Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Rezension zu: "Perfektionieren Sie ihr Schach" (Grabinski/Wolotikin)“

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Beitrag von Kiffing

Das Arbeitsbuch Perfektionieren Sie ihr Schach von GM Andrej Wolotikin und IM Wladimir Grabinski ist schon heute bei den ambitionierten Schachspielern bekannt und geschätzt, da es gute Möglichkeiten bietet, an seiner eigenen Spielstärke zu feilen. Da ich selbst an dem Buch lange Zeit gearbeitet habe, möchte ich meine persönlichen Eindrücke von dem Buch schildern und der Frage nachgehen, ob die vielen Lorbeeren, die das Buch bislang gewonnen hat, aus meiner Sicht gerechtfertigt sind.Das Skript des Buches ist überschaubar, da es in nur drei Kapitel unterteilt ist. Im ersten Kapitel: „Auf der Suche nach dem stärksten Zug“ geht es um die Intuition, denn hier müssen intuitiv die Züge gefunden werden. Bei dem hohen Schwierigkeitsgrad des Werkes kann hier der Lernende nicht nur an seiner Intuition feilen, er kommt auch oft genug in den Genuß, wirklich geniale Ideen aufspüren zu können. Das zweite Kapitel: „Finden Sie den Gewinnweg“ fordert einem stattdessen harte Rechenarbeit ab. Wie die Autoren zurecht betonen, wurden in der Praxis schon viele gewonnene Stellungen verschenkt, weil der Gewinnweg nicht gefunden wurde. Ich selbst kann ein Lied davon singen. Umso nötiger ist es also, das Aufspüren von Gewinnmöglichkeiten zu üben, um diese dann später in der eigenen Praxis zu verwerten. Das dritte Kapitel: „Fragen und Antworten“ geht stattdessen auf den „stillen Dialog“ des Schachspielers in den eigenen Partien ein. Der Schachspieler stellt sich während seiner Partie ständig Fragen rund um seine Partie, und die Übungen, die hier mit einer Frage versehen wurden, helfen dem Spieler dabei, auf seine eigenen Fragen, die er in seiner Praxis hat, später umso besser Antworten finden zu können.Auf den hohen Schwierigkeitsgrad bezogen, so ist jedem Kapitel ein kleines Aufgabenset aus der Praxis von Wolotikin vorgesetzt, dessen Aufgaben vom Schwierigkeitsgrad teilweise deutlich über den ersten Aufgaben des jeweiligen Hauptkapitels liegen können. Das Hauptkapitel wiederum umfaßt jeweils 100 Aufgaben, bei denen die ersten 40 Aufgaben FM-Niveau, die nächsten 40 Aufgaben IM-Niveau und die letzten 20 Aufgaben GM-Niveau besitzen. Insofern ist das Arbeitsbuch ideal auch für sehr starke Spieler, taugt aber auch für ehrgeizige schwächere Spieler, die selbst noch lange kein FM-Niveau besitzen. Denn durch das Lösen von wirklich schwierigen Aufgaben wird der Schachspieler mit dem meisterlichen Denken vertraut. Und wie die Autoren betonen, selbst wenn man eine Aufgabe nicht zu lösen vermag, wächst man schachlich schon alleine dadurch, daß man sich mit der Aufgabe und der Lösung vertraut gemacht hat. Meiner Meinung nach kann man im Schach vor allem dann wachsen, wenn man sich auch an Aufgaben versucht, die das eigene Niveau überschreiten. Macht man dies konsequent, nimmt man durch die Auseinandersetzung mit diesen Aufgaben mit der Zeit ein höheres Spielniveau an. Das Buch gefällt mir also sehr gut, und auch die Lösungen sind jeweils sehr plastisch beschrieben, so daß man oft interessante praktische Hinweise für ähnlich gelagerte Probleme im Schach bekommt, die man für sich nutzen kann. Ich selbst denke, daß ich durch das Buch stärker geworden ist, und überdies kann das Buch wirklich die Freude am Schachspiel steigern, da die Aufgaben teilweise sehr inspirierend sind und das „Besondere“ im Schach betonen, von dem bspw. ein Lasker immer so angetan war, der das selbst in Abgrenzung zu seinem Intimfeind Tarrasch einmal betont hat.

Beitrag von zugzwang

Das angesprochene Buch ist ein Arbeitsbuch. Lesestoff bieten die Einleitungen und Anmerkungenzu den Lösungen. Hier gibt es die eine oder andere verbale Anleitung, die über die ganz konkrete Aufgabe hinausgeht und gelegentlich auch weit über das Thema Schach hinausreicht.Weil das Buch ein Arbeitsbuch ist und ich daran noch sitze und sitzen werde, reicht es bei mir noch nicht für eine Rezension sondern nur für Eindrücke und Anmerkungen.Der Titel kann zumindest nach deutschem Sprachverständnis etwas irreführend sein, weil hierzulande perfekt synonym zu vollkommen und vollständig gebraucht wird.Im englischen Sprachgebrauch aus dem ins Deutsche übersetzt wurde, ist "Perfect your Chess" vielleicht nicht so vollumfänglich gemeint, wie es für mich klingt.Die Verbesserung, die das Buch anstrebt und auch erreicht, betrifft nur Teilbereiche des Wettkampfschachs - nicht die unwichtigsten, zugegeben.Hinsichtlich der Auswahl und der Einordnung der Schwierigkeit haben die Autoren ihr Ziel erreicht. Sie legen interessante, verwirrende sowie nüchtern-übersichtliche Stellungsbilder vor, die trotzdem feine und kreative Lösungen erfordern. Es ist ein sehr guter Querschnitt durch viele Facetten einer Schachpartie und deshalb sehr praxisnah.Die Autoren meinen sogar mit dem 1. Teil (intuitiv den besten Zug finden/spüren) Neuland betreten zu haben. Ich finde das geht ein Stückchen zu weit. Neu ist vllt., daß sie den Leser auffordern, diese Aufgaben rein intuitiv zu lösen und nicht in einem Verbund aus Stellungsanalyse, Berechnung, Wissen und Erfahrung sowie der sich daraus ergebenden Prise Intuition.Den Aufgaben des 1. Teils habe ich mich sowohl intuitiv als auch analytisch zu nähern versucht. Letzteres, weil ich an meinen intuitiven Ideen (zurecht!) etliche Zweifel hegte und weil ich denke, daß Zugideen immer geprüft und berechnet werden müssen.Die Auswahl von Kandidatenzügen ist ohnehin häufig eine Mischung aus Intuition und Stellungsbewertung/analyse. Ob man bei der Auswahl von Kandidatenzügen der Intuition eine größeren Vorrang geben sollte, halte ich für eine Geschmack- und auch Stilfrage. Bei schwächeren Spielern unterhalb der Meisterstärke (=IM bzw. starker FM) halte ich eine zu stark intuitiv geprägte Vorabauswahl für Kandidatenzüge für riskant.Die Aufgaben des 1. Teils finde ich schwieriger als die des 2. Teils. Zum 3. Teil bin ich noch gar nicht gekommen.Aufschlußreich dürfte es sein, die intuitiv zu lösenden Aufgaben des 1. Teils mit anderen Methoden zu lösen (Silmans Imbalances, Hertans Forcing Moves oder die klassisch-alte Methode der Stellungsbewertung und Analyse mit daraus anschließenden Zugkandidaten.Das Buch ist als bisheriges Fazit für mich eine moderne Fortsetzung von Hort/Jansa "Der beste Zug" mit einem literarisch anspruchsvolleren Lösungsteil.Also: Kein Kolumbusei, aber echt gut und auch überfällig.Bestimmte Neuerungen und erkenntnisse, die in Nunns Taktiktrainings enthalten sind, fehlen aber. Dazu später mal etwas mehr.