Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Als nur die Reichen und Schönen Schach spielten“

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Beitrag von Kiffing

Daß Schach heute popularisiert, also in allen Schichten verbreitet ist, das wissen wir. Der vorliegende Artikel will daran erinnern, daß das nicht immer so war. Als das Schach durch die weitgehenden Regeländerungen, durch welche die Figuren so wie heute üblich zogen, einen Schub bekam und mit seiner erhöhten Schnelligkeit den gewandelten Zeitgeist der Renaissance gewißermaßen symbolisierte, war das Schach nur einer kleineren Schicht der Gebildeten und Wohlhabenden zugänglich, welche die Trends in der damaligen Zeit setzten. Im Zuge des Absolutismus waren es die Höfe, in denen das Schachspiel als geselliger Zeitvertreib sehr beliebt war. Überdies war Schach auch ein Prestigeobjekt. Wer was auf sich hielt, spielte Schach und das gut.Aus dem bunten Hofleben war Schach nicht mehr wegzudenken. Es war und galt als Bestandteil der höfischen Kultur und wurde sehr gefördert. Es war demzufolge kein Zufall, daß das goldene Zeitalter der Italiener, die etwa in den Bereichen der Baukunst und der Kunst so lange führend war, sich auch auf das Schach erstreckte. Denn im Zeitalter des Absolutismus waren die Italiener führend. Die italienische Partie ist eine italienische Erfindung und rührte aus dieser Zeit. Diese „Ureröffnung“ war ein Instrument, mit dem die Italiener glänzende Opfersiege feiern konnten. Ein Gioachino Greco ist noch heute allen ein Begriff.Doch auch die spanischen Höfe machten von sich reden. Die spanischen Spieler sorgten ebenfalls für Aufsehen. Der Zug 3. Lb5 war eine damals bahnbrechende Neuerung und bereicherte das Schach ungemein. Im deutschen Sprachgebrauch ist nach ihm noch heute die Spanische Partie benannt. Der Spanier Ruy Lopez hatte eine ähnliche Bedeutung für das Schach wie der Italiener Gioachino Greco. Selbst der spätere Meister und Theoretiker, Philidor, wurde noch auf dem Hof, und zwar in Versailles, in die Schachkunst eingewiesen.

Beitrag von Marxias

Und was ist mit der Schachnation schlechthin? :grübel:

Beitrag von Kiffing

Die Entwicklung im russischen Schach verlief etwas anders, zeitverzögert wie so vieles im einst rückständigen Rußland. Russische Schachspieler kamen erst spät zum Zug. Lange Zeit machten die anderen Nationen die Turniere unter sich aus. Die Blütezeit im russischen Schach begann erst mit Michail Tschigorin (1850-1908), der stark zur Ausbreitung des Schachs im russischen Volk beitrug. Mit der Sowjetunion wurde dann endgültig der Aufbau zur Schachnation abgeschlossen. Aber mit Höfen und Schach war da nichts mehr los.

Beitrag von Dr.Zej

Jetzt spielen ja bekanntlich nur die Schönen.

Beitrag von Kiffing

Vom 1. Oktober bis zum 26. Februar nächsten Jahres gibt es in Grafing eine Ausstellung, in der gezeigt wird, wie das Schach von 1750 bis 1850 aus den Adelsalons trat und von den Bürgern übernommen wurde. Paßt zum Thema, also wer sich dafür interessiert, kann ja mal nach Grafing fahren: [url]http://ghs-schachundkulturstiftung.de[/url]

Beitrag von Maschendrahtzaun

Klar, Grafing ist ja auch der nächste Weg...:froh:Allerdings würde ich sagen, dass die Entwicklung eher da hingeht, dass heute die sogenannten "Reichen und Schönen" eher kein Schach mehr spielen.Oder kennst du einen Prominenten, sei es nun aus der Politik, Schauspiel oder irgend einem anderen Bereich, der Schach spielt und es auch kann?Mir fallen da nur so Beispiele wie der Fußballtrainer Felix Magath ein, der allerdings auch eher nur über geringe Expertise verfügt.

Beitrag von Kiffing

Na ja, die Leute, die einen Promibonus haben, sind ja auch stark beschäftigt, die haben gar nicht die Zeit, sich eingehend mit dem Schach zu beschäftigen. Ich habe mal eine Statistik gelesen, nach der ein Drittel aller Deutschen zumindest gelegentlich Schach spielt. Da werden wohl auch sehr viele Prominente dabei sein, nur das erfährt man dann nicht in den Medien, weil das Gepatze von irgendwelchen Hobbyspielern nicht wirklich interessant ist. Aber einen habe ich noch, Peer Steinbrück spielt gerne Schach, und das gut. Er war mal in der früheren WDR-Schachsendung als Gast dabei, und das, was er sagte, war alles andere als ein typisches Hobbyspielergeschwätz.