Schachburg-Archiv: Benutzerthema „War Aljechin ein dominanter Weltmeister?“

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Beitrag von blunder1

Alexander Aljechin (1892-1946) gilt bei vielen Schachfreunden als einer der gröβten Schachspieler aller Zeiten: sein spektakuläres Angriffsschach, der Ruhm, dem “unbesiegbaren” Capablanca 1927 den Weltmeistertitel entrissen zu haben, seine Triumphe in den Turnieren San Remo 1930 und Bled 1931, dazu eine Reihe sehr erfolgreicher Bücher... all das hat dazu geführt, dass er auch oft als einer der dominantesten Weltmeister genannt wird.War er das wirklich?Ich möchte Euch meine Meinung über den Schachspieler Aljechin mitteilen (und hoffe auf die eure) und mich hier nicht über den Menschen Aljechin auslassen, der – gelinde ausgedrückt – sehr umstritten ist.Als Auslandsdeutscher bezog ich 10 Jahre lang die französische Schachzeitschrift Europe Echecs, die häufig auf schachgeschichtliche Themen einging und sich durchaus kritisch gegenüber Aljechin äuβerte; vor allem, dass er immer wieder den stärksten Gegnern ausgewichen sei, aber auch, dass Capablanca während des WM-Wettkampfs 1927 zahlreiche Chancen nicht genutzt hätte, was der bekannte österreichische Groβmeister Rudolf Spielmann schon damals in seinen Kolumnen beklagt hatte.Anfang der 90er Jahre habe ich Warriors of the Mind von GM Keene und Divinsky gelesen. In diesem Buch vergleichen die Autoren die Ergebnisse der ihrer Ansicht nach 64 besten Spieler aller Zeiten untereinander und versuchen auch, eine z.T. rückwirkende Wertungszahl und Rangliste zu ermitteln: In ihrer Liste erscheint Aljechin gerade einmal auf dem 16. Platz.Das Buch ist sehr umstritten und ich glaube auch, das gerade bei Raymond Keene Skepsis angebracht ist, andererseits gibt es glücklicherweise ein objektives Kriterium: die Resultate. Diese lassen sich anhand moderner Datenbanken leicht überprüfen.Nachdem ich mir 2012 die Chessbase-DVD über Aljechin von Dr. Robert Hübner angesehen hatte, bin ich wirklich neugierig geworden und habe im Rahmen meiner Möglichkeiten versucht, der Sache auf den Grund zu gehen: Wie stark war Aljechin wirklich? Gerade Hübner ist meiner Ansicht nach aufgrund seiner Spielstärke, Fairness und sehr genauen Analysen eine Referenz und er kritisiert Aljechins Spiel heftig, vor allem seine voreiligen, ungesunden Angriffe auf unzureichender positioneller Basis und seine Unterschätzung gegnerischer Möglichkeiten. Dazu ist äuβerste Vorsicht bei seinen Partiekommentaren angebracht, wie auch andere bekannten Kommentatoren wie John Nunn, Graham Burgess und John Emms in The World greatest Chess Games darlegen.Aljechin war mit seinen oft ungesunden Angriffen sehr erfolgreich gegen Spieler wie Bogoljubow, Nimzowitsch und Euwe, aber seine mit Abstand gefährlichsten Gegner waren Lasker, Capablanca und Botwinnik:Gegen Lasker konnte er nur eine Partie gewinnen (Zürich 1934) und das auch nur unter sehr günstigen Umständen:Lasker war bereits 65 Jahre alt und hatte sich seit Moskau 1925 vom Turnierschach zurückgezogen; aufgrund einer (unverschuldeten) wirtschaftlichen Notlage musste er zu diesem zurückkehren. Das Turnier war sehr hart: Es gab keinen Ruhetag und abgebrochene Partien mussten am selben Abend wieder aufgenommen werden, was bis zu acht Stunden Schach am Tag führen konnte. Lasker hatte sehr gut begonnen, doch dann ging ihm die Luft aus und er verlor nicht nur seine einzige Partie gegen Aljechin, sondern auch gegen Bogoljubow und Nimzowitsch.Davor (St.Petersburg 1914 und New York 1924), war ihm Lasker eindeutig überlegen gewesen und hatte ihm, bei 2 Remisen, drei schwere Niederlagen beigebracht, beide Turniere gewonnen (New York 1924 im Alter von 55 Jahren!) und den beide Male drittplazierten Aljechin um 3,5 bzw. 4 Punkte überflügelt.Das letzte Mal trafen sie in Nottingham 1936 aufeinander, wo sie remisierten und der 67-jährige Lasker in der Gesamtwertung nur einen halben Punkt weniger als Aljechin erzielte.Auch gegen Capablanca konnte Aljechin nur eine Turnierpartie gewinnen, beim AVRO-Turnier 1938 in den Niederlanden, ebenfalls unter sehr günstigen Umständen (auf den WM-Wettkampf 1927 komme ich noch zurück):Capablanca hatte seinen ersten - in diesem Fall leichten - Schlaganfall erlitten und erzielte das schlechteste Ergebnis seines Lebens. Ich finde es sehr erstaunlich, dass er das Turnier nicht abgebrochen hat.Davor, von St. Petersburg 1914 bis einschlieβlich Nottingham 1936, war Capablanca jedesmal, z.T. sehr deutlich, vor Aljechin gelandet und hatte ihn vier Mal besiegt.Gegen Botwinnik, der ab Mitte der 30er Jahre als der kommende Weltmeister galt, lautet Aljechins Gesamtergebnis +0, =2, -1. Sie trafen in Nottingham 1936 aufeinander und beim AVRO-Turnier 1938. In Nottingham gewann Botwinnik, zusammen mit Capablanca, das Turnier, 1938 wurde er dritter (hinter Keres und Fine); beide Male belegte Aljechin den sechsten Platz.Aljechins Sternstunde war der WM-Wettkampf gegen Capablanca 1927 in Buenos Aires, für den er eine gewaltige, jahrelange Arbeit geleistet hatte, um seine schachlichen Schwächen möglichst auszumerzen, vor allem im Positionsspiel und in seiner Endspielbehandlung.Auβerdem hatte er das Spiel des Kubaners sehr genau analysiert und u.a. festgestellt, dass Capablanca in Lauf der Jahre immer nachlässiger bei der Chancenverwertung geworden war, weil er keinen hartnäckigen Widerstand gewöhnt war.Die ausgekämpften Partien des Matchs habe ich mir 2012, mit Unterstützung von Fritz, genauer angeschaut; auβerdem habe ich auf Kasparows My great Predecessors zurückgegriffen, das diesen Wettkampf von beiden Seiten aus betrachtet.Aljechins Sieg (+6, =25, -3) war verdient, doch wenn man sich die Partien genauer anguckt, stellt man fest, dass Capablanca ungefähr doppelt so viele Gewinnstellungen herausgespielt hat, aber mit seinen Chancen geradezu fahrlässig umging; frappierende Beispiele sind die Partien 9, 12, 17 und 27, die Capablanca leicht hätte gewinnen müssen (die 12. verlor er sogar, womit Aljechin in Führung ging).Capablancas Spielanlage war besser, doch machte er zu oft “den Sack nicht zu”, während Aljechin seine Gelegenheiten verwertete; daher halte ich seinen Sieg auch für verdient. Wie schon Eingangs erwähnt, beklagte Spielmann Capablancas vergebene Chancen in seinen damaligen Kolumnen.Die Gründe für Capablancas enttäuschendes Abschneiden: keine Vorbereitung, sehr schlechte Chancenverwertung und vor allem Selbstüberschätzung; schlieβlich hatte er bis dahin nie gegen Aljechin verloren und galt als haushoher Favorit.Der Kubaner zog seine Lehren aus dieser Niederlage und fing an, deutlich mehr Turniere zu bestreiten; Aljechin wusste von seiner Stärke, und wich ihm bis zu dem Verlust seines Weltmeistertitels 1935 gegen Max Euwe (den er 1937 zurückeroberte) aus:Einen Revanchewettkampf, auf den Capablanca drängte, verhinderte Aljechin , indem er sich – zumindest offiziell - auf das Londoner Abkommen berief, das Capablanca 1922 als Weltmeister möglichen Anwärtern vorgeschrieben (aufgenötigt?) hatte. Es besagte u.a., dass der Herausforderer 10.000 Dollar als Preisfonds aufbringen müsste. In Wirklichkeit verlangte er von Capablanca – und zwar nur von ihm – diese Summe in Gold, was umgerechnet 18.000 Dollar entsprach. Dies machte dieses Match gerade in den 30er Jahren, als die Welt noch unter den Folgen der verheerenden Wirtschaftskrise von 1929 litt, unmöglich.Aber auch in Turnieren wich Aljechin Capablanca nicht nur aus, er versuchte sogar mit allen Mitteln, dessen Teilnahme zu verhindern.Als die Organisatoren des Turniers San Remo 1930 Aljechin einluden, verlangte er eine Antrittsgage in Höhe von 20.000 Lire, im Falle von Capablancas Teilnahme das Doppelte. Der Kubaner wurde nicht eingeladen.Ich halte Aljechins souveräne Siege in San Remo 1930 und Bled 1931 für seine besten Turnierleistungen, aber es bleibt ein sehr bitterer Nachgeschmack.Nach dem Verlust seines Weltmeistertitels 1935 konnte Aljechin keine derartigen Forderungen mehr stellen und das Jahr darauf trafen er und Capablanca nach 9(!) Jahren in Nottingham endlich wieder aufeinander: Capablanca gewann, zusammen mit Botwinnik, das Turnier und siegte auch im direkten Vergleich gegen Aljechin, der sechster wurde.Ich erlaube mir eine kurze Zusammenfassung:1.) Aljechin hat seine ganze Karriere über gegen die stärksten Gegner (Lasker, Capablanca und Botwinnik) schlecht abgeschnitten – von einer Ausnahme (Wettkampf 1927 gegen Capablanca) abgesehen.2.) Aljechin hat nie ein Superturnier gewonnen, d.h. ein Turnier, an welchem die zu der Zeit stärksten Rivalen teilnahmen.Wenn zumindest zwei der drei gefährlichsten Kontrahenten am Start waren, hat Aljechin nie mehr als den dritten Platz erringen können, von St. Petersburg 1914 bis einschlieβlich AVRO 1938.3.) Er wich seinen gefährlichsten Rivalen immer wieder aus.Ich halte Aljechin für einen groβen Spieler, aber Dominanz sieht anders aus; Lasker und Kasparow z.B. haben die Schachwelt über Jahrzehnte hinweg dominiert.Ich bezweifel sogar, ob er zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Karriere wirklich der stärkste Spieler der Welt war.Wie seht Ihr das?Weitere Quellen:Um die Weltmeisterschaft im Schachspiel von Friedrich Karl Igel (1950)Die Lasker-Biographie von Jacques Hannak (1952)Das Schachgenie Aljechin von I. und W. Linder (1992)Das groβe Buch der Schach-Weltmeisterschaften von André Schulz (2015)Chess Notes von Edward Winter (chesshistory.com)

Beitrag von Kiffing

Ich halte Aljechin ja nach wie vor für einen der genialsten Spieler aller Zeiten. Sein Spiel wies eine Dynamik, eine Fülle von kreativen Ideen und eine Geradlinigkeit auf, wovon ein Capablanca nur träumen konnte. Ich kenne die Schach-WM 1927 zwischen Aljechin und Capablanca aus Kasparovs Vorkämpfer-Reihe. Selbst wenn es stimmen sollte, dass Capablanca sich doppelt so viele Gewinnstellungen herausgespielt habe, so war ihm Aljechin in der sicher auch nicht zu unterschätzenden Kunst eben deutlich überlegen, diese Gewinnstellungen auch zu verwerten. Aljechin besaß den Killerinstinkt, der Capablanca fehlte. Dieser hatte sich zu sehr auf sein angeborenes Positionsgefühl verlassen und seine Fähigkeiten überschätzt. Aljechin selbst hatte sich gründlich vor der WM mit Capablancas Partien auseinandergesetzt, und ihm waren vergleichsweise viele Schwächen im Spiel Capablancas aufgefallen, die von seinen Gegnern lediglich nicht ausgenutzt wurden. Aljechins Herangehensweise an das WM-Match war, wenn man so will, eine Meisterleistung, die noch heute als wertvolle Pionierleistung und Maßstab für eine Wettkampfvorbereitung für bedeutende Zweikämpfe angesehen wird.Anfang der 1930er Jahre war Aljechin auf dem Höhepunkt seines Könnens. Er siegte mit 14/15 in San Remo 1930 und mit 20,5/26 in Bled. Spielern wie Bogoljubow und Nimzowitsch, den Aljechin dabei in 30 bzw. 19 Zügen abfertigte, mag man sicherlich eine gewisse Einseitigkeit vorwerfen können, aber sie waren eben doch internationale Spitzenspieler mit einer großen Erfahrung und einem großen Renommee. Aljechins Spiel war in dieser Zeit von einer solchen Überlegenheit, dass er, wie bei der WM 1935 gegen Euwe, nur an sich selbst scheitern konnte. Aber er hatte daraus seine Lehre gezogen und die Verhältnisse zwei Jahre später im Rückkampf mit einem klaren 15,5 zu 9,5 wieder gerade gerückt. Dass es nicht zu einem Rückkampf gegen Capablanca kam, ist natürlich schade. Allerdings hatte auch Capablanca seinen Teil dazu beigetragen, als er nach den Erfahrungen aus dem Match gegen Aljechin den Modus ändern wollte, den er selbst während der Londoner Vereinbarung 1922 den anderen Spielern aufgezwungen hatte. Aljechin selbst, der damals unterschrieben hatte, hat, wie du auch selbst sagst, immer wieder darauf hingewiesen. Lasker und Botwinnik waren eine andere Generation, wobei ich Aljechin für wesentlich dominanter halte als Botwinnik, der sich in seinen WM-Kämpfen bekanntlich sehr schwer tat und immer mal wieder seinen Titel verlor. Im Spiegel ihrer Epoche steht für mich Aljechin klar vor Botwinnik. Was Lasker angeht, so waren allein die Siege von Aljechin meist um Längen souveräner als die Siege Laskers, die dieser meistens wenig geradlinig, sondern oft nach einem kuriosen Verlauf für sich entscheiden konnte. Auch wenn hinter all dem ein ausgeklügeltes Konzept gestanden hat, das von seinen Zeitgenossen nicht verstanden wurde, wirkten die Siege Laskers viel zu oft zufällig. Aber das kann in den Bereich der persönlichen Vorlieben gehören.

Beitrag von blunder1

[QUOTE=Kiffing;29067]Ich halte Aljechin ja nach wie vor für einen der genialsten Spieler aller Zeiten. Sein Spiel wies eine Dynamik, eine Fülle von kreativen Ideen und eine Geradlinigkeit auf, wovon ein Capablanca nur träumen konnte.[/QUOTE] “Genialität” bei Schachspielern ist Geschmackssache: Die meisten Schachfans ziehen einen Tal einem Petrosjan vor, obwohl beide groβe Spieler waren. Zu behaupten, dass Aljechin Capablanca auf kreativem Gebiet so überlegen gewesen sei, ist einfach falsch: positionelle Kreativität ist genauso wertvoll wie taktische, auβerdem hat Capablanca eine Reihe von taktischen Glanzleistungen abgeliefert.Aljechins Spiel wies groβe Stärken, aber auch eindeutige Schwächen auf; ich kann nur noch einmal auf die Chessbase-DVD von Hübner hinweisen.In meinem Thema geht es nicht um Stil oder Geschmack, sondern um die Spielstärke und da gibt es glücklicherweise ein objektives Kriterium: die Ergebnisse. Diese kann jede(r) Interessierte mit Hilfe von Datenbanken und Turniertabellen leicht nachprüfen.[QUOTE=Kiffing;29067]Selbst wenn es stimmen sollte, dass Capablanca sich doppelt so viele Gewinnstellungen herausgespielt habe[/QUOTE]
  1. Spielmann hat es während des Wettkampfs hervorgehoben.
  2. Capablanca hat es nach dem Wettkampf erwähnt.
  3. Warum machst Du dir nicht selber ein Bild? Warum machst Du nicht das, was ich vor 6 Jahren getan habe? Mit einem Programm die ausgekämpften Partien analysieren. Ich zitiere in meinem Thema auch Beispiele.
[QUOTE=Kiffing;29067]Aljechin besaß den Killerinstinkt, der Capablanca fehlte.[/QUOTE]Glaubst Du wirklich, dass Capablanca der Killerinstinkt fehlte, der unbedingt erforderlich ist, wenn man im Schach ganz nach oben will? Warum seine Chancenverwertung so schlecht war, habe ich bereits in dem Thema erwähnt.Ich bin der erste, der hervorhebt, dass Aljechin den Wettkampf verdient gewonnen hat: aufgrund seiner Vorbereitung und seiner Chancenverwertung.[QUOTE=Kiffing;29067]Spielern wie Bogoljubow und Nimzowitsch, den Aljechin dabei in 30 bzw. 19 Zügen abfertigte[/QUOTE]Bogoljubow und Nimzowitsch spielten einfach nicht in der gleichen Liga. Gucke die bitte einmal ihre Partien gegen Lasker (den Sonderfall Zürich 1934 beschreibe ich in meinem Thema) und Capablanca an: Sie hatten keine Chance. Gegen Aljechin zumindest konnte Bogoljubow gewinnen, auch wenn er deutlich mehr Partien verlor.Wenn ein Groβmeister auf diese Art in 19 Zügen verliert (ich kenne die Partie), dann hat er einen ganz schwachen Tag erwischt, ist erkrankt oder hat einen psychischen Zusammenbruch erlitten. Dass Aljechin stärker als Nimzowitsch war, steht nicht zur Debatte.Aljechins Score in San Remo und Bled ist beeindruckend, aber die entscheidende Frage ist, gegen welche Gegner er ihn erzielt hat. Ich verweise auf Punkt 2 meiner Zusammenfassung, und der gilt für Aljechins gesamte Karriere. Was soll das bitte für eine Dominanz sein? Höchstens den dritten Platz erringen, wenn die stärksten Gegner am Start sind und denen möglichst oft ausweichen.[QUOTE=Kiffing;29067]...nur an sich selbst scheitern konnte.[/QUOTE]Warum ist er dann seinem damals gefährlichsten Rivalen 9 Jahre lang mit allen Mitteln ausgewichen?[QUOTE=Kiffing;29067]Dass es nicht zu einem Rückkampf gegen Capablanca kam, ist natürlich schade. Allerdings hatte auch Capablanca seinen Teil dazu beigetragen, als er nach den Erfahrungen aus dem Match gegen Aljechin den Modus ändern wollte, den er selbst während der Londoner Vereinbarung 1922 den anderen Spielern aufgezwungen hatte. Aljechin selbst, der damals unterschrieben hatte, hat, wie du auch selbst sagst, immer wieder darauf hingewiesen.[/QUOTE]Die entscheidende Frage ist: Warum bestand Aljechin bei Capabalanca – als einzigem – auf 10.000 Dollar in Gold, was damals 18.000 “normalen” Dollar entsprach? Warum verlangte er von Capablanca nahezu das Doppelte?[QUOTE=Kiffing;29067]wobei ich Aljechin für wesentlich dominanter halte als Botwinnik[/QUOTE]Das sehe ich ganz anders: In den 40er Jahren - ich glaube, schon Ende der 30er, wenn auch nicht so deutlich - war Botwinnik mit Abstand der beste Spieler der Welt. In den 50er und 60er Jahren, als Botwinnik über 40/50 Jahre (*1911) alt war, dominierte er die Schachwelt in der Tat nicht mehr, gehörte aber immer noch zu den Besten, eine Art primus inter pares. [QUOTE=Kiffing;29067]Was Lasker angeht, so waren allein die Siege von Aljechin meist um Längen souveräner als die Siege Laskers, die dieser meistens wenig geradlinig, sondern oft nach einem kuriosen Verlauf für sich entscheiden konnte. Auch wenn hinter all dem ein ausgeklügeltes Konzept gestanden hat, das von seinen Zeitgenossen nicht verstanden wurde, wirkten die Siege Laskers viel zu oft zufällig.[/QUOTE]Dass dir Aljechins Stil besser gefällt als Laskers, ist reine Geschmackssache, wie ich schon erwähnt habe, geht es bei dem Thema um Spielstärke und man kann beim Schach – glücklicherweise - mit verschiedenen Stilen erfolgreich sein.In dem Thread Magnus Carlsen: Der Lasker des 21. Jahrhunderts? bin ich ausführlich auf deine Antwort eingegangen. Die alten Märchen (dixit Hübner) bezüglich seines Stils sind seit geraumer Zeit überzeugend widerlegt.

Beitrag von Kiffing

Es hat schon einige [URL="http://www.schach-wolfsberg.at/beitrag-anzeigen/items/die-genialitaet-des-schachspielers.html"]interessante Versuche[/URL] gegeben, Genialität zu definieren, und auch hier kann man gut die Weltmeister in genial und nicht genial einordnen. Euwe war zum Beispiel nicht ideal, Aljechin wird immer wieder in einem solchen Zusammenhang genannt. Er wird übrigens auch in einem weiteren Zusammenhang genannt, nämlich bei der Einteilung in starke Weltmeister und gewöhnliche Weltmeister wird er immer wieder in die Reihe der großen Weltmeister eingeordnet. Nicht zufällig war er zwischen 1927 und 1946 mit einer kurzen Unterbrechung Schachweltmeister. Wenn Aljechin und Capablanca jahrelang nicht im selben Turnier spielten, dann kann man dies spielerisch weder für noch gegen Aljechin verwenden. Es ist wie bei den Nichtwählern bei Wahlen, man weiß nicht, wie sie abgestimmt hätten. Fischer kann man zwar menschlich seinen Verzicht auf die Schach-WM 1975 gegen Karpov vorwerfen, aber nicht schachlich, denn auch hier wissen wir wieder nicht, wie das Spiel ausgegangen wäre. Ja, die [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Alexandrowitsch_Aljechin". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "Ergebnisse von Aljechin" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] sind objektiv nachprüfbar. Und da sehe ich massenweise erste Plätze von Aljechin, da liegt er meistens auf Rang eins und zeichnete sich gleichzeitig durch eine lobenswerte Spielfreudigkeit aus. Nach dem von dir erwähnten New York 1927 kam Aljechin bis Hastings 1933/34 in 14 Wettbewerben in Folge sogar auf Rang eins (geteilte Siege mitgerechnet) und spielte dazwischen auf Brett eins für Frankreich formidable Schach-Olympiaden, davon eine (Hamburg 1930) mit 9/9.Besagter Bogoljubow war übrigens wie Nimzowitsch über einen langen Zeitraum internationaler Spitzenspieler. Während Bogoljubow auf die historische Elozahl von 2768 kam, übertraf das Nimzowitsch noch mit 2780. Beiden Spielern also derart überlegen gewesen zu sein, ist für mich in der Tat ein Zeichen von Aljechins Dominanz. Die Schach-WM 1927 kenne ich schon aus der Vorkämpferreihe und hier war Aljechin auch spielerisch die Krönung seiner Karriere gelungen. Es war ja keine einmalige Partie gewesen, sondern ein hartes Ringen bis zu sechs Gewinnpartien mit insgesamt 34 Partien. Da halte ich diese Veranstaltung durchaus für aussagekräftig, die aktuell laufende WM zwischen Carlsen und Caruana wirkt im Vergleich dazu geradezu kurz. Warum ich darauf nicht ausführlicher eingegangen bin, wer wann und wo während des Wettkampfes besser gestanden habe, liegt daran, dass es mich schlichtweg nicht interessiert. Oder, um es mit den Worten von Lukas Podolski zu sagen: Die Wahrheit liegt auf dem Platz. :sp_laugh:Wegen Botwinnik: Inwiefern Botwinnik tatsächlich "primus inter pares" gewesen sei, als solcher er sich selbst gern darstellte, halte ich gar nicht für so unumstritten. Im Jahre 1958 gab es einen interessanten [URL="http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41759438.html"]Spiegel-Artikel[/URL], in dem die Bilanz von Botwinnik aus den Spielen gegen Smyslov, Keres und Bronstein ausgewertet wurde:[QUOTE]Botwinnik erzielte - aus 91 gegen Smyslow gespielten Partien insgesamt drei Pluspunkte mehr als sein Gegner (ein Pluspunkt zählt für eine gewonnene oder zwei unentschiedene Partien), - aus 14 gegen Keres gespielten Partien insgesamt drei Pluspunkte, - aus 29 gegen Bronstein gespielten Partien insgesamt einen Pluspunkt mehr.[/QUOTE] Wie wenig Botwinnik hierbei eine Dominanz aufweisen konnte, zeigen doch seine immer mal wieder verlorenen Weltmeisterschaften, wobei er seinem Rivalen Tal im Rückkampf sogar eine krankheitsbedingte Verschiebung des Rückkampfes verweigerte. Das Attest, was Tal vorgelegt hatte, hatte Botwinnik nicht akzeptiert und eine Untersuchung in Moskau gefordert. Tals Fehler war es, Botwinniks Forderungen nicht widerstanden zu haben. Er war eben aus einem anderen Holz geschnitzt als Botwinnik und hatte auf solche Machtkämpfe keine Lust.

Beitrag von blunder1

Wir scheinen andere Prioritäten zu setzen:Aljechin hat eine Reihe von Turnieren gewonnen, gemäβ I. und W. Linder 62 von den 87, die er insgesamt bestritten hat. Die Anzahl ist beeindruckend, aber ich sehe das ein bisschen als “Masse statt Klasse”, da er nie ein Superturnier gewonnen hat. Für mich ist die Stärke der Gegner von ausschlaggebender Bedeutung.Du erwähnst sein 9/9 bei der Olympiade 1930 und zählst es zu formidablen Leistungen. Das sehe ich anders:Es nahmen 18 Mannschaften teil und das Turnier wurde im round-robin-Modus ausgetragen, also 17 Runden, jede Mannschaft gegen jede. Polen gewann mit dem überragenden Rubinstein am 1. Brett, der 15/17 holte, also alle Runden spielte. Aljechin spielte nur die Hälfte davon und er trat nicht gegen die Spitzenteams an.Welche Leistung wiegt schwerer? Ich schlieβe mich GM Tischbiereks Meinung an, dass Rubinsteins Ergebnis wertvoller ist, obwohl er “nur” 88% der Punkte holte. Warum spielte Aljechin nur gegen die schwächeren Teams? Die Antwort drängt sich auf: Er hat wieder einmal gekniffen, was sich wie ein roter Faden durch seine Karriere zieht.Genauso mit seinem Weltmeistertitel. Sicher, er war lange Weltmeister, doch wie oft hat er seinen Titel verteidigt? Gegen wen?Meiner Ansicht nach kann man den ersten Wettkampf gegen Bogoljubow (1929) noch vertreten, da dieser mit Moskau 1925 und Bad Kissingen 1928 seine – mit groβem Abstand – besten Turnierleistungen vorweisen konnte, aber der zweite (1934) war ein schlechter Witz.Unter meinen Quellen nenne ich das Buch von Friedrich Karl Igel (1950). Es spricht Bände, dass diese Wettkämpfe nicht in das Buch aufgenommen wurden, da sie als uninteressant gewertet wurden.Igel würdigt Aljechins Schaffen, aber erwähnt natürlich auch, dass er nicht siegte, wenn die stärksten Gegner am Start waren und dass Aljechin auswich, was nicht für seine Sicherheit sprach.Max Euwe war ein sehr starker, reiner Amateur, aber er wird meines Wissens immer als der schwächste aller Weltmeister angesehen.Wenn der 2. Weltkrieg nicht ausgebrochen wäre, hätte es möglicherweise 1939/40 den Wettkampf Aljechin-Botwinnik gegeben; die Verhandlungen waren nach AVRO 1938 aufgenommen worden und schon recht weit fortgeschritten. Ich bin mir sicher, dass Botwinnik gewonnen hätte.Was Botwinnik angeht, so hat er seinen Zenit Ende der 30er und vor allen in den 40ern ereicht, als er noch nicht vierzig Jahre alt war. In der Zeit dominierte er die Schachwelt eindeutig. Zu den 50ern und 60ern habe ich mich ja bereits geäuβert.Ist sein primus inter pares nicht so gemeint gewesen, dass er zwar den Titel trug, aber die anderen Topspieler nicht überragte?

Beitrag von blunder1

Ich würde mein Thema gerne vervollständigen; allerdings muss ich mich dann auch über den Menschen Aljechin auslassen, was leider keine erquickliche Lektüre ist. Kiffings Beitrag in der Metaebene Alexander Aljechin zwischen Opportunismus und Kollaboration, der Aljechins schändliche Rolle während des 2. Weltkriegs sehr gut wiedergibt, kann ich nur empfehlen.Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, aufzuzeigen, dass bei Aljechin Vorsicht geboten ist und man genauer hinschauen sollte, bevor man sich ein Urteil bildet.Ein gutes Beispiel ist das scheinbar perfekte 9/9, das Aljechin 1930 auf der Schacholympiade in Hamburg erzielt hat und das in diesem Thread bereits zur Sprache kam: auf den ersten Blick überragend, doch sobald man sich mit der Art und Weise befasst, wie es zustande gekommen ist, verliert es sehr an Glanz.Äuβerste Vorsicht ist auch bei Aljechins Partiekommentaren angebracht, wie Experten wie z.B. Hübner, Nunn, Emms oder Burgess festgestellt haben. Sicher, er konnte im Gegensatz zu modernen Kommentatoren nicht auf Computerunterstützung zurückgreifen, aber sie enthalten so viele Fehler und Unterlassungen (vor allem gegnerische Möglichkeiten), dass von guter Arbeit nicht die Rede sein kann.Erschwerend kommt hinzu, dass Aljechin ein exzessives Geltungsbedürfnis hatte und es ihm an Moral mangelte. Er scheute nicht davor zurück, Partien zu schönen bzw. zu konstruieren und sie dann als tatsächlich gespielt zu präsentieren. Das berüchtigste Beispiel, von dem ich weiβ, ist seine “5-Damen-Partie” gegen Nikolai Grigorjew.Aljechin wusste selber, dass er keineswegs der alles überragende Spieler war, wie sein “starken-Gegnern-möglichst-Ausweichen” beweist. Dieses “Kneifen” zieht sich wie ein roter Faden durch seine Karriere:Am 20. Juli 1914 begann der 19. Ordentliche Kongress des Deutschen Schachbundes in Mannheim (das Turnier wurde nach der 11. Runde abgebrochen, weil der 1. Weltkrieg begonnen hatte). Lasker war als Ehrengast eingeladen, spielte aber selber nicht - er wollte sich auf den im Herbst angesetzten WM-Wettkampf mit Rubinstein vorbereiten, der dann ebenfalls dem Kriegsausbruch zum Opfer fiel. Aljechin zögerte bis zur letzten Sekunde mit seiner Zusage; erst als feststand, dass Capablanca nicht teilnahm, gab er seine Zustimmung.Andere Beispiele sind in dem Thread bereits erwähnt worden: sein Verhalten nach 1927 Capablanca gegenüber, die Wahl seiner Herausforderer und wie er das 9/9 1930 in Hamburg erzielte.Aljechin war sich immer bewusst, dass er Capablanca nicht überlegen war:Nach dessen Tod 1942 arbeitete Aljechin an einem Konzept zu einem Buch, in dem er sich offen äuβert: “Wie kam es, dass er gegen mich verlor? Ich muss gestehen, dass ich diese Frage auch heute nicht genau beantworten kann, da ich 1927 nicht glaubte, Capablanca überlegen zu sein. Hauptgrund für seine Niederlage war vielleicht die Überschätzung seiner eigenen Kräfte, die aus dem überwältigen Sieg im New Yorker Turnier 1927 resultierte und gleichzeitig zu einer Unterschätzung meiner Möglichkeiten führte.” (I. und W. Linder, Seite 194)Zeitgenossen sahen auch in den 20er Jahren Aljechin keineswegs als den logischen Herausforderer Capablancas an.Nach seinem Sieg im Londoner Turnier 1922 setzte Weltmeister Capablanca das Londoner Abkommen durch, das von den anwesenden Groβmeistern, darunter Aljechin, unterschrieben wurde und das die Regeln für einen WM-Wettkampf festlegte. Unangefochtener erster Anwärter unter den Anwesenden war Rubinstein, der viel gröβere Erfolge vorweisen konnte als z.B. Aljechin. Capablanca setzte Rubinstein eine Frist (bis zum 31.12.1923), binnen der der Pole die 10.000 Dollar Preisfonds aufbringen musste. Da dieser dazu nicht in der Lage war, trat Aljechin ab dem 1.1.1924 sozusagen als Ersatzmann in seine Fuβstapfen.Nach Laskers Comeback mit den Turniersiegen in Mährisch-Ostrau 1923 und vor allem New York 1924 wünschte sich die Schachwelt einen zweiten Wettkampf Capablanca-Lasker, denn letzterer hatte eindrucksvoll bewiesen, dass seine Niederlage 1921 in Havanna gegen den Kubaner nicht den wahren Lasker gezeigt hatte (u.a. vertrug der damals 52-jährige Lasker das tropische Klima nicht und musste sich nach dem Wettkampf monatelang in Kur begeben). Auβerdem hatte er sich auch in New York Aljechin haushoch überlegen gezeigt.Erst als Lasker verkündete, das er aus kreativen Gründen einen Wettkampf mit Capablanca begrüβen würde, aber nicht um den WM-Titel spielen wollte, rückte Aljechin wieder ins Rampenlicht.In den Augen der damaligen Schachwelt war Aljechin also, in der Rangfolge sportlicher Meriten, Herausforderer Nr. 3.Auch kurz nach seinem Tod galt Aljechin bei vielen Schachfans als sehr guter Spieler, aber keineswegs als der alles dominierende Weltmeister, wie z.B. das damals meines Wissens erfolgreiche Buch von Friedrich Karl Igel zeigt (s. mein Beitrag #5 zu diesem Thread).Warum ist Aljechins Reputation als “Schachgenie” dann im Lauf der Zeit immer mehr gestiegen?Ich glaube die Antwort zu kennen, wobei ich mir erlaube, aus eigener Erfahrung und Unterredungen mit Schachfreunden meiner Generation Schlüsse zu ziehen; allerdings lasse ich mich gern eines Besseren belehren.Die Antwort lautet Propaganda.Zuerst einmal war Aljechin ein geschickter Propagandist in eigener Sache. Als erfolgreicher und demzufolge einflussreicher Schachbuchautor mit einem exzessiven Geltungsbedürfnis hat er es verstanden, sich mit häufig schlechten und tendenziösen Partiekommentaren als der groβe Künstler am Brett, als kreatives Genie darzustellen.Dazu kommt sowjetische Propaganda. Schach war für die Sowjetunion von gröβter Bedeutung und sollte dazu herhalten, die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung zu beweisen. Gigantische Anstrengungen und Investitionen waren getätigt worden, um das sowjetische Schach voranzubringen und der Weltmeistertitel und der Sieg bei den Schacholympiaden waren Pflicht.Interessierten usern kann ich das Buch Russians vs Fischer empfehlen, das nach Zusammenbruch der Sowjetunion erschien. Es beschreibt sehr anschaulich die regelrechte Panik, die Fischers Sturm auf die Schachkrone auslöste, die Anstrengungen, besonders Spasski gut vorzubereiten, und die sehr harten Sanktionen, mit denen die sowjetischen Spieler bestraft wurden, die es “gewagt” hatten, gegen Fischer hoch zu verlieren, allen voran Taimanow [I was Fischers Victim]. Auβerdem wird die unglaubliche Unterstützung Karpows, sobald er als Herausforderer Fischers feststand, detailliert dargelegt.Zu den riesigen Anstrengungen gehörte eine dementsprechende Schachliteratur; manche Bücher erschienen in sechsstelliger Auflage.Die spezifischen Eröffnungs-/Endspielbücher waren sehr gut, doch heikler wurde es, wenn die Entwicklung des sowjetischen Schachs beschrieben wurde, was u.a. Kotow und Suetin oblag; schlieβlich musste die sowjetische Schachschule – und, zumindest zwischen den Zeilen, die Gesellschaftsordnung - als die einzig richtige präsentiert werden.Als Vorväter des Sowjetschachs wurden Tschigorin und Aljechin verherrlicht und, obwohl beide unbestritten groβe Spieler waren, zu positiv dargestellt. Mängel in ihrem Spiel und Resultaten – von charakterlichen Defiziten ganz zu schweigen – wurden entweder verharmlost oder gar unter den Teppich gekehrt. Bei Interesse kann ich gerne Beispiele folgen lassen.Dieser “Russenkult” mit sehr ausgeprägten nationalistischen Zügen beschränkte sich nicht nur auf das Schach, z.B. sollte nicht Edison, sondern ein Russe die Glühbirne erfunden haben.Genau diese Schachliteratur hat mich geprägt, als ich als ganz junger Mensch mit dem Schach begann. Von den Schachinformatoren abgesehen, bestand sie fast nur aus diesen Werken, die ich in deutscher Übersetzung (Sportverlag, damalige DDR) besaβ; auβerdem waren sie für westliche Verhältnisse sehr günstig. Und selbstverständlich habe auch ich anfangs Aljechin für einen der dominantesten und genialsten aller Schachweltmeister gehalten, bis mit Europe Echecs usw., wie am Anfang meines Themas beschrieben, das kritische Erwachen begann.Zum Abschluss ein kleines Schmankerl:2013 empfingen meine damalige Partnerin und ich Schachfreunde in unserer Altersklasse zu Besuch, die ebenfalls mit dieser Literatur schachlich aufgewachsen waren. Nach angeregter Diskussion, die zuerst einem der Herren (groβer Aljechin-Fan) gar nicht behagte, sagte sie lachend: “Ihr seid alle sowjetischer Propaganda auf den Leim gegangen!” Ich kann nur noch einmal die Chessbase-DVD über Aljechin von Hübner empfehlen, wenn user eine sehr kompetente und faire Analyse seines Spiels wünschen.

Beitrag von ToBeFree

(Wow! Thema vergoldet. :) )Kiffings Thread, auf den oben verwiesen wird, befindet sich hier: [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/943-Alexander-Aljechin-zwischen-Opportunismus-und-Kollaboration". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://www.schachburg.de/threads/943-A ... laboration" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]Gerne kann ich diesen Link auch in deinen Beitrag integrieren, blunder1, wenn man auf "Alexander Aljechin zwischen Opportunismus und Kollaboration" klickt. Dieser Text ist in deinem Beitrag kursiv gedruckt und wäre hierfür geeignet. Falls das gewünscht ist, bitte einmal kurz per PN oder hier Bescheid sagen.

Beitrag von blunder1

Danke für die Auszeichnung.Mit dem Integrieren des Links bin ich natürlich gerne einverstanden (Kiffings Thema ist einfach nur hervorragend).

Beitrag von Hensman

Mir steht eigentlich kein Urteil über dieses Thema zu,da ich nicht so gut informiert bin,wie meine Vorschreiber.Nur soviel:Capablanca,genannt "Schachmaschine",hatte in 10 Jahren nur eine Turnierpartie verloren(gegen Reti),ferner hatte Aljechin vor dem WM Kampf noch nie gegen Capa gewonnen!!!Und mit 6 zu 3 Siegen hat er doch deutlich gewonnen.Keine Frage,Aljechin gehört zu den Grössten.

Beitrag von blunder1

[QUOTE=Hensman;29106]Nur soviel:Capablanca,genannt "Schachmaschine",hatte in 10 Jahren nur eine Turnierpartie verloren(gegen Reti),ferner hatte Aljechin vor dem WM Kampf noch nie gegen Capa gewonnen!!!Und mit 6 zu 3 Siegen hat er doch deutlich gewonnen.Keine Frage,Aljechin gehört zu den Grössten.[/QUOTE]Wenn es um "Gröβe" bzw. "Genialität" eines Spielers geht, so ist dies meiner Ansicht nach subjektiv, eine Frage des Geschmacks.Bei meinem Thema geht es um die Frage, ob Aljechin ein dominanter Weltmeister war, also eindeutig der stärkste Spieler seiner Epoche. Das war er mit Sicherheit nicht, was man anhand seiner Resultate/Platzierungen, wenn die stärksten Gegner am Start waren, belegen kann. Dabei handelt es sich um Fakten, nicht um Meinung bzw. Geschmack.Die 10 Jahre ohne Niederlage Capablancas (Lasker u. Tarrasch, St. Petersburg 1914 - Reti, New York 1924) sind ein weit verbreiteter Irrtum: Am 7.2.1916 verlor er während des Rice-Memorials in New York eine Partie gegen Oscar Chajes.Allerdings war er nur schwer zu schlagen: Seine ganze Karriere über (er spielte allerdings nie wirklich viel) verlor er nur 36 ernste Partien.Was den Wettkampf 1927 angeht, so hat ihn Capablanca in meinen Augen eher verloren, als dass Aljechin ihn gewonnen hätte. Wenn man so viele Chancen nicht nutzt...Das ändert nichts daran, dass Aljechins Sieg verdient war; die Chancenverwertung ist von entscheidender Bedeutung, wenn man im Schach Erfolg haben will.

Beitrag von Hensman

Trotzdem glaube ich,wenn jemand 17 Jahre Weltmeister war und eine historische Elozahl von 2860 hatte,kann man ihn getrost einen dominanten Weltmeister nennen.

Beitrag von Kiffing

Ich sehe es natürlich wie schon hervorgebracht ähnlich wie Hensman. Trotzdem schätze ich die Beiträge von blunder1, da sie sachlich fundiert sind und es auch interessant sein kann, sich mit Meinungen auseinanderzusetzen, die radikal vom Mainstream abweichen. Sowjetische Propaganda oder Aljechins PR-Strategien als Grund für die Hochschätzung Aljechins schachlicher Qualitäten heranzuziehen, halte ich für ein wenig hochgegriffen. Ganz so weit geht der Einfluss Moskaus dann doch nicht, zumal Aljechin zwar Russe, wohl aber Abtrünniger war, der sich nach seinem Exil und diversen kritischen Kommentaren gegenüber den Bolschewiken durchaus sorgen musste, einem Anschlag des berüchtigten sowjetischen Geheimdienstes zum Opfer zu fallen. Allerdings hat er als Heimatloser trotz seiner opponenten Haltung gegenüber der stalinistischen Terrorherrschaft ungeheuer an seinem Exil und der damit verbundenen Wurzellosigkeit gelitten, deswegen sein Gesuch in den 30er Jahren, zurück in die Heimat zu dürfen. Deutsche Emigranten während der NS-Herrschaft werden dies nachvollziehen können, da hat es in der Szene viele Selbstmorde gegeben. Was Aljechins PR-Tätigkeiten angeht, so halte ich sie nicht für signifikant anders, als was andere Schachspieler zur Vermarktung ihrer Partien getan haben. Dies gilt umso mehr, als dass in diesen Zeiten der Existenzkampf auch unter den stärksten Spieler der Welt hart war. Allein vom Schach zu leben, war damals ein ständiger Drahtseilakt. Da bringt man selbst sich auch auf Kosten der Objektivität lieber einmal zuviel in ein helles Licht als einmal zu wenig, weil man auf lukrative Antrittsgelder, Einladungen zu den bedeutendsten Schachturnieren und auf andere Werbeverträge angewiesen war. Außerdem liegen sämtliche Partien von den historischen Schachturnieren doch seit Jahrzehnten offen in den Datenbanken und für jeden einsehbar. Was den Vergleich zwischen Aljechin und Capablanca angeht, so möchte ich mich auf zwei Schachgrößen berufen. Garri Kasparov sprach in seiner Vorkämpfer-Serie davon, dass Capablanca das Schach in eine stilistische Sackgasse geführt habe. Seine Spielweise habe deswegen keine Nachfolger und damit keine Weiterentwicklung gefunden. An der damals grassierenden Remistod-Debatte gab Kasparov Capablanca eine gehörige Mitschuld. Aljechin dagegen habe das Schach in dynamischer und schöpferischer Hinsicht weiterentwickelt und das Schach aus dieser Sackgasse befreien können. Der Schachlehrer John Watson weist Aljechin sogar die Rolle des ersten Schachmeisters zu, der das Schachspiel in die moderne Epoche geführt habe. Dabei verwendet er einen anderen Bewertungsmaßstab als den tradierten, nach dem das moderne Schach erst durch die Steinitzschen Reformen entwickelt worden sei. Für Watson war Aljechin der erste moderne Spieler gewesen. Aljechin sei der erste Spieler gewesen, der auch nach heutigen Maßstäben über ein profundes Eröffnungswissen verfügt habe. Außerdem seien selbst Aljechins Vorgänger wie Lasker, Tarrasch, Capablanca oder Rubinstein zu beschränkt gewesen und in ihren Glaubenssätzen gefangen, während Aljechin der erste große Spieler gewesen sei, der die Fähigkeit besessen habe, eine Stellung aus sich selbst heraus zu betrachten und ihr ihre Geheimnisse zu entlocken. Aljechin sei für ihn auch deswegen der erste moderne Meister der Schachgeschichte gewesen, weil er sich als erster Spieler völlig unabhängig von allgemeinen Regeln gemacht habe. Auch wenn Aljechin Capablanca solange ausgewichen war, so ist es auch bei anderen Gegnern eine Leistung, nahezu jedes Turnier zu gewinnen. Seine Überlegung manifestierte sich sowohl in der Turniertabellen als auch in der Kürze seiner Partien. So benötigte er viel weniger Züge als zum Beispiel Lasker und Capablanca, seine Gegner zu besiegen, was auf ein noch höheres Maß an Überlegenheit und Dominanz schließen lässt. Internationale Spitzenspieler sind ja kein Fallobst und es gehört schon eine große Überlegenheit dazu, sie einer nach dem anderen abzufertigen. Darüber hinaus sollte man die siebenjährige Odyssee Aljechins von 1914 bis 1921 von Aljechin nach seiner Mannheimer Arretierung berücksichtigen. Dies ist für mich der Hauptgrund dafür, warum er erst relativ spät zur absoluten Weltklasse hervorstieß, obwohl er als junger Mann beim Turnier in St. Petersburg 1914 bereits sein überragendes Talent unter Beweis gestellt hatte, sodass er in Russland bereits als kommender Nachfolger von Capablanca gehandelt wurde. Respekt dafür, dass er sich, wenn auch mit Verspätung, im Jahre 1927 seinen Traum erfüllen konnte. Schachlich hat er viele Menschen inspiriert.

Beitrag von blunder1

[QUOTE=Hensman;29109]Trotzdem glaube ich,wenn jemand 17 Jahre Weltmeister war und eine historische Elozahl von 2860 hatte,kann man ihn getrost einen dominanten Weltmeister nennen.[/QUOTE]So kommen wir meiner Ansicht nach nicht weiter. Soll ich auf meine Zusammenfassung in 3 Punkten am Ende meines Themas hinweisen?Einen Punkt zitiere ich doch:[QUOTE=blunder1;29085]Aljechin wusste selber, dass er keineswegs der alles überragende Spieler war, wie sein “starken-Gegnern-möglichst-Ausweichen” beweist. Dieses “Kneifen” zieht sich wie ein roter Faden durch seine Karriere:[/QUOTE]Wohlgemerkt wich Aljechin nicht nur Capablanca aus, s. wie er sein 9/9 1930 in Hamburg erzielt hat.Mit den historischen Elo-Zahlen kann ich persönlich nicht viel anfangen, allein schon deswegen, weil sie alle umstritten sind und sehr unterschiedlich:Du erwähnst die 2860 von Jeff Sonas (Chessmetrics).Arpad Elo (Erfinder des Elo) selber gab Aljechin einen rückwirkenden Elo von 2690, als er 1978 sein Buch The Rating of Chessplayers, Past and Present veröffentlichte.In Warriors of the Mind haben Keene und Divinsky ihre Methode angewandt, die natürlich ebenfalls umstritten ist:In ihrer Rangliste liegt Aljechin nur auf dem 18. Platz - nicht 16, wie ich zuerst irrtümlicherweise angeben habe. Nummer 10 ist Petrosjan mit 2363; das Buch habe ich vor 25 Jahren gelesen und ich erinnere mich nicht mehr an Aljechins genaue Zahl.Die Autoren haben allerdings nur die Ergebnisse der ihrer Ansicht nach besten Spieler untereinander verglichen (Siege gegen schwächere Spieler wurden also nicht berücksichtigt, während eine normale Wertungszahl alle Partien beinhaltet), und da sieht es bei Aljechin nicht so gut aus, der sehr viele Partien gegen schwächere Gegner gewann, gegen die stärksten aber in der Regel schlecht abschnitt.

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=blunder1;29114]Die Autoren haben allerdings nur die Ergebnisse der ihrer Ansicht nach besten Spieler untereinander verglichen (Siege gegen schwächere Spieler wurden also nicht berücksichtigt, während eine normale Wertungszahl alle Partien beinhaltet), und da sieht es bei Aljechin nicht so gut aus, der sehr viele Partien gegen schwächere Gegner gewann, gegen die stärksten aber in der Regel schlecht abschnitt.[/QUOTE]Das würde meines Erachtens eher auf Spielertypen wie Bogoljubow und Spielmann zutreffen, die gelegentlich für ihre unbändige Angriffslust wichtige positionelle Grundlagen vernachlässigten. Dies kann man allerdings Aljechin nicht vorwerfen, dessen Angriffe weniger spekulativ waren, sondern auf einer stellungsgerechten Grundlage basierten. Dass er trotzdem sehr oft sehr schnell gewinnen konnte, lag an der ungeheuren Dynamik seines Spiels gepaart mit wundervollen Ideen, die zu erspüren man ein Genie wie Aljechin gewesen sein muss. Wen meinst du außerdem mit "stärksten" Gegner, gegen die Aljechin "in der Regel schlecht abschnitt"? Gegen Capablanca bleibt sein WM-Sieg von 1927, Rubinstein verfiel ab 1914 zusehends und Lasker war auch schon eine Generation weiter, sodass beide Spieler nicht mehr allzu oft die Klinge miteinander kreuzen konnten. Botwinnik hingegen erreichte die volle Blüte seiner Kraft, als Aljechin bereits nachzulassen begann.

Beitrag von Hensman

Ich denke Aljechin "wich"Capablanca keineswegs aus,weil er befürchtete zu verlieren,vielmehr hatte sich zwischen beiden eine derart tiefe Feindschaft gebildet,das sie sogar vermieden im gleichen Raum zu sein.@blunder1: Ich will Ihre Analyse über Aljechin nicht kritisieren,denn es sind Ihre Ansichten.Meiner Meinung nach darf man einen so herausragenden Spieler,so einen Genius,aber nicht hinstellen als wäre er nur durchschnittlich gewesen.Das würde dem großen Schöpfergeist dieses Mannes bei weitem nicht gerecht.

Beitrag von blunder1

@ KiffingDarauf will ich ausführlicher eingehen (#12); Du weiβt, das ich die Qualität deiner Beiträge schätze, aber nicht alle Ansichten teile. Das ist nur gut so, da Du das Forum schlieβen könntest, wenn alle user einer Meinung wären (gähnende Langeweile!).Jetzt konkret:[QUOTE=Kiffing;29110] Sowjetische Propaganda oder Aljechins PR-Strategien als Grund für die Hochschätzung Aljechins schachlicher Qualitäten heranzuziehen, halte ich für ein wenig hochgegriffen. Ganz so weit geht der Einfluss Moskaus dann doch nicht,...[/QUOTE]Ich bin kein Verschwörungstheoretiker und glaube auch nicht, dass während des Kalten Krieges die “Hand Moskaus” allgemein sehr erfolgreich im Westen war, trotz aufwendiger Versuche, z.B. die Subventionierung westlicher kommunistischer Parteien und ihrer Medien und anderes (das Buch Mitrokhin Archive von dem Historiker Christopher Andrew und Vassili Mitrokhin kann ich sehr empfehlen).Was die Schachliteratur angeht, so sieht das anders aus: Nach dem 2. Weltkrieg war die sowjetische Schachliteratur so führend, dass sich Bobby Fischer recht passable Russischkenntnisse angeeignet hat, um sie im Original lesen zu können.Sind Suetin, Kotow, Polugaiewski und Taimanow z.B. nicht schon vor der Wende (dt. Übersetzung, Sportverlag, damalige DDR) in deutschen Schachkreisen sehr beliebt gewesen?Nicht nur in Deutschland: Ich besitze eine Petrosjan-Biographie auf Englisch (Batsford, 1974) von Vasiliev, einem damals sehr bekannten Schachjournalisten in der UdSSR. Ich habe auch von Jimmy Adams Mikhail Chigorin The Creative Genius (New in Chess, 2016), die ebenfalls auf sowjetischen Büchern basiert; Teil I von Narkevich, Nikitin und Vasyukov (Original 1972), Teil II von Panov (Original 1963).Wie schon erwähnt, sind Tschigorin und Aljechin in der Sowjetunion zu positiv dargestellt worden und bei Interesse kann ich gerne Beispiele folgen lassen (s. #6 des Threads).[QUOTE=Kiffing;29110]Was Aljechins PR-Tätigkeiten angeht, so halte ich sie nicht für signifikant anders, als was andere Schachspieler zur Vermarktung ihrer Partien getan haben.[/QUOTE]Das wäre ein Armutszeugnis für Schachbuchautoren, da Aljechin sich nicht zu schade war, Partien zu schönen bzw. zu konstruieren. Seine eigentlichen Partiekommentare werden kaum mit mehr Moral verfasst worden sein; auβerdem enthalten sie viele Fehler und Unterlassungen.[QUOTE=Kiffing;29110]Garri Kasparov sprach in seiner Vorkämpfer-Serie davon, dass Capablanca das Schach in eine stilistische Sackgasse geführt habe. Seine Spielweise habe deswegen keine Nachfolger und damit keine Weiterentwicklung gefunden. An der damals grassierenden Remistod-Debatte gab Kasparov Capablanca eine gehörige Mitschuld. Aljechin dagegen habe das Schach in dynamischer und schöpferischer Hinsicht weiterentwickelt und das Schach aus dieser Sackgasse befreien können.[/QUOTE]Das sehe ich ganz anders:Capablanca war ein Kind seiner Zeit und dementsprechend von Steinitz “klassischen” Lehren (bzw. Tarrasch) beeinflusst. Dieses Erbe ist immer noch allgegenwärtig.Die “Hypermodernen” (Nimzowitsch, Breyer, Reti) haben die klassische Lehre nicht gestürzt, sondern das Schach mit ihren Ideen erweitert.Das moderne Schach ist eine Verschmelzung von klassischen und hypermodernen Ideen.Interessanterweise hielten Zeitgenossen Aljechin für einen Hypermodernen (z.B. Aljechin-Verteidigung), was ihm nicht gefiel. Aljechin war zu seinen Lebzeiten allerdings einer, wenn nicht der führende Eröffnungstheoriker (aber mit Sicherheit nicht der erste der Schachgeschichte, z.B. Steinitz, Rubinstein), was z.B. bei Lasker und Capablanca nicht der Fall war.Capablanca war durchaus flexibel und spielte dann auch Nimzowitsch-Indisch.Ich habe den gröβten Respekt vor Kasparows Schach, bin aber überhaupt nicht mit seiner Einleitung zu Meine groβen Vorkämpfer einverstanden, die auch sehr kritisiert worden ist.Ich glaube nicht, dass der Stil des jeweiligen Schachweltmeisters die politische Stimmung seiner Zeit wiedergibt.Meine Ansicht: Schach ist sehr individualistisch und jeder Spieler entwickelt seinen eigenen, unverwechselbaren Stil, wobei Ähnlichkeiten zwischen manchen Spielern natürlich vorkommen.Ein einfaches Beispiel, weswegen ich Kasparows Meinung nicht teile:Er schreibt, dass Tals Stil die Stimmung während der Tauwetter-Periode unter Chruschtschow wiedergeben täte, während Botwinnik als der kalte, materialistische Techniker für Stalins Zeit stände. Warum spielten dann nicht alle seine Zeitgenossen in Tals Stil? Meine Antwort: Tal war einzigartig.Wie soll man dann bitte das Schach von David Bronstein erklären, der seinen Zenit noch zu Stalins Lebzeiten erreichte (2. Hälfte 40er, Anfang 50er), 1951 fast Weltmeister geworden wäre und mit seinem Stil deutlich mehr an (den späteren) Tal erinnerte, als an Botwinnik?[QUOTE=Kiffing;29110]Für Watson war Aljechin der erste moderne Spieler gewesen. Aljechin sei der erste Spieler gewesen, der auch nach heutigen Maßstäben über ein profundes Eröffnungswissen verfügt habe. Außerdem seien selbst Aljechins Vorgänger wie Lasker...[/QUOTE]Ich habe Watsons Bücher über Schachstrategie, das erste ist 1999 erschienen.Ich glaube, dass der erste moderne und universelle Spieler Lasker war; Nunn und Marin haben mich überzeugt.Lasker war seiner Zeit weit voraus, daher verstanden seine Zeitgenossen sein Spiel nicht und dachten sich die tollsten Erklärungen für seine Erfolge aus (vor allem die “psychologische Kriegsführung im Schach").Diese “Märchen” (so Hübner) sind mittlerweile widerlegt, sind aber unkritisch von Generation zu Generation weitergegeben worden und immer noch weit verbreitet.Allerdings ist die qualifizierte Neubewertung (mit Computerunterstützung) von Laskers Stil noch recht jung und Watsons Buch Geheimnisse der modernen Schachstrategie ist fast 20 Jahre alt, der Folgeband stammt aus dem Jahr 2003.Zu dem Thema habe ich mich bereits ausführlich in meinem Thread Magnus Carlsen: Der “Lasker des 21. Jahrhunderts”? geäuβert.[QUOTE=Kiffing;29110]So benötigte er viel weniger Züge als zum Beispiel Lasker und Capablanca, seine Gegner zu besiegen, was auf ein noch höheres Maß an Überlegenheit und Dominanz schließen lässt.[/QUOTE]Auch damit bin ich nicht einverstanden. Die Anzahl der Züge sagt nichts über Dominanz aus; in einer Turniertabelle bleibt ein Sieg ein Sieg, egal, ob er in 20 oder 100 Zügen errungen worden ist.Schnelle Siege hängen sehr von der Stärke/Schwäche der Gegner ab: Wenn Du dir die Partien des Wettkampfs 1927 anschaust, sie sind oft lang.Ein modernes Beispiel: Hat Carlsen nicht gerade in seiner besten Zeit (vor 3-4 Jahren) viele Siege in sehr langen Partien (aus ausgeglichenen Stellungen heraus) erzielt? Ändert das etwas an seiner damals deutlichen Dominanz?[QUOTE=Kiffing;29110]Dies ist für mich der Hauptgrund dafür, warum er erst relativ spät zur absoluten Weltklasse hervorstieß [/QUOTE]Ich glaube, nicht nur: Aljechin musste viele Jahre lang sehr hart arbeiten, um möglichst seine Schwächen im Positionsspiel und in der Endspielbehandlung zu beheben.Seine Odyssee war schwierig, aber haben nicht viele europäische Spieler darunter gelitten? Besonders Rubinstein und, das traurigste Beispiel, Schlechter.

Beitrag von Hensman

Aljechin war ein Gigant,nach dem sogar eine Eröffnung benannt wurde.Das einzige,was nach UNS benannt werden wird,ist,so fürchte ich,unser Reisepass...

Beitrag von blunder1

So kommen wir wirklich nicht weiter, denn ich glaube nicht, dass Wiederholungen nützlich sind[QUOTE=Kiffing;29115]Das würde meines Erachtens eher auf Spielertypen wie Bogoljubow und Spielmann zutreffen, die gelegentlich für ihre unbändige Angriffslust wichtige positionelle Grundlagen vernachlässigten. Dies kann man allerdings Aljechin nicht vorwerfen, dessen Angriffe weniger spekulativ waren, sondern auf einer stellungsgerechten Grundlage basierten.[/QUOTE]In meinem Thema:[QUOTE=blunder1;29066]Nachdem ich mir 2012 die Chessbase-DVD über Aljechin von Dr. Robert Hübner angesehen hatte, bin ich wirklich neugierig geworden und habe im Rahmen meiner Möglichkeiten versucht, der Sache auf den Grund zu gehen: Wie stark war Aljechin wirklich? Gerade Hübner ist meiner Ansicht nach aufgrund seiner Spielstärke, Fairness und sehr genauen Analysen eine Referenz und er kritisiert Aljechins Spiel heftig, vor allem seine voreiligen, ungesunden Angriffe auf unzureichender positioneller Basis und seine Unterschätzung gegnerischer Möglichkeiten.[/QUOTE][QUOTE=Kiffing;29115]Wen meinst du außerdem mit "stärksten" Gegner, gegen die Aljechin "in der Regel schlecht abschnitt"? [/QUOTE] Auch da muss ich mich wiederholen. Lasker, Capablanca und Botwinnik waren über Aljechins gesamte Karriere hinweg seine stärksten Gegner: einer aus einer älteren, einer aus der gleichen und einer aus der jüngeren Generation, die damit auch Aljechins volle Karriere abdecken.Ich halte den Wettkampf 1927 für Aljechins Sternstunde, aber auch für eine Ausnahme, den Capablanca aufgrund seiner sehr schlechten Chancenverwertung eher verloren hat, als dass Aljechin ihn gewonnen hätte.Der Kubaner hat daraus seine Lehren gezogen und Schach ernster genommen, vor allem mehr Turniere bestritten.Ansonsten (d.h. in der Regel) hat Aljechin gegen die 3 in seiner gesamten Karriere gerade einmal 2 Partien gewinnen können und das auch nur unter sehr günstigen Umständen. Diese Umstände beschreibe ich bereits ausführlich in meinem Thema (Sonderfall Zürich 1934 für Lasker, Capablancas Schlaganfall bezüglich AVRO 1938).Da er starken Gegnern über seine Karriere hinweg gerne auswich (nicht nur Capablanca, s. wie er das 9/9 in Hamburg 1930 geholt hat [#5]), konnte es nicht zu sehr vielen Partien kommen.

Beitrag von blunder1

[QUOTE=Hensman;29117]@blunder1: Ich will Ihre Analyse über Aljechin nicht kritisieren,denn es sind Ihre Ansichten.Meiner Meinung nach darf man einen so herausragenden Spieler,so einen Genius,aber nicht hinstellen als wäre er nur durchschnittlich gewesen.Das würde dem großen Schöpfergeist dieses Mannes bei weitem nicht gerecht.[/QUOTE]Wann soll ich Aljechin als "nur durchschnittlich" dargestellt haben?Aus meinem Thema, direkt nach meiner Zusammenfassung in 3 Punkten:[QUOTE=blunder1;29066]Ich halte Aljechin für einen groβen Spieler, aber Dominanz sieht anders aus;[/QUOTE]

Beitrag von blunder1

[QUOTE=Hensman;29119]Aljechin war ein Gigant,nach dem sogar eine Eröffnung benannt wurde.Das einzige,was nach UNS benannt werden wird,ist,so fürchte ich,unser Reisepass...[/QUOTE]Auch nach Ernst Grünfeld z.B. ist eine Eröffnung benannt. War er deswegen ein schachlicher "Gigant"?[QUOTE=Hensman;29106]Mir steht eigentlich kein Urteil über dieses Thema zu,da ich nicht so gut informiert bin,wie meine Vorschreiber.[/QUOTE]

Beitrag von Kiffing

Bei allem Respekt für Hübner, aber er ist eben ein Forscher und kein Spieler und damit jemand, der im Schach auch Wettbewerbe streng unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten spielt. Was den Stil von Aljechin angeht, gestehe ich gern zu, dass er tendenziell risikofreudig spielte. Ich bin aber überzeugt davon, dass Aljechin genügend Schachverständnis aufwies, um zu erkennen, ob seine Angriffe bei den jeweiligen Gegnern über genügend praktische Erfolgsaussichten verfügen. Er wusste, dass er damit seine Gegner überforderte. Seine 62 Turniersiege von 87 geben ihm in dieser Entscheidung recht. Dass Aljechin seinen Stil an seine Gegner anpasste, beweist sein Wettkampf mit Capablanca, bei dem er, wenn man so will, objektiver vorging. Übrigens erkenne ich keinen Makel darin, im Laufe seiner Karriere seine Fähigkeiten zu erweitern, wie dies Aljechin beim Positionsspiel und Endspiel getan habe. Besonders, was das Positionsspiel angeht, bin ich übrigens nicht der Meinung, dass Aljechin hierbei zu Beginn seiner Karriere eine Schwäche aufwies. Vielmehr zeigte sich sein überlegenes Positionsverständnis, das er viel dynamischer als Capablanca anlegte, darin, zu welch großartigen Angriffen und Kombinationen Aljechin in seinen Partien wie am Fließband kam. Wie formulierte es sein Rivale Spielmann einmal so schön: "Die Kombinationen von Aljechin sehe ich auch. Ich komme nur nicht in diese Positionen". Aljechin für seinen Stil zu kritisieren macht für mich ähnlich wenig Sinn wie Tals Stil zu kritisieren, dessen Kombinationen zwar auch nicht allesamt korrekt waren, aber mit denen er sein Ziel erlangte, nämlich zu siegen durch Überforderung des Gegners. Dass es nur zu wenigen Partien gegen Botwinnik, Lasker und Capablanca kam, lag wohl vor allem am Generationsunterschied. Lasker und Aljechin waren 24 und Botwinnik und Aljechin 19 Jahre auseinander. Es bleibt die Feindschaft zwischen Capablanca und Aljechin, die mehr Auseinandersetzungen zwischen beiden verhinderte.

Beitrag von blunder1

Schön, da es sich um mein Thema handelt, will ich auch darauf näher eingehen.[QUOTE=Kiffing;29124]Bei allem Respekt für Hübner, aber er ist eben ein Forscher und kein Spieler und damit jemand, der im Schach auch Wettbewerbe streng unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten spielt.[/QUOTE]Einer der Gründe, weswegen Hübner seit Jahrzehnten einen hervorragenden Ruf als Analytiker genieβt: die Kombination aus Spielstärke, Fairness, Genauigkeit und wissenschaftlicher Herangehensweise.Kennst Du die DVD? Wenn nicht (und so klingt es), dann kannst Du sie auch nicht beurteilen.Warum besorgst Du sie dir nicht und machst dir selber ein Bild? Wenn Du es ganz genau nehmen willst, kannst Du ja Hübners Analysen mit einem Programm checken.Selber besitze ich sie nicht (wir haben sie uns 2012 bei einem Schachfreund angesehen), aber sie ist zumindest gebraucht noch zu finden.Gerade bei jemandem wie Aljechin mit seinem exzessiven Geltungsbedürfnis, seinem Mangel an Moral und seinen oft schlechten und tendenziösen Partiekommentaren ist Vorsicht geboten.[QUOTE=Kiffing;29124]Er wusste, dass er damit seine Gegner überforderte.[/QUOTE]Nicht alle, s. seine Probleme gegen sehr starke Gegner. [QUOTE=Kiffing;29124]Seine 62 Turniersiege von 87 geben ihm in dieser Entscheidung recht.[/QUOTE]Wie schon einmal erwähnt: eher Masse statt Klasse, für einen Weltmeister zumindest.In meinem Thread “Schachmaschine” Capablanca beschreibe ich das erste Turnier, dass der Kubaner nach Ende des 1. Weltkriegs in Europa bestritten hat: Hastings 1919. Capablanca gewann mit 10,5/11, aber es war kein Spitzenturnier (2. Boris Kostic, gefolgt von britischen Spielern).Genau die Art Turniere, die Aljechin reihenweise gewonnen hat.Punkt 2 meiner Zusammenfassung meines Themas:[QUOTE=blunder1;29066]2.) Aljechin hat nie ein Superturnier gewonnen, d.h. ein Turnier, an welchem die zu der Zeit stärksten Rivalen teilnahmen.Wenn zumindest zwei der drei gefährlichsten Kontrahenten am Start waren, hat Aljechin nie mehr als den dritten Platz erringen können, von St. Petersburg 1914 bis einschlieβlich AVRO 1938.[/QUOTE][QUOTE=Kiffing;29124]Besonders, was das Positionsspiel angeht, bin ich übrigens nicht der Meinung, dass Aljechin hierbei zu Beginn seiner Karriere eine Schwäche aufwies.[/QUOTE]Hast Du dir niemals z.B. Aljechins Partien von St. Petersburg 1914 richtig angeschaut? Da werden Stärken und Schwächen aber sehr deutlich: Siegeswille, Hartnäckigkeit und taktische Fähigkeiten auf der einen Seite, aber deutliche positionelle Schwächen auf der anderen.[QUOTE=Kiffing;29124]Aljechin für seinen Stil zu kritisieren...[/QUOTE]Hübner kritisiert nicht Aljechins Stil, er kritisiert schlechte Züge und analysiert überzeugend Aljechins Schwächen, d.h. Fehler, die sich wiederholen.[QUOTE=Kiffing;29124]Es bleibt die Feindschaft zwischen Capablanca und Aljechin, die mehr Auseinandersetzungen zwischen beiden verhinderte.[/QUOTE]Glaubst Du das wirklich? Ist das nicht Ursache und Wirkung verwechseln? Wie ist diese Feindschaft entstanden?Schon in St. Petersburg 1914 waren Capablanca und Aljechin gut befreundet und am 29.11.1927 hat der Kubaner Aljechin diesen Brief (auf Französisch) zukommen lassen:Lieber Aljechin!Ich gebe die Partie auf. Damit sind Sie Weltmeister. Nehmen Sie meine Gratulation zu diesem Erfolg und meine besten Wünsche entgegen. Meine Empfehlungen auch an Ihre Gattin,Ihr ergebenerJosé Raoul Capablanca (I. und W. Linder, Seite 189)Die Feindschaft ist nur enstanden, weil Aljechin Angst vor Capablanca hatte, kniff, wo und wie er nur konnte (z.B. 10.000 Dollar in Gold = 18.000 “normale” Dollar, Antrittsgage San Remo), und sich mehrfach negativ über Capablanca bzw. sein Schach äuβerte (Chess Notes, chesshistory.com).Nach Capablancas Tod (1942, diesmal tödlicher Schlaganfall) hat sich – wer hätte das gedacht - Aljechins Ton, wenn es um Capablanca ging, viel freundlicher, ja geradezu hochachtungsvoll gestaltet.Das Ganze fängt an, mich an ein “Rückzugsgefecht” zu erinnern; bis jetzt ist nicht ein Argument meines Themas stichhaltig widerlegt worden.Bei dem Thema geht es um die Frage, ob Aljechin ein dominanter Spieler war, d.h. eindeutig der stärkste Spieler seiner Zeit.

Beitrag von Zapp Brannigan

Das ganze Thema, ob es jetzt stimmt oder nicht, ist irgendwie sinnlos. Alle beteiligten sind tot, schon seit längerem...Bevor die FIDE die WM übernahm (und auch die Zeit wo sie die WM wieder verloren hat) war alles halt ziemlich unreguliert und vor allem vom aktuellen WM diktiert, das war bei Steinitz nicht anders als bei Kramnik. Steinitz gab allen einen Match, Lasker allen die Geld mitbrachten, Capablanca und Aljechin waren da viel geiziger, aber auch Kasparov und Kramnik spielten relativ wenige WM-matchs als nicht-FIDE Weltmeister...Tarrasch hat nie einen WM-match gegen Steinitz gespielt und gegen Lasker erst als er seinen Zenit klar überschritten hat, aber wenn ich das richtig verstanden habe war da vor allem Tarraschs eigene Arroganz im Weg. Rubinstein bekam nie einen WM-match, Nimzowitch auch nicht, gibt sicher noch andere Beispiele. Botvinniks chance kam auch erst nachdem Aljechin gestorben ist.Capablanca gab Lasker nie einen Rückmatch, Aljechin nie Capablanca einen, Kramnik nie Kasparov einen. Aus gutem Grund, der einzige der es tat, Euwe, hat den Titel dann gleich wieder verloren und wird heutzutage (zu unrecht?) oft als schwächster Schachweltmeister angeschautDie FIDE hat sicher auch nicht alles richtig gemacht, und ob da wirklich was dran ist das verschiedene Sowjet-Spieler extra gegen Botvinnik verloren haben werden wir wohl nie wissen. Aber zumindest wurde der Herausforderer schachlich ausgewählt und nicht derjenige selektioniert der am meisten Geld auftreiben konnte.

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=blunder1[/QUOTE]Einer der Gründe, weswegen Hübner seit Jahrzehnten einen hervorragenden Ruf als Analytiker genieβt: die Kombination aus Spielstärke, Fairness, Genauigkeit und wissenschaftlicher Herangehensweise.Kennst Du die DVD? Wenn nicht (und so klingt es), dann kannst Du sie auch nicht beurteilen.Warum besorgst Du sie dir nicht und machst dir selber ein Bild? Wenn Du es ganz genau nehmen willst, kannst Du ja Hübners Analysen mit einem Programm checken.Selber besitze ich sie nicht (wir haben sie uns 2012 bei einem Schachfreund angesehen), aber sie ist zumindest gebraucht noch zu finden.[/QUOTE]Ein bisschen viel verlangt, mir eine teure DVD zu besorgen und mich wochenlang darin zu vertiefen, nur um ein Detail (!) einer Diskussion in einem Privatforum besser nachzuvollziehen können, oder? Ich habe genug Bücher zu der Zeit von Aljechin und zu den damals gespielten Partien gelesen. Das reicht mir, um mir von der Spielstärke Aljechins ein ausreichendes Bild zu verschaffen. [QUOTE=blunder1]Das Ganze fängt an, mich an ein “Rückzugsgefecht” zu erinnern; bis jetzt ist nicht ein Argument meines Themas stichhaltig widerlegt worden.[/QUOTE]Argumente wurden genug geliefert. Du nimmst sie bloß nicht zur Kenntnis, weil du zu voreingenommen von deiner Meinung über Aljechins schachliche Fähigkeiten bist, die keiner Überprüfung standhalten. 62 Turniere von 87 gewinnt man nicht mal eben so. Das ist eine Quote, die in der Schachwelt ihresgleichen sucht. Viele Schachmeister wären froh, auch nur ein einziges namhaftes Turnier in ihrer Karriere zu gewinnen. Auch ansonsten kann ich deiner Argumentation immer weniger abgewinnen. Du lässt dich über Aljechins "voreingenommene" Kommentare aus, dabei gehören Aljechins Werke zum Beispiel über die New Yorker Turniere von 1924 und 1927 sowie zu seinem Werk über seinen Weg zum Weltmeistertitel nach einhelliger Ansicht der Schachwelt zu dem Besten, was jemals hervorgebracht wurde. Es sind echte Klassiker und Meilensteine der Schachliteratur gewesen. Zudem hatte Aljechin den Ruf, in seinen Kommentaren auch äußerst selbstkritisch mit seinem eigenen Stil umzugehen. So [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://gutezitate.com/autor/alexander-aljechin". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "bekannte" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] Aljechin: "Im Schach ist es erst dann möglich, ein großer Meister zu werden, wenn man die eigenen Fehler und Mängel erkannt hat. Genau wie im Leben.". Das war auch einer der Gründe dafür, dass Kasparov, der hier aus einem ähnlichen Holz geschnitzt war, nicht nur seinem Spiel, sondern auch seinen Analysen so viel abgewinnen konnte. Ein anderer starker Spieler seiner Zeit, Paul Keres, schätzte Aljechin ebenfalls hoch ein, indem er äußerte: "Es ist unmöglich gegen Capablanca zu gewinnen, aber unmöglich gegen Aljechin zu spielen" (ebd.). Das bringt Aljechins Qualitäten ganz gut zur Geltung, zu dem sich andere Zeitgenossen ganz ähnlich geäußert hatten. Aljechin war für jeden Spieler ein gefürchteter Gegner, der urplötzlich wie ein Wirbelsturm über ihre Stellungen hinwegfegen konnte.Wegen des WM-Kampfes 1927, so war es letztendlich Aljechins Hartnäckigkeit zu verdanken, dass er die hohe von Capablanca geforderte Summe von 10.000 Dollar überhaupt aufbrachte, indem er die argentinische Regierung als Sponsor für sich gewinnen konnte. Nimzowitsch, Rubinstein und vormals auch Aljechin selbst waren an den harten Bedingungen Capablancas vom Londoner Turnier 1922 gescheitert. Insofern ist es zumindest verständlich, dass Aljechin Capablanca das öffentlich vorgetragene Anliegen verweigerte, die Spielbedingungen für die Revanche nach seinem Gusto zu verändern. Er forderte also lediglich, dass Capablanca gegen ihn zu denselben Bedingungen antrat wie dieser es von allen seiner Rivalen eingefordert hatte. [QUOTE=blunder1]Bei dem Thema geht es um die Frage, ob Aljechin ein dominanter Spieler war, d.h. eindeutig der stärkste Spieler seiner Zeit.[/QUOTE]Wenn das so ist, dann können wir die Diskussion sofort beenden, denn eine solche Behauptung hat hier niemand aufgestellt.Zum Abschluss noch zwei schöne Siege [URL="http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1012176"]Aljechins gegen Rubinstein[/URL] sowie gegen [URL="http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1007985"]Lasker[/URL], also anderen großen Spielern:[Event "Karlsbad"][Site "Karlsbad CSR"][Date "1923.04.30"][EventDate "1923.04.28"][Round "1"][Result "1-0"][White "Alexander Alekhine"][Black "Akiba Rubinstein"][ECO "D64"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "63"]1. d4 d5 2. c4 e6 3. Nf3 Nf6 4. Nc3 Be7 5. Bg5 Nbd7 6. e3 O-O7. Rc1 c6 8. Qc2 a6 9. a4 Re8 10. Bd3 dxc4 11. Bxc4 Nd512. Bf4 Nxf4 13. exf4 c5 14. dxc5 Qc7 15. O-O Qxf4 16. Ne4Nxc5 17. Nxc5 Bxc5 18. Bd3 b6 19. Bxh7+ Kh8 20. Be4 Ra7 21. b4Bf8 22. Qc6 Rd7 23. g3 Qb8 24. Ng5 Red8 25. Bg6 Qe5 26. Nxf7+Rxf7 27. Bxf7 Qf5 28. Rfd1 Rxd1+ 29. Rxd1 Qxf7 30. Qxc8 Kh731. Qxa6 Qf3 32. Qd3+ 1-0[Event "Zurich"][Site "Zurich SUI"][Date "1934.07.25"][EventDate "1934.07.14"][Round "12"][Result "1-0"][White "Alexander Alekhine"][Black "Emanuel Lasker"][ECO "D67"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "51"]1.d4 d5 2.c4 e6 3.Nc3 Nf6 4.Nf3 Be7 5.Bg5 Nbd7 6.e3 O-O 7.Rc1c6 8.Bd3 dxc4 9.Bxc4 Nd5 10.Bxe7 Qxe7 11.Ne4 N5f6 12.Ng3 e513.O-O exd4 14.Nf5 Qd8 15.N3xd4 Ne5 16.Bb3 Bxf5 17.Nxf5 Qb618.Qd6 Ned7 19.Rfd1 Rad8 20.Qg3 g6 21.Qg5 Kh8 22.Nd6 Kg7 23.e4Ng8 24.Rd3 f6 25.Nf5+ Kh8 26.Qxg6 1-0

Beitrag von Hensman

blunder1:Sie argumentieren so,als wäre Aljechin nur Durchschnitt,als wäre er irgendeiner,den "glückliche Umstände"nach oben gespült haben...so hört sich das zumindest für mich an.Das Aljechin einer der fantasievollsten,kreativsten und kompromißlosesten Angriffsspieler aller Zeiten war,sollten Sie bedenken.Für mich war in der Schachgeschichte überhaupt nur einer "besser",nämlich Fischer.

Beitrag von blunder1

@KiffingIch hoffe sehr, dass sich das Klima jetzt nicht vergiftet, aber einige deiner Argumente kann ich so nicht stehen lassen:[QUOTE=Kiffing;29128]Du nimmst sie bloß nicht zur Kenntnis, weil du zu voreingenommen von deiner Meinung über Aljechins schachliche Fähigkeiten bist, die keiner Überprüfung standhalten.[/QUOTE]Du wirfst mir Voreingenommenheit vor.Ich habe niemals Aljechins Spielstärke per se in Zweifel gezogen, sondern in dem Thema geht es um Dominanz:[QUOTE=blunder1;29066]Ich halte Aljechin für einen groβen Spieler, aber Dominanz sieht anders aus;[/QUOTE]Ich habe mir jetzt erlaubt, das Adjektiv hervorzuheben, da zwischen “groβ” und “sehr gut” ein Riesenunterschied klafft.Bin ich wirklich voreingenommen? Ich versuche, so unvereingenommen wie möglich zu sein und habe dies auch schon von Personen, die mich gut kennen, zu hören bekommen (wörtlich: “Du bist auβergewöhnlich unvoreingenommen.”).Wie bin ich 2012 vorgegangen, nachdem wir uns Hübners DVD angeschaut hatten und ich viele Jahre zuvor in Europe Echecs gelesen hatte, dass Capablanca während des WM-Wettkampfs 1927 zahlreiche Chancen nicht genutzt hätte?Ich habe mir die Mühe gemacht, die ausgekämpften Partien mit Fritz zu untersuchen. Dabei habe ich dem Programm auch genug Zeit gelassen: ganz schön zeitaufwendig, aber das war mir die Sache wert.Es stimmt: Capablanca hat deutlich mehr Gewinnstellungen herausgespielt als Aljechin, aber die Chancenverwertung...Dies ist nicht die Vorgehensweise einer voreingenommenen Person; so handelt eine Person, die der Sache möglichst genau auf den Grund gehen will.Ich habe dann auch kein Problem damit, meine Meinung zu ändern.[QUOTE=blunder1;29085]Und selbstverständlich habe auch ich anfangs Aljechin für einen der dominantesten und genialsten aller Schachweltmeister gehalten, bis mit Europe Echecs usw., wie am Anfang meines Themas beschrieben, das kritische Erwachen begann.[/QUOTE]Anderes Beispiel:Selbstverständlich habe auch ich lange unkritisch an die “Märchen” (so Hübner) über Laskers “psychologische Kriegsführung im Schach” geglaubt; Hübner, Nunn und Marin haben mich überzeugt, dass diese Märchen Unsinn sind, und ich hatte kein Problem damit, meine Meinung zu ändern. [QUOTE=Kiffing;29128]62 Turniere von 87 gewinnt man nicht mal eben so. Das ist eine Quote, die in der Schachwelt ihresgleichen sucht.[/QUOTE]Das ist in meinen Augen auch Ermessenssache: Was wiegt schwerer, die Anzahl der Turniersiege oder die Qualität?Während der Dauerrivalität Kasparow-Karpow ist das Thema zur Sprache gekommen:Karpow hat zwar mehr Turniere in seiner Karriere gewonnen (ca. 130), aber Kasparow hat – in meinen Augen zu Recht - betont, dass er mehr Superturniere gewonnen hätte; z.B. hat er beim damaligen “Wimbledon des Schachs” (Linares) 9 Mal gesiegt, Karpow zwei Mal.[QUOTE=Kiffing;29128]Du lässt dich über Aljechins "voreingenommene" Kommentare aus,[/QUOTE]Nicht nur Hübner warnt vor Aljechins Partiekommentaren, auch Nunn, Burgess und Emms tun dies; ganz besonders John Nunn genieβt – zu Recht – einen tadellosen Ruf als Schachbuchautor.Diese Schwäche des Kommentators Aljechin ist so ausgeprägt, dass sich Nunn, Burgess und Emms in ihrem Buch The World Greatest Chess Games (2. Auflage 2010) einen eindeutigen Seitenhieb Richtung Aljechin nicht verkneifen können:In der Partie Aljechin-Maroczy (Bled 1931) versehen sie den 21. Zug von Schwarz (21...Tad8) mit einem “?!”, also zweifelhaft, und geben das viel stärkere 21...f5! 22.Sf6+ Kf8 an.Aljechin erwähnt diese mögliche Zugfolge in seinen Kommentaren und jetzt zitiere ich:“ Alekhine considered the calm 23.b3, but gave no follow-up for White. This in itself can be taken as a sign that Black has sufficient resources after 21...f5.” (Seite 156)Von mir übersetzt: “Aljechin erwog das ruhige 23.b3, aber gab keine Folge für Weiβ an. Dies, für sich alleine genommen, kann als Anzeichen gesehen werden, dass Schwarz nach 21...f5 ausreichende Möglichkeiten hat.” Tja, dass Auslassen/Unterschätzen gegnerischer Möglichkeiten, was auch eine allgemeine Schwäche – so Hübner, dessen Ansicht ich teile – in Aljechins Spiel darstellt.[QUOTE=Kiffing;29128]Er forderte also lediglich, dass Capablanca gegen ihn zu denselben Bedingungen antrat wie dieser es von allen seiner Rivalen eingefordert hatte.[/QUOTE]Das ist einfach falsch und ich wiederhole mich gerne:Aljechin verlangte von Capablanca – als einzigem – 10.000 Dollar in Gold, was damals 18.000 “normalen” Dollar entsprach, also nahezu das Doppelte, und das gerade zu der Zeit, als die Welt noch unter den Folgen der verheerenden Wirtschaftskrise von 1929 litt.[QUOTE=Kiffing;29128]Wenn das so ist, dann können wir die Diskussion sofort beenden, denn eine solche Behauptung hat hier niemand aufgestellt.[/QUOTE][QUOTE=blunder1;29126]Bei dem Thema geht es um die Frage, ob Aljechin ein dominanter Spieler war, d.h. eindeutig der stärkste Spieler seiner Zeit.[/QUOTE]Der Vollständigkeit halber habe ich auch mein Zitat eingefügt, auf welches sich deins bezieht.Trifft das zu?[QUOTE=Kiffing;29067]Aljechins Spiel war in dieser Zeit von einer solchen Überlegenheit, dass er, wie bei der WM 1935 gegen Euwe, nur an sich selbst scheitern konnte.[/QUOTE][QUOTE=Kiffing;29067]Zum Abschluss noch zwei schöne Siege[/QUOTE]Ich finde die Auswahl deiner Partien im Anhang etwas unglücklich. [QUOTE=blunder1;29126]Gegen Lasker konnte er nur eine Partie gewinnen (Zürich 1934) und das auch nur unter sehr günstigen Umständen:Lasker war bereits 65 Jahre alt und hatte sich seit Moskau 1925 vom Turnierschach zurückgezogen; aufgrund einer (unverschuldeten) wirtschaftlichen Notlage musste er zu diesem zurückkehren. Das Turnier war sehr hart: Es gab keinen Ruhetag und abgebrochene Partien mussten am selben Abend wieder aufgenommen werden, was bis zu acht Stunden Schach am Tag führen konnte. Lasker hatte sehr gut begonnen, doch dann ging ihm die Luft aus und er verlor nicht nur seine einzige Partie gegen Aljechin, sondern auch gegen Bogoljubow und Nimzowitsch...Das letzte Mal trafen sie in Nottingham 1936 aufeinander, wo sie remisierten und der 67-jährige Lasker in der Gesamtwertung nur einen halben Punkt weniger als Aljechin erzielte.[/QUOTE]Bogoljubow hat ansonsten gegen Lasker, wie auch gegen Capablanca, nie einen Stich gemacht: Er war auch in Nottingham 1936 dabei und hat gegen den fast 70-jährigen Lasker erneut verloren und in der Gesamtwertung 3 Punkte weniger als Lasker erzielt.Zürich 1934 war wirklich ein Ausnahmefall in Laskers Karriere.Was Rubinstein angeht, so bin ich ein groβer Fan und habe mehrere Bücher über ihn, u.a. auch von Wenz Akiba Rubinstein Ein Leben für das Schach.Rubinstein war nach dem 1. Weltkrieg leider nie mehr der Spieler, der er davor gewesen war; er war psychisch labil und groβen Leistungsschwankungen unterworfen.Ganz besonders das Jahr 1923 war ein Unglücksjahr für ihn (so nennt es auch Wenz) und er war nicht wiederzuerkennen.Ich finde es etwas unglücklich, dass Du ausgerechnet eine Partie von ihm aus diesem Seuchenjahr ausgesucht hast.Noch das Jahr zuvor, 1922, hat Rubinstein das Turnier in Wien ungeschlagen gewonnen und dabei auch Aljechin besiegt, der Vierter wurde.Eine kleine abschlieβende Bemerkung – ohne jede Anmaβung: Obwohl ich seit eineinhalb Jahren nicht mehr Mitglied in einem Verein bin, bin ich ein viel stärkerer Spieler als Du, was es mir erlaubt, das Schach eines anderen Spielers besser einzuschätzen; auβerdem habe ich sehr viel Schachunterricht gegeben.Und selbstverständlich weiβ ich, dass ehemalige Weltklassespieler wie Hübner und Nunn mir turmhoch überlegen sind, wenn es um die Beurteilung eines Spielers geht.Dennoch versuche ich, ihre Urteile/Analysen kritisch zu prüfen und glaube nicht, dass ich voreingenommen bin.

Beitrag von blunder1

[QUOTE=blunder1;29134]Das ist in meinen Augen auch Ermessenssache: Was wiegt schwerer, die Anzahl der Turniersiege oder die Qualität?[/QUOTE]Hier erlaube ich mir einen kleinen Zusatz, um meinen Standpunkt schachlich unerfahrenen usern gegenüber zu verdeutlichen.In meiner Vereinszeit habe ich viele Turniere gewonnen (man findet auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl meiner Partien in groβen Datenbanken).Die entscheidende Frage in meinen Augen lautet: Wie stark waren die Gegner, als ich diese Turniere gewann?

Beitrag von blunder1

[QUOTE=blunder1;29135]Hier erlaube ich mir einen kleinen Zusatz, um meinen Standpunkt schachlich unerfahrenen usern gegenüber zu verdeutlichen.In meiner Vereinszeit habe ich viele Turniere gewonnen (man findet auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl meiner Partien in groβen Datenbanken).Die entscheidende Frage in meinen Augen lautet: Wie stark waren die Gegner, als ich diese Turniere gewann?[/QUOTE]So, um nicht missverstanden zu werden, erlaube ich mir einen weiteren kleinen Zusatz.Als ich mit Wettkampfschach anfing, habe ich sehr viel gespielt:Auf meine häufigen Siege in kleinen Open-Turnieren (Punktschnitt der Gegner: vielleicht 1650) brauche ich mir nun wirklich nicht viel einzubilden.

Beitrag von Kiffing

Hallo blunder1,von mir aus kannst du Aljechin so schlechtmachen wie du möchtest. Wir haben auch hier im Forum Meinungsfreiheit. Verzeih mir aber bitte, dass ich mich nicht überzeugen lasse. Dazu gehört es schon mehr als Argumente, nach denen die 62 Turniersiege Aljechins mit irgendwelchen Vereinsmeisterschaften vergleichbar seien. Du kannst auch gern meine Partienauswahl für unglücklich halten. Allerdings möchte ich doch den Hinweis geben, dass die beiden Partien eine andere Qualität Aljechins wunderbar zum Vorschein bringen: das Spiel auf beiden Flügeln, wobei Aljechin zumeist mit der Aufrollung am Damenflügel begann, um dann blitzschnell einen Schwenk seiner Streitkräfte auf dem Königsflügel zu vollziehen und den Druck zu verdichten. Für mich als leidenschaftlicher Schachspieler ist es regelmäßig ein Genuss zu sehen, wie Aljechins Gegner – darunter die stärksten Spieler der Welt – unter diesem Druck reihenweise zusammenbrachen. Natürlich magst du schachlich zurzeit stärker sein als ich. Allerdings ist auch Kasparov stärker als du, und der war sowohl von Aljechins Partien als auch seinen Kommentaren überzeugt, was natürlich nicht ausschließt, dass auch einem Aljechin – Nobody is perfect – gelegentlich Fehler unterliefen. Dies ist aber unter dem Aspekt verzeihlich, dass es damals keine Engines gab. Was die Arroganz angeht, die du Aljechin vorwirfst, so ging dieser wenigstens nicht so weit wie Capablanca, der im Hinblick auf seine Person gern den pluralis majestatis benutzte. :DFrieden :top:

Beitrag von blunder1

@KiffingNatürlich gerne Frieden, nur stehen wir hier vor einem echten Problem.Als Themenersteller trage ich die Verantwortung und bin teilweise zufrieden, teilweise aber auch nicht.Mein Thema ist fundiert. Es beruht auf: Zufrieden bin ich mit der Resonanz. Obwohl es ein (neues) schachhistorisches Thema ist, was in der Regel nicht viele User interessiert, ist es bereits fast 1.000 Mal angeklickt worden (das Vergolden ist auch nett).Nicht zufrieden bin ich mit der inhaltlichen Qualität - und das hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun - deiner Beiträge (Hensman hat ja selber gepostet, dass ihm kein Urteil zustände); diese ist in meinen Augen, in Anbetracht der sonst hohen durchschnittlichen Qualität deiner Beiträge in diesem Forum, sehr enttäuschend.Den letzten Punkt will ich jetzt begründen, wobei ich deinen letzten Beitrag als Ausgangspunkt verwende.[QUOTE=Kiffing;29139]von mir aus kannst du Aljechin so schlechtmachen wie du möchtest.[/QUOTE]Ich mache Aljechin nicht schlecht, ich ordne ihn richtig ein. Schon in dem Thema würdige ich den Schachspieler, indem ich das Adjektiv “groβ” verwende und nicht z.B. “sehr gut”. Meiner Ansicht nach verdienen nicht viele Spieler in der Schachgeschichte dieses Attribut.Aber ein dominanter Spieler, also eindeutig der stärkste seiner Zeit, war er nie. Davon kann sich jeder User leicht anhand von Resultaten/Platzierungen ein Bild machen: Aljechin hat nie ein Turnier gewonnen, wenn die stärksten Gegner am Start waren, und damit fällt er in die Kategorie der “schwächeren” Weltmeister. Dass Aljechin dies selber wusste, beweist sein “Ausweichen”, das sich wie ein roter Faden durch seine Karriere zieht. Seine Zeitgenossen wussten es auch, wie bereits in #5 und #6 erwähnt, bis dann im Lauf der Jahre sein Ruf immer mehr gewachsen ist.Bei deinen schachhistorischen Kenntnissen weiβt Du doch, dass ein Weltmeister sozusagen in der Pflicht steht: Schachfans erwarten von ihm, dass er nach Erringen des Titels seine Überlegenheit unter Beweis stellt.Ich könnte verschiedene Beispiele aufzählen, aber Karpow genügt. Nachdem er den Titel 1975 kampflos erhalten hatte, hat er sehr viele Turniere bestritten (und sehr oft gewonnen), um der Schachwelt zu beweisen, dass er ein würdiger Weltmeister war.[QUOTE=Kiffing;29139]Dazu gehört es schon mehr als Argumente, nach denen die 62 Turniersiege Aljechins mit irgendwelchen Vereinsmeisterschaften vergleichbar seien.[/QUOTE]Natürlich vergleiche ich Aljechins Turniersiege nicht mit Siegen bei Vereinsmeisterschaften oder kleinen Opens.Nur, wie ich in den Zusätzen erwähnt habe, erscheint mir das ein gutes, weil einfaches Beispiel zu sein, meinen Standpunkt zu verdeutlichen - gerade schachlich unerfahrenen Usern gegenüber.Bei Turniersiegen kommt es hauptsächlich nicht auf die Anzahl an, sondern auf die Qualität, d.h. die Stärke der Gegner.Woran wird jeder Tennisspieler zuerst gemessen? An seinen Siegen bzw. seinem Abschneiden bei Grand Slam-Turnieren.Aljechin hat nie ein Superturnier gewonnen; Lewon Aronjan z.B. ist zwar nicht Weltmeister geworden, aber er hat – im Gegensatz zu Aljechin – schon mehrfach Superturniere gewonnen. Ich halte auch ihn für einen groβen Spieler. [QUOTE=Kiffing;29139]wie Aljechins Gegner – darunter die stärksten Spieler der Welt – unter diesem Druck reihenweise zusammenbrachen.[/QUOTE]Here we go again! Wie oft muss ich mich noch wiederholen?Das ist einfach falsch. Wie ich in meinem Thema dargelegt habe, hat Aljechin seine ganze Karriere über gegen die stärksten Gegner schlecht abgeschnitten, von einer Ausnahme abgesehen (Wettkampf 1927 gegen Capablanca). Das kann jeder User mit einer Datenbank leicht überprüfen.Genau deswegen erreicht er in Warriors of the Mind nur den 18. Platz in der Rangliste der besten Spieler aller Zeiten. Wie schon erwähnt, das Buch ist nicht unumstritten (wie alle rückwirkenden Vergleiche, wie z.B. historische Elo-Zahlen), aber es sind bei Rezensionen auch positive Seiten des Werks hervorgehoben worden, denen ich zustimme, also Schund ist es auch nicht (da habe ich schon ganz andere Schachbücher zu sehen bekommen).Die Autoren erwähnen sogar, dass sie Aljechins Abschneiden zuerst überrascht hätte.[QUOTE=Kiffing;29139]...seinen Kommentaren überzeugt, was natürlich nicht ausschließt, dass auch einem Aljechin – Nobody is perfect – gelegentlich Fehler unterliefen. Dies ist aber unter dem Aspekt verzeihlich, dass es damals keine Engines gab.[/QUOTE]Auch das trifft nicht zu, da stellst Du Aljechin viel zu positiv dar und ich wiederhole mich erneut (zum wievielten Mal eigentlich?):Äuβerste Vorsicht bei seinen Partiekommentaren, wie Experten wie Hübner, Nunn, Burgess und Emms begründen.Sicher, er konnte damals nicht auf Engines zurückgreifen, was auch bei seriösen Kommentatoren zu dem gelegentlichen Fehler führen musste, doch geht es bei Aljechin leider weit darüber hinaus.Das Problem ist nicht nur sein Mangel an Objektivität (vor allem das Überschätzen eigener und das Auslassen/Unterschätzen gegnerischer Möglichkeiten), aufgrund seines exzessiven Geltungsbedürfnisses und seines Mangels an Moral war er sich nicht zu schade, Partien zu schönen bzw. zu konstruieren und sie dann als tatsächlich gespielt zu präsentieren.Mein Tipp: Wenn man sich ernsthaft mit seinen Kommentaren befassen will, sollte man gleichzeitig eine Engine laufen lassen.Du berufst dich auf Kasparow. Ich habe den gröβten Respekt vor seinem Schach, bin aber wahrlich nicht mit allen seinen Ansichten einverstanden (s. #16) und hat er nicht in allen Unternehmungen, die über sein persönliches Schach hinausgehen, schachpolitisch und politisch, Schiffbruch erlitten?Meine groβen Vorkämpfer ist auch sehr kritisiert worden, hauptsächlich wegen der ständigen Verwendung fremder Analysen und dass Kasparow höchstwahrscheinlich kaum etwas selber geschrieben hat, von der Einleitung abgesehen, über die sich dann oft Spott und Häme ergoss (ich bin wirklich nicht der Einzige, der das so sieht, wie in #16 beschrieben).Child of Change ist so schlecht, dass Spasski gesagt hat, dass es in Wirklichkeit von Karpows Manager geschrieben worden sei, weil Kasparow bei seinen traurigen Versuchen, Karpow zu diskreditieren so danebenlangt, dass er sich selber diskreditiert. Du kannst Kritiken im Internet finden, eine einzige Blamage für Kasparow.[QUOTE=Kiffing;29139]Was die Arroganz angeht, die du Aljechin vorwirfst,...[/QUOTE]Wo soll ich Aljechin Arroganz vorgeworfen haben? Sein “Kneifen”, seinen Mangel an Moral, ja, aber wann bitte Arroganz?Jetzt stelle ich die einfache Frage: Warum hast Du über praktisch den ganzen Thread über versucht, Aljechin mit falschen und widerlegten Argumenten besser darzustellen, als er war, immer wieder?Es gibt auch andere Beispiele:Aus #21:[QUOTE=Kiffing;29124]Es bleibt die Feindschaft zwischen Capablanca und Aljechin, die mehr Auseinandersetzungen zwischen beiden verhinderte.[/QUOTE]Das zäumt das Pferd vom falschen Ende her auf, wie ich in #22 begründe: Die Feindschaft ist nur aufgrund Aljechins Verhalten nach seinem Sieg im Wettkampf 1927 entstanden.Dann in #24 dieses Märchen:[QUOTE=Kiffing;29124]Er forderte also lediglich, dass Capablanca gegen ihn zu denselben Bedingungen antrat wie dieser es von allen seiner Rivalen eingefordert hatte.[/QUOTE]Worauf ich in #26 das gepostet habe:[QUOTE=blunder1;29134]Das ist einfach falsch und ich wiederhole mich gerne:Aljechin verlangte von Capablanca – als einzigem – 10.000 Dollar in Gold, was damals 18.000 “normalen” Dollar entsprach, also nahezu das Doppelte, und das gerade zu der Zeit, als die Welt noch unter den Folgen der verheerenden Wirtschaftskrise von 1929 litt.[/QUOTE]Dabei hatte ich alles schon (Feindschaft ausgenommen) in dem Thema und #6, was eigentlich der 2. Teil des Themas ist, gepostet und begründet, auch die wohlgemeinte und fundierte Warnung vor Aljechins Partiekommentaren.Wie oft soll das noch wiederholt werden?[QUOTE=Kiffing;29139]Verzeih mir aber bitte, dass ich mich nicht überzeugen lasse.[/QUOTE]Sich überzeugen lassen, das kann jeder User für sich selber entscheiden.Trifft das wirklich zu? Warum wirkt deine ganze Argumentation im Thread dann wie ein hilfloses Rückzugsgefecht, bei dem die Heilige Kuh Aljechin nur keinen Kratzer abgekommen darf – auf Teufel komm raus und immer wieder? Anstatt meine Argumente sachlich zu wiederlegen? Oder gar nicht darauf einzugehen?Verglichen mit der sonstigen (im Durchschnitt) Qualität deiner Beiträge in diesem Forum bist Du in diesem Thread nicht wiederzuerkennen.Hier geht es nicht um Meinungsfreiheit, inhaltlich sind deine Beiträge in meinen Augen eine einzige Enttäuschung, wobei Du immer wieder Eigentore erzielst.Und da es sich um mein Thema handelt und ich sowieso Offenheit schätze, habe ich meinen Standpunkt jetzt ausführlich dargelegt.Möge sich jeder User sein eigenes Bild machen.Und möge trotzdem Frieden walten.

Beitrag von Qf3

Dominierend heißt im allgemeinen Sprachgebrauch so viel wie vorherrschend. Wann genau aber ein Schachpspieler vorherrschend ist, das ist nicht festgelegt. Dafür gibt es verschiedene Kriterien und verschiedene Gewichtungen der verschiedenen Kriterien. Es gibt da kein richtig oder falsch, sondern nur schlüssigere oder weniger schlüssigere Argumentation. Manchmal sogar gleichberechtigte unterschiedliche Sichtweisen.[QUOTE=blunder1;29141]einer sorgfältigen und recht zeitaufwendigen Analyse des Wettkampfs 1927 mit einer Engine[/QUOTE]Der Wettkampf 1927 lief über 34 Partien. Nach 34 Partien lässt sich sagen, wer der bessere Spieler ist. Aljechin hat sich hier als der stärkere erwiesen. Was eine Engine zu den einzelnen Partien sagt, ist völlig unerheblich. Eine Engine-Bewertung wäre interessant bei der Frage, ob Aljechine so stark war, dass er eine Engine hätte schlagen können. Hier geht es aber um den Vergleich zwischen Aljechin und Capablanca. Und diesen Vergleich hat Aljechin zu seinen Gunsten entschieden. Es geht im Wettkampf um praktisches Spiel. Ob Capablanca in einigen Partien zu irgendeinen Zeitpunkt mal eine Gewinnstellung erspielt hatte, ist unerheblich. Es geht darum, am Ende als Sieger dazustehen. Und nicht um hätte, wenn, aber...Es geht um den Vergleich zwischen Aljechin und Capablanca und nicht den Vergleich mit einer Engine.1910 hat Lasker den WM-Kampf gegen Schlechter gewonnen. Lasker hätte nie gewinnen dürfen. Vor der letzten Partie lag er zurück und Schlechter hatte eine Stellung, die er mindestens hätte Remis halten können/müssen. Schlechter hat es verdorben. Lasker hat gewonnen. Lasker hat u.a. dadurch über 20 Jahre den Weltmeister-Titel innegehabt, was heute bei vielen als Zeichen Laskers Dominanz angesehen wird. Ich hätte es Schlechter gegönnt, aber hier muss man eben zugeben, dass am Ende Lasker der bessere war. Weil es eben nicht ausreicht schöne Stellungen zu erspielen, sondern diese auch verwerten muss.Mit Hilfe einer Engine findet man bei jedem Weltmeister etliche Partien, die Mängel aufweisen. Das gilt umsomehr für Spieler früherer Tage.[QUOTE=blunder1;29141]Urteilen/Analysen hochgeschätzter Autoritäten wie Hübner und Nunn.[/QUOTE]Du kannst deren Meinung als Unterstreichung deiner Argumente heranziehen. Aber es gibt eben auch andere Autoritäten, die eine andere Meinung zu Aljechin haben. Wenn du Autoritäten zitierst, musst du auch aushalten, dass andere User andere Autoritäten mit gegenteiliger Meinung zitieren.[QUOTE=blunder1;29141]Fakten, womit ich Resultate/Platzierungen Aljechins meine, die jeder User ganz leicht mit Datenbanken, Turniertabellen etc. überprüfen kann[/QUOTE]Auch hier ist nichts gegen einzuwenden; aber du musst eben auch zugeben, dass auch andere User Fakten aufgeführt haben. Fakten, die für Aljechins Stärke sprechen. Und es kommt eben auch drauf an, welche Fakten man heranzieht, wie man sie gewichtet etc.Insgesamt fand ich es bislang eine interessante Disussion. Ich finde es aber schade, dass nur wenig Platz für andere Meinungen gelassen wird, und mit welcher Vehemenz hier versucht wird (da muss ich Kiffing Recht geben), Aljechin schlecht zu reden.

Beitrag von blunder1

[QUOTE=Qf3;29142]Dominierend heißt im allgemeinen Sprachgebrauch so viel wie vorherrschend. Wann genau aber ein Schachpspieler vorherrschend ist, das ist nicht festgelegt. Dafür gibt es verschiedene Kriterien und verschiedene Gewichtungen der verschiedenen Kriterien. Es gibt da kein richtig oder falsch, sondern nur schlüssigere oder weniger schlüssigere Argumentation. Manchmal sogar gleichberechtigte unterschiedliche Sichtweisen.[/QUOTE]Danke für die Nachhilfe :hmpf:.Allgemein gebe ich Dir natürlich Recht, aber es gab dominante Weltmeister, die unumstritten über viele Jahre hinweg die Nr. 1 waren, z.B. Lasker oder Kasparow.Der junge Lasker war nicht unumstritten nach seinem Titelgewinn1894; besonders Tarrasch zweifelte seine Überlegenheit an (“der alte Steinitz”). Aber nachdem Lasker überzeugend die Superturniere St. Petersburg 1895/96 und Nürnberg 1896 (+ Rückkampf gegen Steinitz 1896/97) gewonnen hatte, war seine Überlegenheit in den Augen der Schachwelt so gefestigt, dass er sich sogar eine gut 2-jährige Schachpause erlauben konnte, um seinen Doktor (Mathematik) zu machen.Mit seiner Rückkehr (London 1899, Paris 1900) bestätigte er seine Dominanz. Sie geht also weit über seine 27 Jahre Weltmeister hinaus, er bewies immer wieder seine Überlegenheit.Genauso Kasparow.[QUOTE=Qf3;29142]Der Wettkampf 1927 lief über 34 Partien. Nach 34 Partien lässt sich sagen, wer der bessere Spieler ist. Aljechin hat sich hier als der stärkere erwiesen. Was eine Engine zu den einzelnen Partien sagt, ist völlig unerheblich.[/QUOTE]Ich verstehe nicht, wohin das führen soll. Schon in meinem Thema habe ich betont, dass ich Aljechins Sieg in dem Wettkampf für verdient halte und warum.Was Engines angeht, so werden sie zu jeder ernsthaften Analyse herangezogen. Auβerdem hat meine Analyse nur bestätigt, was schon damals Spielmann in seinen Kolumnen – ohne Engines – hervorgehoben hat: Capablanca hat zahlreiche Chancen nicht genutzt (ich kann auch die 31. Partie hinzufügen). [QUOTE=Qf3;29142]1910 hat Lasker den WM-Kampf gegen Schlechter gewonnen. Lasker hätte nie gewinnen dürfen.[/QUOTE]Lasker hat den Wettkampf (nur über 10 Partien) nicht gewonnen, sondern mit seinem Sieg in der letzten Partie den Ausgleich geschafft und so seinen Titel verteidigt.Unverdient war die Titelverteidigung insgesamt gesehen nicht: Sicher, Schlechter hätte die 10. Partie – in einer wilden und sehr komplizierten Stellung – halten können, aber dafür hat er glücklich die 5. Partie gewonnen (Lasker stand nahezu auf Gewinn) und in der 9. hat Lasker eine viel bessere Stellung auch nicht verwerten können. Der Wettkampf war einfach viel zu kurz, eine Geldfrage.[QUOTE=Qf3;29142]Fakten, die für Aljechins Stärke sprechen.[/QUOTE]Ich wiederhole noch einmal: Bei dem Thema ging es nie um Aljechins Spielstärke, die ich als erster gewürdigt habe (“groβer Spieler”), sondern um Dominanz, s. allein schon der Titel des Themas.Nur als Kiffing immer wieder mit falschen und widerlegten Argumenten ankam, um Aljechin besser darzustellen, als er war, und unbedingt eine Dominanz “beweisen” wollte, die es nicht gab, habe ich meinen Standpunkt in #30 klargestellt (davor hatte ich lange und geduldig geantwortet).Hinzufügen kann ich noch:[QUOTE=Kiffing;29110]So benötigte er viel weniger Züge als zum Beispiel Lasker und Capablanca, seine Gegner zu besiegen, was auf ein noch höheres Maß an Überlegenheit und Dominanz schließen lässt.[/QUOTE]Meine Antwort[QUOTE=blunder1;29118]Auch damit bin ich nicht einverstanden. Die Anzahl der Züge sagt nichts über Dominanz aus; in einer Turniertabelle bleibt ein Sieg ein Sieg, egal, ob er in 20 oder 100 Zügen errungen worden ist.Schnelle Siege hängen sehr von der Stärke/Schwäche der Gegner ab: Wenn Du dir die Partien des Wettkampfs 1927 anschaust, sie sind oft lang.Ein modernes Beispiel: Hat Carlsen nicht gerade in seiner besten Zeit (vor 3-4 Jahren) viele Siege in sehr langen Partien (aus ausgeglichenen Stellungen heraus) erzielt? Ändert das etwas an seiner damals deutlichen Dominanz?[/QUOTE]Auch dieser Versuch, Aljechins Dominanz zu “beweisen”, ergibt keinen Sinn. Aljechin hat das selber in dem Wettkampf gezeigt. Es gab Siege in langen Endspielen; er konnte Capablanca nicht so überrollen wie schwächere Gegner.[QUOTE=Qf3;29142]Aljechin schlecht zu reden.[/QUOTE]Ich rede Aljechin nicht schlecht, ich ordne in richtig ein.Frage Kiffing, warum er noch in #29 erneut versucht hat, Aljechin als guten Kommentator darzustellen; auch darauf bin ich in #30 ausführlich eingegangen.[QUOTE=blunder1;29085]Äuβerste Vorsicht ist auch bei Aljechins Partiekommentaren angebracht, wie Experten wie z.B. Hübner, Nunn, Emms oder Burgess festgestellt haben. Sicher, er konnte im Gegensatz zu modernen Kommentatoren nicht auf Computerunterstützung zurückgreifen, aber sie enthalten so viele Fehler und Unterlassungen (vor allem gegnerische Möglichkeiten), dass von guter Arbeit nicht die Rede sein kann.Erschwerend kommt hinzu, dass Aljechin ein exzessives Geltungsbedürfnis hatte und es ihm an Moral mangelte. Er scheute nicht davor zurück, Partien zu schönen bzw. zu konstruieren und sie dann als tatsächlich gespielt zu präsentieren. Das berüchtigste Beispiel, von dem ich weiβ, ist seine “5-Damen-Partie” gegen Nikolai Grigorjew.[/QUOTE]Vorsicht vor seinen Partiekommentaren! Das hat mit schlecht reden nichts zu tun, das ist eine wohlgemeinte und begründete Warnung.

Beitrag von blunder1

Ich finde es langsam ermüdend, mich ständig wiederholen zu müssen. Man kann mich kritisieren, wie man will, aber davor meine Beiträge bitte genau lesen.Bevor ein weiteres "blunder1 redet Aljechin schlecht" geplant ist, erlaube ich mir, auf das vernichtendste Urteil im ganzen Forum hinzuweisen, das Aljechins Mangel an Moral betrifft: Kiffings Beitrag in der Metaebene Alexander Aljechin zwischen Opportunismus und Kollaboration.

Beitrag von blunder1

[QUOTE=blunder1;29143]Vorsicht vor seinen Partiekommentaren![/QUOTE]Der Vollständigkeit halber will ich noch hinzufügen, dass ich glaube, dass es Qualitätsunterschiede bei Aljechins Partiekommentaren gibt:Kommentiert er eigene Partien oder fremde? Gerade bei eigenen Partien ist Vorsicht geboten.

Beitrag von Kiffing

Ich habe immer noch Probleme damit, Gegner von Aljechin wie Bogoljubow, Spielmann, Reti, Tartakower und Nimzowitsch, die dieser regelmäßig besiegte, nicht als große Spieler anzusehen. Das widerlegt ja deine Behauptung, dass Aljechin abgesehen von der WM 1927 nicht mit starken Spielern fertig geworden sei. Was mir ebenfalls wichtig ist, ist die angemessene Würdigung der in diesem Thread bereits mehrfach angesprochenen 62 Turniersiege Aljechins bei 87 Antritten. Bei der mathematischen Ermittlung der Spielstärke nach dem System von Arpad Elo wirken sich auch Siege gegen schwächere Gegner sehr stark auf die gemessene Spielstärke aus, vorausgesetzt, sie werden mehr oder weniger regelmäßig errungen, sodass die Gewinnquote pro Turnier (Performanz) entsprechend hoch ist. Dies war bei Aljechin der Fall, der in zahlreichen Fällen auch dann gesiegt hatte, wenn andere sich mit einem Unentschieden begnügt hätten. Um einen Vergleich heranzuziehen, so gilt ein Anatoli Karpov heute als einer der "großen Schachweltmeister", obwohl bis zu seiner Stilumstellung unter dem Eindruck der Konkurrenz durch Garri Kasparov seine Turniersiege mit zwei Gewinnen bei einem Rest an ausschließlich unentschieden ausgegangenen Auseinandersetzungen berüchtigt waren. Die Siege am Fließband hingegen, zu denen Aljechin im Gegensatz zu Karpov (und auch anderen großen Spielern) fähig war, trugen mit zu der außergewöhnlich hohen historischen Elozahl von Aljechin bei, die auf ihrem Peak im Mai 1931 bei 2860 gelegen hatte. Insofern bin ich dafür, ähnlich wie bei ebenfalls umstrittenen Künstlern wie Richard Wagner und Robert Fischer, die künstlerischen Leistungen von Aljechin nicht mit dem Verweis auf seine problematische Persönlichkeit zu schmälern, sondern beides sauber voneinander zu trennen und nur da in eine Beziehung zu setzen, wo dieses sich schachhistorisch anbietet, zum Beispiel zur Reflexion der Zustände der Zeit, in der Aljechin gewirkt hat. Einen solchen Versuch hat zum Beispiel Garri Kasparov unternommen, der in seiner Vorkämpfer-Reihe Aljechins Stil folgendermaßen in den zeitlichen Kontext einordnete: "Aljechins Stil gilt als die Inkarnation psychologischer Aggression. Er war geprägt von einer umfangreichen Vorbereitung, einer unglaublichen Energie auf dem Schachbrett und einem geradezu besessenen Streben, den Gegner in völligem Einklang mit der eigenen reichen kombinatorischen Fantasie zu bezwinge. Dies erinnert in auffallendem Maße an die verheerenden Kriege, die Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts überzogen hatten." (Garri Kaparov, Meine großen Vorkämpfer, Band 2, Edition Olms 2004, S. 9) Aljechins persönlichen Ehrgeiz zum Trotz, liebte er das Schachspiel in einem solchen Maße, dass es ihm, der sich stets als Gestalter des Schachspiels in einer großen Verantwortung gegenüber dem Spiel gesehen hatte, das nach Lessing für ein Spiel zu ernst und für den Ernst zusehr Spiel sei, meines Erachtens immer gelungen ist, seine persönlichen Ambitionen mit der Entwicklung seiner schachlichen Prinzipien in einen Einklang zu bringen. Aljechin hat sich selbst im Laufe seiner Karriere mehr als genug zu grundlegenden eschatologischen Fragen des Schachspiels geäußert wie zum Beispiel in seiner Unterscheidung des Stils von Bogoljubow von seinem eigenen oder seiner Aufteilung der Schachmeister in schöpferische und formale Vertreter. Botwinnik unterscheidet zwischen drei Entwicklungsetappen Aljechins, die er als "Blütezeit des kombinatorischen Scharfblicks" (1921), "Meisterung der Kunst des Spiels in einfachen Stellungen (mit dem Ergebnis des Sieges über Capablanca 1927)" sowie ein "neues, beinahe Laskersches Herangehen an das Schach [...]" apostrophierte. In seiner letzten Phase "suchte [Aljechin] nach geeigneten Möglichkeiten, den Gegner mit kombinatorischen Waffen zu schlagen, selbst dort, wo die Stellung dazu keine ausreichende Voraussetzung bot" (Isaak und Wladimir Linder, Das Schachgenie Aljechin, Sportverlag Berlin 1992, S. 296).Insofern kommen zahlreiche Schachmeister und -experten bei der Einordnung der Stärke Aljechins zu anderen Schlussfolgerungen, wobei sie nicht "nur" ihre eigene Einschätzung vortragen, sondern sich auch auf die Meinung von Zeitgenossen beziehen, wozu diese Beispiele genügen sollten: [QUOTE]"Sein Spiel war ungeheuer kompliziert" schreibt Bobby Fischer, komplizierter als das jeden anderen Spielers vor und nach ihm. Er entwickelte gigantische Konzeptionen, voller unerhörter und beispielloser Gedankengänge." Wenn Capablanca der Mozart des Schachspiels war, so erinnert Aljechin an Wagner. Seine Partien zeugten in allen Phasen von solch meisterhafter Beherrschung des Metiers. Sie waren so prall gefüllt mit originellen Ideen, so reich und klangvoll orchestriert, in ihren Harmonien so chromatisch und an Dissonanzen grenzend, daß kaum einer seiner Zeitgenossen ihm zu folgen vermochte. Bald machte das Bonmot die Runde, man müsse Aljechin in jeder Partie dreimal schlagen – einmal in der Eröffnung, dann im Mittelspiel und dann nochmals im Endspiel.[/QUOTE]Harold C. Schonberg, Die Großmeister des Schach, Fischer-Verlag 1974, S. 180[QUOTE]Aljechin glaubte offensichtlich, daß jede Stellung ihre individuelle Wahrheit enthielt; sicher kein Zufall, daß er sich in der Jugend von Tschigorins Gedanken inspirieren ließ. Er produzierte neue, verblüffende Ideen abseits jeder Schablone. Er verstand es, selbst das winzigste Detail zum Gehalt der Stellung in Beziehung zu setzen; ob ein Bauer auf a2 oder a3 stand, daraus konnte er, wie er es in der Analyse einer seiner WM-Partien tat, ein ganz neues Konzept entwickeln. Sein Markenzeichen war das "Spiel auf dem ganzen Brett", er manövrierte gern weit ab vom Ort der Entscheidung, bereitete diese mit scheinbar nebensächlichen Kleinigkeiten vor, um dann mit einer blitzschnellen Schwenkung zuzuschlagen. Dieses Schema skizzierte er in seinen Werken ganz offen; aber trotzdem waren die Gegner meist nicht fähig, am Brett seinen Ideen zu folgen. Selbst Bobby Fischer gab zu, manche Kombinationen Aljechins habe er bis heute nicht verstanden.[/QUOTE]Pfleger/Treppner, Brett vorm Kopf – Leben und Züge der Schachweltmeister, Becksche Reihe, München 1994, S. 123f.[QUOTE]Nach der Eröffnung beginnt das entscheidende Stadium des Kampfes in der Partie, in dem die Individualität eines Schachspielers, die Grenzen seines Talents, wohl am deutlichsten zutage treten. Aljechin blieb in allen Perioden seines Schaffens in den Augen seiner Zeitgenossen ein außergewöhnlicher Meister taktischer Operationen, ein Genie der Kombination. Viele seiner Kombinationen wären indes nicht möglich gewesen wären, wäre ihnen nicht eine ebenso geniale Strategie vorausgegangen. Immerhin war der kombinatorische Scharfblick einer ganzen Reihe von Kontrahenten, gegen die er viele Meisterwerke schaffen konnte – Capablanca, Bogulubow, Reti und andere – ebenfalls hochentwickelt. Sie, die über eine feine Intuition, die Fähigkeit zu einer weiten Vorausberechnung und über Phantasie verfügten, hätten die Ausführung kombinatorischer Ideen Aljechinjs sicherlich rechtzeitig durchkreuzt, wenn diese nicht durch eine tiefgründige und äußerst originelle Strategie vorbereitet worden wäre. Diese war so unkonventionell und undurchschaubar, daß sich die Gegner oft nicht in der Lage sahen, ihr eine eigene wirksame Strategie entgegenzustellen, die Hauptangriffsrichtung zu erkennen und den jähen kombinatorischen Schlag zu verhindern.[/QUOTE]Linder S. 277[QUOTE]Tartakower schrieb einst: "Aljechins Kunst besteht nicht nur in der Genialität und der wohlüberlegten Art seines Spiels, sondern vor allem in der idealen Verbindung dieser beiden scheinbar unvereinbaren Elemente, sprich: in seiner wohlüberlegten Genialität. Und die Universalität seines Stils sucht ihresgleichen. Während Philidor eine Bauernkette aufbaute, Morphy den König mutig angriff, Steinitz nach Methodik, Lasker nach Elastizität und Capablanca nach dem logischen Kampf strebten, suchte Aljechin den Kampf an sich.[/QUOTE]Kasparov, S. 243[QUOTE]Wo Phantasie und Kampfeswille walten, ist der "richtige Zug" freilich in Frage gestellt. Auf richtige Züge gibt es immer noch bessere –, das bewies jahrelang der Ästhet unter den Schachzauberern, Alexander Aljechin. Er übertrumpfte Capablancas Stil mit üppigen Kombinationen; "romantisch" wirken seine Partien heute. [/QUOTE][Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.zeit.de/1969/17/petrosjan-zieht-eiskalt/komplettansicht". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://www.zeit.de/1969/17/petrosjan-z ... ettansicht" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]

Beitrag von blunder1

[QUOTE=Kiffing;29417]Ich habe immer noch Probleme damit, Gegner von Aljechin wie Bogoljubow, Spielmann, Reti, Tartakower und Nimzowitsch, die dieser regelmäßig besiegte, nicht als große Spieler anzusehen. Das widerlegt ja deine Behauptung, dass Aljechin abgesehen von der WM 1927 nicht mit starken Spielern fertig geworden sei.[/QUOTE]Auch hier verstehe ich nicht, wohin das führen soll.Bei meinem Thema geht es um Dominanz, also um die Frage, ob Aljechin eindeutig der stärkste Spieler seiner Epoche war.Das war er mit Sicherheit nicht:[QUOTE=blunder1;29066]Ich erlaube mir eine kurze Zusammenfassung:1.) Aljechin hat seine ganze Karriere über gegen die stärksten Gegner (Lasker, Capablanca und Botwinnik) schlecht abgeschnitten – von einer Ausnahme (Wettkampf 1927 gegen Capablanca) abgesehen.2.) Aljechin hat nie ein Superturnier gewonnen, d.h. ein Turnier, an welchem die zu der Zeit stärksten Rivalen teilnahmen.Wenn zumindest zwei der drei gefährlichsten Kontrahenten am Start waren, hat Aljechin nie mehr als den dritten Platz erringen können, von St. Petersburg 1914 bis einschlieβlich AVRO 1938.3.) Er wich seinen gefährlichsten Rivalen immer wieder aus.Ich halte Aljechin für einen groβen Spieler, aber Dominanz sieht anders aus; Lasker und Kasparow z.B. haben die Schachwelt über Jahrzehnte hinweg dominiert.[/QUOTE]Bei allem Respekt Spielern wie Bogoljubow, Nimzowitsch, Reti etc. gegenüber: Sie spielten nicht in der Liga von Lasker, Capablanca und Botwinnik und hatten nie eine realistische Chance, Weltmeister zu werden.[QUOTE=Kiffing;29417]Die Siege am Fließband hingegen, zu denen Aljechin im Gegensatz zu Karpov (und auch anderen großen Spielern) fähig war, trugen mit zu der außergewöhnlich hohen historischen Elozahl von Aljechin bei, die auf ihrem Peak im Mai 1931 bei 2860 gelegen hatte.[/QUOTE]Zu dem Thema „historische Elozahlen“ habe ich mich bereits in Beitrag #13 geäußert; sie sind alle umstritten und sehr unterschiedlich.Auf die 2860 von Jeff Sonas (Chessmetrics) will ich etwas näher eingehen.Jeff Sonas hat eine gewaltige Arbeit geleistet, die nicht ohne Meriten ist, aber auch eindeutige Schwächen aufweist. Die beiden Hauptpunkte sind meines Wissens: Eine derartig ermittelte Wertungszahl ist nur sehr beschränkt aussagekräftig. Aljechin hat seine Karriere über viel gespielt und „profitiert“ von den Unzulänglichkeiten von Chessmetrics.Wie schon in #13 erwähnt, hat Arpad Elo selber eine historische Zahl von 2690 für Aljechin ermittelt.[QUOTE=Kiffing;29417]Insofern bin ich dafür, ähnlich wie bei ebenfalls umstrittenen Künstlern wie Richard Wagner und Robert Fischer, die künstlerischen Leistungen von Aljechin nicht mit dem Verweis auf seine problematische Persönlichkeit zu schmälern, sondern beides sauber voneinander zu trennen und nur da in eine Beziehung zu setzen, wo dieses sich schachhistorisch anbietet,...[/QUOTE]Genau das habe ich nicht nur schon in meinem Thema betont,[QUOTE=blunder1;29066]Ich möchte Euch meine Meinung über den Schachspieler Aljechin mitteilen (und hoffe auf die eure) und mich hier nicht über den Menschen Aljechin auslassen, der – gelinde ausgedrückt – sehr umstritten ist.[/QUOTE]sondern auch alle meine Beiträge gehen in diese Richtung. Ich habe mich auf Aljechins Spielstärke – besonders gegen die gefährlichsten Gegner – beschränkt und auf Stil usw. keinen Wert gelegt. Spielstärke wird anhand von Ergebnissen ermittelt, wobei nur die Resultate zählen und nicht der Stil des Spielers oder die Länge der Partien.Aljechins Mangel an Moral spielt nur insofern eine Rolle in meinem Thema, als das er sich nicht zu schade war, Partien zu schönen bzw. zu konstruieren und daher Vorsicht bei seinen Partiekommentaren angebracht ist.[QUOTE=Kiffing;29417]In seiner letzten Phase "suchte [Aljechin] nach geeigneten Möglichkeiten, den Gegner mit kombinatorischen Waffen zu schlagen, selbst dort, wo die Stellung dazu keine ausreichende Voraussetzung bot" (Isaak und Wladimir Linder, Das Schachgenie Aljechin, Sportverlag Berlin 1992, S. 296).[/QUOTE]Hier hast Du die Linders nicht ganz richtig zitiert; dein Zusatz „In seiner letzten Phase“ gibt den Satz der Linders nicht richtig wieder. Aljechins Tendenz (nicht immer!) zu ungesunden Angriffen zieht sich wie ein roter Faden durch seine gesamte Karriere, wie Hübner bereits auf seiner Chessbase-DVD nachweist.Zitat Aljechin: „Andererseits ließ diese Partie (gegen Rosanow, Moskau 1907) in mir eine eigentümliche psychologische Schwäche aufkommen, gegen die ich lange ankämpfen musste und von der ich mich nur mit größter Mühe zu befreien vermochte. Den Eindruck nämlich, dass ich, wenn ich in eine schlechte Stellung geriet, immer oder fast immer irgendeine überraschende Kombination finden würde, mit deren Hilfe ich mich aus allen Schwierigkeiten herauswinden könnte. Ein gefährlicher Irrtum!“ (I. und W. Linder, S. 18)Weswegen ich Kasparows Meine großen Vorkämpfer nicht für eine zuverlässige schachhistorische Quelle halte, habe ich ausführlich in meinem Thema [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/2588-Wie-zuverl%E4ssig-ist-Kasparows-quot-Meine-groen-Vork%E4mpfer-quot". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://www.schachburg.de/threads/2588- ... mpfer-quot" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] begründet; dabei bin ich auch detailliert auf die zu positive Darstellung Aljechins eingegangen.Ich betone gerne noch einmal, dass ich Aljechin für einen großen Spieler halte, der zahlreiche schöne und lehrreiche Partien gespielt hat; seine Spielstärke stand für mich nie zur Debatte, sondern in meinem Thema geht es um Dominanz.Er hatte viele Ideen, war taktisch sehr gefährlich und spielte ein spektakuläres Angriffsschach; Schachfans haben immer eine Schwäche für einen solchen Stil gehabt (s. Tal, Schirow). Allerdings heißt ein spektakulärer Stil noch nicht, dass er immer korrekt ist und ist nicht mit objektiver Spielstärke identisch; s. erneut Tal, dessen Angriffe nicht immer korrekt waren, was zu seinem katastrophalen Gesamtscore gegen den Verteidigungskünstler Kortschnoj führte.Dies ist der Grund, weswegen Aljechin über seine ganze Karriere hinweg gegen die stärksten Gegner (Lasker, Capablanca und Botwinnik) schlecht aussah - von dem WM-Wettkampf 1927 abgesehen, in welchem Capablanca zu viele Chancen nicht genutzt hat.

Beitrag von blunder1

[QUOTE=Kiffing;29417]Botwinnik unterscheidet zwischen drei Entwicklungsetappen Aljechins, die er als "Blütezeit des kombinatorischen Scharfblicks" (1921), "Meisterung der Kunst des Spiels in einfachen Stellungen (mit dem Ergebnis des Sieges über Capablanca 1927)" sowie ein "neues, beinahe Laskersches Herangehen an das Schach [...]" apostrophierte. In seiner letzten Phase "suchte [Aljechin] nach geeigneten Möglichkeiten, den Gegner mit kombinatorischen Waffen zu schlagen, selbst dort, wo die Stellung dazu keine ausreichende Voraussetzung bot" (Isaak und Wladimir Linder, Das Schachgenie Aljechin, Sportverlag Berlin 1992, S. 296).[/QUOTE]Botwinniks Beschreibung der schachlichen Entwicklung Aljechins finde ich sehr interessant, aber auch etwas verwirrend.Meine Ansicht: Wie ich in dem Forum bereits mehrfach erwähnt habe (z.B. in meinem Thema [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/2616-Modernes-Schach-ist-konkret-oder-wie-glaubwürdig-sind-Tarrasch-Reti-und-Euwe". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://www.schachburg.de/threads/2616- ... i-und-Euwe" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]) hat seit ca. 20 Jahren – oft mit Computerunterstützung - eine Neubewertung von Laskers Schach stattgefunden, um die sich u.a. die Großmeister Hübner, Nunn, Marin und Soltis und der Internationale Meister Watson verdient gemacht haben.Allerdings ist das Buch der Linders älter.

Beitrag von blunder1

Aljechins Tendenz zu ungesunden Angriffen weist auf seine - in meinen Augen – größten Schwächen als Schachspieler hin: Hübner weist auf seiner Chessbase-DVD ausdrücklich auf diese Schwächen hin; ich kann diese DVD allen Interessierten nur empfehlen.Spieler wie Bogoljubow, Nimzowitsch, Spielmann, Reti oder Tartakower waren nicht stark genug, um Aljechin seine Grenzen aufzuzeigen, doch gegen Spieler von der Klasse eines Lasker, Capablanca oder Botwinnik hat Aljechin seine ganze Karriere über einen schweren Stand gehabt. Wenn Capablanca während des Wettkampfs 1927 seine Chancen besser genutzt hätte, wäre Aljechin nicht Weltmeister geworden.

Beitrag von blunder1

Da ich mir seit meinem letzten Beitrag das Buch Capablanca von Edward Winter besorgt und auch gelesen habe, erlaube ich mir einen Zusatz.

Capablanca sollte an dem Turnier Pasadena 1932 teilnehmen, doch Aljechin, welcher dort antrat, hat - wie in San Remo 1930 - alles versucht, seine Teilnahme zu verhindern, indem er im Fall von Capablancas Mitwirkung 2.000 Dollar zusätzlich verlangte. Gerade zu dieser Zeit, als die Welt noch unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise von 1929 litt, war Aljechins trauriges Vorgehen sehr wirkungsvoll; der Kubaner trat nicht an.

Ein Auszug aus einem Brief Aljechins vom 19.05.1932 an Macmahon, einem der Organisatoren des Turniers:
"1) Does our original agreement hold?
2) Does Capablanca participate in the tournament and does your Committee agree to pay me in that case 2000 dollars extra fee?
"

In einem Brief an Norbert Lederer (Havanna, 14.07.1932) geht Capablanca darauf ein:
"...Our friend A. has asked the California people two thousand dollars for playing in case I participate, and nothing if I do not play. Then he says he is not afraid and that he does not object or make difficulties about my participating in any tournament in which he plays - I believe these facts should be published..." (Winter Capablanca S.233)

Beitrag von blunder1

Kiffing hat in dem Forum immer wieder Aljechins „Partien aus einem Guss“ erwähnt.
Dies ist in meinen Augen keine ausgewogene Beschreibung seines Stils.

Die am stärksten besetzten Turniere seiner Laufbahn waren St. Petersburg 1914, New York 1924, mit Abstrichen New York 1927 (Bogoljubow und vor allem Titelverteidiger Lasker, welcher das Turnier 1924 gewonnen hatte, nahmen nicht teil), Nottingham 1936 und AVRO 1938. In diesen Turnieren gab es keine „Partien aus einem Guss“, sondern aufgrund der Stärke seiner Gegner harte Kämpfe mit unvermeidlichen Fehlern.
Ebenso in dem WM-Wettkampf 1927 gegen Capablanca.

Aljechin hat seine Siege „aus einem Guss“ gegen deutlich schwächere Gegner errungen; schließlich hat er hat zahlreiche kleinere Turniere gewonnen.
In Aljechins Buch Auf dem Wege zur Weltmeisterschaft handelt Kapitel IV von den Turnieren Hastings, Scarborough und Birmingham 1926, welche er gewann (Hastings geteilter erster Platz).
Aljechin: „Von den Ereignissen des Jahres 1926 seien zunächst die drei kleineren Turniere Hastings, Scarborough und Birmingham besprochen. Da keines dieser Turniere eine größere sportliche Bedeutung hatte, verlegte ich mich um so mehr auf die weitere Ausbildung meines Stils.“ (S.74, die Hervorhebungen sind von mir)