Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Das Großmeisterturnier - St. Petersburg 1914“

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Beitrag von Kiffing

[IMG][Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://i.imgur.com/tyvBdse.jpg". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://i.imgur.com/tyvBdse.jpg" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.][/IMG]Träge zog sich das viel zu [URL="http://de.wikipedia.org/wiki/Langes_19._Jahrhundert"]lange 19. Jahrhundert[/URL] hin, die Menschen spürten, es lag was in der Luft, doch sie konnten nicht begreifen, was es war, geschweige denn sich Vorstellungen davon machen. 1914 veranstaltete die St. Petersburger Schachgesellschaft anläßlich ihres zehnjährigen Bestehens ein Schachturnier, das in ganz großem Stile aufgezogen werden sollte. Wie 13 Jahre später in [URL="http://www.schachburg.de/threads/1679-New-York-1927-Prolog-zur-Schach-WM-Aljechin-vs-Capablanca"]New York[/URL] sollte das Turnier ein offizielles Kandidatenturnier sein. Zu diesem Zwecke wurden die „16 besten Spieler des Planeten“ (Michael Ehn, Hugo Kastner, Schicksalsmomente der Schachgeschichte, Humboldt-Verlag 2014, S. 112) eingeladen. Doch warf die Krise der damaligen Zeit auch auf das Turnier schon ihre Schatten voraus. Der Nationalismus hatte die mächtigen Länder Europas erfaßt, das gegenseitige Wettrüsten machte der Weltöffentlichkeit deutlich, daß diese Staaten gewillt waren, ihre Interessen zur Not mit militärischen Mitteln zu lösen, und diese Kriegsbegeisterung entfesselte auch die Menschen. Der Interessenskonflikt auf dem Balkan zwischen Rußland und Österreich-Ungarn, die dort beide um ihren Einfluß kämpften, führte dazu, daß große Spieler aus Österreich-Ungarn und Böhmen, nämlich Carl Schlechter, Rudolf Spielmann, Miksa Weiß, Geza Maroczy, Oldrich Duras und Milan Vidmar, aber auch Savielly Tartakower, der in [URL="http://de.chessbase.com/post/fotofinish-in-st-petersburg"]Wien studierte[/URL], dem Ereignis fernblieben. Zudem verzichteten mit Richard Teichmann (75 Jahre) aus Altersgründen und Amos Burn, der in Moskau lediglich korrespondieren wollte, zwei weitere Spieler auf die Teilnahme (ebd.). So sollten am Ende nur 11 Spieler übrig bleiben, darunter mit Emanuel Lasker und Siegbert Tarrasch die beiden ewigen Rivalen aus dem Deutschen Reich.Emanuel Lasker war der unangefochtene Weltmeister seit seinem Sieg über Steinitz 1894. Siebzehn Jahre stand er schon an der Spitze, und abgesehen von Schlechter hatte er bislang jeden Herausforderer vernichtend schlagen können. Doch langsam hatte sich eine neue Generation im Schach etabliert. Und die größten Chancen, Lasker zu beerben, wurden damals Akiba Rubinstein aus dem russisch besetzten „Kongreßpolen“ und dem Kubaner Jose Raul Capablanca gegeben. Rubinstein hatte allein 1912 fünf große Turniere gewonnen, während Capablanca als neuer Stern am Firmament seit seinem Triumph im spanischen [URL="http://en.wikipedia.org/wiki/San_Sebasti%C3%A1n_chess_tournament"]San Sebastian 1911[/URL] in aller Munde war. Beide Spieler hatten ihre Teilnahme für Moskau zugesagt, und die Schachwelt fieberte mit und wollte wissen, ob diese beiden Ausnahmegestalten Lasker in diesem Turnier würden bezwingen können. Daß Emanuel Lasker dem Sieger von Moskau, der damit gleichzeitig sein eigener, persönlicher Bezwinger werden würde, eine Herausforderung für einen WM-Kampf garantieren mußte, dafür hatten die Schachorganisationen von Rußland, Großbritannien und Deutschland gesorgt. Diese verständigten sich auf diesen Passus und erreichten dafür sogar die Zustimmung Laskers, der mit einer reichhaltigen Startprämie für St. Petersburg entschädigt wurde (vg. Garri Kasparov, Meine großen Vorkämpfer, Band 1, Edition Olms, Zürich 2006, S. 221).Nach seinem Sieg in San Sebastian 1911 hatte Jose Raul Capablanca bereits versucht, Lasker herauszufordern. Lasker schickte dem Kubaner daraufhin die aus 17 Punkten bestehenden Matchbedingungen zu, von denen der Kubaner nur die letzte Bedingung akzeptierte, daß der Herausforderer für einen Preisfond von 10.000 Dollar garantieren müsse (vgl. Garri Kasparov, Meine großen Vorkämpfer, Band 2, Edition Olms, Zürich 2004, S. 29). Einzelne Punkte erinnerten schon an die späteren Londoner Vereinbarungen von Capablanca selbst, z. B. die geforderten sechs Siege und das Limit auf 30 Partien. Doch störte Capablanca hier vor allem der Passus Laskers, daß nur derjenige zum Sieger des Duells gekürt wird, der nach dem Ende der WM durch das Partienlimit mit zwei Punkten führt. Denn endet der Kampf danach punktgleich oder führt ein Spieler nur mit einem Punkt, endet der Kampf unentschieden, aber Lasker behält seinen Titel (vgl. ebd.). In der Folge gerieten beide Spieler darüber in Streit. Lasker brach die Verhandlungen mit Capablanca brüsk ab und verkündete der Schachwelt: [QUOTE]Vergebliche Mühe! Er ist ein junger Mann, der eine sehr kurze Schachkarriere hinter sich hat. Er überschätzt sich. Er hat einen gewonnenen Wettkampf und einen ersten Preis vorzuweisen. Ich stehe seit zwanzig Jahren vor der Schachwelt und habe viele Wettkämpfe und erste Preise gewonnen. Ein bescheideneres Auftreten hätte sich geziemt. Ich bin gezwungen, alle Herausforderungen anzunehmen. Aber ich habe bestimmte Rechte, die mich schützen. Capablanca hat diese Rechte mißachtet und muß den Platz, welchen er sich anmaßt, würdigeren Bewerbern um die Weltmeisterschaft überlassen.[/QUOTE]Harold C. Schonberg, Die Großmeister des Schach, Fischer-Verlag 1974, S. 129f.Daß dieses bedeutende Turnier der Giganten in St. Petersburg stattfinden sollte, war natürlich kein Zufall, sondern das logische Resultat einer Entwicklung, die sich in Rußland durch das Wirken seines Helden Michail Tschigorin schon lange Bahn gebrochen hatte. Tschigorin hatte das Schach in Rußland popularisiert, durch seine Erfolge, aber auch durch seinen Stil wurde er später Pate der Sowjetischen Schachschule. Dessen konkret-schöpferischen Ansatz machte sich das Sowjetschach zu eigen in Abgrenzung zu dem „Formalismus“ westlicher Meister. Bereits 1909 hatte St. Petersburg mit dem [URL="http://en.wikipedia.org/wiki/Chigorin_Memorial"]Tschigorin-Memorial[/URL] ein Turnier der Weltelite ausgerichtet, aus dem mit Lasker und Rubinstein zwei gemeinsame Sieger hervorgingen. Martin Weteschnik macht auf starke russische Talente aufmerksam, die in dieser Zeit durch den Schachboom wie die Pilze aus dem Boden schossen. Er nennt neben Aljechin Nimzowitsch, Rubinstein, Lewitzky, Grigoriev, Löwenfisch, Romanowsky und Werlinski (Martin Weteschnik, Schachtaktik in Rußland und der Sowjetunion vom 19. Jahrhundert bis 1990,Caissa Chess Books 2007, S. 20). All diese Spieler wurden nach der Revolution in alle Winde zerstreut oder mußten sich mit völlig veränderten Bedingungen in ihrer Heimat arrangieren. Und auch die Zuschauerzahlen sprachen für diese neu entflammte Schachbegeisterung in dem großen Land im Osten. Um André Schulz zu [URL="http://de.chessbase.com/post/fotofinish-in-st-petersburg"]zitieren[/URL]:[QUOTE]Das Zuschauerinteresse war überwältigend und brachte dem St.Petersburger Schachklub zusätzliches Geld in die Kassen. Laut der Wiener Schachzeitung nahmen die Organisatoren schon am ersten Tag 800 Rubel ein. Die ersten drei Tage erbrachten 2000 Rubel. Allerdings seien die Eintrittspreise mit vier Mark auch sehr hoch gewesen. Wer ganz nah an die Großmeister heran wollte, musste sogar zehn Mark zahlen. [/QUOTE]Das aufblühende russische Schach konnte mit Ossip Bernstein, Akiba Rubinstein, Aaron Nimzowitsch und Alexander Aljechin vier starke Vertreter aus dem eigenen Land schicken. Damals galt Aljechin nur als eines der vielen talentierten Schachhoffnungen des Riesenreichs, und insofern war der Fokus der Schachöffentlichkeit vor Turnierstart nicht auf ihn gerichtet, sondern auf die „Großen Drei“: Lasker, Capablanca und Rubinstein. Frank Marshall, „Black Death“ (Joseph Henry Blackburne), David Janowsky und Isidor Gunsberg waren weitere noch nicht genannte Turnierteilnehmer. Das Turnierformat selbst war ungewöhnlich. Die elf Teilnehmer spielten erst einmal einrundig gegeneinander. Nach diesem Durchgang qualifizierten sich die ersten Fünf für die doppelrundig ausgetragene „Siegergruppe“. In dieser starteten die Qualifikanten aber nicht wieder bei Null, sondern sie nahmen ihre im ersten Durchgang erzielten Punkte mit ins Turnier. So umstritten diese Regelung auch war, immerhin sorgte sie auch bei den hoch favorisierten Teilnehmern für Motivation von Beginn an.Daß dieses Turnier von seiner Bedeutung her trotz des Fehlens der Schachmeister aus Österreich-Ungarn eines der bedeutendsten Turniere aller Zeiten werden würde, war den Veranstaltern natürlich bewußt. Und insofern hatten diese sich bemüht, ein Rahmenprogramm aufzuziehen, das der Bedeutung dieses Turniers gerecht wird. Für die musikalische Untermalung wurde der weltberühmte Komponist Sergei Prokofjew engagiert, der die Schachspieler mit seiner genialen und einzigartigen Musik in Entzückung versetzte, der aber auch einen ganz eigenen Blick auf die Teilnehmer des Turniers hatte, zitiert nach [URL="http://www.chesshistory.com/winter/winter33.html"]Edward Winter[/URL]:[QUOTE] ‘At eight o’clock I went to the opening of the Chess Championship and found myself translated immediately into an enchanted realm, a realm alive with the most unbelievable activity in all three rooms of the Chess Club itself and three more rooms made available by the Assembly Committee. This tournament is a top-level affair, everyone in tailcoats, and here were the masters themselves each surrounded by a crowd of admirers.Lasker, a little greyer since the 1909 tournament, with his distinctive face, his slight stature and an air of knowing his own worth; Tarrasch – a typically upright German with Kaiser Wilhelm moustaches and an arrogant expression; our own Rubinstein – a coarse, unintelligent-looking face, a touch of the shopkeeper about him, but modest and talented compared to Tarrasch, erratic but dangerous to any opponent; Bernstein, a prosperous-looking man with a handsome, impudent face, shaven head and a colossal nose, dazzling teeth and relentlessly brilliant eyes. Our own gifted Alekhine, with his lawyer’s coat and his slightly pinched, slightly disagreeable lawyer’s features, self-confident as ever but nevertheless a little subdued by the magnificence of the company. Marshall, the American, a typical Yankee, with a touch of Sherlock Holmes about him, ferociously passionate in play but ludicrously taciturn in private. Yanovsky [sic] from Paris, a deserter in his youth from military service and now exceptionally allowed special dispensation to return unmolested for the championship, wearing an exquisitely elegant light grey suit, formerly a famously good-looking breaker of hearts but now in his fifth decade showing his age and wearing gold-rimmed spectacles. The combative vegetarian Nimzowitsch, a typical German student and trouble-maker. Finally two older men, destined to be the victims of all, the portly Gunsberg and, wearing on his face a permanently injured expression, Blackburne, still, despite his 72 years, capable of producing original combinations and elegant developments in his conduct of a match. The crowd’s favourite, Capablanca, young, elegant, gay and with a constant smile on his handsome face, circulated through the hall laughing and chatting with the easy grace of one who already knows himself to be the victor.Thus it was that I found myself in this irresistibly seductive kingdom, absorbed from the first moment by the forthcoming contest. The speeches began, laying stress on the unprecedented importance of the event with its exceptional galaxy of participants. Journalists from England, Germany, Moscow, Kiev, Vienna, chess masters from Germany, photographers, all added to the splendour of the occasion. The first round begins tomorrow!!!’[/QUOTE]Prokofjew hatte gespielt, und das Turnier nahm seinen Anfang. Während Jose Raul Capablanca einen glänzenden Start hinlegte und die beiden Deutschen sich behaupteten, blieb früh schon ein absoluter Topfavorit hängen. Ausgerechnet der große Akiba Rubinstein, der so viele Glanzpartien geschaffen und so viele Turniere gewonnen hatte, daß es schon einem Wunder anmutete, warum dieser würdige Mann noch nicht Emanuel Lasker gefordert hatte, verlor nach einem unglücklichen Remis in Runde 3 gegen Capablanca gegen Lasker und Aljechin. Am Ende des Durchgangs schaffte der Mitfavorit es nur auf 5/10 Punkte und schied aus dem Turnier, da er sich mit dieser Leistung nicht für die Siegergruppe qualifizieren konnte. Tarrasch urteilte gewohnt streng, zitiert nach [URL="http://www.karlonline.org/313_3.htm"]Harry Schaack[/URL]:[QUOTE] Zu dem Mann, der noch kurz zuvor eine Serie von Turniersiegen feierte, resümiert er [Tarrasch]: Rubinstein hat „seine Bewunderer aufs Höchste enttäuscht […]. Und zwar nicht nur durch seinen Miss¬erfolg im Allgemeinen, sondern auch durch die Qualität seiner Partien. Er hat in diesem Turnier direkt schlecht gespielt […]“ Und hinsichtlich Rubinsteins bevorstehender WM-Herausforderung von Lasker postuliert Tarrasch nüchtern: „[…] daraus dürfte nun voraussichtlich nichts werden.“ [/QUOTE]Es ist bekannt, daß in der Schachwelt die Meinung vorherrscht, der 1. Weltkrieg habe Rubinstein nervlich so zerrüttet, daß er danach nie mehr an alte Form anknüpfen konnte. Aber laut Löwenfisch waren bei Rubinstein nervliche Beeinträchtigungen schon bei diesem Turnier aufgetreten. Grigori Löwenfisch schrieb rückblickend auf dieses Turnier in seinen [URL="http://de.wikipedia.org/wiki/Akiba_Rubinstein"]Erinnerungen[/URL]:[QUOTE] Ich half dem Organisationskomitee bei der Unterbringung der Teilnehmer. Rubinstein kam eine Woche vor Beginn des Turniers an, und ihm wurde ein ausgezeichnetes Zimmer im ‚Europäischen Hotel‘ zugewiesen. Aber schon zwei Tage später äußerte er Unzufriedenheit mit seinem Quartier: Ihn belästigten die Geräusche des Fahrstuhls. Eines der Organisationsmitglieder bot ihm daraufhin Aufenthalt in seinem Hause an, wo Rubinstein ein beliebiges Zimmer zur Verfügung stünde. Es gab sechs zur Auswahl, und der Gastgeber war der einzige Bewohner des Hauses. Rubinstein fuhr hin, doch wiederum tauchten Unannehmlichkeiten auf: die Stille des Hauses bedrückte ihn. Er wurde wieder zurück ins Hotel gebracht. Mir wurde klar: Akibas Nervensystem war zerrüttet. Dies hat ihm auch späterhin nichts Gutes gebracht [/QUOTE]Nach Schonberg traten diese Beeinträchtigungen bei Rubinstein aber noch früher auf. Schonberg datiert diese auf kurz nach 1910. Er schreibt:[QUOTE]Doch schon in den Jahren seiner größten Triumphe litt Rubinstein unter Geistesstörungen, die bald nach 1910 sein Spiel zu beeinträchtigen begannen. Er benahm sich immer seltsamer. Während seine Uhr lief, saß er am Brett und studierte die Stellung, doch sobald er gezogen hatte, eilte er davon, eilte er davon und setzte sich in irgendeinen einsamen Winkel, dieweil sein Gegner über dem nächsten Zug brütete. Rubinstein tat das aus Höflichkeit und Rücksichtnahme gegenüber seinem Partner; er wollte ihn nicht beim Nachdenken stören. Man bemerkte, daß Rubinstein, wenn er in seiner Ecke hockte, den Mund mit den Händen verdeckte und leise Selbstgespräche führte. Auch wagte er nie, jemandem die Hand zu schütteln; er fürchtete, man wolle ihn mit Bazillen infizieren. [...]Dann passierte die traurige Geschichte mit der Fliege. Nach dem Turnier von San Sebastian 1911 traf Mieses den Polen im Zug nach München. Rubinstein erzählte Mieses, er wolle dort einen berühmten Arzt wegen der Fliege konsultieren. Immer wieder setze sich die Fliege auf seinen Kopf und störe ihn beim Spiel. Das ewige Gesumme sei nicht mehr zu ertragen. Außerdem, fuhr Rubinstein fort, werde nachts an seine Tür und an die Wände geklopft, so daß er nicht schlafen könne[/QUOTE]Schonberg, S. 149f.Tatsächlich schritt die schreckliche Krankheit fort, ohne daß Rubinstein etwas dagegen tun konnte. Der brillante Schachdenker wurde von innen heraus zerstört. In den Turnieren wurde er immer schwächer, und als die Nazis schließlich Antwerpen besetzten, wo er sich aufhielt, und ihn als Juden in ein Vernichtungslager deportieren wollten, so rettete ihn seine „Geisteskrankheit“, die er seinen Häschern evtl. auch verstärkend simulierte. Edward Winter erzählt die folgende [URL="http://www.chesshistory.com/winter/extra/rubinstein1.html"]Geschichte[/URL] aus dem Antwerpen dieser Tage:[QUOTE] ‘The rest of the story is sadder. He had settled in Belgium and, after 1932, talked to no-one but his immediate family. When his wife died, conversation grew even more sparse. He stopped bathing and let his hair and beard grow without shaving or clipping. The Nazis came in 1940 and asked this wild-haired Jew if he was willing to work for the Third Reich. He said yes, and this frightened them. Even an SS ape was still able to feel awe and fear in the presence of a man divinely or hellishly mad. For 30 years he lived in a silent and unwashed purgatory until his death in 1961.’ [/QUOTE]Doch soweit war die Welt damals noch nicht. Während Rubinstein sich sensationell aus dem Turnier verabschieden mußte, überlebten das Turnier die beiden Deutschen Lasker und Tarrasch mit jeweils 6,5 Punkten vor Aljechin und Marshall, die beide auf 6 Punkte kamen. Jose Raul Capablanca schien wie ein Adler einsam seine Kreise zu ziehen. Er lag mit 8 Punkten aus 10 Spielen ungeschlagen auf Platz 1, und nur noch ein Wunder konnte ihn vom Turniersieg abhalten.Doch dieses Wunder kam, denn in der Siegergruppe drehte Lasker gewaltig auf. Doch kurz vor Turnierende war Capablanca immer noch deutlich vorne. Zum dritten Male traf Lasker nun auf seinen kubanischen Widersacher, gegen den er in den beiden Spielen zuvor jeweils remisiert hatte. Was folgte war eine der berühmtesten Spiele der Schachgeschichte (im Anhang vorgestellt), über die noch heute leidenschaftlich diskutiert wird, in der Lasker seinem berühmten Gegner mit seinem bewußt zweischneidigen Zug 12. f5, der Capablanca völlig überraschend traf, ein Lehrstück in Sachen seiner heute überaus modern anmutenden Kompensationsstrategie gab. Sein Gegner erzählte hinterher, diese Stellung nach 12. f5 hätte er gerne noch einmal auf dem Brett gehabt. Aber Lasker, der große Psychologe auf dem Schachbrett, hatte Capablanca mit seinem Zug nicht ohne Grund völlig unvorbereitet getroffen. In diesem Zusammenhang sprechen Kastner und Ehn von einer „Meisterlektion in Sachen psychologischem Schach“ (Ehn, Kastner, S. 116). Über das Ende der Partie berichtete Romanowsky: „Capablanca war sehr enttäuscht. Der sonst so gefaßte, ruhige und lächelnde Schachmeister saß noch Minuten später unbeweglich am Schachbrett, die Hände über den Kopf zusammengeschlagen.“ (Kasparov, Band 1, S. 230) Noch 1921 bei seinem Wettkampf gegen Lasker wagte der große Kubaner im Spanier nicht den natürlichen Zug 3. ...a6...Nach diesem spektakulären Sieg über Capablanca war Lasker aber immer noch nicht am Ziel. Er war auf Schützenhilfe von ... ausgerechnet Siegbert Tarrasch angewiesen. Dem alternden praeceptor germaniae gingen spürbar die Kräfte aus. Dessen Ergebnisse in dem allgemeinen Turnier waren noch absolut achtbar, aber in dem Meisterturnier wurde er bislang durchgereicht. Tarrasch, der schon sechs Jahre zuvor in dem Titelkampf gegen Lasker seinen Zenit überschritten hatte, muß selbst gespürt haben, daß er es schwer haben würde, zur absoluten Weltspitze mit den vielen neuen Sternen am Schachhimmel eine gewisse Tuchfühlung zu wahren. Als Tarrasch in der Runde darauf tatsächlich Capablanca schlagen konnte (Partie, siehe Anhang), nahm Tarrasch dies mit Humor. Und überhaupt war selbst Tarrasch von dem Spiel Laskers beeindruckt. Er schien seinen Frieden mit seinem früheren Rivalen geschlossen und auch seinen Stil endlich verstanden zu haben. Er lobte ihn jetzt in den höchsten Tönen:[QUOTE]Lasker lieferte wieder eine Prachtpartie! (die Rede ist von der Partie mit Marshall in der Vorrunde, G. K.). Im Nachzuge des Damenbauernspiels, das er unregelmäßig, im ´sezessionistischen´ Stile verteidigte, spielte er wieder scharf auf Gewinn. Er wagte viel! Es hätte ihm übel bekommen können. Aber das ist eben sein Stil. Man kann diese Art zu spielen nicht tadeln; objektiv korrekt ist sie nicht, und zum Erfolg bedarf sie stets der Beihilfe des Gegners. Aber merkwürdigerweise bleibt die bei Lasker niemals aus. Man muß sich wundern und muß bewundern. Lasker hat für seine Mitwirkung auf dem Turnier vom Komitee eine Riesensumme erhalten, über 4000 Rubel. Ich finde das nicht zu hoch. Wenn man solche Partien spielt! Wir haben keine Schachmäzene. Hätten wir sie, dann müßte irgend einer von ihnen auf den Gedanken kommen, Lasker zum Dank für die genußreichen Partien, die er auf diesem Turnier gespielt, eine noch viel, viel höhere Summe zu spenden. Ich selbst würde es in neidloser Bewunderung tun, wenn ich so reich wäre [/QUOTE]Kasparov, Band 1, S. 233Am Ende hatte es Lasker tatsächlich geschafft, das Unmögliche möglich zu machen. Der Weltmeister bog als Erster in die Zielgerade ein. Er siegte mit 13,5 Punkte knapp vor Capablanca (13 Punkte). Der erst 21jährige Aljechin schaffte in diesem starken Turnier mit 10 Punkte einen Coup und machte deutlich, daß in der Zukunft mit ihm zu rechnen ist. Tarrasch mit 8,5 Punkten und Marshall mit 8 Punkten komplettierten das Teilnehmerfeld.Die russische Presse sah natürlich auch in Aljechin einen kommenden Stern am Schachhimmel, und sie feierte den dritten Platz des 21jährigen Adligen Alexander von Aljechin gebührend:[QUOTE]Dieses Turnier hat neben den beiden großen Meistern auch einen neuen Stern am Schachhimmel erstrahlen lassen, über den sich vor allem Rußland freuen darf. Mit Aljechin erlangt Rußland neue Kräfte, die unserem Land helfen werden, sich ohne Angst den schwierigen und gefährlichen Herausforderungen der Zukunft zu stellen[/QUOTE]Kasparov, Band 2, S. 152Doch brach die so hoffnungsvoll gestartete Karriere Aljechins wenig später brüsk ab. Aljechin nahm kurz darauf beim Schachturnier in [URL="http://www.schachburg.de/threads/1002-Und-dann-war-Krieg-Berichte-und-Folgen-des-Schachturniers-1914-in-Mannheim"]Mannheim[/URL] teil und sollte das starke Teilnehmerfeld nach allen Regeln der Kunst dominieren. Er führte im Turnier mit glänzenden 9,5/11 Punkten. Doch dann kam endlich das Ereignis, das die Zeitgenossen damals so febril erwartet hatten. Der Erste Weltkrieg brach in der Schwüle des Sommers aus, das Turnier wurde abgebrochen, und die russischen Teilnehmer des Turniers wurden von den deutschen Behörden auf einmal als mögliche „russische Spione“ interniert. Für Aljechin begann eine Odyssee durch deutsche Haftanstalten, die Wirren des Krieges und den Terror der Oktoberrevolution, in der sich Aljechin nun mit seinem Adelstitel, der im Zuge der Umkehrung der Verhältnisse nicht mehr Gütesiegel, sondern Kainsmal bedeutete, behaupten mußte. Als Aljechin 1921 die Flucht aus Rußland gelang und nach Paris emigrierte, hatte seine Karriere quasi einen Knick von sieben Jahre bekommen. Erwähnenswert ist allerdings sein Sieg bei dem Allrussischen Championsturnier 1920 in Moskau, das die neuen Machthaber in schwierigster Zeit aus dem Boden stampften, und das später zur ersten Sowjetischen Landesmeisterschaft avancieren konnte. Erster Titelträger der Sowjetunion war damit offiziell Alexander Aljechin, der in seinem Buch über seine Zeit in Sowjetrußland (die Sowjetunion gab es offiziell erst ab dem 30. Dezember 1922) auch darüber schrieb, wie es dem Ausrichter des Meisterturniers in St. Petersburg 1914, der Petrograder Schachgesellschaft, in der Revolution erging:[QUOTE] In Petrograd, in den eleganten Räumen des dortigen Finanz- und Kommerz-Vereins, wo sich seit Jahren bekanntlich die „Petrograder Schachgesellschaft“ befand, wurde auf einige Zeit eine Abteilung Rotgardisten einquartiert, die ihre reichlichen Mußestunden damit ausfüllten, daß sie sich zwar nicht dem Schachspielen, wohl aber dem Spielen mit dem Schach – d. h. mit den Schachfiguren – leidenschaftlich hingaben. Als Resultat dieser „Spielerei“ wurden nach dem schließlichen Exodus der Soldateska alle vorhanden gewesenen Spielkomplexe völlig durcheinandergemischt, alle Steine auf dem Boden liegend vorgefunden, wobei speziell sämtliche Springer spurlos verschwunden sind. Sie sind offenbar zur stolzen Erinnerung der rotgardistischen Nachkommenschaft mitgenommen worden [/QUOTE]Alexander Aljechin, Das Schachleben in Sowjet-Russland, Schachverlag Bernhard Kagan 1921, S. 5Auch hier kommt mir wieder das Vanitas-Motiv in den Sinn.Ansonsten hat sich bis heute die [URL="http://www.rochade-kuppenheim.de/kroent-der-zar-die-ersten-grossmeister/"]Legende [/URL] über das Petersburger Turnier erhalten, Zar Nikolaus II. habe die fünf Teilnehmer des Siegerturniers kurzerhand zu Großmeistern erklärt und somit diesen Begriff im Schach etabliert. Tatsächlich aber hielt sich der Zar während des Turniers gar nicht in St. Petersburg auf (Ehn, Kastner, S. 115), und der Titel Großmeister, von Tarrasch selbst beim Turnier in Ostende 1907 verwendet, ist schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts in britischen Schachkreisen belegt (ebd. S. 113). Als Großmeister wurde damals übrigens ein Schachmeister verstanden, der mindestens ein bedeutendes Schachturnier gewonnen hatte, und nach diesem Kriterium wurde auch das Schachturnier in St. Petersburg ausgerichtet, das ein Turnier der Meister werden sollte und nicht eines der „Mitläufer“. Insofern fiel der Titel Großmeister mit dem Anspruch des Kandidaten zusammen. Wir erinnern uns, daß der Meister, der ein bedeutendes Turnier gewann, sich dadurch die Legitimität verschaffte, um den Weltmeister herauszufordern. Jose Raul Capablanca reichte dafür mit San Sebastian 1911 nur ein Turniersieg, und daß Akiba Rubinstein trotz mehrmaliger (!) großer Turniersiege den Weltmeister nicht einmal herausforderte, wird wohl andere Gründe gehabt haben...Die Bedeutung von St. Petersburg 1914 kann schachhistorisch gar nicht hoch genug gewürdigt werden. Mit seinem glorreichen Kampf hatte Emanuel Lasker seine Autorität als Weltmeister gewahrt, doch auch wenn Capablanca das Turnier am Ende doch nicht gewinnen konnte, so war der Schachwelt klar, daß Lasker und Capablanca bald die Klingen kreuzen werden. Das Feld der Großen Drei auf dem Planeten blieb vorgezeichnet, nur wechselte neben Lasker und Capablanca der Dritte im Bunde, aus Rubinstein wurde Aljechin, aber zuvor begann der Weltkrieg, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, und im Prinzip der Zweite Dreißigjährige Krieg, der ganz Europa Tod, Leid und Zerstörung brachte, und nach dem Europa nicht mehr dasselbe war. Statt den traditionellen europäischen Staaten gaben nun die USA und die UdSSR vorläufig den Ton auf dem Erdball an.In diesem Sinne sollte St. Petersburg noch das letzte, unbeschwerte Fest für Spieler und Zuschauer sein. Im Zuge der aufziehenden Wolken am Himmel war St. Petersburg ein Fest des Friedens. Capablanca und Lasker legten ihren Streit um die WM-Herausforderung von vor drei Jahren bei, Capablanca und Aljechin genossen gemeinsam die sternklaren Nächte von St. Petersburg und schlossen Freundschaft, und auch Tarrasch und Lasker begruben ihr Kriegsbeil. Auch das ist Vanitas. [Event "St Petersburg"][Site "St Petersburg RUS"][Date "1914.05.18"][EventDate "1914.04.21"][Round "7"][Result "1-0"][White "Emanuel Lasker"][Black "Jose Raul Capablanca"][ECO "C68"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "83"]1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bb5 a6 4.Bxc6 dxc6 5.d4 exd4 6.Qxd4 Qxd47.Nxd4 Bd6 8.Nc3 Ne7 9.O-O O-O 10.f4 Re8 11.Nb3 f6 12.f5 b613.Bf4 Bb7 14.Bxd6 cxd6 15.Nd4 Rad8 16.Ne6 Rd7 17.Rad1 Nc818.Rf2 b5 19.Rfd2 Rde7 20.b4 Kf7 21.a3 Ba8 22.Kf2 Ra7 23.g4 h624.Rd3 a5 25.h4 axb4 26.axb4 Rae7 27.Kf3 Rg8 28.Kf4 g6 29.Rg3g5+ 30.Kf3 Nb6 31.hxg5 hxg5 32.Rh3 Rd7 33.Kg3 Ke8 34.Rdh1 Bb735.e5 dxe5 36.Ne4 Nd5 37.N6c5 Bc8 38.Nxd7 Bxd7 39.Rh7 Rf840.Ra1 Kd8 41.Ra8+ Bc8 42.Nc5 1-0[Event "St Petersburg"][Site "St Petersburg RUS"][Date "1914.04.30"][EventDate "1914.04.21"][Round "7"][Result "1-0"][White "Jose Raul Capablanca"][Black "Ossip Bernstein"][ECO "D37"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "91"]1. d4 d5 2. Nf3 Nf6 3. c4 e6 4. Nc3 Nbd7 5. Bg5 Be7 6. e3 c67. Bd3 dxc4 8. Bxc4 b5 9. Bd3 a6 10. e4 e5 11. dxe5 Ng412. Bf4 Bc5 13. O-O Qc7 14. Rc1 f6 15. Bg3 fxe5 16. b4 Ba717. Bxb5 axb5 18. Nxb5 Qd8 19. Nd6+ Kf8 20. Rxc6 Nb6 21. Bh4Qd7 22. Nxc8 Qxc6 23. Qd8+ Qe8 24. Be7+ Kf7 25. Nd6+ Kg626. Nh4+ Kh5 27. Nxe8 Rxd8 28. Nxg7+ Kh6 29. Ngf5+ Kh5 30. h3Nc8 31. hxg4+ Kxg4 32. Bxd8 Rxd8 33. g3 Rd2 34. Kg2 Re2 35. a4Nb6 36. Ne3+ Kh5 37. a5 Nd7 38. Nhf5 Nf6 39. b5 Bd4 40. Kf3Ra2 41. a6 Ba7 42. Rc1 Rb2 43. g4+ Kg5 44. Rc7 Rxf2+ 45. Kxf2Nxg4+ 46. Kf3 1-0[Event "St Petersburg"][Site "St Petersburg RUS"][Date "1914.05.19"][EventDate "1914.04.21"][Round "8"][Result "0-1"][White "Jose Raul Capablanca"][Black "Siegbert Tarrasch"][ECO "C49"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "165"]1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Nc3 Nf6 4.Bb5 Bb4 5.O-O O-O 6.d3 Bxc37.bxc3 d5 8.Bxc6 bxc6 9.Nxe5 Qd6 10.Bf4 Re8 11.Qf3 dxe412.dxe4 Rxe5 13.Rfd1 Bg4 14.Qg3 Bxd1 15.Bxe5 Qd2 16.f3 Nh517.Qf2 Qxf2+ 18.Kxf2 Bxc2 19.Rc1 Ba4 20.Bxc7 Rc8 21.Rb1 Bb522.Rd1 Kf8 23.Be5 Ke7 24.a4 Bc4 25.Rd4 Be6 26.Rb4 Bd7 27.Rb7Ra8 28.Ke3 Nf6 29.a5 Ke8 30.Bd4 a6 31.f4 c5 32.Bxf6 gxf633.Rb6 Ke7 34.f5 Bb5 35.g4 Rd8 36.Kf4 Rd1 37.h4 h6 38.Rb7+ Kf839.Rc7 c4 40.g5 hxg5+ 41.hxg5 Rf1+ 42.Kg4 Rg1+ 43.Kf4 fxg5+44.Ke5 Re1 45.Kf6 Rxe4 46.Rxf7+ Ke8 47.Rg7 g4 48.Rg5 Bc649.Kg7 Bd5 50.Rg6 Re7+ 51.Kh6 Be4 52.Rxg4 Bxf5 53.Rxc4 Re554.Kg5 Bd3+ 55.Kf4 Rf5+ 56.Kg4 Rxa5 57.Rd4 Bb5 58.Kf4 Ra359.c4 Bd7 60.Ke5 Kd8 61.Rd2 Kc7 62.Kd4 a5 63.Rd3 Ra1 64.Kc3Rc1+ 65.Kb2 Rh1 66.Rd5 a4 67.Rd2 Bc6 68.Ka2 Kb6 69.Rb2+ Kc570.Rb1 Rh3 71.Rg1 Kxc4 72.Rc1+ Kb5 73.Rb1+ Kc5 74.Rc1+ Kd675.Rd1+ Bd5+ 76.Kb2 a3+ 77.Ka1 Kc5 78.Rc1+ Bc4 79.Rg1 Rh280.Rg5+ Kb4 81.Rg1 Ra2+ 82.Kb1 Rd2 83.Ka1 0-1[Event "St Petersburg"][Site "St Petersburg RUS"][Date "1914.04.28"][EventDate "1914.04.21"][Round "5"][Result "0-1"][White "Akiba Rubinstein"][Black "Alexander Alekhine"][ECO "E43"][WhiteElo "?"][BlackElo "?"][PlyCount "56"]1. d4 e6 2. c4 Nf6 3. Nc3 Bb4 4. e3 b6 5. Bd3 Bb7 6. f3 c57. a3 Bxc3+ 8. bxc3 d5 9. Ne2 O-O 10. O-O Nbd7 11. Ng3 Qc712. cxd5 exd5 13. e4 cxd4 14. cxd4 Qc3 15. Be3 dxe4 16. fxe4Ba6 17. Bxa6 Qxe3+ 18. Kh1 Nxe4 19. Nf5 Nf2+ 20. Rxf2 Qxf221. Qg4 g6 22. Rf1 Qb2 23. Nh6+ Kg7 24. Nxf7 Qb3 25. d5 Nf626. Qd4 Rxf7 27. Bc4 Qa4 28. g4 Rc8 0-1

Beitrag von blunder1

[QUOTE=Kiffing;22635]Ausgerechnet der große Akiba Rubinstein, der so viele Glanzpartien geschaffen und so viele Turniere gewonnen hatte, daß es schon einem Wunder anmutete, warum dieser würdige Mann noch nicht Emanuel Lasker gefordert hatte,[/QUOTE]Dies trifft nicht zu. Rubinstein hatte Lasker gefordert und der WM-Wettkampf hätte im Herbst 1914 stattgefunden, wenn der 1. Weltkrieg nicht ausgebrochen wäre (s. [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/2588-Wie-zuverl%E4ssig-ist-Kasparows-quot-Meine-groen-Vork%E4mpfer-quot". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://www.schachburg.de/threads/2588- ... mpfer-quot" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]).[QUOTE=Kiffing;22635]Doch dieses Wunder kam, denn in der Siegergruppe drehte Lasker gewaltig auf. Doch kurz vor Turnierende war Capablanca immer noch deutlich vorne.[/QUOTE]Das Turnier wurde in zwei Etappen ausgetragen, wobei für das Gesamtergebnis alle Partien gewertet wurden: Nach der ersten Hälfte der Endrunde hatte Lasker seinen Rückstand auf einen Punkt verkürzt; er hatte 3,5/4 in dieser ersten Hälfte erzielt, Capablanca 3. Die drei anderen Kontrahenten spielten um den Turniersieg nicht mit.In der ersten Runde der zweiten Hälfte (6. Runde der Siegergruppe) war Capablanca spielfrei, während Lasker erneut Aljechin schlug.Somit lagen sie punktgleich an der Spitze; allerdings hatte Capablanca noch eine Partie mehr zu bestreiten (Lasker war in der 8. Runde spielfrei). Deshalb musste der Deutsche diese Partie unbedingt gewinnen, als er in der 7. Runde auf den Kubaner traf.Ich kenne keine Partie der Schachgeschichte – von der 10. Partie des WM-Wettkampfs Lasker-Schlechter 1910 abgesehen -, über die so sehr spekuliert (fantasiert?) worden ist. Von der Psychologie Laskers (dessen „psychologische Spielweise“ mittlerweile widerlegt worden ist) über seine angeblich psychologisch so geschickte Eröffnungswahl bis zu der „Stärke“ des so lebhaft diskutierten Zuges 12. f5.Laskers Eröffnungswahl. Zwar hatte er bereits häufiger die Abtauschvariante gespielt (obwohl er in den meisten Fällen 4.La4 zog), doch der Grund wird bereits von Tarrasch in seinem Turnierbuch angegeben:„Warum haben Sie nur die Abtauschvariante gewählt?“ so fragte ich Lasker in der Mittagspause, „Sie mußten doch scharf auf Gewinn spielen.“ „Ich hatte nichts anderes,“ entgegnete Lasker. „Gegen Ihre Verteidigung (Offener Spanier), die Sie gegen Bernstein und mich angewandt haben, habe ich gar nichts gefunden.“ (S. 167)Glücklicherweise hat seit ca. 20 Jahren eine Computer-gestützte Neubewertung von Laskers Spiel stattgefunden und ich erlaube mir, die Partie mit (von mir) gekürzten Kommentaren von John Nunn in der Eröffnungsphase wiederzugeben, wobei ich mich auf John Nunns Chess Course (2014) beziehe, das auf Laskers Schach aufgebaut ist.[Event "St Petersburg f"][Site "St. Petersburg"][Round "18"][Date "1914.??.??"][White "Lasker, Emanuel"][Black "Capablanca, Jose"][WhiteElo "2720"][BlackElo "2730"][Result "1-0"]1.e4 { Notes by Nunn } 1...e5 2.Nf3 Nc6 3.Bb5 a6 4.Bxc6 dxc6 5.d4 exd4 6.Qxd4 Qxd4 7.Nxd4 { This method of playing the Exchange Variation is totally harmless because White has not even forced Black to spend a tempo defending the e5-pawn with ...f6 } Bd6 { The modern preference 7...Bd7 is also good } 8.Nc3 Ne7 9.O-O O-O 10.f4 { ?! 10.Be3 = } Re8 { The immediate threat is 11...Bc5 12.Be3 Nd5! } 11.Nb3 f6 { ?! 11...a5! Would have taken advantage of the awkward position of Whites knight on b3 and given Black a definite edge } 12.f5 { ! It is indeed a fine move, because otherwise White is clearly worse and only this pawn advance gives realistic chances for equality } b6 13.Bf4 Bb7 { ?! The best continuation was 13...Bxf4! 14.Rxf4 c5, preventing Whites knight from moving to d4 and thereby preparing ...Bb7 } 14.Bxd6 cxd6 15.Nd4 Rad8 { ?! 15...Bc8 16.Rad1 c5 17.Ne6 Bxe6 = } 16.Ne6 Rd7 17.Rad1 Nc8 18.Rf2 b5 19.Rfd2 Rde7 20.b4 { ! } Kf7 { ? Nevertheless Black should have taken the knight as his chances only deteriorate the longer he waits. The question mark is not only for this move but also for the subsequent play in which Black cannot bring himself to surrender material. Note that 20...c5? Is impossible due to 21.bxc5 dxc5 22.Rd8 followed by Nd5 } 21.a3 Ba8 22.Kf2 Ra7 23.g4 h6 24.Rd3 a5 25.h4 axb4 26.axb4 Rae7 27.Kf3 Rg8 28.Kf4 g6 29.Rg3 g5+ 30.Kf3 Nb6 31.hxg5 hxg5 32.Rh3 Rd7 33.Kg3 Ke8 34.Rdh1 Bb7 35.e5 { ! } dxe5 36.Ne4 Nd5 37.N6c5 Bc8 38.Nxd7 Bxd7 39.Rh7 Rf8 40.Ra1 Kd8 41.Ra8+ Bc8 42.Nc5 1-0Wie ist diese Partie, die zu den berühmtesten der Schachgeschichte gehört, also wirklich gelaufen?Laskers Eröffnung ist nicht gut; bereits im 11. Zug hätte Capablanca Vorteil erzielen können. Doch dann beginnt er passiv zu spielen, wohl zu sehr auf Remis, was ihm genügt hätte. Langsam gewinnt Weiß die Oberhand, doch erst der Unwille des Kubaners, etwas Material zu geben (Qualität für den gewaltigen Springer e6 + Bauer) und die daraus resultierende Passivität führen zu unüberwindlichen Schwierigkeiten.Nach der Eröffnung spielt Lasker nahezu tadellos: Druckspiel auf dem ganzen Brett, Zentrumsdurchbruch/Räumungsopfer (35.e5!) und abschließender Mattangriff.[QUOTE=Kiffing;22635]Er schien seinen Frieden mit seinem früheren Rivalen geschlossen und auch seinen Stil endlich verstanden zu haben. Er lobte ihn jetzt in den höchsten Tönen:[/QUOTE]Dies trifft nur teilweise zu. Tarrasch hatte seinen Frieden mit Lasker geschlossen und seine (offensichtliche) Überlegenheit endlich anerkannt, doch hat er – wie andere Zeitgenossen auch - Laskers Spiel nie wirklich verstanden, der der erste universelle und moderne Spieler der Schachgeschichte und seiner Zeit weit voraus war. Beispiele aus seinem Turnierbuch: „Man kann diese Art zu spielen nicht tadeln; objektiv korrekt ist sie nicht, und zum Erfolge bedarf sie stets der Beihilfe des Gegners. Aber merkwürdigerweise bleibt die bei Lasker niemals aus. Man muß sich wundern und muß bewundern.“ (S. 154)„Aber wer kann schon gegen Zauberei ankämpfen!“ (S. 156)