Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Larsens Unsterbliche“

schachburg.de

Beitrag von Kiffing

Jeder große Spieler hat Partien, die untrennbar mit ihm verbunden sind. Die hier vorgestellte Partie zwischen Bent Larsen und Tigran Petrosjan, Santa Monica 1966, ist eine solche Partie. Bent Larsen ist hier ganz in seinem Element und besiegt den amtierenden Weltmeister in schönem Stil. Wie so oft vertraut Bent Larsen sich selbst und der Stellung und hält nach etwas zögerlichem Beginn von Tigran Petrosjan die Zeit ab dem 16. Zug reif für einen Angriff. Den führt er in der Folge mit Konsequenz und Phantasie (20. e5! ist z. B. ein schwer zu findender Zug, um den Angriff zu verstärken). Vor dem schwarzen König braut sich Unheilvolles zusammen. Ein spektakuläres Damenopfer besiegelt schließlich den Sieg und macht damit eine der großartigsten Partien der Schachgeschichte perfekt, die immer zu unserem Erbe gehören wird.[Event "Second Piatigorsky Cup"][Site "Santa Monica USA"][Date "1966.07.27"][EventDate "1966.07.17"][Round "7"][Result "1-0"][White "Bent Larsen"][Black "Petrosian"][ECO "B39"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "59"]1. e4 c5 2. Nf3 Nc6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 g6 5. Be3 Bg7 6. c4 Nf67. Nc3 Ng4 8. Qxg4 Nxd4 9. Qd1 Ne6 10. Qd2 d6 11. Be2 Bd712. O-O O-O 13. Rad1 Bc6 14. Nd5 Re8 15. f4 Nc7 16. f5 Na617. Bg4 Nc5 18. fxg6 hxg6 19. Qf2 Rf8 20. e5 Bxe5 21. Qh4 Bxd522. Rxd5 Ne6 23. Rf3 Bf6 24. Qh6 Bg7 25. Qxg6 Nf4 26. Rxf4fxg6 27. Be6+ Rf7 28. Rxf7 Kh8 29. Rg5 b5 30. Rg3 1-0Im Prinzip ähnelt der Stil von Bent Larsen sehr dem Stil von Efim Boguljubow, was einen unerschütterlichen Optimismus und die ständige Bereitschaft, das Spiel zu verschärfen, angeht, bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Elemente des "Wissenschaftlichen" und "Korrekten". Aber auch Elemente von Aaron Nimzowitsch finden sich in seinem Stil. Denn wie der große Theoretiker liebte es Larsen, sich in einer Partie auf ein strategisches Element zu konzentrieren. Trotzdem, bei allen Parallelen zu den beiden früheren Meistern gelang es Bent Larsen, einen eigenen Stil zu prägen, der einzigartig und unnachahmlich ist. Das ist ein Merkmal großer Spieler, und das hat nicht einmal jeder Weltmeister geschafft.

Beitrag von zugzwang

"Stil, ich habe keinen Stil!" äußerte der junge Karpov.Ich könnte mir vorstellen, daß Larsen ähnlich geantwortet hat.Mit seiner Partiensammlung (in der 1971er Originalausgabe eine Rarität!) verkündete er sein schachliches Credo: "Ich spiele auf Sieg!".Larsen hat Siege gegen jeden Weltmeister seiner Epoche erzielt (nicht immer, wenn sie amtierten,was gegen Fischer ohnehin nur Spassky 1992 gelang:heiter:) und ist vielleicht unter den Nicht-Weltmeistern der Spieler, der die meisten Schwarzsiege gegen die Riege der WM erzielte.Gegen Fischer und Karpov gewann Larsen keine Turnierpartie mit Weiß, seine jeweils 2 Siege erzielte er mit ... Schwarz.Den heute amtierenden Weltmeister Vishy Anand besiegte Larsen 1992 "nur" in einer Schnellpartie - selbstverständlich mit den schwarzen Figuren. Ja, Bent Larsen war kein "Schwarzseher" - in keiner Hinsicht!Beeindruckend ist auch, daß erst die 10. Turnierpartie zwischen Larsen und Petrosian mit einem Remis endete. Es ist nicht lästerlich gegenüber dem tiefen Strategen Petrosian (der 6:3 im Vorteil blieb!),wenn man behauptet, daß dies wesentlich der Spieleinstellung Larsens geschuldet war.Larsen ist einer der originellsten - beginnend mit der Eröffnungswahl - Angriffspieler der Schachgeschichte und nebenbei einer der erfolgreichsten. 3 Interzonenturniere gewann er allein oder geteilt, 1970 in Palma wurde er hinter Fischer 2., aber brachte diesem die einzige Niederlage vor dessen großer Siegesserie bei, dessen prominentestes Opfer er letztlich selbst wurde.Dieser Schwarzsieg gegen Fischers Velimirovic-Angriff wurde zur besten Partie des Schach-Informators #10 gewählt (2 weitere Schwarzsiege (!) Larsens gegen Mecking und Taimanov landeten auf Platz 6 und 10).Ende der 60er Jahre war er der erfolgreichste Turnierspieler der Welt und setzte sich durch gegen Bobby Fischer durch, als es um das Spitzenbrett im Kampf Welt vs. UdSSR.Einer der seltenen Fälle, in denen Fischer im Schach einer Forderung eines anderen nachgab. Das zeugt von seinem Respektgegenüber seinem ehemaligen Sekundanten (1959). Vielleicht war Fischer auch nur scharf drauf, die Sowjets zu besiegen und erwußte, daß dies nur gelingen kann, wenn Larsen mitspielt und nicht schmollend verzichtet.Bekannt ist, daß Larsen in diesem Match eine krachende Weiß-Niederlage am Spitzenbrett bezog. Weniger bekannt ist, daß er den Zweikampf mit Spassky isgesamt 1,5:1,5 gestaltete und gegen Stein gewann. Das Spitzenbrett der "Welt" gewann das Miniduell und wurde nur von Fischer an Brett 2 übertroffen.Statistische Auswertungen zu den Remisquoten Larsen im Vergleich zu den anderen Spitzenspieler und über die Stationen seiner Laufbahn, dürften nur untermauern, wer auf sieg spielte.Seine Kolumnne "Ohne Krawatte" in der Zeitschrift Kaissiber ist ein nicht nur schachlicher Lektüreschatz - noch dazu exklusiv (?!) für den deutschsprachigen Raum.