Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Vollautomatisierte Schachbücher - SF oder bald Realität?“

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Beitrag von Kiffing

Es hat schon immer Menschen mit dem ganz besonderen Blick gegeben, welche die Fähigkeit hatten, anhand der aktuellen Situation zukünftige Entwicklungen etwa aus den Bereichen der Politik, Wissenschaft und Technik vorherzusehen. Beschränken wir uns auf die letzten beiden Punkte, so fallen mir persönlich Jules Verne ein, der in Paris im 20. Jahrhundert, das im Jahre 1863 geschrieben wurde, Entitäten wie Wolkenkratzer, Taschenrechner und die Automobile (daß diese bei ihm mit Gas betrieben wurden, ist geschenkt) vorhersah; Willian Gibson, der den [Hier befand sich ein Link auf die Seite "Cyberspace%20http_/www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2017-01/william-gibson-science-fiction-neuromancer-cyberspace-futurist.html". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "Cyberspace" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. 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Walter Eigenmann versuchte in seinem Glarean-Magazin ähnliches, und zwar war er beeindruckt von den Chessbase-Analysemöglichkeiten, namentlich von der „Taktischen Analyse“ der Datenbank von Chessbase 14 (nicht zu verwechseln mit der Fritzschen Vollanalyse), die er anhand der 8. WM-Partie zwischen Carlsen und Karjakin [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://glarean-magazin.ch/2016/11/28/chessbase-version-14-rezension-schach-datenbank-glarean-magazin-walter-eigenmann/". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "auswertete" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]:[QUOTE]Wie man sieht, resultiert aus dieser vollautomatischen Untersuchung ein Notations-Bild, das der professionellen Kommentierung durch Großmeister in Schach-Büchern und -Zeitschriften verblüffend nahe kommt: Klare Variantengliederung, die schachlichen Hotspots mit Diagrammen strukturiert, die Verbalisierungen prägnant-treffend (und farblich hervorgehoben), Einbeziehung von Eventualzügen bzw. Alternativen, Abwechslung der Semantik usw. [/QUOTE] Mit Blick auf die Zukunft bzw. auf die wachsenden technischen Möglichkeiten und Innovationen des Marktführers, aber auch der Konkurrenz kommt Walter Eigenmann nun die Idee, daß Partieanalysen von Meisterpartien, die traditionell als Lehrbücher von menschlichen Schachmeistern auf dem Schach-Büchermarkt erscheinen, bald durch vollautomatisierte Partieanalysen, selbstverständlich mit eingebauter verbaler Erläuterungssystematik auf eben diesem Schach-Büchermarkt ersetzt und verdrängt werden könnten. Eigenmann erläutert und kommentiert seine Hypothese:[QUOTE]Fazit bezüglich der «Taktischen Analyse» bei «Chessbase 14»: Wenn die Entwickler dieses neue Feature weiter professionalisieren und u.a. insbesondere seine Semantik noch vielfältiger, differenzierter, origineller, also irgendwie «menschlicher» gestalten, dann ist der Tag nicht mehr fern, da ganze Partien-Bücher praktisch vollautomatisch, ohne schachliche Mithilfe des Menschen – der ja ohnehin taktisch höchst fehleranfällig kommentiert – generiert werden können. Nimmt man noch die im Computerschach-Zeitalter immer häufigere Auffassung hinzu, dass es eigentlich keine (vom Menschen zu entdeckende) «Schach-Strategie» mehr gibt, sondern nur noch «nicht ganz durchgerechnete Taktik», dann steht der Überschwemmung des Schachbücher-Marktes mit rein maschinell erzeugten Partien-Sammlungen bald nichts mehr im Wege. Ein erschreckendes Szenario, mit hunderten von arbeitslosen Großmeistern & Schach-Autoren und -Verlagen, eine Verarmung der gesamten Schachszene? Oder doch eine Erweiterung, eine Vertiefung, ja Professionalisierung des Umganges mit Schachpartien? Die Zukunft wird es zeigen… [/QUOTE]Ein interessanter Ansatz und gleichzeitig SF - sicherlich. Für wie möglich und für wie erwünscht haltet ihr denn selbst diese Erwartung des Glarean-Betreibers? Ich persönlich glaube nicht daran. Zum einen haben Menschen im Vergleich zu Computern andere Stärken und Schwächen, so daß Schachspieler in ihren Partien aufgrund ihrer wesentlich geringeren Rechenkapazität auf übergeordnete Leitlinien, Muster und Strategeme angewiesen sind, um in einer Partie möglichst lange den Überblick zu bewahren, und sie können im Gegensatz zum Computer auch psychologisch spielen, gezielt gegen die allgemeinen menschlichen Schwächen oder gezielt gegen den jeweiligen Gegnertyp im speziellen. Zum anderen wünschen sich die meisten Schachspieler einen fachkundigen menschlichen Begleiter, der sie durch das Schachbuch führt, wie ein guter Lehrer in der Lage ist, mit gewissen humoristischen, anekdotischen oder dramatischen Einwürfen das Interesse am Lehrstoff aufrechtzuerhalten bzw. diesen gegebenenfalls auzulockern - auch hier gilt wieder, daß Menschen anders lernen als Computer und somit auch die „weichen“ Faktoren von Bedeutung sind - und dem sie in irgendeiner Form auch emotional verbunden sind. Überdies schließt das eine das andere nicht aus, da ein guter Schachbuchautor in der Lage dazu ist, sich während der Analyse von Meisterpartien zielführend der Computerhilfe zu bedienen, was er heute wie selbstverständlich macht und was einen weiteren Vorteil bietet, nämlich den, daß er selbst, sozusagen von Mensch zu Mensch, den gebotenen Computeroutput in solche Schwerpunkte menschengerecht aufgliedern kann, so daß der Leser angesichts seines spezifisch menschlichen Denkens am meisten davon profitieren kann. Im Gegensatz zum Computer weiß ein kampferprobter Schachmeister, wie man menschliche Gegner am ehesten zerlegt, und da es zudem nur wenige gibt, die angesichts der Konkurrenz von Online-Spieleplattformen noch gern gegen einen Computer spielen, so werden es sicherlich ähnlich wenige Schachspieler bevorzugen, ein Buch (warum eigentlich Buch und nicht CD-ROM?) von genau dem gleichen seelenlosen Programm zu lesen. Wie denkt ihr darüber?

Beitrag von Kampfkeks

Zu Jules Verne fallen mir noch U-Boote und Raketen zum Mond ein, die es zu Lebzeiten Vernes ja auch noch nicht gab. Genialer Mann! "20.000 Meilen unter dem Meer" habe ich vor einigen Jahren übrigens mal in der Originalversion gelesen (natürlich ins Deutsche übersetzt) und war ehrlich gesagt nicht so begeistert, weil neben der eigentlichen Story immer wieder langatmige und extrem detaillierte Beschreibungen der Unterwasserwelt eingestreut sind, häufig über mehrere Seiten hinweg. Ok, das ist wohl der damaligen Zeit geschuldet, in der sich die meisten Menschen (mangels Reisemöglichkeit bzw TV) wohl nicht so recht vorstellen konnten, wie es unter Wasser so aussieht. Heutzutage lesen sich die Passagen dagegen etwas zäh...Zu den vollautomatisierten Schachbüchern: Das müßte man mal ausprobieren... ich bin allerdings eher skeptisch:- Taktik muß man eh selbst trainieren, da helfen letztlich keine noch so schönen Programme.- Strategie kann ein menschlicher Lehrer mE besser beibringen als ein Programm, weil Menschen nunmal anders ticken als Maschinen - wir Menschen rechnen nicht "brute force" alle erdenklichen Züge durch, sondern brauchen einen Überblick, einen Leitfaden. Und das kann mE ein menschlicher Lehrer / Autor besser vermitteln als ein Programm.Aber - um den Bogen zu Jules Verne zu spannen - bleiben wir offen für alles Neue und schauen wir, was sich daraus entwickelt!

Beitrag von Kiffing

Da ich ein Faible für Dystopien habe, habe ich mit Vernes "Paris im 20. Jahrhundert" angefangen und war wegen des schlechten Sprachstils, der beschränkten Handlung und den holzschnittartigen Charakteren einschließlich der Hauptfigur einigermaßen entsetzt. Nun verstand ich auch, warum Vernes Erstling keinen Verleger fand. Deswegen konnte ich mich für weitere Bücher Vernes nicht mehr motivieren, die ja nach allgemeiner Kritik deutlich besser gewesen seien. Wegen Deines Einwurfs muß ich allerdings sagen, daß U-Boote im Entstehungszeitraum von "20.000 Meilen unter dem Meer" (1869) bereits bekannt waren. Wie bei dem Traum vom Fliegen (wobei es Heißluftballons schon im französischen Ancient Regime gab) existierten U-Boote damals als Idee und Entwürfe, und in der Praxis waren U-Boote bereits erprobt. Während des Amerikanischen Bürgerkriegs von 1861-1864 waren es zudem die Südstaaten gewesen, denen es als erstes gelang, durch ein militärisches U-Boot ein feindliches Schiff zum Sinken zu bringen. Die eigene Besatzung überlebte den Anschlag allerdings auch nicht, während den Pionierarbeiten am U-Boot kamen bei den Probefahrten und im Einsatz ohnehin reihenweise die Crews um, weil Wasser ins Boot kam, der Sauerstoff ausging oder das Boot aus welchen Gründen auch immer die Fahrt nach oben verweigerte. Es waren verwegene Leute, Abenteurer und Helden zugleich, die ihr Leben für eine Idee einsetzten. Wegen der Einschätzung von Eigenmanns Idee sind wir uns einig. Was innovative Ideen angeht, so ist es immer in der Schwebe, ob eine innovative und revolutionäre Idee sich durchsetzt oder zum Treppenwitz wird.

Beitrag von Kampfkeks

[QUOTE=Kiffing;27252]Während des Amerikanischen Bürgerkriegs von 1861-1864 waren es zudem die Südstaaten gewesen, denen es als erstes gelang, durch ein militärisches U-Boot ein feindliches Schiff zum Sinken zu bringen.[/QUOTE]Stimmt, du hast völlig Recht! Über das U-Boot im Amerikanischen Bürgerkrieg habe ich sogar mal eine Doku gesehen, glaube ich. Da war ich wohl etwas voreilig. :smile: