Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Turings Turochamp 1952 - Startschuß der Schachcomputer“

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Beitrag von Kiffing

Der Engländer Alan Mathison Turing war einer der bedeutendsten Mathematiker und kreativen Köpfe im Bereich der modernen Wissenschaften. Bekannt wurde er durch die Entzifferung der mit dem ENIGMA-Code verschlüsselten Funksprüche der Deutschen, so daß er einen [URL="http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/the-imitation-game-ueber-alan-turing-loest-diskussion-aus-13409766.html"]gewichtigen Anteil[/URL] an der Behauptung Englands gegen Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg hatte. Der frühere britische Premierminister Gordon Brown gab zu Protokoll, daß ohne "den einzigartigen Beitrag" des Wissenschaftlers der Zweite Weltkrieg auch "deutlich anders hätte verlaufen können" (ebd.). Eines seiner Steckenpferde war sein Forschen an der Künstlichen Intelligenz; der passionierte Frühinformatiker hatte mit dem Turings Turochamp eine Frühform eines Schachcomputers entwickelt, der strenggenommen zwar wie ein Schachcomputer spielte, aber noch nicht unbedingt wie ein Schachcomputer aussah. Wie Christian Hesse schreibt, war Turings Modell „[...] eine Handsimulation, die aus mehreren Seiten detaillierter Aufzeichnungen darüber bestand, wie in einer gegebenen Position ein Zug errechnet werden konnte. Insofern war diese Papiermaschine durchaus ein gänzlich ausformulierter Programmalgorithmus.“ (Christian Hesse, Damenopfer, Erstaunliche Geschichten aus der Welt des Schachs, Verlag C.H. Beck, München 2015, S. 128). Dies war notwendig, weil eine Übersetzung dieses Algorithmus in einen Frühcomputer damals noch zuviel Aufwand erfordert hätte. Ohnehin war es Aufwand genug, aus dem Algorithmus den Computerzug einer Partie zu berechnen. Nach Hesse benötigte es dafür etwa eine halbe Stunde pro Zug (ebd.). 1952, als der Turochamp sein Debüt feiern konnte, war bekanntlich die Computerentwicklung noch am Anfang, und die ersten Computer waren elefantengroß und zudem finanziell nicht für einen normalen Bürger zu erschwingen. Computerspiele gab es noch überhaupt nicht, was auch damit zusammenhing, daß sich Turings Algorithmus noch nicht in Computerform realisieren ließ. Trotzdem, da auch mir der Inhalt wichtiger als die Verpackung ist, schließe ich mich gerne der Meinung an, daß das erste Spiel von Turings Turochamp, gespielt übrigens mit Alick Glennie gegen einen Spieler, dem extra für dieses Spiel die Schachregeln beigebracht wurden (vgl. ebd. f.), schachcomputerhistorisch als das erste Spiel eines Schachcomputers überhaupt gilt. Interessanterweise konnte bereits 1912 (!) eine von dem Spanier Leonardo Torres Quevedo entwickelte [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/1321-Der-erste-Schachautomat-entworfen-1890-vollendet-1912". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "Schachapparatur" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] bereits „selbständig“, d. h. ohne sich im Apparat selbst verbergende Spieler, Schach spielen, allerdings nur ein einfaches Turmendspiel und damit nicht eine ganze Partie. Insofern ist es nur konsequent, daß Jack Copeland vom Rutherfordjournal Turing als „[URL="http://www.rutherfordjournal.org/article040101.html"]Vater der modernen Computer[/URL]“ würdigt, und die Begründung klingt durchaus schlüssig. Nach Copeland hatten die ersten modernen Computer, der britische Colossus von 1944 sowie der US-amerikanische ENIAC von 1945, noch nicht über ein gedächtnisbasiertes Speicherprogramm verfügt, was erst der Turochamp geleistet habe. Copeland führt aus:[QUOTE]To set up these computers for a fresh task, it was necessary to modify some of the machines wiring, re-routing cables by hand and setting switches. The basic principle of the modern computer—the idea of controlling the machines operations by means of a program of coded instructions stored in the computers memory—was conceived by Alan Turing.Turings abstract universal computing machine of 1936, soon known simply as the universal Turing machine, consists of a limitless memory, in which both data and instructions are stored, and a scanner that moves back and forth through the memory, symbol by symbol, reading what it finds and writing further symbols.1 By inserting different programs into the memory, the machine is made to carry out different computations. It was a fabulous idea—a single machine of fixed structure which, by making use of coded instructions stored in memory, could change itself, chameleon-like, from a machine dedicated to one task into a machine dedicated to a quite different one.[/QUOTE]Die „erste Partie eines Schachcomputers“ möchten wir euch natürlich nicht vorenthalten, [URL="http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1356927"]chessgames[/URL] war so nett, sie zu veröffentlichen:[Event "Friendly game"][Site "Manchester, England"][Date "1952.??.??"][EventDate "?"][Round "?"][Result "0-1"][White "Alan Turing"][Black "Alick Glennie"][ECO "C26"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "58"]1.e4 {This game is of considerable historical interest sinceit is arguably the first computer chess game. The Britishmathematician and computer pioneer Alan Turing devised a chessplaying program which, for lack of a computer to program, wasoperated with paper and pencil. This was the result when theprogram played Alick Glennie, a colleague of Turings.} e52.Nc3 Nf6 3.d4 Bb4 4.Nf3 d6 5.Bd2 Nc6 6.d5 Nd4 7.h4 Bg4 8.a4Nxf3+ 9.gxf3 Bh5 10.Bb5+ c6 11.dxc6 O-O 12.cxb7 Rb8 13.Ba6 Qa514.Qe2 Nd7 15.Rg1 Nc5 16.Rg5 Bg6 17.Bb5 Nxb7 18.O-O-O Nc519.Bc6 Rfc8 20.Bd5 Bxc3 21.Bxc3 Qxa4 22.Kd2 Ne6 23.Rg4 Nd424.Qd3 Nb5 25.Bb3 Qa6 26.Bc4 Bh5 27.Rg3 Qa4 28.Bxb5 Qxb529.Qxd6 Rd8 0-1Das von Turing und seinen Kollegen für die einzelnen Züge entwickelte Bewertungssystem mag für heutiges Verständnis recht gewöhnungsbedürftig klingen. Der Startzug 1. e4 erhielt nach Schachcomputer.at [URL="http://www.schachcomputer.at/gesch3.htm"]4,2 Einheiten[/URL], und zwar +2 für die erhöhte Mobilität der Dame, +2,2 für die erhohte Läufermobilität, +0,3 für die erhöhte Springermobilität, -0,4 für den nicht rochierten König und +0,1 (+0,4-0,3) für den nicht mehr gedeckten Bauern. An dem Turochamp wurde übrigens laut Matthias Haun in Cognitive Computing bereits ab [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://books.google.de/books?id=fiZgBQAAQBAJ&pg=PA296&lpg=PA296&dq=Turing+Turochamp+1952&source=bl&ots=MThsKP2lBU&sig=LfTtNCi6wOeHo6VCnTe5ELjeYeg&hl=de&sa=X&ved=0CDYQ6AEwAzgKahUKEwj5xa2JwrPHAhXHvBoKHZZJC1Y#v=onepage&q=Turing%20Turochamp%201952&f=false". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "1939" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] gearbeitet, neben Turing selbst hatte sich sein Kollege David Champernowne an der Entwicklung dieser „Papiermaschine“ hervorgetan, und dieser gab der Öffentlichkeit einen [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://chessprogramming.wikispaces.com/Turochamp". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "kleinen Einblick" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] in ihr System:[QUOTE]Turochamp incorporated important methods of evaluation [3], and also the concepts of selectivity and dead position, despite it is unclear how this was "implemented" in the game playing experiments. Champernowne later said they were a bit slapdash about all this and must have made a number of slips since the arithmetic was extremely tedious with pencil and paper [4]. In a CCC forum post, Frederic Friedel mentioned a search depth of up to three plies [5]. [/QUOTE]Nach diesem Debüt ging die Entwicklung der Schachcomputer, für die sich immer mehr Forscher interessierten, weiter. 1956 wurde mit dem [URL="http://forum.freiwuppertal.de/viewtopic.php?t=251"]MANIAC 1[/URL] aus den USA der erste „wirkliche“ Schachcomputer überhaupt entwickelt, dessen Schachprogramm übrigens gleichzeitig als das [URL="http://www.computerspielemuseum.de/1252_Chess_Champion_Super_System.htm?d=17"]erste Computerspiel der Welt[/URL] gilt. Spielerisch war der MANIAC 1 allerdings ein Rückschritt gegenüber Turings Prototyp, denn der MANIAC 1 konnte nur auf einem 6x6 großen Schachbrett spielen. Berechnungen auf einem normalen Schachbrett überforderten ihn.Nicht unterschlagen werden soll an dieser Stelle, daß der so verdienstvolle brillante Forscher Alan Turing ein Justizopfer gewesen war. Wegen seiner damals strafbaren Homosexualität mußte er eine chemische Kastration über sich ergehen lassen und machte infolge von Depressionen seinem Leben rasch ein Ende und starb so mit nur 43 Jahren in Wilmslow. Rehabilitiert wurde er erst in den 2010er Jahren, u. a. durch ein [URL="http://www.theeuropean.de/alexander-goerlach/9721-homosexualitaet-aus-der-schmuddelecke-holen"]Royal Pardon[/URL] im Dezember 2013.

Beitrag von Kiffing

Auf einer anderen Wikipediaseite steht, das erste Computerspiel sei schon 1947 entwickelt worden und nicht weniger als ein "Raketensimulationsspiel". :lach:[Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Videospiele_1947–1969". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Videospiele_1947%E2%80%931969" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]Erläuterung des Spiels: [url]http://blog.conrad.de/die-geschichte-des-computerspiels/[/url]

Beitrag von Kiffing

Ich wurde übrigens darauf aufmerksam gemacht, daß die Ehre, das erste "richtige" Schachprogramm entwickelt zu haben, offenbar doch nicht Alan Turing, sondern Konrad Zuse gebührt, der schon 1942-1945 ein spielendes Schachprogramm entwickelt hatte. Hier wird Zuses Schachprogramm vorgestellt: [url]http://zuse-z1.zib.de/simulations/plankalkuel/chess/applet/chess.html[/url] und [url]http://www.berliner-zeitung.de/archiv/1945-entwickelte-konrad-zuse-den--plankalkuel---fu-forscher-wendeten-das-konzept-jetzt-erstmals-praktisch-an-eine-alte-programmiersprache-erwacht-zum-leben,10810590,9837676.html[/url]