Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Schach und Sein“

schachburg.de

Beitrag von ToBeFree

[QUOTE=Benutzername;23662]Und wie ist es mit all den Körperfunktionen, die mich am leben halten? Wenn nicht aus Dokumentationen hätte ich nicht den leisesten Schimmer davon, wie mein eigenes Herz aussehen könnte. Und wer dirigiert es nun? Es läuft quasi von selbst - ich hab das nicht wirklich unter Kontrolle - und erstaunlich, wenn sich mein kleiner Finger krümmt, wenn ich das will. Was dabei alles passiert - ich weiß es nicht - ich muß es nicht wissen.[/QUOTE]Darüber habe ich auch schon oft nachgedacht. Bei manchen wichtigen Körperfunktionen wie dem Schlagen des Herzens will man vielleicht auch gar nicht so genau wissen, wie und warum das genau so funktioniert - weil einem dann auch bewusst wird, dass das eben nicht "einfach so" funktioniert, sondern fehleranfällig ist und eines Tages versagen kann. Ich finde es auch irgendwie komisch, mir bewusst zu machen, dass das Wort "ich" oft einfach nur für das eigene Gehirn steht - und es ist eine ziemlich unromantische Vorstellung, dass "ich liebe dich" nur das Ergebnis irgendwelcher elektrischer Signale zwischen irgendwelchen Neuronen sein soll.

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=ToBeFree;23663] Ich finde es auch irgendwie komisch, mir bewusst zu machen, dass das Wort "ich" oft einfach nur für das eigene Gehirn steht - und es ist eine ziemlich unromantische Vorstellung, dass "ich liebe dich" nur das Ergebnis irgendwelcher elektrischer Signale zwischen irgendwelchen Neuronen sein soll.[/QUOTE]Schachhistorisch spricht man in diesem Zusammenhang von der Entzauberung des Schachspiels, die durch die wissenschaftliche Revolution von Wilhelm Steinitz und seinen Nachfolgern eingesetzt hatte (als aufklärerischer, aber isolierter Vorreiter gilt Philidor). Diese Entzauberung des Schachspiels, die eben dadurch einsetzte, daß vormals unerklärliche, d. h. mehr oder weniger zauberhafte und in Staunen versetzende Geniestreiche auf dem Schachspiel nun wissenschaftlich erklärt werden konnten, fand natürlich parallel zum Phänomen der Entzauberung der ganzen Welt durch die Wissenschaften statt. Rechte Modernitätsgegner wie Franz Gutmayer oder später Emil Joseph Diemer wandten sich wie andere Rechte in anderen Bereichen scharf gegen den wissenschaftlichen Fortschritt auf dem Schachbrett und verknüpften diesen mit einem kruden Antisemitismus. Als zweite Entzauberung nach der wissenschaftlichen Revolution auf dem Schachbrett durch Steinitz/Tarrasch und anderen gilt heute die Entzauberung des Schachspiels durch die Engines, Stichwort: das Schachspiel wird bald [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/215-Hilfe-das-Schach-wird-bald-gelöst-werden!?highlight=gel%F6st". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "gelöst" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] werden. Wenn man weiß, wie Dinge funktionieren, üben sie keinen Zauber mehr aus, und niemand weiß das besser als Ärzte, die bspw. wenig zauberhafte anatomische Zerlegungen von Frauen produzieren können, was in puncto Romantik ähnlich ernüchternd wirken dürfte wie das von ToBeFree angesprochene Wissen um die elektrischen Signale von Neuronen. Als Antithese allerdings ist für mich persönlich wichtig, daß auch die Wissenschaft, so paradox es klingt, einen neuen Zauber auf Menschen ausüben kann, so daß m. E. Wissenschaft und Zauber nicht als reine Gegenspieler gedacht werden sollten, sondern durchaus dialektisch betrachtet werden können mit dem damit verbundenen Entwicklungsprozeß.

Beitrag von Kiffing

@anonym:Das Spannungsverhältnis zwischen Körper und Geist ist eine uralte, aber wohl auch ewige theologische und philosophische Disputation. In unserem Kulturkreis neigte die Kirche auch wegen ihres Jenseitsbezuges zu einer stark körper- und damit auch lustfeindlichen Interpretation, was sich gut an der Apodiktik aus dem Matthäus-Evangelium veranschaulichen läßt: "Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach". Der Gedanke, Geist und Körper im Zusammenhang zu sehen, mutet modern an und läßt sich mit der im 19. Jahrhundert aufkommenden Sportbewegung paradigmatisieren, die mit: "Nur ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper" ein ganz anderes Postulat aufstellte, das übrigens strenggenommen ein Sprachschatz aus der römischen Antike ist. Denn dieses Postulat ist eine Übersetzung von Juvenal: "mens sana in corpore sano". Meine persönliche Herangehensweise, mir über Körperfunktionen und dergleichen nicht allzu viele Gedanken zu machen, läßt sich vielleicht als pragmatisch begreifen, was allerdings auch Widerspruch auslösen könnte.Wegen der Intuition, so ist dieses Feld, auch im Hinblick auf das Schach, schon recht weit erforscht. In diesem Zusammenhang hatte der Schachphilosoph Jörg Seidel auf ein eher vergessenes Werk von dem Universalphilosophen Eduard von Hartmann aufmerksam gemacht, der nach den Darlegungen Seidels zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse auf diesem Gebiet 1869 bereits antizipierte (Jörg Seidel, MetaChess, Scharlatan-Verlag, Rostock 2009, Kapitel 7). Heute ist man sich darin einig, daß das Bewußte und Unbewußte in einem, wie ich sagen würde: dialektischen, Wechselverhältnis zueinander stehen. Das heißt, je mehr wir unsere Kenntnisse auf einem Gebiete erweitern, desto mehr Ansätze hat das Unbewußte, diese Erfahrungen zu verarbeiten. Dies wiederum bedeutet auf das Schach übertragen, daß zwar Geniestreiche nicht bewußt zu erzwingen sind; die Chancen auf eben diese Geniestreiche in komplexen Stellungstypen steigen aber proportional zu unseren erworbenen Kenntnissen.Weiterführendes Werk: Geheimnisse der Schachintuition von GM Beljawski und GM Michaltschischin.

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=anonym]Kiffing - auf welches Deiner Teile könntest Du verzichten, ohne dass dabei Dein essentielles Sein, Dein persönliches Ich weniger würde? Ist der kleine Finger in diesem Sinne austausch- oder verzichtbar? Wie ist es mit dem ganzen Arm oder gleich allen Extremitäten? Wie genau hast Du das was Du "Ich" nennst definiert bzw. gegen allem anderen, das "nicht Ich" ist abgegrenzt? Und wenn Du Dich am Ende auf das beschränken würdest, das Dir bewußt ist oder Teil Deines Bewußtseins - wozu man grob auch Erinnerungen zählen könnte - dann könntest Du getrost alles, das "nur" Geräte und Hilfsmittel sind - wie zB Dein Arm - aber im Grunde genommen auch Dein Gehirn abziehen. Die Frage ist, was dann bleibt. [/QUOTE]Diese Überlegungen erinnern mich an den Horrorroman: "Schule des Schreckens" von John Saul, das tatsächlich in furchtbare Experimente führte, die Deinen Überlegungen sehr nahe kommen. Im Prinzip ist das, was dort passierte, zu schrecklich, als daß ich es bedenkenlos ausführen könnte. Du kannst Dich aber privat gerne in Rezensionen und Kritiken dieses Horrorromans über das, was in besagter Schule, einem Hochbegabteninternat, vorgefallen ist, informieren. Um diese Geschichte mit Deinen Gedanken zu verbinden, so war das Ich schließlich nur auf ein Gehirn reduziert. Meine Ansicht zu diesem Thema ist, daß ich Körper und Geist nicht trenne und ich ungerne auf einen Teil von mir verzichten würde, am wenigsten übrigens auf meine Augen, denn für mich persönlich wäre blind zu sein schlimmer als der Tod. [QUOTE=anonym]Und jetzt behaupte ich lediglich, dass unser Ich nur temporal gespiegelt werden kann, wenn sich Quasi durch Interaktionen eine temporale Signatur ergibt - nicht dass ich meine, dass dies nun das Ich wäre - aber es wird dadurch sichtbar - wie durch Rauch Sonnenstrahlen sichtbar werden können - oder durch ein aufgeblähtes Segel der Wind, oder eine Kraft wie die Schwerkraft, wenn etwas zu Boden fällt. Aber all das hat mit uns selbst nicht viel zu tun bzw. mit dem jeweiligen Ich. Das ist meine Ansicht. Darum sind sogenannte innere Werte für mich auch eine reine Äußerlichkeit, da das essentielle, das mich ausmacht gar nicht bewertet werden kann aus logischen Gründen. [/QUOTE]Aufgrund meiner Überzeugung, daß Geist und Körper zusammengehören, ergibt sich, daß das Gehirn ohne den Körper nicht funktionieren kann, weil der Körper das Gehirn mit den notwendigen Ingredienzen versorgt. Diese Ansicht war übrigens schon im Römischen Imperium bekannt, vergleiche dazu bitte das Magen-Glieder-Gleichnis von Lanatus, das man natürlich auf jedes andere Organ anwenden kann. Insofern ist diese "temporale Signatur" m. E. als Einheit aller geistigen und körperlichen Bestandteile aufzufassen, denn getreu der Wahrheit, daß die Summe mehr ist als seine Teile, ergibt sich durch diese Summe das Ich-Bewußtsein und damit der komplette Mensch. Fehlt ein Teil dieser Summe, ergibt sich entweder der Tod oder eine unterschiedlich graduierte Behinderung.Wegen der Intuition, würde mich noch eine Erklärung für den Zusammenhang der Intuition mit dem Zen-Buddhismus interessieren. Ansonsten ist für mich persönlich wichtig, daß ein Flow, und einen solchen beschreibst Du mit Deinen Beispielen, ein Zustand ist, in dem sich die Person das Unbewußte nutzbar machen kann. Dieser Zustand kann nur konserviert werden, wenn die Person über diesen Zustand nicht bewußt nachdenkt, denn "conscious flow is broken flow" (Seidel). Passend dazu das Gleichnis mit dem Tausendfüßler:Ein Tausendfüßler konnte durch seinen Tanz mit seinen "tausend" Füßen alle Tiere in Erstaunen versetzen. Er konnte geradezu mit somnambuler Leichtigkeit seine vielen Füße zu einem Tanz miteinander koordinieren. Deshalb war der Tausendfüßler der Star in der Tierwelt. Dort gab es mit der Nachtigall allerdings eine Neiderin. Wegen der Popularität des Tausendfüßlers konnte diese den Tausendfüßler nicht direkt angreifen, sie machte es geschickter. Sie trat auf den Tausendfüßler hin, gab sich als Fan aus und wollte von diesem genau wissen, wie genau er diesen Tanz vollführen kann, ungefähr nach dem Motto: "nimmst Du für diese Bewegung eher Fuß 138 oder Fuß 139?". Der Tausendfüßler konnte danach nie mehr tanzen.

Beitrag von yury

[QUOTE=Kiffing;23696]Aufgrund meiner Überzeugung, daß Geist und Körper zusammengehören, ergibt sich, daß das Gehirn ohne den Körper nicht funktionieren kann, weil der Körper das Gehirn mit den notwendigen Ingredienzen versorgt. Diese Ansicht war übrigens schon im Römischen Imperium bekannt, vergleiche dazu bitte das Magen-Glieder-Gleichnis von Lanatus, das man natürlich auf jedes andere Organ anwenden kann. Insofern ist diese "temporale Signatur" m. E. als Einheit aller geistigen und körperlichen Bestandteile aufzufassen, denn getreu der Wahrheit, daß die Summe mehr ist als seine Teile, ergibt sich durch diese Summe das Ich-Bewußtsein und damit der komplette Mensch.[/quote]Dieses "ergibt sich durch diese Summe das Ich-Bewußtsein" verschleiert das eigentliche Problem. Wie ergibt sich denn das Bewusstsein, ganz zu schweigen vom Selbstbewusstsein? Die Annahme, dass aufgrund eines metaphysischen Gesetzes, dass die Summe immer irgendwie "mehr" ist als die Teile - wie und warum auch immer -, auf mystische Weise irgendetwas emergiert, was vorher nicht da war, ist unplausibel und unbelegt.[QUOTE=Kiffing;23696]Fehlt ein Teil dieser Summe, ergibt sich entweder der Tod oder eine unterschiedlich graduierte Behinderung.[/QUOTE]Das ist essentialistischer Unsinn, der soziale Verhältnisse naturalisiert. Behinderung ist ein gesellschaftlicher Prozess - daher auch das Wort: Be-Hinderung. Die Behauptung, Behinderung sei eine Abweichung vom "normalen", "perfekten" Menschen, gehört in den Mülleimer der Geschichte. Bis in die 90er-Jahre hinein hat man genau das auch von Homosexualität gesagt.

Beitrag von Kiffing

[QUOTE=yury]Dieses "ergibt sich durch diese Summe das Ich-Bewußtsein" verschleiert das eigentliche Problem. Wie ergibt sich denn das Bewusstsein, ganz zu schweigen vom Selbstbewusstsein? Die Annahme, dass aufgrund eines metaphysischen Gesetzes, dass die Summe immer irgendwie "mehr" ist als die Teile - wie und warum auch immer -, auf mystische Weise irgendetwas emergiert, was vorher nicht da war, ist unplausibel und unbelegt. [/QUOTE]Wieso soll denn die Annahme, die Summe ist mehr als seine Teile, jetzt metaphysisch oder mystisch sein? Als Vulgärmaterialist wittert man wohl allerorten Irrationalität.Dabei ist Aristoteles´: "Die Summe ist mehr als seine Teile" streng rational. Man kann sich das ganze an einer Maschine vorstellen. Sind dort alle Teile zusammengebaut, dann funktioniert die Maschine, so ähnlich funktioniert auch der Mensch, wenngleich er ein Organismus anstatt ein Mechanismus ist, aber das denkende Ich ergibt sich eben wie beim Mechanismus dadurch, daß die betreffende Entität nach einer Art Bauplan zusammengesetzt ist.[QUOTE=yury]Das ist essentialistischer Unsinn, der soziale Verhältnisse naturalisiert. Behinderung ist ein gesellschaftlicher Prozess - daher auch das Wort: Be-Hinderung. Die Behauptung, Behinderung sei eine Abweichung vom "normalen", "perfekten" Menschen, gehört in den Mülleimer der Geschichte. Bis in die 90er-Jahre hinein hat man genau das auch von Homosexualität gesagt. [/QUOTE]anonym und ich diskutierten nicht über Homosexualität, sondern über Körperfunktionen. Die Debatte trat auf, als anonym mich gefragt hatte, auf welche meiner "Teile" ich verzichten könnte, ohne daß mein "essentielles Sein" bzw. mein "persönliches Ich" weniger werden würde. Ich hatte darauf geantwortet, daß ich ungerne auf einen Teil von mir verzichten würde. Denn ob man es nun Behinderung oder Handicap nennt, es fehlt einem etwas, was man nicht hat. Habe ich nur noch einen Arm, könnte ich schlechter tragen, schlechter tippen usw. Kann ich nur noch schlecht hören, kriege ich in meiner Lebensumfeld nur noch wenig mit und kann schlechter mit anderen Menschen kommunizieren, die Liste ließe sich lange fortsetzen. Eine Ausgrenzung von wie auch immer gehandicapten Menschen, die im Kleinen übrigens die überwältigende Mehrheit bilden, habe ich mich natürlich nicht propagiert, und über geistige bzw. mentale Prozesse habe ich mich deswegen bewußt nicht geäußert, weil die Sache hier wesentlich komplexer ist.Man muß schon eine Art fundamentalistischer Gutmensch sein, um aus diesen sachlichen und logischen Überlegungen eine Beziehung zu den Nazis und/oder zu Nietzsches Übermensch zu ziehen (woher die sozialen Beziehungen kommen, ist mir auch schleierhaft). Um Mißverständnissen vorzubeugen, so lehne ich für gewöhnlich das i. d. R. aus rechten Kreisen kommende Verdikt des Gutmenschen ab, da es i. d. R. von Menschen kommt, die selbst nur allzu gerne ihre eigene Schlechtigkeit ausleben wollen, aber vom aufgeklärten Staat und seine Eliten, wenigstens noch partiell, daran gehindert werden. In diesem Fall springt mich dieses Verdikt aber geradezu an, weil es ein gutes Beispiel ist, wie fast jeder Gedanke mit dem Nationalsozialismus verknüpft und damit diskreditiert wird und damit interessante gesellschaftliche Diskussionen gestört werden. Gerade solche unangebrachten Vergleiche mit der NS-Ideologie treiben die von eigentlich mehr imaginären als realen linken Blockwarten genervten Menschen in Scharen zu ausgewiesenen Schlechtmenschen wie Thilo Sarrazin, der in seinem letzten Machwerk vor dem "Terror der Gutmenschen" bzw. eines "Tugendterrors" gewarnt hatte (und nein, ich habe es nicht gelesen).

Beitrag von yury

[QUOTE=Kiffing;23750]Wieso soll denn die Annahme, die Summe ist mehr als seine Teile, jetzt metaphysisch oder mystisch sein? Als Vulgärmaterialist wittert man wohl allerorten Irrationalität.[/quote]Wie kommst Du jetzt darauf, dass ich ein "Vulgärmaterialist" bin? Ich habe nur den Emergenzgedanken kritisiert, das hat mit Materialismus nichts zu tun.[QUOTE=Kiffing;23750]Dabei ist Aristoteles´: "Die Summe ist mehr als seine Teile" streng rational. Man kann sich das ganze an einer Maschine vorstellen. Sind dort alle Teile zusammengebaut, dann funktioniert die Maschine, so ähnlich funktioniert auch der Mensch, wenngleich er ein Organismus anstatt ein Mechanismus ist, aber das denkende Ich ergibt sich eben wie beim Mechanismus dadurch, daß die betreffende Entität nach einer Art Bauplan zusammengesetzt ist.[/quote]Ja, physikalische Funktionalität kannst Du so erklären, aber die kannst Du auch auf die Teile zurückführen. Die Analogie hinkt an der entscheidenden Stelle, dass bei der Maschine nicht plötzlich ein (Selbst-)Bewusstsein emergiert. Die wesentliche Eigenschaft Deines denkenden Ichs ist ja nicht die Funktion, sondern Dein subjektives Erleben, eben das Entstehen eines "Ich". Die Maschine kann nicht sinnvoll "ich" sagen.[QUOTE=Kiffing;23750][Benutzername] und ich diskutierten nicht über Homosexualität, sondern über Körperfunktionen. Die Debatte trat auf, als [Benutzername] mich gefragt hatte, auf welche meiner "Teile" ich verzichten könnte, ohne daß mein "essentielles Sein" bzw. mein "persönliches Ich" weniger werden würde. Ich hatte darauf geantwortet, daß ich ungerne auf einen Teil von mir verzichten würde. Denn ob man es nun Behinderung oder Handicap nennt, es fehlt einem etwas, was man nicht hat. Habe ich nur noch einen Arm, könnte ich schlechter tragen, schlechter tippen usw. Kann ich nur noch schlecht hören, kriege ich in meiner Lebensumfeld nur noch wenig mit und kann schlechter mit anderen Menschen kommunizieren, die Liste ließe sich lange fortsetzen. Eine Ausgrenzung von wie auch immer gehandicapten Menschen, die im Kleinen übrigens die überwältigende Mehrheit bilden, habe ich mich natürlich nicht propagiert, und über geistige bzw. mentale Prozesse habe ich mich deswegen bewußt nicht geäußert, weil die Sache hier wesentlich komplexer ist.[/quote]Ich habe ja auch nicht gesagt, dass Du Ausgrenzung propagierst. Ich habe nur gesagt, dass Du da eine Norm als natürlich setzt - der "normale Mensch" hat zwei Arme, zwei Beine etc. -, bei der erstens unklar ist, wo sie herkommen soll (Empirie? Du hast ja selbst gesagt, dass der Großteil der Menschen in diesem Sinne "behindert" ist) und die zweitens den Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse verstellt, die diese Norm konstruieren.[QUOTE=Kiffing;23750]Man muß schon eine Art fundamentalistischer Gutmensch sein, um aus diesen sachlichen und logischen Überlegungen eine Beziehung zu den Nazis und/oder zu Nietzsches Übermensch zu ziehen (woher die sozialen Beziehungen kommen, ist mir auch schleierhaft). Um Mißverständnissen vorzubeugen, so lehne ich für gewöhnlich das i. d. R. aus rechten Kreisen kommende Verdikt des Gutmenschen ab, da es i. d. R. von Menschen kommt, die selbst nur allzu gerne ihre eigene Schlechtigkeit ausleben wollen, aber vom aufgeklärten Staat und seine Eliten, wenigstens noch partiell, daran gehindert werden. In diesem Fall springt mich dieses Verdikt aber geradezu an, weil es ein gutes Beispiel ist, wie fast jeder Gedanke mit dem Nationalsozialismus verknüpft und damit diskreditiert wird und damit interessante gesellschaftliche Diskussionen gestört werden. Gerade solche unangebrachten Vergleiche mit der NS-Ideologie treiben die von eigentlich mehr imaginären als realen linken Blockwarten genervten Menschen in Scharen zu ausgewiesenen Schlechtmenschen wie Thilo Sarrazin, der in seinem letzten Machwerk vor dem "Terror der Gutmenschen" bzw. eines "Tugendterrors" gewarnt hatte (und nein, ich habe es nicht gelesen).[/QUOTE]lol?Bin gerade etwas sprachlos.^^ Es ist zwar schön, dass Du uns Deine Meinung über "fundamentalistische Gutmenschen" mitteilst, aber ich verstehe nicht so ganz, womit ich das gerade ausgelöst habe. Ich habe nur einen soziologischen Blick auf scheinbar natürliche Konstrukte nahegelegt. Wo habe ich denn überhaupt was von Nazis geschrieben?

Beitrag von Birliban

@yuryEine merkwürdige Art: Du kommst hier herein gepoltert in eine Diskussion, wie der Elefant in den Porzellanladen, zerdepperst das Geschirr, suchst Dir die passenden Teile/Zitate aus, die DIR nicht passen und schlachtest sie nach Gutdünken und Deinen diffusen, verqueren Vorstellungen aus.Das ist zum einen nicht fair und zum anderen auch nicht richtig. Denn die Zitate aus Kiffings Beitrag hast nicht nur falsch gelesen, sondern auch noch völlig falsch interpretiert. Du hast Kiffings Beitrag zerstückelt und geschlachtet wie ein Schwein: Hälst Teile davon dann hoch und faselst: „Dieses "ergibt sich durch diese Summe das Ich-Bewußtsein" verschleiert das eigentliche Problem. Wie ergibt sich denn das Bewusstsein, ganz zu schweigen vom*Selbstbewusstsein? Die Annahme, dass aufgrund eines metaphysischen Gesetzes, dass die Summe immer irgendwie "mehr" ist als die Teile - wie und warum auch immer -, auf mystische Weise irgendetwas emergiert, was vorher nicht da war, ist unplausibel und unbelegt.“ und „Das ist essentialistischer Unsinn, der soziale Verhältnisse naturalisiert. Behinderung ist ein*gesellschaftlicher*Prozess - daher auch das Wort: Be-Hinderung. Die Behauptung, Behinderung sei eine Abweichung vom "normalen", "perfekten" Menschen, gehört in den Mülleimer der Geschichte. Bis in die 90er-Jahre hinein hat man genau das auch von Homosexualität gesagt.“Was soll das? Deine Projektionen sind ein Hineininterpretieren und unsinnige Behauptungen, die mit Kiffings Aussagen, wie ICH sie gelesen und verstanden habe, nicht mal ansatzweise etwas zu tun haben. Fazit:Ich bin mit Deiner Art und Weise, WIE Du Dich hier in eine Diskussion drängelst und sie dann auch noch nach Deinem Gutdünken ausschlachtest, weder inhaltlich noch substantiell einverstanden.

Beitrag von ToBeFree

[QUOTE=Birliban;23754]Ich bin mit Deiner Art und Weise, WIE Du Dich hier in eine Diskussion drängelst und sie dann auch noch nach Deinem Gutdünken ausschlachtest, weder inhaltlich noch substantiell einverstanden.[/QUOTE]Ich möchte mich ungern wieder in die bereits ziemlich erhitzte Diskussion einmischen, muss über diesen Erstbeitrag eines in Beitrag Nr. 13 der Unterhaltung Beigetretenen allerdings schmunzeln. ;)Der Metapher nach: Wenn ein Elefant im Porzellanladen wütet, rechtfertigt das meinen eigenen, darauf folgenden Vandalismus. Oder so, oder so ähnlich.^^

Beitrag von yury

Okay, ich habs verstanden. Ich habe den Beitrag geschrieben (nachdem eine Woche lang nicht geantwortet wurde - ich habe also keine produktive Diskussion zerstört, glaube ich...), weil ich mit Kiffings Meinung in diesen beiden Punkten nicht einverstanden war. Der erste Punkt (Entstehung von Selbstbewusstsein) hatte auch durchaus viel mit dem Threadthema zu tun. Und zum zweiten Punkt, wenn ich naturalisierende Aussagen über gesellschaftliche Konstrukte wie Behinderung lese, dann interveniere ich halt, weil ich das problematisch finde.Es gab anscheinend Missverständnisse. Die lassen sich aber nur klären, wenn man sie benennt. Wenn ihr nicht über die Punkte reden wollt, die ich eingebracht habe, dann ignoriert sie am Besten einfach. Also lasst uns jetzt bitte inhaltlich reden oder gar nicht.

Beitrag von Birliban

Daß über Themen diskutiert wird und eigene Vorstellungen eingebracht werden, ist ja nicht das Problem. Ein Problem wird es aber, wenn man die Diskussionskultur mißachtet. Und zur Diskussionskultur gehört nun einmal auch die Art und Weise, wie man sich in eine Diskussion einfügt. Aber auch, daß man andere Beiträge nicht zweckentfremdet und sinnentstellt. Über bestimmte Punkte zu reden und zu diskutieren, ist sicher nicht das Problem. Nur solltest Du diese Punkte erst einmal nachvollziehbar darlegen. 1.) Wenn es Dir wichtig ist, über die Entstehung des (Selbst-)Bewußtseins etwas zu sagen, dann lege uns Deine Ansicht erst einmal plausibel und nachvollziehbar dar. Mit Floskeln wie „verschleiert das eigentliche Problem“ und „auf mystische Weise irgendetwas emergiert, was vorher nicht da war, ist unplausibel und unbelegt“ legst Du weder das Problem dar, noch belegst Du irgend etwas plausibel.2.) Wenn es Dir wichtig ist, zum Thema Behinderung etwas zu sagen, dann solltest Du auch hier uns Deine Ansicht erst einmal plausibel und nachvollziehbar darlegen. Keine Ahnung, was Du mit „soziale Verhältnisse naturalisieren“ und „Behinderung ist ein gesellschaftlicher Prozess“ eigentlich sagen willst. Das sind zunächst erst einmal nur Behauptungen und Schlagwörter, ist aber keine darlegende und nachvollziehbare Diskussionsgrundlage.

Beitrag von yury

Das habe ich doch [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/1844-Schach-und-Sein?p=23752&viewfull=1#post23752". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "hier" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] einigermaßen ausführlich getan, oder?Davon abgesehen: Wenn Du nicht verstehst, wie ich etwas meine, könntest Du nachfragen oder nachschauen, statt eine Antwort wie die obige zu schreiben.ad 1.) Das Problem ist, wie das Ich-Bewusstsein entsteht. Kiffing hat dazu nur "Die Summe ist mehr als die Teile" gesagt. Die Teile sind also die Materie und im Zusammenspiel entsteht dann plötzlich ein Bewusstsein, weil die Summe ja mehr ist. Aber das erklärt nicht, wie das Bewusstsein da entsteht. Da hilft auch die Analogie zur Maschine nicht, denn bei der kann man die Funktionalität erklären, aber da entsteht ja nicht plötzlich ein Bewusstsein. Warum nicht, wenn die Summe doch immer "mehr" ist als die Teile? Was macht den Menschen im Vergleich zu der Maschine besonders?ad 2.) Gesellschaftliche Verhältnisse naturalisieren heißt, etwas als natürlich zu setzen ("Rasse", "Geschlecht", "Behinderung" usw.), was eigentlich gesellschaftlich konstruiert wird. Welche Rasse und welches Geschlecht einer Person zugeschrieben wird, ob sie als "behindert" wahrgenommen wird, das hängt eben von gesellschaftlichen Normen ab. Das verschleiere ich, wenn ich das zugeschriebene Merkmal naturalisiere, also die Behinderung oder die Rasse als natürliche Eigenschaft darstelle, die allein von der Biologie nahegelegt wird.

Beitrag von Kiffing

@yury: Deinen Wunsch nach einer Versachlichung der Diskussion teile ich. Allerdings würde ich es begrüßen, Du würdest Dich von Deinem trampeltierhaften Erscheinen in diesem Thread distanzieren, da Du mit Deinem moralisierenden Amoklauf, der in irren Verdikten wie "Müllhaufen der Geschichte" kulminierte, diese Schärfe erst hereingebracht hast.Offenbar stört Dich meine angeblich "naturalisierende" Ansicht meinerseits im Kontext zu der von mir gefallenen Bezeichnung: "Behinderung" für das Fehlern "natürlicher" Körperfunktionen wie Arme, Beine, der Sehsinn, der Hörsinn usw. Wenn ich z. B. geäußert habe, daß ich recht wenig Interesse verspüre blind zu werden, so habe ich dabei sehr wohl erkannt, daß blind und sehend nicht nur nicht das Gleiche sind und auch nicht gleichberechtigt nebeneinanderstehen, weil dem Sehen eine wertvollere Eigenschaft zukommt als dem Nichtsehen. Der gesunde Menschenverstand "sieht" das übrigens genauso, während Du Unterschiede zwischen den Menschen nicht nur nicht wahrhaben willst, sondern auch noch als Konstrukte auffaßt, was diese auch wertigkeitsbezogenen Unterschiede aber nicht wegnivellieren kann.Allerdings habe ich das Wort Behinderung nicht als "gesellschaftliches Konstrukt" gedacht, sondern das Wort einfach gewählt in einem recht pragmatischen Sinne, nämlich mithilfe der Sprache Begrifflichkeiten auszudrücken. Welches Wort da nun gewählt wird, der Fokus wird auf das Fehlen gelegt, und dieses Fehlen wird in Abhängigkeit zu einem natürlichen Ideal gesetzt. Was ist nun dieses natürliche Ideal? Es bezeichnet bezogen auf den Menschen einen Menschen, der im Sinne seiner evolutionären Entwicklung über alle Bestandteile seines evolutionären Bauplans verfügt, das heißt über zwei Hände, zwei Füße, ein Gesicht, einen Mund, eine Nase, zwei Augen usw. Die Natur ist böse, und so wird dieses Ideal durch extreme Krankheiten bei praktisch keinem Menschen erreicht, was im Kleinen noch durch ärztliche Intervention kompensiert oder abgemildert werden kann, im Großen aber zu massiven Beeinträchtigungen führen kann, unter denen die Betroffenen übrigens selbst am meisten leiden. Progerie ist z. B. eine ganz üble Laune der Natur und ist nur ein anschauliches Paradigma von vielen, das zeigt, wie verletzt und schutzlos der Mensch Mutter Erde ausgeliefert ist. anonym hat in diesem Zusammenhang einen sehr klugen Gedanken mit der "Norm" geäußert, was er natürlich nicht bewertend meinte, sondern beschreibend auf ein ganz pragmatisches Problem, das gesellschaftliche Zusammenleben möglichst so zu gestalten, daß die gesellschaftliche Infrastruktur, die gesellschaftlichen Angebote und das gesellschaftliche Zusammenleben möglichst von den meisten Menschen genutzt werden kann, so daß die dafür gebotenen Notwendigkeiten wie Sitze in Bussen und Autos, das Bedienen von Maschinen und Schärfe und Größe von Fernsehbildern, um nur ganz banale, aber sehr anschauliche Beispiele zu wählen, von einer breiten Masse, eben dem normativen Mittelwert des Menschen genutzt werden kann, der in vielerlei Hinsicht dieses Ideal darstellt, weil z. B. Personen mit extremer Sehschwäche keine gewohnten Fernsehangebote nutzen können. Was mir in der Hinsicht wichtig ist, ist der Gedanke, daß das Fehlen von dem Menschen von der Natur zugedachten Eigenschaften eine Unvollständigkeit und damit eine Entfernung vom Ideal bedeutet, die Beeinträchtigungen für den Betroffenen mit sich bringen, die erst, mal mehr und mal weniger effektiv, gesellschaftlich aufgefangen werden müssen, was in aufgeklärten Gesellschaften besser gelingt als in diskriminierenden Gesellschaften. Problematisch wird das Vorhandensein von Normen erst dadurch, wenn aufgrund dieser Realität normative Diskriminierungen geschehen, bei denen die so atavistisch verblendeten Menschen ein Abweichen von Normen nicht akzeptieren können und nach ihrem Gutdünken die auffällig abseits der Norm Stehenden diskriminieren, bekämpfen oder gar töten. Diese Unkultur ist in Europa im Rußland unter Wladimir Putin am augenfälligsten. Putins Kulturkampf ist brandgefährlich und bedient, wie wir in den rechten Massenbewegungen Europas sehen, die von Putins Rußland [URL="http://derstandard.at/2000008615035/Front-National-FPOe-und-die-anderen-Putinfreunde"]unterstützt[/URL] werden, die niedersten Instinkte im Menschen.Hier erscheint mir die Unterscheidung von Konstrukten und Beschreibungen von Zuständen, die von yury fälschlicherweise als Einheit aufgefaßt werden, übrigens eschatologisch zielführender zu sein, was übrigens auch für die von yury als "soziales Konstrukt" aufgefaßte Unterscheidung der Menschen (wie nebenbei bemerkt, nahezu aller Tiere) in seine zwei Geschlechter (ich weigere mich, ein drittes Geschlecht anzuerkennen, Grüße auch nach Berlin) angeht, da hier das dialektische Wechselverhältnis zwischen Umwelt und Genetik durch unzulässige Streichung von immerhin der Hälfte der soziales Bewußtsein erzeugenden Bestandteile im Stile einer Planierraupe aufgelöst wird. Dieser Gedanke, bezogen auf das natürliche Ideal, mag durchaus essentialistisch sein, und bevor ich diesen Begriff gehört habe, hatte ich mich eher den Existentialisten zugehörig gefühlt, auch weil mir der Sartresche Gedanke des in die Welt geworfenen Individuums gefällt. Der Essentialismus kommt bekanntlich von Aristoteles, aber auch von Platon, und in der Tat sind meine Ausführungen dem Platonischen Gedanken von Ideen (Idealen) und Abbildern entnommen, während die Aristotelische Summe dem Bauplan von Organismen und Mechanismen entspricht, die zusammengesetzt mehr sind als die Summe ihrer Teile. Auf eben diesen Bauplan kam es mir an, und darüber, daß Mechanismen und Organismen ganz anders funktionieren, und darüber, daß Mechanismen keine, je nach Standpunkt, Seele bzw. Bewußtsein besitzen, muß ich nicht erst aufgeklärt werden.

Beitrag von Birliban

@yury[url]http://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein[/url][url]http://dasgehirn.info/denken/bewusstsein/was-ist-bewusstsein-477/[/url]Ein Link sagt mehr als tausend Worte. Und hat den Vorteil: Er vermeidet weitere eventuelle Anschauungskriege.Zum Thema Behinderung: „ Unter den Blinden ist der Einäugige König.“ Vielleicht meldet sich noch einer, der einen Lichtstrahl in diese Dunkelheit wirft. Was konkret Du meinst, yury, ist mir einfach zu abstrakt. Man kommt vom Hundertsten ins Tausendste und weiß am Ende noch immer nicht, was genau Du eigentlich sagen willst.PS: Gerade sehe ich, daß Kiffing den von mir oben erwähnten Lichtstrahl hier bereits ins Forum gestellt hat, mit seiner Antwort an Dich.

Beitrag von yury

[QUOTE=Kiffing;23765]@yury: Deinen Wunsch nach einer Versachlichung der Diskussion teile ich. Allerdings würde ich es begrüßen, Du würdest Dich von Deinem trampeltierhaften Erscheinen in diesem Thread distanzieren, da Du mit Deinem moralisierenden Amoklauf, der in irren Verdikten wie "Müllhaufen der Geschichte" kulminierte, diese Schärfe erst hereingebracht hast.[/quote]Sorry. Ich neige manchmal zu Polemik. ;)Dein Absatz über die "fundamentalistischen Gutmenschen" hat mich zwar übrigens nicht gestört, er hat aber vermutlich auch nicht gerade zur Versachlichung beigetragen und hatte außerdem keinen Bezug zu meinem Beitrag.^^Danke für die Rückkehr auf die Inhaltsebene.[QUOTE=Kiffing;23765]Offenbar stört Dich meine angeblich "naturalisierende" Ansicht meinerseits im Kontext zu der von mir gefallenen Bezeichnung: "Behinderung" für das Fehlern "natürlicher" Körperfunktionen wie Arme, Beine, der Sehsinn, der Hörsinn usw. Wenn ich z. B. geäußert habe, daß ich recht wenig Interesse verspüre blind zu werden, so habe ich dabei sehr wohl erkannt, daß blind und sehend nicht nur nicht das Gleiche sind und auch nicht gleichberechtigt nebeneinanderstehen, weil dem Sehen eine wertvollere Eigenschaft zukommt als dem Nichtsehen. Der gesunde Menschenverstand "sieht" das übrigens genauso, während Du Unterschiede zwischen den Menschen nicht nur nicht wahrhaben willst, sondern auch noch als Konstrukte auffaßt, was diese auch wertigkeitsbezogenen Unterschiede aber nicht wegnivellieren kann.Allerdings habe ich das Wort Behinderung nicht als "gesellschaftliches Konstrukt" gedacht, sondern das Wort einfach gewählt in einem recht pragmatischen Sinne, nämlich mithilfe der Sprache Begrifflichkeiten auszudrücken. Welches Wort da nun gewählt wird, der Fokus wird auf das Fehlen gelegt, und dieses Fehlen wird in Abhängigkeit zu einem natürlichen Ideal gesetzt. Was ist nun dieses natürliche Ideal? Es bezeichnet bezogen auf den Menschen einen Menschen, der im Sinne seiner evolutionären Entwicklung über alle Bestandteile seines evolutionären Bauplans verfügt, das heißt über zwei Hände, zwei Füße, ein Gesicht, einen Mund, eine Nase, zwei Augen usw. Die Natur ist böse, und so wird dieses Ideal durch extreme Krankheiten bei praktisch keinem Menschen erreicht, was im Kleinen noch durch ärztliche Intervention kompensiert oder abgemildert werden kann, im Großen aber zu massiven Beeinträchtigungen führen kann, unter denen die Betroffenen übrigens selbst am meisten leiden. Progerie ist z. B. eine ganz üble Laune der Natur und ist nur ein anschauliches Paradigma von vielen, das zeigt, wie verletzt und schutzlos der Mensch Mutter Erde ausgeliefert ist. anonym hat in diesem Zusammenhang einen sehr klugen Gedanken mit der "Norm" geäußert, was er natürlich nicht bewertend meinte, sondern beschreibend auf ein ganz pragmatisches Problem, das gesellschaftliche Zusammenleben möglichst so zu gestalten, daß die gesellschaftliche Infrastruktur, die gesellschaftlichen Angebote und das gesellschaftliche Zusammenleben möglichst von den meisten Menschen genutzt werden kann, so daß die dafür gebotenen Notwendigkeiten wie Sitze in Bussen und Autos, das Bedienen von Maschinen und Schärfe und Größe von Fernsehbildern, um nur ganz banale, aber sehr anschauliche Beispiele zu wählen, von einer breiten Masse, eben dem normativen Mittelwert des Menschen genutzt werden kann, der in vielerlei Hinsicht dieses Ideal darstellt, weil z. B. Personen mit extremer Sehschwäche keine gewohnten Fernsehangebote nutzen können. Was mir in der Hinsicht wichtig ist, ist der Gedanke, daß das Fehlen von dem Menschen von der Natur zugedachten Eigenschaften eine Unvollständigkeit und damit eine Entfernung vom Ideal bedeutet, die Beeinträchtigungen für den Betroffenen mit sich bringen, die erst, mal mehr und mal weniger effektiv, gesellschaftlich aufgefangen werden müssen, was in aufgeklärten Gesellschaften besser gelingt als in diskriminierenden Gesellschaften. Problematisch wird das Vorhandensein von Normen erst dadurch, wenn aufgrund dieser Realität normative Diskriminierungen geschehen, bei denen die so atavistisch verblendeten Menschen ein Abweichen von Normen nicht akzeptieren können und nach ihrem Gutdünken die auffällig abseits der Norm Stehenden diskriminieren, bekämpfen oder gar töten.[/quote]Der von Dir bemühte "evolutionäre Bauplan" existiert so nicht. Du sprichst so, als ob die Natur oder die Evolution zielgerichtet handeln würde ("von der Natur zugedacht"). Vermutlich ist das eine Metapher, aber sie zeigt das Problem. Du hast noch immer nicht beschrieben, woher dieses Idealbild kommt. Entweder es ist einfach da oder es muss ein Subjekt geben, welches es gesetzt hat. Und das einzige Subjekt, welches infrage kommt (lassen wir Gott hier aus dem Spiel), ist der Mensch selbst. Die Natur kann es jedenfalls nicht sein.[QUOTE=Kiffing;23765]Hier erscheint mir die Unterscheidung von Konstrukten und Beschreibungen von Zuständen, die von yury fälschlicherweise als Einheit aufgefaßt werden, übrigens eschatologisch zielführender zu sein, was übrigens auch für die von yury als "soziales Konstrukt" aufgefaßte Unterscheidung der Menschen (wie nebenbei bemerkt, nahezu aller Tiere) in seine zwei Geschlechter (ich weigere mich, ein drittes Geschlecht anzuerkennen, Grüße auch nach Berlin) angeht, da hier das dialektische Wechselverhältnis zwischen Umwelt und Genetik durch unzulässige Streichung von immerhin der Hälfte der soziales Bewußtsein erzeugenden Bestandteile im Stile einer Planierraupe aufgelöst wird.[/quote]Und damit sprichst Du jede Menge Menschen ihre Identität ab und legst damit den Grundstein für die Diskriminierung. Heute noch ist es üblich, dass intersexuelle Menschen zwangsoperiert und auf ein Geschlecht "getrimmt" werden, wenn sie zur Welt kommen. Da muss der Natur dann plötzlich nachgeholfen werden, damit sie den angeblich ihr selbst entstammenden Idealen entspricht. Das ist nicht nur menschenverachtend, sondern auch widersprüchlich.[QUOTE=Kiffing;23765]Dieser Gedanke, bezogen auf das natürliche Ideal, mag durchaus essentialistisch sein, und bevor ich diesen Begriff gehört habe, hatte ich mich eher den Existentialisten zugehörig gefühlt, auch weil mir der Sartresche Gedanke des in die Welt geworfenen Individuums gefällt. Der Essentialismus kommt bekanntlich von Aristoteles, aber auch von Platon, und in der Tat sind meine Ausführungen dem Platonischen Gedanken von Ideen (Idealen) und Abbildern entnommen, während die Aristotelische Summe dem Bauplan von Organismen und Mechanismen entspricht, die zusammengesetzt mehr sind als die Summe ihrer Teile. Auf eben diesen Bauplan kam es mir an, und darüber, daß Mechanismen und Organismen ganz anders funktionieren, eben weil Mechanismen keine, je nach Standpunkt, Seele bzw. Bewußtsein besitzen, muß ich nicht erst aufgeklärt werden.[/QUOTE]Nichts gegen Aristoteles. An seine schlauen Gedanken kann die Philosophie seit Jahrtausenden anschließen. Aber die Philosophie des Geistes ist im 21. Jahrhundert schon noch ein bisschen über ihn hinausgekommen. Und Du hast immer noch nicht argumentiert, warum bei Menschen die Summe mehr ist als die Teile - sie haben ein Bewusstsein, bei Maschinen aber nicht (in dieser Hinsicht).

Beitrag von Birliban

Kommt man der Beantwortung der Frage, wie Bewußtsein entsteht, nicht viel näher, wenn man die Gelehrten-Schiene verläßt und sich selbst befragt? Da die Entstehung des Bewußtseins ja in jedem von uns auch ein ganz subjektiver Prozeß und Vorgang ist, kommt man durch Selbstbeobachtung und -erforschung zu faszinierenden Einsichten.Was passiert in mir, wie fühlt es sich an, wenn mir allmählich oder plötzlich etwas bewußt wird? Und was geht dem voraus, wenn es mir dann quasi wie Schuppen von den Augen fällt, mir also etwas bewußt geworden ist, was vorher nur im Dunkeln, Unbewußten in mir lag? Beispiele kann jeder für sich herausfinden und benennen. Auch ist Bewußtsein keine feste Größe, sondern ein sich ständig wandelnder und verändernder Zustand im Menschen. Neugier, Forscherdrang, Lernprozesse, Erfahrungen, die durch Sinneswahrnehmungen entstehen – all das und mehr wird mir letztlich bei der Beantwortung der Frage helfen, wie Bewußtsein entsteht.Auch – die Frage, warum es bei Maschinen kein Bewußtsein geben kann, beantwortet sich dann quasi von selbst. Eine Maschine hat nun mal kein Gehirn, in dem (biochemische) Prozesse ablaufen, sondern ist letztlich nur ein Haufen anorganischer Materie. Und eine Maschine hat auch keine Sinne, die im ständigen Austausch mit dem Gehirn stehen und dort das Bewußtsein „mitgestalten“, indem sie Informationen von der (Um-)Welt übermitteln.

Beitrag von Birliban

PS: Schlußendlich und im Zirkelschluß, gelangt man über diesen notwendigen „Umweg“ der Selbstbefragung , bei der Beantwortung der Frage, wie Bewußtsein entsteht, ohnehin und logischerweise dann wieder zu Kiffings ganzheitlicher Aussage (die übrigens auch meine Überzeugung ist): „ Aufgrund meiner Überzeugung, daß Geist und Körper zusammengehören, ergibt sich, daß das Gehirn ohne den Körper nicht funktionieren kann, weil der Körper das Gehirn mit den notwendigen Ingredienzen versorgt. Diese Ansicht war übrigens schon im Römischen Imperium bekannt, vergleiche dazu bitte das Magen-Glieder-Gleichnis von Lanatus, das man natürlich auf jedes andere Organ anwenden kann. Insofern ist diese "temporale Signatur" m. E. als Einheit aller geistigen und körperlichen Bestandteile aufzufassen, denn getreu der Wahrheit, daß die Summe mehr ist als seine Teile, ergibt sich durch diese Summe das Ich-Bewußtsein und damit der komplette Mensch. “ Yurys Frage, wie Bewu0tsein entsteht, wird sich aber über den notwendigen „Umweg“ der Selbsterforschung nun "leicht" beantworten lassen und die Frage, warum Maschinen eben kein Bewußtsein entwickeln können, steht ja, wie wir nun bereits wissen, ohnehin nicht mehr.

Beitrag von yury

[QUOTE=Birliban;23768]Kommt man der Beantwortung der Frage, wie Bewußtsein entsteht, nicht viel näher, wenn man die Gelehrten-Schiene verläßt und sich selbst befragt? Da die Entstehung des Bewußtseins ja in jedem von uns auch ein ganz subjektiver Prozeß und Vorgang ist, kommt man durch Selbstbeobachtung und -erforschung zu faszinierenden Einsichten.Was passiert in mir, wie fühlt es sich an, wenn mir allmählich oder plötzlich etwas bewußt wird? Und was geht dem voraus, wenn es mir dann quasi wie Schuppen von den Augen fällt, mir also etwas bewußt geworden ist, was vorher nur im Dunkeln, Unbewußten in mir lag? Beispiele kann jeder für sich herausfinden und benennen. Auch ist Bewußtsein keine feste Größe, sondern ein sich ständig wandelnder und verändernder Zustand im Menschen. Neugier, Forscherdrang, Lernprozesse, Erfahrungen, die durch Sinneswahrnehmungen entstehen – all das und mehr wird mir letztlich bei der Beantwortung der Frage helfen, wie Bewußtsein entsteht.[/quote]Deine Punkte betreffen nicht die Frage, wie menschliches Bewusstsein entsteht, sondern wie psychische Inhalte aus dem Bereich Unbewussten in den Bereich des (bereits existenten) Bewusstseins gelangen. Das sind aber zwei vollkommen verschiedene Fragen.[QUOTE=Birliban;23768]Auch – die Frage, warum es bei Maschinen kein Bewußtsein geben kann, beantwortet sich dann quasi von selbst. Eine Maschine hat nun mal kein Gehirn, in dem (biochemische) Prozesse ablaufen, sondern ist letztlich nur ein Haufen anorganischer Materie. Und eine Maschine hat auch keine Sinne, die im ständigen Austausch mit dem Gehirn stehen und dort das Bewußtsein „mitgestalten“, indem sie Informationen von der (Um-)Welt übermitteln.[/QUOTE]Und wenn ich - hypothetisch - eine organische Maschine baue, die mit ihrer Umwelt interagieren kann, hat die dann ein Bewusstsein? Und was macht organische Materie im Gegensatz zur anorganischen überhaupt so besonders, dass so etwas Faszinierendes wie ein Bewusstsein daraus entstehen kann? Es ist doch auch denkbar, dass da eben einfach biochemische Prozesse ablaufen, Neuronen feuern etc. und das wars. Warum ist da plötzlich jemand, der etwas in der Ichperspektive erlebt?

Beitrag von Birliban

Wenn Du das nächste Mal Papa wirst, also nach der Geburt eines Sohnes oder einer Tochter oder meinetwegen auch eines Zwitters mit zwei Geschlechtern – schau Dir doch an, wie dann Bewußtsein entsteht und irgendwann Selbstbewußtsein. „ Deine Punkte betreffen nicht die Frage, wie menschliches Bewusstsein entsteht, sondern wie psychische Inhalte aus dem Bereich Unbewussten in den Bereich des (bereits existenten) Bewusstseins gelangen. Das sind aber zwei vollkommen verschiedene Fragen. “ yuryIch meinte keinesfalls einen Datentransfer vom Unbewußten ins Bewußte. Also auch nicht das Sofa von Sigmund Freud. Wenn ich etwa neue Erfahrungen, Erkenntnisse erwerbe, entsteht durchaus etwas völlig neues. Also nicht etwas, das schon in einer Ecke des Unbewußten herum liegt und nur darauf wartet, das Licht der Welt zu erblicken. Sondern ein Zuwachs an Bewußtsein.Vielleicht sind das auch alles weltanschauliche Fragen. Du mußt die meinen nicht teilen und ich nicht die Deinen. Ich würde nicht einmal behaupten, daß meine Antworten die richtigen sind. Ebenso wenig würde ich behaupten, daß Deine Antworten und Fragen nun gerade die richtigen sind.„ Und wenn ich - hypothetisch - eine organische Maschine baue, die mit ihrer Umwelt interagieren kann, hat die dann ein Bewusstsein? Und was macht organische Materie im Gegensatz zur anorganischen überhaupt so besonders, dass so etwas Faszinierendes wie ein Bewusstsein daraus entstehen kann? Es ist doch auch denkbar, dass da eben einfach biochemische Prozesse ablaufen, Neuronen feuern etc. und das wars. Warum ist da plötzlich*jemand, der etwas in der Ichperspektive*erlebt? “ yuryBaue erst mal die Maschine, yury, dann reden wir noch mal drüber.

Beitrag von yury

[QUOTE=Birliban;23771]Wenn Du das nächste Mal Papa wirst, also nach der Geburt eines Sohnes oder einer Tochter oder meinetwegen auch eines Zwitters mit zwei Geschlechtern – schau Dir doch an, wie dann Bewußtsein entsteht und irgendwann Selbstbewußtsein. „ Deine Punkte betreffen nicht die Frage, wie menschliches Bewusstsein entsteht, sondern wie psychische Inhalte aus dem Bereich Unbewussten in den Bereich des (bereits existenten) Bewusstseins gelangen. Das sind aber zwei vollkommen verschiedene Fragen. “ yuryIch meinte keinesfalls einen Datentransfer vom Unbewußten ins Bewußte. Also auch nicht das Sofa von Sigmund Freud. Wenn ich etwa neue Erfahrungen, Erkenntnisse erwerbe, entsteht durchaus etwas völlig neues. Also nicht etwas, das schon in einer Ecke des Unbewußten herum liegt und nur darauf wartet, das Licht der Welt zu erblicken. Sondern ein Zuwachs an Bewußtsein.[/quote]Das bewusste Erleben ist trotzdem schon vorher da. Es ist sogar die Voraussetzung dafür, dass ich neue Erfahrungen und Erkenntnisse gewinnen kann. Wenn ein Kind einen Hund bellen hört und damit etwas über Hunde lernt, dann ist die Fähigkeit des Erlebens, des "ich höre..." dem damit verbundenen "Zuwachs an Bewusstsein" vorgelagert. Die Frage, wie Bewusstsein entsteht, ist viel grundsätzlicher als die, wie Lernprozesse usw. praktisch verlaufen.[QUOTE=Birliban;23771]„ Und wenn ich - hypothetisch - eine organische Maschine baue, die mit ihrer Umwelt interagieren kann, hat die dann ein Bewusstsein? Und was macht organische Materie im Gegensatz zur anorganischen überhaupt so besonders, dass so etwas Faszinierendes wie ein Bewusstsein daraus entstehen kann? Es ist doch auch denkbar, dass da eben einfach biochemische Prozesse ablaufen, Neuronen feuern etc. und das wars. Warum ist da plötzlich*jemand, der etwas in der Ichperspektive*erlebt? “ yuryBaue erst mal die Maschine, yury, dann reden wir noch mal drüber.[/QUOTE]Mit dieser Verweigerung gegenüber Gedankenexperimenten hast Du aber nur die erste Frage des Absatzes "beantwortet" bzw. abgekanzelt, nicht die anderen.

Beitrag von Birliban

WIE ENTSTEHT BEWUSSTSEIN?Forscher streiten vehement darüber, was wir wie wahrnehmen – und warum.Als Christof Koch 18 war, hatte er Zahnschmerzen – und er begann sich zu wundern. Ihm war klar, dass das entzündete Gewebe Nervenimpulse bis ins Gehirn jagte. Doch diese Erklärung befriedigte ihn nicht: „Na und? Da planschen einfach Ionen herum, Natrium-, Kalzium- und Chlor-Ionen. Warum sollten sie wehtun?“Wie entstehen in der materiellen Welt Empfindungen? Das Schmerzende am Schmerz, die Rotheit des Roten? Und wie das Gefühl eines Ichs, das dies alles und sich selbst wahrnimmt – also unser Bewusstsein?Seine Zahnschmerzen und solche Fragen brachten Koch dazu, in Tübingen Physik und Philosophie zu studieren, wo er am Max-Planck-Institut für Biokybernetik promovierte. Heute arbeitet er am California Institute for Technology (Caltech) und ist einer der prominentesten Bewusstseinsforscher der Welt. Doch wie Schmerzen und andere Empfindungen entstehen, weiß er immer noch nicht – so wenig wie alle seine Kollegen.Aus gutem Grund nennt der australische Philosoph David Chalmers die Frage, wie die subjektive Welt in unserem Kopf entsteht, das „harte Problem“, eine berühmt gewordene Formulierung. Die – in der Theorie – „leichten Probleme“ sind die der objektiv messbaren Aktivitäten: Wie reagieren die Zapfen und Stäbchen im Auge auf ein rotes Licht, wie steuert das Gehirn das Bein des Autofahrers so, dass es prompt auf die Bremse tritt? All diese Fragen scheinen mit heutigen Forschungsmethoden beantwortbar. Nur eine nicht, und die formuliert Chalmers so: „Warum spielt sich diese Informationsverarbeitung nicht ‚im Dunkeln‘ ab, frei von jedem inneren Gefühl?“Aber ginge das überhaupt? Könnte es Wesen geben, die kein Bewusstsein haben – und doch wahrnehmen, reden und agieren wie wir? Bewusstseinsforscher nennen solche gedachten Wesen „Zombies“ und debattieren heftig, ob sie möglich wären. Der Philosoph Daniel Dennett von der Tufts University in Medford/Massachusetts bestreitet dies vehement: Ein Wesen, das über die gleichen Funktionen verfügen würde wie wir, hätte auch ein Bewusstsein wie wir, ist er überzeugt. Denn die Funktionen sind für Dennett das Bewusstsein, der Rest ist Illusion.Andere Forscher spotten über Dennetts Versuch, das Bewusstsein so weit herunterzureden, dass es leicht zu erklären ist. Dennett „könnte ein Zombie sein“, spottet Stuart Hameroff. „Er hat kein Bewusstsein – und glaubt daher, er würde es erklären“. Hameroff, von Haus aus Anästhesist und heute Direktor des Center for Consciousness Studies an der University of Arizona, hat zusammen mit dem englischen Mathematiker und Kosmologen Roger Penrose eine ganz andere, aber nicht minder umstrittene Theorie des Bewusstseins entwickelt. Für die beiden ist Bewusstsein etwas ganz Besonderes und so Fundamentales, dass es „auf dem niedrigsten Level der Realität existieren muss“, wie Hameroff sagt. Diese Welt des Kleinsten ist die der Quanten – jener geheimnisvollen Teilchen, die an mehreren Orten gleichzeitig sein können. Das Bewusstsein würde demnach funktionieren wie ein Quantencomputer, der bislang allerdings auch weitgehend Theorie ist. Seine Quantenberechnungen soll das Hirn in den Mikrotubuli durchführen, winzigen Röhrchen, die das Gerüst der Zellen bilden.Belege fehlen. Christof Koch feuerte vor Kurzem im Fachblatt Nature eine Breitseite gegen die gewagte Theorie ab und zählte auf, warum die Quantenrechnerei im Nervensystem nicht funktionieren würde. Aber selbst wenn in den Mikrotubuli wirklich Quanteneffekte ihren Spuk treiben sollten – wäre dies eine Erklärung? David Chalmers verneint: „Warum sollten kollabierende Wellenfunktionen in Mikrotubuli uns Bewusstsein verschaffen? Wir wären nicht wirklich schlauer.“Dieser Einwand gilt natürlich nicht nur für Hameroffs Theorie. Viele Naturwissenschaftler suchen daher einstweilen nicht nach einer Erklärung des Bewusstseins, sondern nach Phänomenen im Gehirn, die irgendwie damit einhergehen. Im Fachjargon ist dabei von NCC die Rede, abgekürzt von „Neural Correlates of Consciousness“.Auf den ersten Blick scheint es nicht schwer zu sein, herauszufinden, wo im Gehirn die NCC am Werk sind. Schließlich gibt es Narkosemittel, die das Bewusstsein ausschalten. Man muss also nur herausbekommen, wo sie ansetzen – und schon hat man den Sitz des Bewusstseins. Oder? Auch nach 200 Jahren Erfahrung mit Betäubungsmitteln ist über deren Wirkweise erstaunlich wenig bekannt. Vor allem scheint es keinen bestimmten Gehirnteil zu geben, an dem sie ihre Wirkung entfalten. Vielversprechender ist es, statt auf den Ort auf den chemischen Angriffspunkt zu achten. Diesen Weg hat der Bremer Neurobiologe Hans Flohr versucht. Dabei beruft er sich auf die Tatsache, dass das Betäubungsmittel Ketamin Gehirnzellen lahm legt, die mit so genannten NMDA-Rezeptoren arbeiten. Diese Gehirnzellen spielen nach Flohr eine zentrale Rolle bei der Koordination großer Nervennetze und sollen daher für das Bewusstsein entscheidend sein.Doch auch diese Theorie hat ihre Probleme, wie die britische Psychologin Susan Blackmore in ihrem Lehrbuch „Consciousness“ festhält: Viele Narkosemittel setzen chemisch an ganz anderen Zellen an, schalten aber natürlich ebenfalls das Bewusstsein aus.Eine andere Spur zu den NCC führt über ein Wahrnehmungsphänomen, dem Forscher schon vor einem Jahrhundert nachgingen. Bekommen Menschen mithilfe einer Stereobrille für jedes Auge ein anderes Bild präsentiert, dann sehen sie nicht etwa ein Mischbild, sondern abwechselnd das eine und das andere Bild. Bewusstseinsforscher fasziniert dabei folgende Überlegung: Was die Augen sehen, bleibt gleich – doch was wir bewusst wahrnehmen, wechselt. Wo im Gehirn findet dieser Übergang statt?Wie Experimente zeigen, ändert sich auf den frühen Stufen der Verarbeitung von Sehinformationen, etwa in einem Gebiet namens V1, nichts. Doch einige Gehirnregionen wie der fusiforme Gyrus am unteren Rand des Großhirns machen die Wechsel mit. Hier laufen offenbar Prozesse ab, die entscheiden, was wir bewusst sehen. Und hier sitzen die „vielversprechendsten Kandidaten für die NCC“, so Koch. Doch was da genau passiert, ist bislang ungeklärt.Wieso aus diesen oder irgendwelchen anderen Nerven-Aktivitäten Bewusstsein entsteht, bleibt also zumindest vorläufig noch offen. Francis Crick, der die DNA mitentschlüsselt hat und später bis zu seinem Tod 2004 zusammen mit Christof Koch nach NCC suchte, räumte freimütig ein, dass er zu Fragen wie der nach der Rotheit von Rot nicht viel beizusteuern habe – „außer sie vom Tisch zu wischen und das Beste zu hoffen“.Tatsächlich glauben Forscher wie das Philosophen-Ehepaar Patricia und Paul Churchland von der University of California in San Diego, dass sich das „harte Problem“ eines Tages einfach in Nichts auflösen wird. So wie dank des Fortschritts der Biologie heute niemand mehr nach der vor 100 Jahren diskutierten Lebenskraft „élan vital“ sucht, könne sich dank immer mehr bekannter NCC auch die Frage nach dem Bewusstsein irgendwann nicht mehr stellen.Chalmers hält gegen, dass es bei der Frage nach dem Leben letztlich um objektiv Beobachtbares ging, beim Bewusstsein aber nicht. Solche Einwände findet Patricia Churchland kleinlich: „Es ist defätistisch, so an die Dinge heranzugehen, auch wenn es vielleicht den Philosophen gefällt, die fürchten, dass die Hirnforschung ihr Geschäft übernimmt.“Jochen Paulus■Vom Werden zum Sein – The Ending of TimeGespräche mit David BohmDavid Bohm (1917–1992) war ein US-amerikanischer Professor der Theoretischen Physik, der von 1961 bis 1987 am Birkbeck College der Universität London tätig war. Sein Interesse für Krishnamurti wurde durch das Buch »The First and Last Freedom« (Schöpferische Freiheit) geweckt, das er 1960/61 per Zufall in einer Bibliothek fand. Er besuchte 1961 Krishnamurtis Reden in Wimbeldon und war von da an zusammen mit seiner Frau häufig in Saanen und Brockwood. Im Laufe der Jahre führte er viele Gespräche mit Krishnamurti.Die Gespräche im Jahr 1980 sind von besonderer Intensität und Tiefe. Krishnamurti macht hier ungewöhnlich eingehende Aussagen über jene Verfassung des Geistes, die zum Vorschein kommt, wenn die Gefangenschaft im herkömmlichen menschlichen Denken und Fühlen ein Ende findet. Ausgangspunkt der Gespräche ist die Frage, wo oder weshalb die Menschheit die falsche Richtung eingeschlagen hat, weg von der unteilbaren Einheit und Ganzheit des Lebens hinein in die Verwicklungen eines Einzelbewusstseins, das sich vom Außen und den anderen zunehmend abtrennt und auch in sich selbst gespalten ist. Im zweiten Gespräch beschreibt er so etwas wie drei Ebenen, Formen oder Verfassungen des Geistes – Einzelbewusstein (particular mind), universelles Bewusstsein und den Grund des Seins. Hier zeigt sich auch der gänzlich andere Seinszustand aus dem Krishnamurti das Leben und die innere Verfassung der Menschheit wahrnimmt:K: Gibt es also etwas jenseits der kosmischen Ordnung, jenseits des Geistes?DB: Sagen Sie damit, dass das Universum, dass jener Geist die Natur geschaffen hat, die geordnet ist und nicht bloß mechanisch abläuft? Dass sie einen tieferen Sinn hat?K: Das ist es, was wir zu entdecken versuchen.DB: Sie führen das ganze Universum an und auch die Menschheit. Warum tun Sie das? Was ist die Quelle dieser Wahrnehmung?K: Wir wollen noch einmal anfangen: Da ist das Ende des ›Ich‹ als Zeit, und deshalb kommt es zu keinem Hoffen. Das alles hat aufgehört, ist vorbei. Wenn das aufhört, entsteht diese Empfindung des ›Nichts‹. Und ›Nichts‹ – das ist dieses ganze Universum.DB: Ja, der Universalgeist, die Universalmaterie.K: Das ganze Universum.(Pause)DB: Was hat Sie dazu gebracht, das zu sagen?K: Nun, ich weiß. Um es ganz einfach zu sagen: Die Teilung und Trennung hat aufgehört. Nicht wahr? Die Teilung, die durch die Zeit hervorgerufen wird, die vom Denken geschaffen wird, die durch diese Erziehung entsteht und so weiter – das alles. Weil das aufhört, wird das andere offenbar.DB: Sie meinen, ohne die Teilung und Trennung ist das andere da – kann es wahrgenommen werden?K: Es kann nicht wahrgenommen werden – aber es ist da.DB: Aber wie wird man dessen gewahr, dass es da ist?K: Ich denke nicht, dass man dessen gewahr wird.DB: Was hat Sie dann dazu veranlasst, das zu sagen?K: Würden Sie sagen, dass es ist? Nicht, dass ich es wahrnehme oder dass es wahrgenommen wird.DB: Ja, es ist.K: Es ist.DB: Sie könnten fast sagen, dass Es dieses sagt. Irgendwie scheinen Sie anzudeuten, dass Es das ist, was es sagt.K: Ja, ich wollte das nicht aussprechen – es freut mich, dass Sie es so gesagt haben!(Pause)Zweites Gespräch, Teil 3@yury Vom Werden zum Sein. Heißt letztlich auch: Vom Bewusstwerden zum Bewusstsein. Bewusstsein entsteht also aus/durch Bewusstwerden. Warum ignorierst Du diese Tatsache?Solange Du Deine Denkfehler kultivierst und Deine dualistische, verneinende Denkweise, stehst Du Dir einfach selber auf den Füßen. Mit Dir zu reden/diskutieren, ist dann in etwa dasselbe, wie mit einer Kuh latein zu reden.Der Frage, wie entsteht Bewusstsein, wirst Du nämlich die Frage, wie entsteht Bewusstwerden, vorschalten müssen.

Beitrag von Birliban

[QUOTE=anonym]Nachtrag als Beispiel:Freud meinte mal, daß ein Neugeborenes erst noch verstehen muß, dass die Mutterbrust mit der Milch eben kein Teil von ihm selbst ist, wohl aber der Hunger. Im Mutterlaib konnten sich Bedürfnisse nicht anstauen und auch bewertungen wie negativ für Schmerz und Hunger - sowies positiv für Mutterbrust und Milch mußte nicht unterschieden werden. Irgendwie ne logische Annahme, dass das Neugeborene das negative zunächst weit von sich weist, als hätte es seinen Ursprung nicht in ihm selbst - und das positive möglichst adaptieren will. Aber irgendwann kapiert man es - die Brust ist kein Teil von mir - der Hunger schon. Man lernt abzugrenzen und ein Ich-Bewußtsein entsteht. Wieso auf dieser Stufe stehen bleiben? Es geht weiter Freunde - das Behaupte ich - und sehe nun, dass auch der Hunger oder Gaumenfreude etwas außerhalb von mir ist oder zumindest sehr oberflächlich.[/QUOTE]Schönes Beispiel. Auch deshalb - denn nun sind wir endlich auf den Urgrund angekommen und es nimmt vorweg, worauf ich noch hinaus wollte: Der Ursprung allen Seins ist also weiblich. Werden – Sein – Geburt – Dasein - Bewusstwerden – Bewusstsein – Ich-Bewusstsein... … „ Wieso auf dieser Stufe stehen bleiben? Es geht weiter Freunde - das behaupte ich - und sehe nun, dass auch der Hunger oder Gaumenfreude etwas außerhalb von mir ist oder zumindest sehr oberflächlich.“ anonym

Beitrag von ToBeFree

:lach:Auch von mir vielen Dank für diese ausführlichen Beiträge und die Threadidee. Auch wenn die Atmosphäre manchmal etwas angespannt ist, macht es Spaß, hier mitzulesen. :wink2: