Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Die Früchte vortrefflichen Positionsspiels“

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Beitrag von Kiffing

Akiba Rubinstein kann gut mit Wassili Iwantschuk verglichen werden. Vom Schachverständnis war Rubinstein wahrscheinlich sogar Aljechin und Capablanca überlegen, was man auch heute zu Iwantschuk gegenüber Kasparov sagt. Aber leider stand auch Rubinstein wie Iwantschuk sich durch schwache Nerven immer wieder selber im Wege. Beide Spieler sind eben nicht nur durch glänzende Siege, sondern auch durch "unerklärliche" Fehler bekannt.In dieser Partie gegen Frank Marshall beim Turnier 1908 in seiner polnischen Heimat (Lodz) gelang Akiba Rubinstein eine der "unsterblichen Partien", die ihren Weg durch die verschiedensten Lehrbücher gegangen sind und deswegen nie mehr vergessen werden. Gegen das Londoner System verschaffte sich Rubinstein zunächst durch virtuose Figurenbehandlung Vorteile. Er suchte seinen schwachen weißfeldrigen Läufer gegen den gegnerischen starken Läufer zu tauschen. Als Marshall zurückwich, gelang ihm die Domination auf den weißen Feldern mittels Batterie aber doch. Längst die Initiative an sich reißend, setzte Rubinstein nun den ganzen Damenflügel unter Druck, während der US-Amerikaner bei seinem Königsangriff auf dem Königsflügel nicht so recht weiterkam. Nachdem nun auch noch der Sb3 durch lehrbuchmäßiges Bauernspiel kaltgestellt und die g-Linie durch Tausch geöffnet wurde, griff Rubinstein unter Ausnutzung des ganzen Bretts im Zentrum und Königsflügel gleichzeitig an. Ein Figurenopfer Marshalls gegen zwei Bauern half bereits nichts mehr. Im Gegenteil, Akiba Rubinstein entkorkte im 37. Zug eine unwiderstehliche Kombination...Frank Marshall war zwar einer der stärksten Schachspieler der damaligen Zeit. Gegen die ganz Großen machte er aber selten eine gute Figur. So verlor er z. B. die Zweikämpfe gegen Lasker und Tarrasch jeweils vernichtend.[Event "Lodz"][Site "Lodz POL"][Date "1908.10.??"][EventDate "1908.10.??"][Round "5"][Result "0-1"][White "Frank James Marshall"][Black "Akiba Rubinstein"][ECO "D02"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "86"]1.d4 {Notes by "Deutsches Wochenschach und BerlinerSchachzeitung" 1908.} d5 2.Bf4 Nf6 3.Nf3 e6 4.e3 c5 5.c3 Nc66.Bd3 Qb6 7.Qc1 {The alternatives are 7.Qc2 and 7.Qb3, but inboth cases, after 7...c4 Black has a good game.} Bd7 8.O-O Rc89.Nbd2 Be7 10.Rb1 O-O 11.Qd1 Rfd8 {If 11...Nh5, then 12.Ne5Nxf4 (12...Nxe5 13.Bxh7+!) 13.Bxh7+ Kh8 (13...Kxh7 14.Nxd7)14.Nxd7 Qc7 15.exf4 Qxd7 16.Qh5 and White wins.} 12.Ne5 Nxe513.dxe5 Ne8 14.Qh5 f5 15.Rfe1 {?} Bb5 16.Bc2 Qa6 17.Ra1 Bd318.Bd1 {?} Qb6 {!} 19.Nb3 a5 {! Also good is 19...c4 20.Nd4Qxb2, etc.} 20.Bf3 Be4 21.Re2 Nc7 22.Rd2 a4 23.Nc1 g6 24.Qh3{The immediate 24.Qh6 is better.} Kh8 {! Preparing ...g5. Ifimmediately 24...g5, then 25.Bxg5 Bxg5 26.Qg3 h6 27.h4.}25.Qh6 Bxf3 26.gxf3 g5 {!} 27.Bg3 d4 28.exd4 f4 29.Ne2 fxg330.hxg3 Qc6 31.Qh5 Rf8 32.Kg2 Qe8 33.Qg4 Qg6 34.Rh1 c4 {!}35.Qe4 Kg7 {!} 36.Qxb7 Nd5 37.g4 Rxf3 {!!} 38.Qxc8 Qe4 39.Kg1Ne3 {!} 40.Ng3 Rxg3+ {!} 41.fxg3 Qb1+ 42.Kf2 {Or 42.Kh2 Nxg4+43.Kh3 (43.Kg2 Qe4+) 43...Qxh1+ 44.Kxg4 h5+ mate.} Nxg4+43.Ke2 Qe4+ 0-1

Beitrag von zugzwang

[QUOTE=Kiffing;20780]...Frank Marshall war zwar einer der stärksten Schachspieler der damaligen Zeit. Gegen die ganz Großen machte er aber selten eine gute Figur. So verlor er z. B. die Zweikämpfe gegen Lasker und Tarrasch jeweils vernichtend...[/QUOTE]Frank Marshall hatte das Pech, daß zu seiner Zeit Lasker, Capablanca und Aljechin spielten.Gegenüber den anderen ragte er fast schon wieder heraus, wie der 5. Platz von St. Petersburg - vor u.a. Rubinstein - und der 4. Platz von New York 1924 zeigten.Mit New York 1927 schied er mit knappen 50 Jahren aus dem Kreis der WM-Anwärter aus - er war der älteste Teilnehmer dieser Ausscheidung. Letzter Platz, aber dank ihm wurden die USA noch 4x Olympiasieger in der Vorkriegsära.

Beitrag von Kampfkeks

Gibt es irgendeinen besonderen Grund, warum er 28.exd4 gespielt hat? Er muß doch gesehen haben, dass er dann seinen Läufer verliert.:grübel:

Beitrag von Kiffing

28. cxd4 hätte die Partie für den völlig überspielten Marshall schon nicht mehr retten können. Weiß steht bereits verloren. Während Schwarz hervorragend aufgebaut ist, sind der Sc1 und der Ta1 noch auf ihren Startplätzen, und die weiße Dame ist in Erklärungsnot und vom Spiel ausgeschlossen. Also 28. cxd4 exd4, und wegen der Lage des Ta1 dringt der schwarze Turm vernichtend ins weiße Lager ein, wenn Weiß seinen Läufer nicht opfert: 28. cxd4 cxd4 29. Te2 dxe3 30. fxe3 Td1+ 31. Kg2 -+ Schwarz kann spielen, was er will und gewinnt den Läufer trotzdem, denn wenn der weiße Läufer später auf f4 zurückschlägt, setzt Schwarz mit nun zwei Türmen Matt (beachte das Feld g8). Nach 14. Dh5 f5 wurde Weiß mit bestem Stile ausgekontert.

Beitrag von Daniel72

Wenn der König im 38. Zuge auf f3 den Turm wiederschlägt, folgt Tf8+, richtig ? Wird Weiß dann matt, schlägt es durch ?

Beitrag von Kiffing

Aus: [url]http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1094709[/url][QUOTE]After 38.Kxf3,Rf8+ 39.Kg2 (weaker is 39.Kg3,Qe4 40.Rf1,Rf3+ 41.Kh2,Qxg4 42.Ng3,Kf7! and there is no defense against ...Nf4), 39...Qe4+ 40.Kg1,Rf3! Now White has a difficult choice: 41.Rh2?,Rd3! 42.Rxd3,cxd3; and the d-pawn will be promoted into a queen; 41.Ng3,Rxg3+ 42.fxg3,Qe1+ 43.Kh2,Qxd2+ 44.Kh3,Qf2 45.Qd7,h5 46.Qxe6,h4, and White has no defense against the mate (--Razuvaev, from Akiba Rubinstein: Uncrowned King by IMs Donaldson and Minev). Perhaps you need to boost the search mode in your computer engine.[/QUOTE]Diese Meinung wurde dort freilich relativiert:[QUOTE]Well, I dont see how black wins if white in Razuvaevs line fails to pick one of suggested "difficult choices", which both lose by force tactically, and if he plays something less cooperative like 41.a3 or 41.Qd7, but I agree that black must not take the draw there, which he can easily force in several ways, and he can try to play to win without much risk despite of material deficit as white position is very bad. But still I am not sure that spectacular 37...Rf3 deserves "!!" here, as simple 37...Qf7 wins easily by force, for example 38.Rh3 h5 39.gxh5 g4 40.Rg3 Rc7 41.Qb5 (41.Rxg4+ Kh7 ) 41...Bg5 attacking the Rook d2 and threatening gxf3+ at once, or 38.Ng1 a3 39.bxa3 Nxc3 etc.[/QUOTE]Nach meinem Verständnis hat Schwarz natürlich die besseren Möglichkeiten und Weiß muß das Remis erst finden, was unter diesem Druck, wie wir gesehen haben, sehr schwierig ist. Aber der Computer entzaubert tatsächlich so manche noch so legendäre Traumpartie. Das Opfer auf f3 war praktisch brillant, aber objektiv suboptimal und sogar gewinngefährdend. Bei 37. ...De8 bspw. zeigt mein Fritz 13 -2,08, nach 37. ...Txf3 ist es auf einmal +0,00 :eek: Danke, daß Du nachgefragt hast. Aber vielleicht war es auch ein Talsches Opfer, wo man die Widerlegung erst nach der Partie findet. :D

Beitrag von Daniel72

Danke für die Infos, ich bin nicht so sehr ein Engine-Fan, aber umso mehr von Rubinstein und Kollegen - und natürlich den Meisterpartien hier im Forum ! :danke: