbeispiel:[Event "Blitz:40"][Site "MyTown"][Date "????.??.??"][Round "?"][White "Neue Partie"][Black "Fritz 8"][Result "*"][PlyCount "31"][TimeControl "2400"]{767MB, Fritz8.ctg, MYCOMPUTER} 1. e4 c5 2. Nf3 d6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 Nf6 5.Nc3 a6 6. Be3 e5 7. Nb3 Be6 8. f3 Be7 9. Qd2 O-O 10. O-O-O Nbd7 11. g4 b5 12.g5 Ne8 13. Nd5 Bxd5 14. exd5 Nb6 15. Na5 Qc7 16. Nc6 Die Stärke des Springers läßt sich neben dem Vorhandensein eines Vorpostens übrigens nicht nur an der Horizontalen, sondern auch an der Vertikalen ablesen. In irgendeinem Schachbuch stand dazu, daß ein Springer auf der 4. Reihe dem Läufer gegenüber gleichwertig ist. Den Höhepunkt seiner Macht hat der Springer auf der 6. Reihe. Danach wird er also absteigend schwächer, je weiter man gegen die 8. oder 1. Reihe schreitet. Diese Statistik gilt natürlich nur als grobe Tendenz. Selbstverständlich ist immer der konkrete Einzelfall zu berücksichtigen. ;)

Beitrag von hako

Interessantes Gedankenexperiment: Was ist besser? Das Läuferpaar mit aktiven Läufern oder Springerpaar mit Springer auf der drittletzten Reihe des Gegners?Ich glaube ja, dass je mehr Schwerfiguren noch im Spiel sind, die Springer besser sind. Der ewige Springer hat ja die Hauptaufgabe, die gegnerischen Schwerfiguren zu blockieren und ihnen Felder zu rauben. Ohne die Schwerfiguren entfällt dieser Aspekt ja :)

Beitrag von Kampfkeks

[QUOTE=hako;18395]Interessantes Gedankenexperiment: Was ist besser? Das Läuferpaar mit aktiven Läufern oder Springerpaar mit Springer auf der drittletzten Reihe des Gegners?[/QUOTE]Vom Gefühl her würde ich das Läuferpaar bevorzugen, wegen der Fernwirkung und der einfacheren Koordination. Ich denke aber auch, daß es auf die konkrete Situation ankommt.

Beitrag von Kiffing

Hier eine strategische Musterpartie von Robert Fischer vom Interzonenturnier 1962 in Stockholm zu diesem Thema. Gegen den argentinischen Großmeister Julio Bolbochan tauscht Fischer gezielt alle seine Leichtfiguren ab, so daß am Ende im Mittelspiel nur noch sein ewiger Springer auf dem glänzenden Vorposten d5 und ein schwacher schwarzer Läufer übrigbleiben. Dieses Element ist hauptverantwortlich für Fischers Sieg, der seinen Gegner nun gekonnt strategisch überspielt und am Ende seinen positionellen Vorteil im Stile eines großen Meisters mit einer Kombination verwertet. Fischer, dessen Spiel mit den Läufern sprichwörtlich geworden war, zeigt, daß er auch mit Springern glänzend umzugehen verstand. Für diesen Sieg erhielt er den Schönheitspreis des Turniers.[Event "Stockholm Interzonal"][Site "Stockholm, SWE"][Date "1962.03.03"][Round "21"][White "Robert James Fischer"][Black "Julio Bolbochan"][Result "1-0"][ECO "B90"][PlyCount "73"][EventDate "1962.??.??"][WhiteTeam "SG Solingen"][BlackTeam "SF Lohmar 1974"]1. e4 {Notes by Bobby Fischer} c5 2. Nf3 d6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 Nf6 5. Nc3 a6 6.h3 Nc6 7. g4 Nxd4 8. Qxd4 e5 9. Qd3 Be7 {More accurate is 9...B-K3 immediately.--Fischer} 10. g5 Nd7 11. Be3 Nc5 12. Qd2Be6 13. O-O-O O-O 14. f3 Rc8 15. Kb1 {Amateurs are often puzzled by thisapparent loss of time. Actually it is a handy defensive move, getting out ofthe pin on the QB-file which could become annoying after ...P-QN4-5. One neverknows when lightning will strike! -- Fischer} Nd7 16. h4 b5 17. Bh3 Bxh3 18.Rxh3 Nb6 19. Bxb6 Qxb6 20. Nd5 {White has a strategically won game; his Knight cannot be dislodged. -- Fischer}Qd8 21. f4 exf4 22. Qxf4 Qd7 23. Qf5 Rcd8 24. Ra3 Qa7 25. Rc3 g6 26. Qg4 Qd727. Qf3 Qe6 28. Rc7 Rde8 29. Nf4 Qe5 30. Rd5 Qh8 31. a3 h6 32. gxh6 Qxh6 33. h5Bg5 34. hxg6 fxg6 35. Qb3 {The coup de grace.--Fischer} Rxf4 36. Re5+ Kf8 37.Rxe8+ {Black resigns. After 37...KxR; 38 Q-K6+, K-B1; 39 Q-B8+ mates.--Fischer}1-0