Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Welche Elo wird Magnus Carlsen noch erreichen?“

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Beitrag von Kiffing

Nachdem Magnus Carlsen ja die Rekordelo von Garri Kasparov übertroffen hat, stellt sich nun die Frage, wie hoch er noch kommen kann. Schafft er die magische 2900er Marke, oder schafft er gar die noch magischere 3000er Marke? Was traut ihr ihm zu?Da er erst 22 ist und sich bisher Jahr für Jahr kontinuierlich weiterentwickelt hat, ist für mich da noch deutlich Luft nach oben. Er ist kein Theoriemonster wie Kasparov, sondern versucht, seine Gegner eher mit spielerischen Mitteln zu bezwingen. Deswegen wählt er oft von der Theorie noch nicht so erforschte Nebengleise, wo es vergleichsweise schnell ins richtige Spiel geht. Sein Stil ist dabei typisch unspektakulär, dabei aber immer ungeheuer nachhaltig. Weitere Stärken sind eine ungeheure Präzision sowie hervorragende Endspielfertigkeiten. Zu seinem Stil befragt, äußerte Magnus Carlsen sich selbst in einem [URL="http://www.chessbase.com/newsdetail.asp?newsid=7778"]Chessbase-Interview[/URL]:[QUOTE] I’d call myself an optimist! In actual fact I don’t have any clear preferences in chess. I do what I think circumstances require of me – I attack, defend or go into the endgame. Having preferences means having weaknesses. [/QUOTE] Eine interessante Einschätzung und ein Plädoyer für einen Universalstil als den effektivsten aller Stile im Schach. Ich traue ihm den Sprung auf die 2900-Elo-Marke irgendwann zu.

Beitrag von zugzwang

Für mich ist interessanter, ob Magnus Carlsen sich im anstehenden Kadidatenturnier durchsetzt und den Weltmeister fordern darf.Gelingt ihm dies und gewinnt er das Match gegen Vishy, dann dürfte seine Zahl schon halbautomatisch Richtung 2900 gehen. (Nach Wijk vermutlich auch wieder ein Plus).Momentan scheint sein teilweise hoher Krafteinsatz in langen Partien noch nicht an die Substanz zu gehen und insbesondere seine Gegner stärker zu (über)fordern. Ich bin aber gespannt, ob dieses Auskämpfen gerade in einem Kandidatenturnier mit mehreren Gegnern nicht zu anstrengend wird - insbesondere wenn einige dieser Weltklasseleute ihre Kräfte etwas anders einteilen.Carlsen scheint mir aber momentan auch einen psychologischen Vorteil gegen gewisse Gegnerstärken herausgespielt zu haben. Das Einlenken in den Remispfad heute durch Wang Hao mit Sc6 wirkte ein bißchen wie Tribut an die aktuelle Form von M.C. bei eigener durchwachsener Form von Wang.Der war mit dem Achtungsergebnis zufrieden. In anderer Konstellation und gegen einen anderen Gegner hätte Wang vermutlich etwas anders fortgesetzt.

Beitrag von sorim

Das hängt davon ab, ob er breit ist die nächsten Jahre intensiv seinem Schach zu opfern.[URL="http://chess.theforum.name"][/URL]

Beitrag von zugzwang

[QUOTE=Kornel;18178]... denn er kann mit der Zeit immer weniger Nebenvarianten spielen, und da die Hauptvarianten schon fast zum Remis ausanalysiert sind wird es schwierieg da noch was zu finden[/QUOTE]Meine Beobachtung und einschätzung ist da etwas anders.Carlsen gelingt es selbst stärkste Gegnerschaft aus ausgeglichen oder sogar für ihn (oberflächlich) nachteilig wirkenden Stellungen zu überspielen. Ein beim Gegner stärker zusammenschrumpfender Bedenkzeitvorrat in kombination mit den praktischen Problemen, die Carlsen stellt, führt zum Zusammenbruch.Wenn Carlsen dies über Nebenvarianten bzw. als harmlos geltende Systeme herbeiführt, hat das für ihn die Vorteile, daß die Gegner von Anfang an Energie und Zeit aufwenden müssen und ihn auch kaum (anders als in Hauptsystemen) mit sorgfältig ausgearbeiteten Neuerungen und Ideen überraschen können.Wenn er diese spielerische Überlegenheit (endspielartiges Mittelspiel, praktisches Endspiel) aufrechterhält, dann kann er unabhängig von den Eröffnungen herausragend punkten. Zuletzt tat er dies in Wijk gewohnt mit Weiß, mit Schwarz war die Ausbeute eher im "russisch-sowjetischen" Umfang.Auch wenn es für Carlsen gute Gründe geben kann, den Hauptvarianten nicht zu lange zu folgen, könnte dies aber auch andere Hintergründe haben.Spekulation: Vielleicht verfügt Carlsen nicht über die Kontakte und Netze (Ideen- und Arbeitspool), denen sich andere Spitzenspieler bedienen.Ich habe bisher nichts dazu gelesen, welche Spitzenspieler Carlsen trainingstechnisch/theoretisch unterstützen, nachdem die Zusammenarbeit mit Kasparov beendet wurde.Dies könnte irgendwann zu einem Nachteil/Problem werden, ist andererseits nicht unlösbar und führte aktuell zu keinem Leistungsabfall - im Gegenteil.Die Performance im Kandidatenturnier ist aber der (vor)entscheidende Gradmesser für den Erfolg seines Schachwegs in Art und Stil.Elozahl, Turniererfolge und Matcherfolge (=WM) ist der der Dreiklang. Bleibt es es bei 2 Komponenten, ist eine gewisse Dissonanz gegeben.