Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Wie werde ich ein Siegertyp?“

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Beitrag von Kiffing

Im Schach gibt es die Siegertypen und die Pechvögel. Auch wenn diese beiden Typen nur Extremfälle sind, sozusagen die Pole eines in sich heterogenen Umfeldes, so lohnt es sich doch, diese zu skizzieren:Siegertypen sind im Verein sehr beliebt, denn man kann sich auf sie verlassen. Damit meine ich nicht nur, daß sie regelmäßig zu Mannschaftskämpfen erscheinen, sondern sie gewinnen auch zuverlässig die entscheidenden Partien. Stehen sie mal bedrängt, wird diesem Spieler vertraut, daß er die Probleme auf dem Brett schon lösen kann, und steht er auf Gewinn, dann verbuchen die Mannschaftskameraden im Geiste schon eine Eins.Den Siegertypen gegenüber stehen die Pechvögel, die in der Schachwelt wie Quax der Bruchpilot auftreten. In entscheidenden Kämpfen versagen sie regelmäßig, egal, was sie anpacken, irgendwas geht immer schief. Stehen sie auf Verlust, werden sie sich nicht mehr retten können, und stehen sie auf Gewinn, dann rutschen sie zuverlässig noch vor dem Ziel aus und verlieren oft in dramatischer Weise.Wie ist für euch das Phänomen erklärbar, und habt ihr Ideen, wie man im Schach ein Siegertyp werden kann?

Beitrag von Dragon

Ich denke einen "Siegertypen" gibt es nur im relativen Bereich. Ich denke dass es, Motivation Sache ist. Logisch jemand der viel gewinnt wird von Spiel zu Spiel Motivierter. Jemand der viel verliert wird immer unmotivierter. So nimmt das einen Kettenlauf das man immer besser oder schlechter wird.Trick man soll sich einfach von einer unglücklichen Niederlage nicht allzu lange beschäftigen und frustrieren lassen (Den Fehler der Partie sollte man trotzdem kennen). Wenn man glaubt das war nur ein Ausrutscher nächste Partie wird es besser wird es auch oft nächste Partie besser!

Beitrag von karpov84

Hallo Kiffing,ich glaube, das ist genau die Frage mit der man sich beschäftigen sollte, wenn man besser im Schach werden will. Ich zumindest tue es seit einiger Zeit. Es bezeichnet entweder deinen unbändigen Willen dich zu verbessern und damit verbundenen, unermüdlichen Kampfgeist, dass du es bist, der genau diese Frage stellt - oder aber tiefe Verzweiflung. Ich hoffe es ist Ersteres! Meine Unterstützung auf deinem Weg hast du!Wie so oft sind hier viele Parallelen zwischen Schach und dem echten Leben erkennbar. Auch im Leben begegnet man Gewinner- und Verlierertypen. Ich widerspreche dir, Dragon, bei deinen Aussagen:[QUOTE=Dragon;20680]Ich denke einen "Siegertypen" gibt es nur im relativen Bereich. Ich denke dass es, Motivation Sache ist. Logisch jemand der viel gewinnt wird von Spiel zu Spiel Motivierter. Jemand der viel verliert wird immer unmotivierter. So nimmt das einen Kettenlauf das man immer besser oder schlechter wird. [/QUOTE][QUOTE=Dragon;20680]Trick man soll sich einfach von einer unglücklichen Niederlage nicht allzu lange beschäftigen und frustrieren lassen [...] Wenn man glaubt das war nur ein Ausrutscher nächste Partie wird es besser wird es auch oft nächste Partie besser![/QUOTE]Meine Beobachtung ist, dass erfolgreiche Menschen – sei es im Schach, oder im Beruf – sehr bestimmt sind. Wenn man sie fragt: „Soll ich Ihnen einen Kaffee aus der Küche mitbringen?“, sagen sie „Mit wenig Milch, zwei Löffel Zucker, bitte!“. Sie überlassen nichts dem Zufall, lassen sich nicht treiben, sondern bestimmen soweit es ihnen möglich ist selber das Geschehen. Man kann nun darüber streiten, ob das der beste Weg ist, um im Leben voranzukommen, oder ob diese Menschen sich einmal locker machen sollten, und nicht immer alles kontrollieren wollen sollten, aber eins ist klar: Wenn man im Leben nicht alles akzeptiert was einem vorgesetzt wird und dazu neigt möglichst viel selbst zu bestimmen hat man im Schach gewisse Vorteile:- Denkfaulheit kommt nicht so häufig vor- Schlechtere Stellungen führen nicht zu weniger, sondern zu mehr Gegenwehr- Ideen des Gegners werden seltener übersehenIch selber zähle mich zu einem „ich-lasse-mich-treiben“-Charakter, jedoch versuche ich das seit ungefähr einem Jahr im Schach so gut wie möglich abzustellen. Resonanz: 100 DWZ-Plus. Und ich habe noch längst nicht alle Vorsätze vollkommen umgesetzt.Silman bringt in „Schach – aber richtig!“ das Beispiel von den zwei Spielerna) Der 10-Jährige, der kaum positionelles Verständnis besitzt, keine Endspieltechnik hat und auch nie viel für Schach trainiert hat undb) der 45-Jährige Arzt, der Unmengen an Schachbüchern verschlungen hat, von Capablanca bis Kasparov alle großen Turniere studiert hat und ein Endspielwissen hat wie ein mittelstarker FIDE-Meister.Und doch kommt der Arzt seit Jahren nicht über ein Wertungszahl von 1300 hinaus, während der kleine Junge bereits bei 1900 ist. Der Unterschied zwischen den beiden ist, dass der kleine Junge, auch wenn er wenig vom Schach versteht, einen unbändigen Siegeswillen hat. Er steckt in jede Stellung sein ganze Energie, bemüht sich mit ganzer Kraft, nach jedem einzelnen Zug seines Gegenüber dessen Pläne und Gedanken zu verstehen und man kann sicher sein, dass er mit jedem Zug versucht, dem Gegner eine List zu stellen.Der Arzt hingegen ist, wenn auch schachlich gut ausgebildet, ein ängstlicher Charakter. Er sieht hinter jedem Manöver seines Gegners eine Drohung, lässt sich von jedem noch so harmlosen Königsangriff beeindrucken und macht während der Partie mehr passive Züge, als eigene Ideen zu entwickeln. (Mag sein, dass Silman bei den Elo-Zahlen etwas extrem ist, aber das Prinzip wird klar.)WILLEN hat man oder man muss ihn sich aneignen. Es ist mit einer Kraftanstrengung verbunden gutes Schach zu spielen. Es ist leicht, über eine Stellung zu philosophieren und sein Wissen einfließen zu lassen. Doch alles Wissen hilft nichts, wenn ich nicht mit aller Kraft versuche, dem Spiel meinen Stempel aufzudrücken. Wenn ich bereit bin unangenehme Überraschungen meines Gegners als unvermeidbares Übel zu akzeptieren und darauf reagiere, anstatt zu prüfen, ob es sich WIRKLICH um eine echte Drohung handelt, lasse ich meinen Gegner das Spiel machen und werde oftmals gegen Leute verlieren, die mir nicht einmal den Gewinnplan im Lucena-Turmendspiel zeigen können, aber bei jedem Zug versuchen, etwas Sinnvolles für Ihre Stellung zu tun.Ich glaube nicht, dass Erfolg von Erfolg kommt, Dragon. Ich glaube, dass man Erfolg in sich selbst sät, indem man sich verspricht in jeder Situation mit aller Kraft zu versuchen erfolgreich zu sein, seien die Umstände noch so widrig. Und dann kommt Erfolg über Erfolg.LG Bobby

Beitrag von Kiffing

@karpov 84:Interessante Denkansätze, die zum Nachdenken anregen. Ein Problem habe ich freilich mit Deiner Charakterisierung der „Siegertypen“. Sie mag ihre Richtigkeit haben, so wurde ja auch in einer wellenschlagenden [URL="http://www.zeit.de/karriere/beruf/2011-09/managertypen-psychopathen-chef"]Studie von 2011[/URL] dargestellt, daß „Entscheidungsträger mit aggressivem Führungsstil“ schneller befördert werden, so daß es in den Chefetagen der Wirtschaft weltweit von Psychopathen wimmelt. Der von mir verlinkte Artikel ist in diesem Zusammenhang erhellend und lesenswert. Und ein solcher Mensch will ich nicht werden, diese werden von mir bekämpft. Zum Glück geht es im Schach nicht um Macht, sondern um spielerischen Erfolg. Und da gebe ich Dir Recht damit, daß manche Methoden dieser „Siegertypen“ auch im Schach durchaus zum Erfolg führen können. Das Schlüsselwort in Deinem Beitrag war der Wille. Und tatsächlich zeigten hier alle Schachweltmeister, mit Ausnahme vielleicht von Capablanca und Spasski, eben diesen eisernen Willen, der manchmal (bei Aljechin, Fischer und Kasparov) sogar fanatische Züge annehmen konnte. Und das Fehlen dieses eisernen Willens wurde Capablanca und Spasski ja auch zum Verhängnis. Sie verloren ihre Weltmeisterschaftskämpfe jeweils sechs Jahre nach dem Titelgewinn und kehrten nicht mehr auf den Schachthron zurück, weil sie von anderen überholt wurden (gut, bei Capablanca lag es auch an den Problematiken früherer WM-Kämpfe).Auch beim Selbstvertrauen gebe ich Dir Recht. So sehr wir im Denken dem „gesunden Mittelmaß“ verfangen sind, der in dem europäischen Denken maßgebend ist (so lautete schon ein Sinnspruch im Orakel von Delphi, dem gemeinschaftsstiftenden heiligen Ort der griechischen Poleiswelt: „Alles in Maßen“), kommt es mir auch so vor, daß bei aller Richtigkeit von Objektivität und gesunder Kritikfähigkeit im Schach ein Mehr an Selbstvertrauen besser ist als ein Weniger an Selbstvertrauen. In diesem Zusammenhang befürworte ich auch nicht die Methoden vieler Schachtrainer, ihre begnadeten Schützlinge möglichst immer auf den „Boden der Tatsachen“ zurückzuholen. Denn wer nicht abhebt, der kann auch nicht zum Höhenflug ansetzen. Die Schwierigkeit bei diesem ganzen Prozeß ist freilich der, daß Selbstvertrauen nur schwer erworben werden kann, es ist zum größten Teil Produkt der eigenen Erfahrungen auf dem Gebiet (hier: Schach). Aber Du hast Recht, die Wichtigkeit eines guten Selbstvertrauens überhaupt zu erkennen, ist der erste Schritt, dies auch an den Tag zu legen. Dein Beispiel von dem 45jährigen Arzt, der dem 10jährigen Jungen gegenübergestellt wird, ist wirklich erschreckend. Insofern erinnere ich mich an eine Studie, die schon in den 90er Jahren bekannt war, daß eigene Intelligenz nur einen relativ geringen Teil dessen ausmacht, was die eigenen Erfolgsansichten in Leben und Beruf angeht. Und tatsächlich, Holger Dambeck von Spiegel und Wissenschaft [URL="http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/erfolg-in-mathe-motivation-ist-wichtiger-als-intelligenz-a-878609.html"]zeigt auf[/URL]: „Motivation ist wichtiger als Intelligenz“. Ein Auszug:[QUOTE] Überraschende Erkenntnisse liefert nun eine Langzeitstudie der Universität München (LMU). Kou Murayama und seine Kollegen haben die Entwicklung von 3500 bayerischen Schüler über sechs Jahre verfolgt. Und dabei zeigte sich, dass jene Kinder den größten Leistungszuwachs erzielten, die besonders hoch motiviert waren. Die Intelligenz der Schüler spielte hingegen keine Rolle. [/QUOTE]Das läßt sich wohl auch auf das Schach übertragen, wenn wir für "Intelligenz" "schachliche Spielstärke" nehmen...

Beitrag von karpov84

[QUOTE=Kiffing;20686]Ein Problem habe ich freilich mit Deiner Charakterisierung der „Siegertypen“. Sie mag ihre Richtigkeit haben, [...] [aber] ein solcher Mensch will ich nicht werden, diese werden von mir bekämpft.[/QUOTE]Ich verstehe deine Bedenken. Doch bitte mache dir bewusst, dass du nicht "ein solcher Mensch" werden musst um besser Schach zu spielen! Es ist bloß unabdingbar, dass du dir deren Eigenschaften im Positiven (auch Paranoia und Größenwahn sind in mancher Hinsicht positive Eigenschaften, wie in dem "ZEIT"-Artikel beschrieben wird) während einer Schachpartie zu eigen machst. Dieser Schritt, welcher mit einer temporären Charakteränderung gleichzusetzen ist, ist eine Grundvoraussetzung zur Beseitigung der durch die eigene Persönlichkeit verschuldeten Fehler im Schach. Wenn ein 1,80 m großer und 78 Kilo schwerer Mann beschließt Sumo-Ringer zu werden, ist eine Grundvoraussetzung (für Erfolg in diesem Sport), dass er seine Essgewohnheiten ändert. Vielleicht schafft er es nicht gleich (oder auch nie) auf das empfohlene Gewicht von 140-180 Kilo zu kommen, aber wenn er es zumindest zu 120 Kilo auf der Waage bringt, wird sich sein sportlicher Erfolg schlagartig steigern.Im Schach sind wir je nach unserer individuellen Persönlichkeit mehr oder weniger geeignet diszipliniert und sauber Varianten zu rechnen, oder blind unserer Intuition für eine nicht mit Varianten belegbaren Fortsetzung zu vertrauen, die sich einfach gut "anfühlt", oder mutig genug eine Figur für einen vielversprechenden Angriff zu opfern, oder mental stark genug in einer gedrückten Stellung nicht die Nerven zu verlieren und uns sauber zu verteidigen... oder, oder, oder. Der eine mehr, der andere weniger. Aber sowohl der eine, als auch der andere können sich durch Training - an ihrer Persönlichkeit, nicht am Schach an sich - in diesen Bereichen verbessern.LG Bobby