Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Zehn Jahre später - Meisterturnier New York 1924“

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Beitrag von Kiffing

[IMG][Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://i.imgur.com/R8stKQo.jpg". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://i.imgur.com/R8stKQo.jpg" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.][/IMG]1924 wurde während der Olympischen Spiele in Paris die FIDE gegründet. 1924 ist schachlich auch aus einem anderen Grund ein Meilenstein, denn in New York wurde ein Schachturnier der Superlative aus dem Boden gespampft, dem aufgrund fehlender Sponsorengelder für einen WM-Kampf zwischen Aljechin und Weltmeister Capablanca, weil die Schachwelt die kubanische „Schachmaschine“ für ohnehin unbezwingbar hielt, die Bedeutung einer Art inoffiziellen Weltmeisterschaft zukam. Den Nimbus der Unbesiegbarkeit hatte sich Capablanca nicht zu Unrecht erworben. Denn seit nunmehr zehn (!) Jahren war es niemandem mehr gelungen, ihn in einem Turniermatch zu bezwingen. Seine letzten beiden Niederlagen hatte Capablanca 1914 in St. Petersburg in der Finalrunde gegen Lasker und Tarrasch bezogen, dem damit klar in Führung liegend der so sicher scheinende Turniersieg noch entglitt und der so Emanuel Lasker den Vortritt lassen mußte. Überhaupt gibt es interessante Beziehungen zwischen St. Petersburg 1914 und New York 1924.Nachdem Akiba Rubinstein in St. Petersburg so bitter enttäuscht hatte - Tarrasch hatte ihm bescheinigt, „[Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/1691-Das-Großmeisterturnier-St-Petersburg-1914". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "direkt schlecht" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]“ gespielt zu haben - und Emanuel Lasker den seit seinem Turniersieg in San Sebastian 1911 als seinen Nachfolger gehandelten Capablanca noch einmal übertroffen hatte, hatte sich mit Alexander Aljechin ein junger Russe mit seinem sensationellen 3. Platz ins Rampenlicht gespielt, dem für die Zukunft vieles zugetraut wurde. Der Erste Weltkrieg hatte daraufhin auch im Schach für eine Zäsur gesorgt, lag das Schach doch auf dem europäischen Kontinent, nur noch von Bernhard Kagan notdürftig am Leben gehalten, darnieder, so daß von den großen Spielern nur Capablanca weitgehend unbeschadet aus dem Krieg gehen konnte. Emanuel Lasker verlor große Teile seines Vermögens, weil er als Patriot in deutsche Kriegsanleihen investiert und somit alles verloren hatte, während Aljechin, 1914 beim Turnier in Mannheim arretiert, dann entlassen und auf russischer Seite für das Rote Kreuz kämpfend, in die Wirren der Oktoberrevolution geriet und als Adliger wohl zweimal nur knapp mit dem Leben davonkommend erst 1921 nach Europa übersetzen konnte, so daß er also sieben Jahre in seiner Schachentwicklung behindert wurde. Dafür hatte sich Aljechin nach 1921 umso eifriger ins Turniergeschehen gestürzt. Er gewann im selben Jahr mit Triberg, Budapest und Den Haag gleich drei Turniere, und auch die Titel in Hastings 1922 und Portsmouth 1923 gingen an den Exilrussen. Er war wesentlich aktiver als Capablanca, der es nach Vollendung seines großen Ziels, den Weltmeistertitel zu erringen, merklich ruhiger angehen ließ und zwischen Havanna 1921 und New York 1924 nur ein Turnier 1922 in London spielte, das er allerdings gewann, so daß Aljechin seine eigene Strategie, möglichst dem Weltmeister in Turnieren auszuweichen, um seine für einen WM-Kampf gegen den Kubaner so nötige Reputation nicht aufs Spiel zu setzen, nicht mehr allzu schwer fiel. Dies war neben der Zäsur des Ersten Weltkriegs ein Grund dafür, daß sich die „Großen Drei“ zehn Jahre nach St. Petersburg 1914 in einem Turnier wiedersahen, und natürlich sorgte dies bei den Schachanhängern für Begeisterung. Nach Harry Schaack habe „vor allem das erste direkte Aufeinandertreffen zwischen Weltmeister Capablanca und dem schon 56jährigen Lasker seit dem Titelgewinn des Kubaners 1921“ „die Massen schon im Vorfeld“ „elektrisiert“ (KARL, 3/2015, S. 22). Emanuel Lasker, der sich bei diesem Turnier ein weiteres Denkmal setzen sollte, hatte trotz seines Sieges in Maerisch-Ostrau 1923 seine Chancen im Vorfeld von New York zumindest offiziell pessimistisch eingeschätzt. So äußerte er sich gegenüber der Schachmaty: „Ich selbst fühle mich nicht genügend vorbereitet und da ich mit glänzend eintrainierten Gegnern zusammenkomme, erwarte ich für mich nicht viel“ (ebd. f.). Daß das Turnier in der pulsierenden Metropole New York City stattfand, war kein Zufall, denn längst hatte sich New York, das 1893 und 1908 bereits Turniere unter Mitwirkung Laskers organisiert hatte, als schachliche Hochburg etabliert, die zeitweise Wohnsitz sowohl von Steinitz, Lasker als auch Capablanca gewesen war.Das doppelrundig ausgetragene Elf-Meister-Turnier fand „im prächtigen japanischen Saal im zweiten Stock des Alamac-Hotels“ (ebd.) statt. Jeder Spieler hatte also zwanzig Partien zu bestreiten. Um den Spielern die Vorbereitung auf die Gegner zu erschweren, wurden die Paarungen von Runde zu Runde ausgelost (s. Isaak und Wladimir Linder, Das Schachgenie Aljechin, Sportverlag Berlin 1992, S. 108). Das Eröffnungsbankett war feierlich und bot 300 Gästen Platz (ebd.). Neben den „Großen Drei“ hatte das Turnier Frederick Yates, den Altmeister David Janowski, Edward Lasker, Frank Marshall, Savielly Tartakower, Géza Maróczy, Richard Reti und Efim Bogoljubow für die Teilnahme gewonnen, so daß die Deutsche Schachzeitung (DSZ) die Veranstaltung später als eine „der größten der Schachgeschichte“ betiteln konnte, während Andy Soltis das Turnier als „the greatest international tournament ever held in America [...]“ loben sollte (KARL, S. 22). Ein wenig war es auch dem Zufall zu verdanken, daß dieses Turnier bis heute den Ruf eines der größten Schachturniere aller Zeiten bewahren konnte, denn zu Beginn stand die Teilnahme ausgerechnet der beiden Zugpferde Lasker und Capablanca auf der Kippe. So habe Capablanca sich nach seiner Ankunft in New York eine „schwere Erkältung“ eingefangen, der so in den ersten Partien mit Fieber habe spielen müssen und was seinen „schwachen Start erklären mag“ (ebd. S. 23). Und da Lasker sich 1924 zu einer langen Schachtournee in der Sowjetunion aufgehalten hatte, der so wichtige Kontakte zu dem Land knüpfen konnte, das der schachlichen Entwicklung oberste Priorität gab, und in das er zwei Jahre nach der Flucht vor den Nazis auf Einladung der Akademie der Wissenschaften in Moskau kurzfristig emigrierte und somit Zeitgenosse der Großen Säuberungen wurde, hätte er „beinahe den Dampfer nach Amerika verpaßt“ (Linder, S. 108). Nachdem sich Europa damals noch in jüngerer Zeit zum ersten Mal selbst zerfleischt hatte, waren die Vereinigten Staaten von Amerika gestärkt aus dem Krieg hervorgegangen. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren seit ihrer Gründung 1776 im Zuge der Amerikanischen Revolution gegen das Mutterland England ein steter Zufluchtsort von politisch und religiös Verfolgten aus Europa, aber auch von Menschen, die in den Weiten Amerikas einfach ihr Glück suchen wollten. Unberührt von den europäischen Krisen und Verwerfungen schien der Boom Amerikas in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen grenzenlos zu sein, die futuristischen Ansichten vieler asiatischen Städte sorgen heute für eine ähnliche Ehrfurcht wie die Europäer damals die Skylines der großen amerikanischen Städte wahrnahmen, die in Europa unbekannte Aneinanderreihung von Wolkenkratzern, den pulsierenden Automobilverkehr, aber auch die Aufbruchsstimmung auf den Straßen. Und es brauchte nur wenig Phantasie, um sich damals in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts vorzustellen, daß diesem Land mit seinen tüchtigen und optimistischen Menschen einmal die Zukunft gehören sollte.Das waren ungefähr die Klischees, die in Europa gegenüber den USA vorherrschten, und es braucht wohl einen tiefblickenden Menschen wie Franz Kafka, das Hohle hinter dieser Fassade zu erkennen, der den amerikanischen Traum und Alptraum in seinem Roman "Amerika" (eigentlich: "Der Verschollene") so unnachahmlich beschrieben hatte. Als die Turnierteilnehmer von New York, der amerikanischsten aller amerikanischen Städte, 1924 mit ihrem Dampfer "Cleveland" in den Hafen von New York einfuhren, werden sie allerdings in der Hand der Freiheitsstatue auf Liberty Island wohl kaum ein Schwert erblickt haben, wie dies prophetisch die junge Hauptfigur von Kafkas erwähntem Roman Karl Roßmann wahrgenommen hatte. Den Blick auf die Freiheitsstatue bei der Hafeneinfahrt werden auch sie sich nicht genommen lassen haben, und es ist nicht überliefert, mit welchen Gefühlen sie diesen Blick begleitet haben. Ihr zweiter Blick wird dem Turnier gegolten haben, in dem jeder Spieler eine gute Figur machen wollte.Den besten Start von allen Teilnehmern hatte Alexander Aljechin, der seine ersten beiden Partien - darunter gegen seinen Angstgegner Frederick Yates, dem er davor zweimal unterlegen war - für sich entscheiden konnte. Er konnte das Niveau aber nicht halten. Schon in der dritten Runde wies das Los dem Führenden Lasker zu, und Aljechin wirkte in der Partie wie ein Schüler gegenüber seinem Lehrmeister (Partie, siehe Anhang). Linder: „Im Gegensatz zu seinem Partner wirkte Lasker ruhig und selbstbewußt. Dies erscheint nicht verwunderlich. Anders als Aljechin brauchte er der Schachwelt nichts zu beweisen. Er demonstrierte in diesem Turnier einfach und überzeugend sein hohes Können beim Eindringen in die Geheimnisse einer Stellung und die vollkommene Beherrschung aller Methoden des Schachkampfes.“ (Linder, S. 109). Emanuel Lasker, der bei dem Turnier übrigens Filmaufnahmen gemacht hatte, die zum Entzücken der Schachhistoriker 2005 [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://de.chessbase.com/post/neu-emanuel-lasker-new-york-1924". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "wiederentdeckt" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] werden konnten, hatte, ganz modern anmutend, in zwölf Videoclips Schlüsselstellen zu seinem Turniersieg gezeigt und seinen Triumph gegen Aljechin, der sich allerdings immer dagegen verwahrt hatte, zu den Hypermodernen gerechnet zu werden, wie folgt kommentiert (ebd.):[QUOTE]Der russische Meister Alexander Aljechin gehört mit etwas über 32 Jahren zur jüngeren Generation und wird zur neuen "hypermodernen" Schule gezählt. Natürlich müssen sich auch die Hypermodernen an die Gesetze des guten Schachs halte. Ich traue dem jungen Russen durchaus zu, einmal Nachfolger des Weltmeisters werden zu können. In dieser Partie konnte ich jedoch nachweisen, dass man nicht immer erfolgreich an beiden Flügeln spielen kann. [/QUOTE] Emanuel Lasker lag dann auch nach dem ersten Durchgang mit 7,5 Punkten vor Aljechin (6,5 Punkte) und Capablanca und Reti (je 6 Punkte) in Führung. Während Aljechin sein Pulver bereits verschossen hatte, mußte sich der deutsche Altmeister des Sturmlaufs eines wiedergenesenen Capablancas erwehren, der nach verhaltener Vorrunde und der ersten Niederlage seit zehn Jahren gegen Richard Reti (Partie, siehe Anhang) in der zweiten Turnierhälfte kaum noch etwas abgab (er kam auf 8,5 Punkte). „Es war ein Vergnügen, die Leichtigkeit und anscheinende Freiheit von jeder Anstrengung zu beobachten [...]“, schrieb der Schachkolumnist und Augenzeuge Horace Bigelow, während es im Turnierbuch hieß: „Capablanca begann matt und endete wie ein Wirbelwind - allein der Doktor war ein Zyklon“ (KARL, S. 23). Zwar hatte in der Rückrunde Capablanca seinem WM-Vorgänger die einzige Turnierniederlage beschert, was für das Nachfolgeturnier 1927 noch gewisse [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/1740-Donnern-der-Zeit-Die-Affäre-Lasker-vs-Lederer?highlight=Norbert+Lederer". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "Folgeerscheinungen" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] nach sich zog, doch holte sich Emanuel Lasker dafür seine Punkte gegen die anderen Turnierteilnehmer. Nur noch einen halben Punkt sollte er abgesehen von der Partie gegen Capablanca in der Rückrunde abgeben, und sein Remis gegen seinen Freund und Namensvetter Eduard Lasker fühlte sich wie ein Sieg an (Partie, siehe Anhang). So konnte der für seine Verteidigungskünste gefürchtete Lasker sensationell ein Endspiel mit Springer gegen Turm und Bauer (und es war nicht einmal ein Randbauer) Remis halten, was in der Schachwelt für Aufsehen sorgte. Nach dem späteren Bronsteinförderer und hochrangigen Geheimdienstfunktionär Boris Weinstein sei dies das „wohl [...] unwahrscheinlichste paradoxeste Remis in der Geschichte des Schachs“ gewesen, während der gefühlte Verlierer Eduard Lasker nach der Partie zu seinem Gegner sagte: „Bis heute war mir nicht bewusst, dass man im Endspiel auch mit einem Springer gegen einen Turm und einen Bauern ein Remis erreichen kann!“ (Garri Kasparov, Meine großen Vorkämpfer, Band 1, Edition Olms 2006, S. 236.). Bei seinem Sturmlauf in der Rückrunde kam Lasker zugute, daß mit Richard Reti einem ganz dicken Brocken in der zweiten Turnierhälfte die Luft ausging (Bernhard Kagan vermutete, Reti sei aufgrund seiner Simultanveranstaltungen vor dem Turnier überspielt gewesen, KARL S. 24). Laskers Sieg gegen Reti (Partie, siehe Anhang) kommentierte Weinstein süffisant: „Die Idee der Hypermodernen Schule über den schonenden Umgang mit den Zentralbauern wurde von Reti konsequent und kompromißlos umgesetzt. Die Partie geht verloren, doch die Bauern sind unversehrt!“ (Kasparov S. 239).Insgesamt zeigte auch die Abschlußtabelle des Turniers wichtige Parallelen zu der Abschlußtabelle in St. Petersburg 1914 auf. Abermals gab es gerade am Ende des Turniers einen packenden Zweikampf zwischen Emanuel Lasker und Jose Raul Capablanca, und was durch Laskers Sieg bereits 1914 trotz der Tatsache, daß Emanuel Lasker immer noch den WM-Titel trug, für eine Überraschung gehalten wurde, war 1924 schlichtweg eine Sensation. Und wie schon 1914 in St. Petersburg gab es zehn Jahre später mit Alexander Aljechin einen abgeschlagenen Dritten, was für Aljechin, der nach eigener Aussage in dem Turnier „in künstlerischer Beziehung [...] ganz unbefriedigt“ (KARL, S. 23) blieb, nun nicht mehr ein Achtungserfolg war. Doch konnte Aljechin, der vor dem Turnier nach Linder in „alle[n] mögliche[n] Gastrollen, zahllose[n] Simultanveranstaltungen und Rekorde[n] im Blindspiel“ (Linder, S. 113) seine Kräfte verbraucht habe und zudem durch seine Rolle als Turnierbuchverfasser geschwächt gewesen sei, das Turnier trotz alledem gestärkt verlassen (Linder: In der Geschichte des Schachs ist übrigens eine Gesetzmäßigkeit zu erkennen. Die Verfasser von Turnierbüchern, die anschließend zu Bestsellern wurden, haben diese Wettbewerbe in der Regel nicht gewonnen. Es genügt der Hinweis auf die Bücher Siegbert Tarraschs über den Kongreß in St. Petersburg 1914 und David Bronsteins über das Kandidatenturnier in Zürich 1953“ [ebd. f.]). So zog Aljechin aus dem Kräfteverschleiß seit seiner Emigration in den Westen seine Lehre und nahm eine halbjährige Auszeit vom Schach. 1927 waren Aljechin beim Nachfolgeturnier in New York, bei dem er erneut deutlich hinter Capablanca landete, nun in aller Klarheit die Schwächen Capablancas bewußt geworden. So hatte er sich nach New York 1927 über seinen zukünftigen WM-Gegner [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/1679-New-York-1927-Prolog-zur-Schach-WM-Aljechin-vs-Capablanca". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "geäußert" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]: [QUOTE]Erst dann wurde für mich endgültig klar, wie übertrieben das allgemeine Lobgeschrei war ... Das soll eine Schachmaschine sein? Ein „champion of all times“? Welche absurden Behauptungen einem Spieler gegenüber, dessen Partien in einer erdrückenden Mehrzahl, wenn keine direkten Fehler, so doch eine jede ungefähr 2-3 Unterlassungen aufweisen, welche entweder den Gewinn in Frage stellen bzw. auslassen oder aber bei richtiger Antwort geeignet wären, seine Stellung bedenklich zu kompromittieren. [/QUOTE]In dieser Hinsicht ist es interessant, daß Aljechin bereits nach New York 1924 immerhin die erste Schwäche des von ihm lange Zeit so bewunderten Kubaners wahrnahm: [QUOTE]Trotzdem nahm ich von diesem Turnier einen wertvollen moralischen Gewinn mit nach Hause, nämlich die Lehre aus meiner ersten Partie mit Capablanca, die auf mich wie eine Offenbarung wirkte. [...] Endlich hatte ich an meinem zukünftigen Gegner eine kleine Schwäche erspäht: steigende Unsicherheit im Falle hartnäckigen Widerstandes!“[/QUOTE]KARL, S. 23Um Capablanca zu schlagen, war Aljechin zu diesem hartnäckigen Widerstand bereit - offenkundig vorläufig als einziger aus dem Kreise der Großen Drei im Ringen um die WM-Krone. Denn sowohl Lasker als auch Capablanca gaben unter den Eindrücken aus dem Turnier vor, keinerlei Ambitionen mehr für die Weltmeisterschaft zu haben. Emanuel Lasker, nach seinem großen Turniersieg zu einer Herausforderung an Capablanca legitimiert, verzichtete auf die WM-Herausforderung und gab an, gegen Capablanca nur in einem Wettkampf spielen zu wollen, bei dem es nicht um die Schachkrone ging (Linder lapipar: „An einem solchen Wettkampf war die Welt indes nicht interessiert“ Linder, S. 115). Capablanca selbst hatte sogar vor dem Turnier verlauten lassen, „dass dieses Turnier für ihn das letzte für einige Zeit sein könnte. Er wolle sich nun vom Turnierschach zurückziehen und nur noch gelegentlich Schaukämpfe spielen. Seinen Titel würde er sogar niederlegen, ist aber der Meinung, dass die jüngeren Spieler das Recht haben, darum zu kämpfen.“ (KARL S. 24). Letztendlich revidierte Capablanca dieses Urteil, allerdings um eine erneute Weltmeisterschaft Laskers zu verhindern, denn dies wäre „nicht wünschenswert für die Schachszene“ (ebd.).Ansonsten war New York 1924 die Geburtsstunde des Orang-Utans, der nach einem Zoobesuch von dem für seinen Humor bekannten Tartakower, in dem er dieses Tier zu Gesicht bekam, in seiner Partie gegen Maróczy in die Schachwelt eingeführt wurde (vgl. ebd. S. 24), und die Klagen Maroczys über das Verhalten der Teilnehmer wirken seltsam vertraut. So habe sich Maroczy über die Kleidung und Rauchverhalten von Turnierteilnehmern beschwert, die sich zudem aggressiv gegenüber Zuschauern [Kibitzen] verhalten und ihr Menü am Tisch eingenommen hätten (ebd. f.).Was den legendären Turniersieger Lasker angeht, der auch ein Jahr später in Moskau 1925 das Kunststück wiederholt und seinen WM-Vorgänger hinter sich gelassen hatte, so soll dazu der Schach- und Historiker Joachim Petzold zu Wort kommen, der Lasker ein sprachliches Denkmal setzte:[QUOTE]Lasker war weitergegangen als sein Vorgänger auf dem Schachthron. Er, der sich vom Mathematiker zum Philosophen entwickelte und für den das Schach eigentlich Nebensache war, hatte sich die Lehren der neuen Wissenschaftsdisziplin Psychologie angeeignet. Ihr bedeutendster Vertreter um die Jahrhundertwende war der Wiener Arzt Sigmund Freud (1856-1939). Während Steinitz und noch mehr sein geistiger Schüler Siegbert Tarrasch (1862-1934) in Deutschland stets nach dem objektiv besten Zug trachteten, suchte Lasker nach dem für seinen Gegner unangenehmsten Zug. Er wußte, daß eine Schachpartie eben nicht nur eine abstrakte Auseinandersetzung objektiver Gegebenheiten, sondern ein konkreter Kampf lebendiger Menschen mit ihren Vorzügen und Schwächen war. Lasker, der sich im Alter nicht zufällig der Freundschaft Albert Einsteins (1879-1955) erfreuen konnte, hatte auch seine Schlüsse aus dem Zusammenbruch der mechanistischen und positivistischen Weltanschauung und dem Triumph der Dialektik in der Wissenschaft gezogen. Einsteins Relativitätstheorie wurde zur gleichen Zeit formuliert, da Lasker am Schachbrett nach dem relativ besten Zug trachtete. Beide sahen auf ihre Weise, daß sowohl im großen Universum als auch auf dem kleinen Schachbrett alle Wertmaßstäbe von Bezugssystemen abhingen.[/QUOTE]Joachim Petzold, Schach - eine Kulturgeschichte, Edition Leipzig 1986, S. 227 Nachdem Emanuel Lasker mit seinem zweiten Platz in Moskau 1925 die Schachwelt erneut aufhorchen ließ und sich danach zur Ruhe setzen wollte, mußten erneut (fast) zehn Jahre vergehen, bis er sich, von den Umständen dazu gezwungen, erneut auf den internationalen Spitzenturnieren sehen ließ und dort erneut in der Weltspitze mitmischen konnte. Für diesen Prometheus, der sich die Welt durch seine Kraft nach seinem Geschmack gestalten konnte, galten fürwahr andere Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Lebens.[Event "New York"][Site "New York, NY USA"][Date "1924.03.18"][EventDate "1924.03.16"][Round "3"][Result "0-1"][White "Alexander Alekhine"][Black "Emanuel Lasker"][ECO "D35"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "72"]1. d4 d5 2. c4 e6 3. Nf3 Nf6 4. Nc3 Nbd7 5. cxd5 exd5 6. Bf4c6 7. e3 Nh5 8. Bd3 Nxf4 9. exf4 Bd6 10. g3 O-O 11. O-O Re812. Qc2 Nf8 13. Nd1 f6 14. Ne3 Be6 15. Nh4 Bc7 16. b4 Bb617. Nf3 Bf7 18. b5 Bh5 19. g4 Bf7 20. bxc6 Rc8 21. Qb2 bxc622. f5 Qd6 23. Ng2 Bc7 24. Rfe1 h5 25. h3 Nh7 26. Rxe8+ Rxe827. Re1 Rb8 28. Qc1 Ng5 29. Ne5 fxe5 30. Qxg5 e4 31. f6 g632. f4 hxg4 33. Be2 gxh3 34. Bh5 Rb2 35. Nh4 Qxf4 36. Qxf4Bxf4 0-1[Event "New York"][Site "New York, NY USA"][Date "1924.03.22"][EventDate "1924.03.16"][Round "5"][Result "1-0"][White "Richard Reti"][Black "Jose Raul Capablanca"][ECO "A15"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "61"]1. Nf3 Nf6 2. c4 g6 3. b4 Bg7 4. Bb2 O-O 5. g3 b6 6. Bg2 Bb77. O-O d6 8. d3 Nbd7 9. Nbd2 e5 10. Qc2 Re8 11. Rfd1 a5 12. a3h6 13. Nf1 c5 14. b5 Nf8 15. e3 Qc7 16. d4 Be4 17. Qc3 exd418. exd4 N6d7 19. Qd2 cxd4 20. Bxd4 Qxc4 21. Bxg7 Kxg722. Qb2+ Kg8 23. Rxd6 Qc5 24. Rad1 Ra7 25. Ne3 Qh5 26. Nd4Bxg2 27. Kxg2 Qe5 28. Nc4 Qc5 29. Nc6 Rc7 30. Ne3 Ne5 31. R1d51-0[Event "New York"][Site "New York, NY USA"][Date "1924.03.23"][EventDate "1924.03.16"][Round "6"][Result "1/2-1/2"][White "Emanuel Lasker"][Black "Edward Lasker"][ECO "C99"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "206"]1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bb5 a6 4.Ba4 Nf6 5.O-O Be7 6.Re1 b5 7.Bb3O-O 8.c3 d6 9.h3 Na5 10.Bc2 c5 11.d4 Qc7 12.Nbd2 cxd4 13.cxd4Bd7 14.Nf1 Rfc8 15.Re2 Nh5 16.dxe5 dxe5 17.Nxe5 Bxh3 18.Nxf7Be6 19.Ng5 Bc4 20.Bd3 Rd8 21.Rc2 Nf4 22.Bxf4 Qxf4 23.Nh3 Qe524.Bxc4+ Nxc4 25.Qe2 Rd4 26.f3 Rad8 27.Rac1 Bc5 28.Kh1 Bb429.b3 Nd2 30.Ne3 Ba3 31.Rd1 Bb4 32.a3 Ba5 33.b4 Bc7 34.f4 Nxe435.Kh2 Rxd1 36.Nxd1 Qe7 37.Rxc7 Qxc7 38.Qxe4 Qc4 39.Qe7 Qc840.Ndf2 h6 41.Qa7 Qe6 42.Qb7 Qd5 43.Qb6 Rd6 44.Qe3 Re6 45.Qc3Qc4 46.Qf3 Qc6 47.Qd3 Rd6 48.Qb3+ Qd5 49.Qb1 Re6 50.Ng4 Re251.Nxh6+ gxh6 52.Qg6+ Kf8 53.Qxh6+ Ke8 54.Qg6+ Kd8 55.Qg3 Re856.Qf2 Rg8 57.Qb2 Qd6 58.Qc3 Kd7 59.Qf3 Kc7 60.Qe4 Rg7 61.Qf5Re7 62.Ng5 Re3 63.Ne4 Qe7 64.Nf6 Kb8 65.g3 Rxa3 66.Kh3 Ra167.Nd5 Rh1+ 68.Kg2 Qh7 69.Qxh7 Rxh7 70.Kf3 Kb7 71.g4 Kc672.Ke4 Rh8 73.Ne3 Re8+ 74.Kd4 Rd8+ 75.Ke4 a5 76.bxa5 b4 77.a6Kc5 78.a7 b3 79.Nd1 Ra8 80.g5 Rxa7 81.g6 Rd7 82.Nb2 Rd2 83.Kf3Rd8 84.Ke4 Rd2 85.Kf3 Rd8 86.Ke4 Kd6 87.Kd4 Rc8 88.g7 Ke689.g8=Q+ Rxg8 90.Kc4 Rg3 91.Na4 Kf5 92.Kb4 Kxf4 93.Nb2 Ke494.Na4 Kd4 95.Nb2 Rf3 96.Na4 Re3 97.Nb2 Ke4 98.Na4 Kf3 99.Ka3Ke4 100.Kb4 Kd4 101.Nb2 Rh3 102.Na4 Kd3 103.Kxb3 Kd4+ 1/2-1/2[Event "New York"][Site "New York, NY USA"][Date "1924.04.08"][EventDate "1924.03.16"][Round "16"][Result "0-1"][White "Richard Reti"][Black "Emanuel Lasker"][ECO "A12"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "90"]1. Nf3 d5 2. c4 c6 3. b3 Bf5 4. g3 Nf6 5. Bg2 Nbd7 6. Bb2 e67. O-O Bd6 8. d3 O-O 9. Nbd2 e5 10. cxd5 cxd5 11. Rc1 Qe712. Rc2 a5 13. a4 h6 14. Qa1 Rfe8 15. Rfc1 Bh7 16. Nf1 Nc517. Rxc5 Bxc5 18. Nxe5 Rac8 19. Ne3 Qe6 20. h3 Bd6 21. Rxc8Rxc8 22. Nf3 Be7 23. Nd4 Qd7 24. Kh2 h5 25. Qh1 h4 26. Nxd5hxg3+ 27. fxg3 Nxd5 28. Bxd5 Bf6 29. Bxb7 Rc5 30. Ba6 Bg631. Qb7 Qd8 32. b4 Rc7 33. Qb6 Rd7 34. Qxd8+ Rxd8 35. e3 axb436. Kg2 Bxd4 37. exd4 Bf5 38. Bb7 Be6 39. Kf3 Bb3 40. Bc6 Rd641. Bb5 Rf6+ 42. Ke3 Re6+ 43. Kf4 Re2 44. Bc1 Rc2 45. Be3 Bd50-1[Event "New York"][Site "New York, NY USA"][Date "1924.03.27"][EventDate "1924.03.16"][Round "9"][Result "0-1"][White "Efim Bogoljubov"][Black "Jose Raul Capablanca"][ECO "D05"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "64"]1.d4 Nf6 2.Nf3 d5 3.e3 e6 4.Bd3 c5 5.b3 Nc6 6.O-O Bd6 7.Bb2O-O 8.Nbd2 Qe7 9.Ne5 cxd4 10.exd4 Ba3 11.Bxa3 Qxa3 12.Ndf3 Bd713.Nxc6 Bxc6 14.Qd2 Rac8 15.c3 a6 16.Ne5 Bb5 17.f3 Bxd318.Nxd3 Rc7 19.Rac1 Rfc8 20.Rc2 Ne8 21.Rfc1 Nd6 22.Ne5 Qa523.a4 Qb6 24.Nd3 Qxb3 25.Nc5 Qb6 26.Rb2 Qa7 27.Qe1 b6 28.Nd3Rc4 29.a5 bxa5 30.Nc5 Nb5 31.Re2 Nxd4 32.cxd4 R8xc5 0-1[Event "New York"][Site "New York, NY USA"][Date "1924.04.10"][EventDate "1924.03.16"][Round "18"][Result "1-0"][White "Frank James Marshall"][Black "Efim Bogoljubov"][ECO "A46"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "75"]1.d4 Nf6 2.Nf3 e6 3.Bg5 d5 4.e3 Nbd7 5.c4 c6 6.cxd5 exd5 7.Nc3Qa5 8.Bd3 Ne4 9.Qc2 Nxg5 10.Nxg5 h6 11.Nf3 Be7 12.O-O O-O13.a3 Qd8 14.Rae1 a5 15.Qe2 Nf6 16.Ne5 Bd6 17.f4 c5 18.Bb1 Bd719.Qc2 Bc6 20.dxc5 Bxc5 21.Kh1 Re8 22.e4 Bd4 23.Nxc6 bxc624.e5 Ng4 25.Qh7+ Kf8 26.g3 Qb6 27.Bf5 Nf2+ 28.Rxf2 Bxf229.Qh8+ Ke7 30.Qxg7 Kd8 31.Qf6+ Re7 32.e6 Bd4 33.exf7 Bxf634.f8=Q+ Kc7 35.Rxe7+ Bxe7 36.Qxa8 Kd6 37.Qh8 Qd8 38.Qe5+ {Upon this move, Marshall announced "mate in five". Bogoljubovresigned after realizing 38...Kc5 39.Na4+ Kc4 40.Qc3+ Kb541.Bd3+ Kxa4 42.Qc2# } 1-0