Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Warum spielt kaum jemand mehr Sweschnikow?“

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Beitrag von Kiffing

Vor etwa 10 Jahren war Sweschnikow schwer in Mode und gefühlt jeder Zweite hat es gegen mich gespielt. Heute dagegen ist es fast komplett vom Brett verschwunden. Gibt es dafür einen bestimmten Grund wie eine gefundene "Widerlegung"?.

Beitrag von Mattmonster

Ich glaube es ist nur eine frage der mode ich denke z.z wird lieber der sizzi naydorf gespielt!eine wiedelegung ist mir z.z nicht bekannt wird aber geprüft:hmpf:gruss carsten

Beitrag von Birliban

In eröffnungstechnischer Hinsicht ist alles i. O. mit Sweschnikow. Auch eine kürzliche Rezension gibt keinen Anlass zur Krisenstimmung: [url]http://www.bdf-fernschachbund.de/service/rezensionen/2017/rezens2017.htm#The[/url] Sicilian Sveshnikov - move by move Im Gegenteil. Im Fernschach hat Sweschnikow in der jüngeren Vergangenheit eher an Bedeutung gewonnen, insbesondere, „wenn der Spieler mit Schwarz auf den vollen Punkt spielen will und ein Spiel auf des Messers Schneide im Vertrauen auf seine eigenen Angriffsfähigkeiten anstrebt.“ Ich halte es deshalb auch eher für eine Modeerscheinung, wenn im Nahschach eine Art Ermüdungserscheinung zu beobachten ist. Eine andere plausible Erklärung könnte aber auch sein: In Schachkreisen spricht sich schnell herum, wenn sich ein Spieler zum „Sweschnikow-Schreck“ entwickelt hat. Das heißt: Der Schwarzspieler wird es tunlichst vermeiden, gegen einen solchen Sweschnikow-Spezialisten, der all seine Weißpartien gewonnen hat, ausgerechnet Sweschnikow zu spielen. Denn wer geht schon gern in die Höhle des Löwen, wenn man selbst kein Löwe ist? Der nächste Gegner, Kiffing, der gg. Dich Sweschnikow spielt, sollte also mit Vorsicht genossen (zerlegt) werden. Denn es könnte sein, der Löwe kommt. :hmpf:

Beitrag von Zapp Brannigan

Ich denke es gibt drei Gründe, warum man Sveshnikov auf dem höchsten Nivea seltener sieht:(1) Die berliner mauer (und in kleinerem ausmass auch das Marshall gambit) geben dem schwarzen so gute resultate, dass fast alle top-GMs 1.e4 e5 als hauptwaffe gegen 1.e4 benutzen. Man sieht ja nicht nur seltener sveshnikov, sondern ganz allgemein ist es bei top-turnieren schon fast eine überaschung, wenn mal kein 1.e4 e5 kommt.(2) Die Sveshnikov-Variante gibt schwarz ein so gutes spiel, dass weiss Sveshnikov fast nie zulässt sondern Rossolimo (1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5) spielt (siehe z.bsp. die WM Anand-Gelfand). Dies ist ähnlich wie die Berliner Mauer, die man ja auch immer seltener sieht, weil alle weiss-spieler entweder italienisch oder 4.d3 im spanisch spielen)(3) Sveshnikov war früher eine agressive variante mit der man auf gewinn spielen kann. Dies ist nicht mehr wirklich der fall, die 11.c4 variante wird auf höherem niveau als ziemliche spassbremse resp. ausgleichsvariante angesehen. Auch in der alten hauptvariante mit 11.c3 laufen viele abspiele auf ein endspiel mit ungleichen läufer hinaus. Aus diesem grund wird, wenn man auf gewinn spielen will/muss, nicht mehr sveshnikov, sondern eher Najdorf und in letzer zeit auch viel Richter-Rauzer gespielt.

Beitrag von Kiffing

Vielen Dank für diese erneut klare und einleuchtende Darstellung. Diese d3-Spanier auf Topebene nerven mich zur Zeit sehr, ich bin eher ein Freund von Versuchen, aus der Eröffnung heraus zu gewinnen bzw. einen glanzvollen Start-und-Zielsieg zu erlangen. Daß man statt 11. c3 auch 11. c4 spielen kann, wußte ich nicht, aber das scheint als Argument gegen Sweschnikov begründet. Denn ein Blick in meine Fritz15-Datenbank zeigte eine Überlegenheit von 1. e4 c5 2. Sf3 Sc6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 e5 6. Sdb5 d6 7. Lg5 a6 8. Sa3 b5 9. Sd5 Le7 10. Lxf6 Lxf6 11. c4 (240 Spiele, 58,5%) gegenüber dem mir bislang selbstverständlich erschienenem 11. c3 (602 Spiele, 54,3%). Da ich aber nur die Varianten mit c3 kenne und reines Positionsgeschiebe mir nicht gefällt (ich habe mir gerade ein paar Varianten mit 11. c4 zeigen lassen), bleibe ich bei 11. c3, wo es immerhin klare Ziele und Grundstrategien und noch eine gewisse Zweischneidigkeit gibt. Aber Fritz 15 zeigte mir auch an, daß die Hauptvarianten nach 11. c4 sehr remislich sind.

Beitrag von codeamateur

Es ist sicherlich eine Modeersscheinung. Ich glaube aber nicht, dass heutzutage die Schweschnikow-Variante Weißspieler abschreckt. Viel mehr sind es Schwarzspieler, die das nicht mehr spielen. Heutzutage sind Eröffnungssysteme modern, in denen beide Seiten sich solide aufbauen können, ohne frühe Auseinandersetzung in der Eröffnung. Insbesondere der heutige Weltmeister Carlsen spielt eher bescheidene Eröffnungsysteme und begnügt sich mit Ausgleich. Er beginnt im Mittelspiel seine Stellung zu verstärken und gewinnt seine Partien meistens im Endspiel. Da passt Sweschnikow nicht so recht zu dieser Philosophie, denn Sweschnikow-Endspiele sind meistens besser für Weiß aufgrund der besseren Bauernstruktur. Viel wichtiger ist jedoch der Umstand, dass es kaum neue Literatur über diese Eröffnung gibt. Das Buch von Sweschnikow selbst, das er im 20. Jahrhundert geschrieben hat, hat kaum an Aktualität verloren und wird nur durch das Kasparov-Buch aus dem Jahre 2007 über Eröffnungsrevolution in den 1970-er ergänzt. [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.everymanchess.com/garry-kasparov-on-modern-chess-part-1-revolution-in-the-70s". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "https://www.everymanchess.com/garry-kas ... in-the-70s" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.]In den letzten 10 Jahren ist nichts an neuen Ideen für Schwarz dazu gekommen, die dieses System attraktiv machen würden.

Beitrag von Zapp Brannigan

Mal abgesehen von einem Buch von Cox in 2013, von Kotronias in 2014, von Lakdawala in 2016 und einer DVD von Krasenkow in 2013. Dazu kommen die theoretisch wichtigen partien aus dem WM-matsch Anand-Gelfand 2012, wo Anand so ahnungslos gegen Sveshnikov war dass er auf den Rossolimo umgestiegen ist. Wenn ich nur das jahr 2017 anschaue und nur partien wo beide spieler > 2700 haben hat Gelfand 2x Sveshnikov gespielt, und einige mahle mehr versucht da rein zu kommen, was aber immer mit Rossolimo verhindert wurde. Auch Radjabov und Giri haben ein paarmal versucht, Sveshnikov zu spielen, es wurde aber jedesmal Rossolimo oder 3.Sc3 (wonach Giri zum beschl. Drachen überleitete).

Beitrag von codeamateur

Du hast Recht. Meine Einschätzung war falsch. Es gibt mehr Literatur als ich dachte. Auch nicht einfach so Copy & Paste aus dem Sweschnikow-Buch. Auch wenden Autoren dieser Bücher die Sweschnikow-Variante selbst in der Praxis an. Lakdawala mit Weiß, Cox & Kotronias mit Schwarz. Wobei Kontronias in letzter Zeit eher Najdorf spielt. Liegt vermutlich daran, weil er sich vor Rossolimo 2...Sc6 3.Lb5 fürchtet. Das Originalbuch von Cox starting out: Sicilian sveshnikov ist allerdings aus dem Jahre 2007. [QUOTE=Zapp Brannigan;28403] Dazu kommen die theoretisch wichtigen partien aus dem WM-matsch Anand-Gelfand 2012, wo Anand so ahnungslos gegen Sveshnikov war dass er auf den Rossolimo umgestiegen ist. [/QUOTE]Das stimmt auch. Es gibt allerdings nur eine Sweschnikow-Partie in diesem WM-Match. Ich bezweifle, dass sie von großer eröffnungstheoretischer Bedeutung ist. Vor dem WM-Match hat Gelfand gegen Anand mit Schwarz nur Najdorf gespielt. Das hat Anand zum WM-Match vermutlich vorbereitet. Anand wurde in der 5. Partie mit Sweschnikow sicherlich etwas überrascht. Er hat dann Vereinfachungen angestrebt (siehe das remisliche 11.c4), die am Ende zum Remis führten. Danach hat Anand gegen Gelfand nur noch 3.Lb5 gegen 2...Sc6 gespielt, was für deine Argumentation spricht.[QUOTE=Zapp Brannigan;28403] Auch Radjabov und Giri haben ein paarmal versucht, Sveshnikov zu spielen, es wurde aber jedesmal Rossolimo oder 3.Sc3 (wonach Giri zum beschl. Drachen überleitete).[/QUOTE]Bei Radjabov & Giri ist es analog wie bei Gelfand und Kontronias. Der Rossolimo hat sie so abgeschreckt, dass sie statt 2...Sc6 mit 2...d6 den Najdorf anstreben. Um dann erst nach 2...d6 3.d4 cd 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le2 oder Le3 e5 zu spielen. Zum Beispiel hat Giri bei Qatar Masters 2015 gegen Carlsen Najdorf gespielt. 2...d6 3.Lb5+ wird oft mit 3...Sd7 beantwortet. Damit bekommt Schwarz nach dem Tausch Lxd7+ keinen Doppelbauern und hat trotzdem das Läuferpaar. Es bleibt trotzdem ein Punkt für mich unklar. Die Hauptvariante des Sweschnikows kann auch über die Zugfolge 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cd 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Sdb5 d6 7.Lf4 e5 8.Lg5 erreicht werden. Wo ist hier das Problem für Schwarz?

Beitrag von Zapp Brannigan

[quote]Es bleibt trotzdem ein Punkt für mich unklar. Die Hauptvariante des Sweschnikows kann auch über die Zugfolge 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cd 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Sdb5 d6 7.Lf4 e5 8.Lg5 erreicht werden. Wo ist hier das Problem für Schwarz? [/quote]Das habe ich mich auch schon gefragt, und als ich mal überlegt habe, Sveshnikov zu spielen war das auch meine zugfolge. Auf Club-Niveau hat es noch zusätzlich überaschungseffekt (wie viele gegner kennen 6.Sdb5? wie viele "finden" 7.Lf4?), auch 2.Sc3 e6 3.g3 d5 resp 3.f4 d5 sind "einfache" und gute varianten gegen den geschlossenen sizi und GPA."Tiefere" GMs spielen das auch so, aber auf höchstem niveau sieht man diese zugfolge nicht. Muss wohl an 6.Sxc6 liegen, was evtl. viel stärker ist als in den meisten büchern dargestellt?