Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Schach im Mittelalter“

schachburg.de

Beitrag von Kiffing

Dieser Thread soll dazu dienen, dem geneigten Leser einen Überblick über das Schach im Mittelalter zu verschaffen. Perspektive ist dabei unser Kulturkreis. Dadurch soll es möglich werden, sich auf dieser Basis später detaillierter mit diesem höchst interessanten Thema zu befassen. Gerne können in diesem Thread auch Fragen zum Schach im Mittelalter geklärt werden.Es gab im Prinzip zwei Routen, mit denen das Schach von Indien und China schließlich im Zuge einer frühen islamischen Expansion im Frühmittelalter nach Europa und Deutschland kam. Als die Araber im 7. Jahrhundert Persien erobert hatten, gelangte das Schachspiel so nach Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, und gelangte von Konstantinopel nach Rußland und Italien und über die lange nordafrikanische Mittelmeerroute auf die iberische Halbinsel, wo die muslimischen Mauren bis zum Ende der Reconquista 1212 sehr einflußreich waren. Die vier großen Gebiete, aus denen das Schach unmittelbar ins christliche Abendland drang, waren also Byzanz, Rußland, Spanien und Italien. Das ist auch der Grund dafür, warum die Schachschulen in Spanien und Italien in Europa lange Zeit führend waren. Dort hatte Schach die längste Tradition. Im 13. Jahrhundert wurde im Auftrag von Alphonso X. von Spanien ein berühmtes Spielmanuskript über Schach, Backgammon und das Würfelspiel, genannt Libro de los Juegos herausgegeben, es ist eines der klassischen Zeugnisse des Schachs.Die erste Erwähnung des Schachspiels in Europa findet sich auf einer Geschenkeliste des Emir von Cordoba im Jahr 1010. Allerdings soll das Schachspiel in Rußland, Sizilien, Sardinien und vor allem Spanien schon im 8. Jahrhundert bekannt gewesen sein. Zum ersten Mal urkundlich erwähnt, wurde das Schachspiel im deutschen Raum um 1050. Der Mönch Froumund verfasste im Kloster Tegernsee das lateinische Romangedicht Ruodlieb, in dem ein Besucher am Hofe des Königs durch seine Meisterschaft im Schachspiel Aufsehen erregte. Das Zeitgefühl der Menschen war im Mittelalter eben träge, und so konnte es mitunter mehrere hundert Jahre dauern, bis sich eine Idee durch ganz Europa verbreitet. Als das Schachspiel in Deutschland endlich entdeckt war, fiel diese Entdeckung glücklicherweise mit dem Entstehen des Rittertums zusammen. Auch wenn die katholische Kirche im europäischen Abendland dem Schach oft widersprüchlich gegenüberstand und sowohl Verbote des Schachs als auch schachspielende Bischöfe belegt sind; im Rittertum war das Schachspiel ausschließlich hochbegehrt. Es wird oft behauptet, das Schachspiel sei eine der sieben Tugendes des Ritters gewesen. Eine [URL="http://art-coach4management.com/ritter.html"]differenzierte Innensicht[/URL] spricht aber eine andere Sprache. So seien die Tugenden des Ritters vielmehr wirkliche Verhaltensweisen gewesen wie Klugheit, Mäßigung, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Selbstbewußtsein, Fleiß, Schönheit, Vorbildlichkeit, Beständigkeit, Ehre, Treue, Milde, Höflichkeit, Verantwortungsbewußtsein, positives Denken und Demut. Die Fähigkeit zum Schachspiele dagegen gehöre vielmehr zu den sieben Fertigkeiten (Tüchtigkeiten) des Ritters, die auch noch Schwimmen, Reiten, Bogenschießen, Fechten, Jagen und Dichtkunst umfaßten. Dann gab es noch die sieben freien Künste, die ein Ritter beherrschen mußte, die da wären: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie. Man kann also festhalten, daß die ritterliche Ausbildung auf Ganzheitlichkeit ausgerichtet war, daß die Bildung Kopf, Herz und Hand gleichermaßen ansprach. Vor allem bei [URL="http://www.monacensis.de/tipps/allgemeines/Schach_-_Das_Spiel_der_Koenige/index.php?title=Schach_-_Das_Spiel_der_Koenige"]Winterabenden und schlechtem Wetter[/URL] leistete Schach als Zimmersport den Rittern gute Dienste. Gemäß dem religiösen Denken im Mittelalter wurde Schach als Abbild der göttlichen Ordnung gesehen, so sprach der in Bamberg lebende Hugo von Trimberg im 13. Jahrhundert:[QUOTE] Diese Welt gleicht einem Spielfeld, denn wie das Schach hat sie Könige, Grafen, Ritter, Richter und Bauern. Und ganz so führt Gott mit uns sein Spiel durch. Wer sündigen Gedanken nachhängt, dem bietet der Teufel stets Schach und setzt ihm die Seele matt, falls er sich nicht gut zu schützen weiß [/QUOTE] (ebd.)Derselben Quelle nach wurde das Schach deswegen nicht verboten, weil es „unreligiös“ war, denn das war es, wie man sieht, ganz und gar nicht. Es wurde zeitweise verboten, weil das Wettspiel damals weit verbreitet und das Spielen um Geld auch im Schach „übliche Praxis“ war.Die bekannten Regeländerungen des Schachs kurz vor dem Ende des 15. Jahrhunderts symbolisierten dann gewissermaßen das Ende des trägen Mittelalters und den Beginn der stürmischen Neuzeit. Das Schach war zu langsam geworden, um dauerhaft attraktiv bleiben zu können, und außerdem brauchte das Schachspiel eine Vereinheitlichung der Regeln. Denn gewisse regionale Abweichungen sorgten dafür, daß viele Spieler sich vor dem Schachspiel erst auf die Regeln einigen mußten, nach denen die Partie gespielt werden sollte. Hier eine typische Spielszene im Mittelalter:[IMG][Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://i.imgur.com/YHKi5rV.jpg". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://i.imgur.com/YHKi5rV.jpg" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.][/IMG]Hier die Figuren, mit denen im Mittelalter Schach gespielt wurde:[IMG][Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://i.imgur.com/2ZplvGK.jpg". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://i.imgur.com/2ZplvGK.jpg" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.][/IMG]

Beitrag von SeeFree

Oh die Figuren sahen damals ja noch anders aus heute hat man ja keine Reiter auf dem Pferd mehr ;)Aber Turm und Läufer sind schwer zu unterscheiden.

Beitrag von Kiffing

Ich glaube, der Läufer ist die Figur ganz rechts, weil die mit dem Kreuz auf dem Schild und der typischen Kopfbedeckung, die Bischofsmitra, wie ein Bischof aussieht. Der Läufer hieß nämlich früher Bischof, noch im englischen Sprachgebrauch ist das der Bishop.

Beitrag von SeeFree

Ja das dachte ich auch aber trotzdem sieht er dem Turn ganz links sehr ähnlich. Damals waren Bauern nicht wirklich reiche Leute, kann es sein, dass deswegen der Bauer auf dem Bild so klein ist? Das Pferd und der Reiter sehen wie Krieger, heute ist das nur noch ein armes kleines Pferd ;)

Beitrag von sorim

War das Schachfeld damals 12x12 Felder groß?

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=sorim;16043]War das Schachfeld damals 12x12 Felder groß?[/QUOTE]Nein, das Schachbrett war schon immer, also auch schon seit der indischen Urform Tschaturanga 8x8 Felder groß. Es gab im Mittelalter allerdings eine beliebte Abart vom Schach, nämlich das [URL="http://www.schachburg.de/threads/847-Kurierschach"]Kurierschach[/URL]. Das hatte eine Felderanzahl von 12x8, wobei man auf der längeren Seite des Rechtsecks die Figuren stehen hatte, d. h. 2x12.

Beitrag von sorim

Ich habe gefragt, weil auf dem Bild "Hier eine typische Spielszene im Mittelalter" ich 12x12 Felder gezählt habe ;-)

Beitrag von Kiffing

Oha, stimmt. Ist mir gar nicht aufgefallen. Wohl doch nicht so typisch. :D