Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Alexander Aljechin zwischen Opportunismus und Kollaboration“

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Beitrag von Kiffing

[IMG][Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://i.imgur.com/XNATEUi.jpg". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://i.imgur.com/XNATEUi.jpg" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.][/IMG]Alexander Aljechin könnte man am ehesten mit Robert James Fischer vergleichen. Ebenfalls „schachbesessen“, am Brett ein Genie und mit seinem Können und seiner Art, Schach zu spielen, stilprägend, bot auch sein Charakter immer wieder Anlaß für Kontroversen. War seine Schachkarriere reich an Skandalen - so sind bei Aljechin teilweise ungehemmter Alkoholkonsum und Ausrasten bei Niederlagen belegt (einmal zertrümmerte er sogar das Mobiliar in seinem Hotelzimmer) -, so wird ihm von vielen vor allem seine Kollaboration mit den Nazis übelgenommen. Aljechin spielte im Dritten Reich Schach und half deren irrige, antisemitische Theorie von dem „zersetzenden Einfluß“ des „jüdischen Schachs“ mit seinem unsäglichen [URL="http://www.velesova-sloboda.org/misc/aljechin-juedisches-und-arisches-schach.html"]Pamphlet [/URL] weiterzuverbreiten.Freilich sind Vergleiche nie ganz korrekt, und einer der markantesten Unterschiede zwischen Robert Fischer und Alexander Aljechin scheint der zu sein, daß Fischer alles, was er tat, aus Überzeugung machte, während bei Aljechin der Opportunismus seine Triebfeder zu sein schien. Warum Aljechin sich für die Nazis, die fast den ganzen Erdball in einen Schlachthof verwandelten, so hergab, dafür ist wahrscheinlich seine Biographie bzw. sind die als junger Mensch erlitten Erfahrungen in seiner nachrevolutionären russischen Heimat verantwortlich. Aljechin erlebte den Ersten Weltkrieg sowie die nachfolgenden Zerstörungen von Revolution, Bürgerkrieg und Kriegskommunismus, er wurde abwechselnd von Roten und Weißen verhaftet und soll, einer Legende nach, nur seiner Hinrichtung entronnen sein, weil er in einer Schachpartie um Leben und Tod Revolutionsführer Leo Trotzki besiegte. Helmut Pfleger versucht diese Auswirkungen auf Aljechins Persönlichkeit folgendermaßen zu deuten:[QUOTE]Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, daß er psychisch völlig entwurzelt gewesen sein muß: kein Rückhalt in der Familie, keine Weltanschauung, die ihm Halt gab. Sein späteres Verhalten deutet darauf hin, daß er die Welt als amoralisches Chaos begriff, in der es nur einen Fixpunkt gab: Schach. Erfolg und Vervollkommnung in diesem Spiel scheinen der einzige echte Wertmaßstab gewesen, den er je hatte, gewesen zu sein[/QUOTE]Helmut Pfleger/Gerd Treppner, Brett vorm Kopf, Leben und Züge der Schachweltmeister, C.H. Becksche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck), München 1994, S. 119Dieser Opportunismus wird erkennbar an Aljechins Verhalten, das er bei der [URL="http://www.schachburg.de/threads/780-Hintergr%C3%BCnde-zur-Schacholympiade-1939-in-Buenos-Aires"]Schacholympiade von 1939[/URL] in Buenos Aires, also nur zwei Jahre vor diesen Artikeln, an den Tag gelegt hatte und wo er alles dafür tat, der „großdeutschen“ Mannschaft Steine in den Weg zu legen, damit das „Großdeutsche Reich“ nicht Turniersieger wird. Vergleicht dazu bitte aus dem [URL="http://www.chessbase.de/2008/geschichteschacholympiade/3/Brief%20von%20Becker.pdf"]Brief[/URL] von Delegationsleiter Albert Becker an Max Blümich:[QUOTE] Dr. Aljechin arbeitete überhaupt in jeder Beziehung gegen uns, verbot seinen Leuten jeden Verkehr mit uns, war in Presse und Rundfunk unser Gegner, und schädigte uns bewußt weiterhin, indem er (für Frankreich) nicht gegen Polen und Argentinien antrat und ihnen so einen Punkt schenkte (der französische 5. Mann Dez war eigentlich kein Spieler, sondern nur Delegierter bei der FIDE) [/QUOTE]1939 war Frankreich eben noch die Heimat von Aljechin gewesen, er hatte auch längst die französische Staatsbürgerschaft erhalten und wirkte sogar in der Resistance als Übersetzer. Als nun seine antisemitischen Schach-Artikel erschienen, um genau zu sein im März 1941 in der Pariser Zeitung und im April in der Deutschen Zeitung in den Niederlanden, war seine neue Heimat Frankreich von den Nazis längst besetzt worden. Insofern könnten diese Artikel den Sinn gehabt haben, sich bei den Nazis wieder einzuschleimen, die sein Verhalten bei der Schacholympiade vor nicht einmal zwei Jahren natürlich nicht vergessen hatten. Wie perfide Aljechins Artikelserie unter den damaligen Umständen gewesen ist, dazu äußerte sich später [URL="http://jungle-world.com/artikel/2002/35/23369.html"]Hans Kmoch[/URL]:[QUOTE]So ein Nonsens wäre es normalerweise nicht wert gewesen, gedruckt zu werden. Unter den wachsamen Augen der Gestapo konnten solche Äußerungen den Tod für die angegriffenen Juden und auch für ihre nicht jüdischen Angehörigen bedeuten[/QUOTE]Dieses Anliegen hatte allerdings keinen rechten Erfolg, denn die Serie wurde schnell darauf eingestellt. Der Hauptgrund dafür dürfte der sein, daß Aljechin bei seinen Rundumschlägen gegen jüdische Spitzenspieler geradezu peinliche Fehler unterliefen, die den Artikeln jedwede Seriosität nehmen sollten. So bezeichnete er den Sieg von Adolf Anderssen bei dem Turnier in London 1851 als „Niederlage des englisch-jüdischen Verteidigungsgedankens gegenüber der deutsch-europäischen Idee des Angriffskampfes“, obwohl der solcherart angeprangerte Howard Staunton kein Jude gewesen ist. Ebenso wenig ist der Gegner von Anderssen, Lionel Kieseritzky, ein Jude gewesen. Und auch mit seiner jüdischen Zuschreibung von Carl Schlechter, den Aljechin benützte, um die „negativen Auswirkungen“ der Weltmeisterschaft von Emanuel Lasker zu „beweisen“, hatte Aljechin kein Glück, denn auch Carl Schlechter war kein Jude, sondern Katholik. (Vgl. Das Schachspiel als Phänomen der Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhundert, Edmund Bruns, LIT-Verlag 2003, S. 209.Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Denn die peinlichen Fehler und damit falschen Anschuldigungen Aljechins, die natürlich schnell aufgeklärt werden konnten, sorgten auch bei den Offiziellen des Dritten Reichs für eine gewisse Verärgerung, und man entsann sich wieder schnell, wie der Autor dieser Peinlichkeiten die „Großdeutsche“ Mannschaft noch 1939 bei der Schacholympiade behandelt hatte (vgl. ebd. S. 210).Es paßt zu Aljechin und seinem Opportunismus, daß er nach Kriegsende, wegen seinen Taten zur Rechenschaft gezogen, nicht dazu stand, sondern behauptete, er habe unter den Nazis nur in Ruhe Schach spielen wollen, und er sei gar nicht der Urheber dieser antisemitischen Artikel gewesen. Weil Aljechin die Verantwortung für diese Artikel also leugnete, gibt es in der Schachwelt immer noch den Mythos, Aljechin sei unschuldig gewesen oder die Schuldfrage sei unklar. Der Schachhistoriker Dr. Edmund Bruns weist aber nach, daß Aljechin gelogen hat und „mit großer Sicherheit“ (S. 208) der Autor dieser Artikel gewesen ist. So gab Aljechin am 3. September 1941, der Informaciones, einer Madrider Tageszeitung, folgendes Interview:[QUOTE]Mit welchem Thema werden sich die von ihnen besprochenen Vorlesungen beschäftigen?Die Evolution des Schachdenkens in der neuen Zeit und ihre Quellen. Ich habe sowohl die arischen als auch die jüdischen Schachtypen studiert. [...]In El Alcatar, einer anderen spanischen Tageszeitung, faßte der Journalist Lastanao die Aussagen Aljechins zusammen und schrieb: „Er fügte hinzu, daß in der Zeitschrift Deutsche Schachzeitung und in der deutschen Tageszeitung Pariser Zeitung, die jetzt in Paris gedruckt wird, er der erste war, der die Aufmerksamkeit auf den Rassenstandpunkt im Schach lenkte[/QUOTE](ebd.)Zudem weist Bruns darauf hin, daß Aljechin freiwillig aus dem neutralen Spanien in das besetzte Frankreich zurückkehrte, zwischen 1941 und 1943 an mindestens sechs NS-Turnieren teilnahm und eine makabere Freundschaft mit dem Generalgouverneur von Polen, [URL="http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Frank#Generalgouvernement"]Hans Frank[/URL], also jenem Kriegsverbrecher, der für den Tod von Hunderttausenden Menschen und die Deportation von etwa einer Millionen Menschen verantwortlich war, sowie dem Gouverneur von Warschau, Dr. Schmidt, pflegte. (Vgl. ebd.)Der englische Teilnehmer der Schacholympiade von 1939, Harry Golombek, der nach dem Ausbruch des Krieges das Turnier abbrach und sich daraufhin für kriegswichtige Aufgaben bereitstellte (so trug er wesentlich zur Entzifferung der deutschen Rotor-Schlüsselmaschine ENIGMA bei), meinte zu Aljechin: „ein glühender Patriot, solange Frankreich noch unbesiegt war, und ein Kollaborateur, als Deutschland triumphierte“. Der US-Schachspieler Anthony Saidy äußerte sich ähnlich: „Aljechins Motivation war ganz einfach – er hatte keine Moral“ (Pfleger/Treppner, S. 136).Die vielen unruhigen Jahre seines Lebens, mittendrin im Herz des „[URL="http://de.wikipedia.org/wiki/Zweiter_Drei%C3%9Figj%C3%A4hriger_Krieg"]Zweiten Dreißigjährigen Krieges[/URL]“ haben Aljechin jedenfalls geprägt, und er entschied für sich, wie er damit persönlich umging. Auch sein Schachstil war ein Zeugnis dieser Zeit. Kasparov führte dies in der Welt am Sonntag, Nr 14/1996, S. 63 aus, zitiert von Bruns:[QUOTE]Aljechins Schachauffassung machte das Spiel zu einer Art psychologischer Aggression. Massive Vorbereitung, ein Ausbruch von Energie am Brett, ein manischer Wille, den Gegner zu zerstören, kombiniert mit einer großen kombinatorischen Phantasie – dieser Stil erinnert an die vernichtenden Militärgewalten, in deren Mitte er dem Spiel nachging[/QUOTE]

Beitrag von Maschendrahtzaun

Kann man auf den eingangs erwähnten "ungehemmten Alkoholkonsum" vielleicht auch sein späteres Verhalten im Zusammenhang mit den Nationalsozialisten beziehen?Wikipedia schreibt:[quote]Aljechin, zwei Jahrzehnte lang französischer Staatsbürger, zeigte bereits bei Kriegsausbruch, während der Schacholympiade in Buenos Aires 1939, wo er Frankreich vertrat, seine anti-deutsche Haltung. Sobald er nach Europa zurückgekehrt war, betätigte er sich als Übersetzer für die französische Résistance. Doch änderte er seine Ansichten grundlegend, nachdem Deutschland 1941 die UdSSR angegriffen hatte.Er wurde plötzlich für die deutsche Propaganda anfällig und zeigte sich bereit, für die nationalsozialistische Ideologie, die den Bolschewismus bekämpfte, zu werben.[/quote]Das macht auf mich so ein bisschen den Eindruck, als sei Aljechin ein wenig wankelmütig gewesen.Allerdings hätte er als russischer Adeligensohn in der Sowjetunion sicher nicht so besonders viel Spaß gehabt, und vielleicht sah er im Nationalsozialismus auch einfach die Alternative dazu. Was vielleicht ein bisschen verrückt klingt, mag sich damals für ihn vielleicht so dargestellt haben.

Beitrag von Kiffing

Aljechin hatte die Nazis bekämpft, als er noch im sicheren Frankreich war. Sobald die Nazis aber Frankreich besetzt hatten, spielte er auf einmal deren Lieder. Diese schnelle Umpolung hat übrigens sogar die Nazis mißtrauisch gemacht, weswegen ich ja vermute, daß er sich den Mächtigen immer bereitwillig angedient hat, um aus seiner Lage den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Wie Pfleger und Treppner ja erwähnt hatten, schien er alles seinem Denksport untergeordnet zu haben. Und Anthony Saidy hat wohl Recht, daß dieser Mann, von der Menschheit vermutlich in jungen Jahren desillusioniert, keine Moral gehabt hatte. Die Welt ist amoralisch, also kann man in ihr wohl nur reüssieren, wenn man selbst amoralisch ist, so hat er vermutlich gedacht. Antipathien gegen die Sowjetunion spielen wahrscheinlich in seinem Verhalten mit hinein, aber die Gründe für sein Verhalten liegen tiefer.

Beitrag von whiteshark

Mannomann, Pfleger und Treppner haben sich da aber einen Sch... zusammengeschrieben. :tock:

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=whiteshark;16883]Mannomann, Pfleger und Treppner haben sich da aber einen Sch... zusammengeschrieben. :tock:[/QUOTE]Bezieht sich wohl auch oder vor allem auf:[QUOTE]Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, daß er psychisch völlig entwurzelt gewesen sein muß: kein Rückhalt in der Familie, keine Weltanschauung, die ihm Halt gab. Sein späteres Verhalten deutet darauf hin, daß er die Welt als amoralisches Chaos begriff, in der es nur einen Fixpunkt gab: Schach. Erfolg und Vervollkommnung in diesem Spiel scheinen der einzige echte Wertmaßstab gewesen, den er je hatte, gewesen zu sein [/QUOTE]Helmut Pfleger/Gerd Treppner, Brett vorm Kopf, Leben und Züge der Schachweltmeister, C.H. Becksche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck), München 1994, S. 119Dazu muß ich sagen, daß ich schon immer von diesem Zitat beeindruckt gewesen war und welches mir den Anstoß gab, mich so intensiv mit diesem russischen Schachgenie zu beschäftigen. Leider fiel mir gegen diese Erwiderung lange Zeit nichts ein, aber ich hatte sie stets im Hinterkopf gespeichert. Manchmal muß gut Ding eben Weile haben. Endlich bin ich auf einen Beleg gestoßen, auf einen Beleg, wo die Quelle Alexander Aljechin höchstselbst ist, der im Juli 1944, also in einer Zeit, in der sich das Ende des Krieges bereits abzeichnete, an den Journalisten und Schachspieler Juan Fernandez Rua folgendes schrieb:[QUOTE]Der beste Teil meines Lebens verging zwischen zwei Weltkriegen, die Europa verwüstet haben. Beide Kriege haben mich ruiniert, doch mit folgendem Unterschied: Am Ende des ersten Kriegs war ich 26 Jahre alt, mit grenzenlosem Enthusiasmus, über den ich jetzt nicht mehr verfüge. Wenn ich einmal meine Memoiren schreibe - was sehr gut möglich ist -, dann werden die Leute erkennen, dass Schach einen kleinen Teil meines Lebens ausgemacht hat. Es gab mir die Möglichkeit, nach etwas zu streben und zugleich überzeugte es mich von der Sinnlosigkeit dieses Strebens. Heute spiele ich weiterhin Schach, da es meinen Geist beschäftigt hält und mich davon abhält zu grübeln und in Erinnerungen zu verfallen.[/QUOTE]zit. aus André Schulz, Das große Buch der Schachweltmeisterschaften, New in Chess 2015, S. 111f. Natürlich tragen diese Zeilen die Handschrift eines schwer Depressiven. Doch der Inhalt dieser Zeilen, die Treppner und Pfleger ganz sicher bekanntgewesen waren, sprechen für genau diese Interpretation von Aljechins Persönlichkeit, der auch dort sein bestes, glanzvollstes, ja unsterblichstes Schach kreierte, wo die Welt völlig aus den Fugen geriet und der sich erfolgreich die Bedingungen kreieren konnte, wo dies trotz alledem noch möglich gewesen war.

Beitrag von blunder1

Ein weiterer ausgezeichneter und auch sehr wichtiger Beitrag.Deine Beiträge , besonders in der Metaebene, sind einfach nur hervorragend: was die Recherchen/Quellen angeht, inhaltlich und stilistisch.Der absolute Tiefpunkt in Aljechins Karriere/Leben. Ich teile deine Ansicht, dass es wohl Opportunismus (und sein Mangel an Moral) war, der ihn dazu verleitet hat und nicht Überzeugung.Ein kleiner, ebenfalls sehr trauriger Zusatz: Während dieser Zeit traten Max Euwe und andere Schachspieler mit der Bitte an Aljechin heran, die bekannten Meister Salo Landau (1902-1943) und David Przepiorka (1880-1943) aus Konzentrationslagern zu retten. Aljechin behauptete, dass er machtlos sei, irgendetwas zu unternehmen. Ich denke, dass er aufgrund seiner “guten” Kontakte zu Nazi-Gröβen wie Frank und Schmidt zumindest einen Versuch hätte unternehmen können.Salo Landau war während des WM-Wettkampfs 1935 gegen Euwe Aljechins Sekundant gewesen.

Beitrag von Qf3

[QUOTE=blunder1;29083]Ich denke, dass er aufgrund seiner “guten” Kontakte zu Nazi-Gröβen wie Frank und Schmidt zumindest einen Versuch hätte unternehmen können.[/QUOTE]Landau wurde (zusammen mit seiner Familie) nicht als bspw. Krimineller oder "Asozialer" inhaftiert, sondern als Jude. Und zwar u.a. nach Ausschwitz. Damit war er ein Totgeweihter. Aljechins Kontakte zu bspw. Hans Frank waren dabei unerheblich. Frank hatte zwar im späteren Verlauf größere Auseinandersetzungen mit der SS-Führung, aber dennoch stand Frank konsequent hinter der NS-Rassenideologie und dem Vernichtungswillen. Frank war als Schlächter von Polen bekannt und wird. u.a. zitiert mit:[QUOTE]Mit den Juden, das will ich Ihnen auch ganz offen sagen, muss so oder so Schluß gemacht werden […]. Meine Herren, ich muss Sie bitten, sich gegen alle Mitleidserwägungen zu wappnen. Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie treffen und wo es irgend möglich ist.[/QUOTE]Aljechin bewegte sich aufgrund seiner eigenen Herkunft und früheren Tätigkeit selbst auf einem schmalen Grat. Ich bin zwar kein besonderer Freund Aljechins, aber wenn man die damaligen Verhältnisse berücksichtigt, muss man wohl zu dem Schluss kommen, dass Aljechin tatsächlich keine Möglichkeit hatte, sich für Landau einzusetzen.

Beitrag von Qf3

Soweit ich weiß, war Landau auch im Durchgangslager Westerbork.Hier gibt es einen Bericht zu Westerbork mit Original-Aufnahmen und Zeitzeugen-Aussagen (auf der Zeitleiste ungefähr von 1:10:17 bis 1:14.20):[Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.youtube.com/watch?v=PAgWOYvTDKs". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://www.youtube.com/watch?v=PAgWOYvTDKs" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]Hat jetzt nicht unbedingt was mit dem eigentlichen Thema zu tun, aber vielleicht für den ein oder anderen doch mal interessant.

Beitrag von blunder1

[QUOTE=Qf3;29086]Landau wurde (zusammen mit seiner Familie) nicht als bspw. Krimineller oder "Asozialer" inhaftiert, sondern als Jude. Und zwar u.a. nach Ausschwitz. Damit war er ein Totgeweihter. Aljechins Kontakte zu bspw. Hans Frank waren dabei unerheblich. [/QUOTE] Ich bin kein Historiker, aber seit Jahrzehnten interessiere ich mich sehr für Geschichte; das geht viel weiter als nur Schachgeschichte.Selbstverständlich weiβ ich, dass Landau als Jude deportiert und ermordet worden ist und dass Frank einer der Hauptangeklagten in Nürnberg war, der auch zu Tode verurteilt wurde.In den weitaus meistens Fällen war eine Deportation nach Auschwitz der sichere Tod, aber es gab Ausnahmen, z.B. Oskar Schindler, der sehr "gute" Kontakte zu Nazi-Gröβen hatte, was es ihm erlaubte, Juden aus Auschwitz zu retten.Mit seinen "Kontakten" zu Frank und Schmidt wäre ein Versuch Aljechins nicht chancenlos gewesen; schlimmstenfalls (für Aljechin) hätte er ein "Nein" zu hören bekommen.

Beitrag von Qf3

[QUOTE=blunder1;29088]In den weitaus meistens Fällen war eine Deportation nach Auschwitz der sichere Tod, aber es gab Ausnahmen, z.B. Oskar Schindler, der sehr "gute" Kontakte zu Nazi-Gröβen hatte, was es ihm erlaubte, Juden aus Auschwitz zu retten.[/QUOTE]Schindler war deutscher (Groß-)Unternehmer. Dass Unternehmer Häftlinge aus einem KZ als Zwangsarbeiter anfordern, war ein normaler und vom Staat sogar gewünschter Vorgang. Somit hatte Schindler auch einen wasserdichten Vorwand KZ-Häftlinge anzufordern.Einen solchen Vorwand hatte Aljechin einfach nicht.

Beitrag von blunder1

[QUOTE=Qf3;29125]Schindler war deutscher (Groß-)Unternehmer. Dass Unternehmer Häftlinge aus einem KZ als Zwangsarbeiter anfordern, war ein normaler und vom Staat sogar gewünschter Vorgang. Somit hatte Schindler auch einen wasserdichten Vorwand KZ-Häftlinge anzufordern.Einen solchen Vorwand hatte Aljechin einfach nicht.[/QUOTE]Wie bitte? Schindler hätte einfach so Zwangsarbeiter aus dem Vernichtungslager Auschwitz “anfordern” können? Wir reden hier von einem Vernichtungslager, keinem Ghetto.Die Zwangsarbeit von Auschwitz-Häftlingen, welche die durchschnittliche Lebenserwartung um 3 Monate verlängerte, fand in Auschwitz statt (z.B. Auschwitz III Monowitz).Wie Schindler die “Schindlerfrauen” aus Auschwitz rettete, kann man schon auf Wikipedia nachlesen. Er war übrigens kein Einzelfall (“Fischers Liste”).Enge Kontakte zu Nazi-Entscheidungsträgern eröffneten sehr gute Möglichkeiten, Leben zu retten.Ein bekanntes Beispiel ist Albert Göring, der Bruder von Hermann Göring (“Reichsmarschall” und Hauptangeklagter in Nürnberg). Albert war nie NSDAP-Mitglied und nutzte sein Verwandtschaft mit Hermann, um zahlreiche Juden zu retten; Passierscheine z.B. waren für ihn kein Problem.Hans Frank war Generalgouverneur des nicht annektierten Teils Polens. Bei seiner “Freundschaft” mit ihm hätte Aljechin gute Chancen gehabt, etwas für u.a. Landau zu bewirken; genau deswegen hatte Max Euwe seine Bitte an Aljechin gerichtet. Mehr als ein “Nein” hätte Aljechin nicht riskiert.Dass Aljechin nicht einmal versucht hat, seinen ehemaligen Sekundanten vor dem nahezu hundertprozentig sicheren Tod (bei Kriegsende waren ca. 6.000 Auschwitz-Überlebende bekannt) zu retten, ist eine weitere moralische Bankrotterklärung für ihn.