Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Eine Bestätigung des Universalstils aus China“

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Beitrag von Kiffing

Im Februar hatte ich einen Thread eröffnet, um der Frage nachzugehen, ob der "Erfinder" des Universalstilgedankens höchstselbst, nämlich Boris Spasski, wirklich [Hier befand sich ein Link auf die Seite "https://www.schachburg.de/threads/1539-Besaß-Boris-Spasski-wirklich-einen-Universalstil?highlight=Universalstil". Der Link wurde vom Benutzer mit dem Titel "einen Universalstil besessen" versehen. Aus urheberrechtlichen Gründen ist es möglicherweise erforderlich, diesen Hinweis beizubehalten, da manche Benutzer die Quelle ihrer Zitate von anderen Internetseiten so gekennzeichnet haben. Dieser Hinweis wurde automatisch an Stelle des früheren Links platziert. Falls der Link unangemessen oder ohnehin unerreichbar geworden ist, kann die im Impressum genannte Adresse mit einer Bitte um Entfernung kontaktiert werden.] habe. Durch eine lebhafte Diskussion förderte der Thread einige interessante Erkenntnisse zu Tage. Es wurde z. B. darauf hingewiesen, daß schon vor Spasski verschiedene Weltmeister universell gespielt haben, was die Frage aufwarf, ob es hier hilfreich sein könne, zwischen einem universellen Stil und einem universellen Können zu differenzieren. So könnte flankierend argumentiert werden, ein Spieler mit universellen Fähigkeiten treibt es immer wieder in seine ureigenen Domänen, während ein Spieler mit Universalstil jede Partiephase gleich behandelt und der Objektivität immer vor Abwicklungen in von ihm selbst favorisierte Stellungsbilder den Vorzug gibt. Boris Spasski wurde seinerzeit als der Schachspieler der Zukunft gefeiert, doch hatten seine Nachfolger selbst im Computerzeitalter wieder einen ausgeprägteren Stil, was zum Glauben daran führen könnte, ganz lasse sich ein eigener Stil nicht unterdrücken, ein Gedanke, den ich auch gar nicht mal schlecht finde, weswegen ich mich gerne der Meinung von GM Wjatscheslaw Eingorn anschließe, dessen Postulat in dieser Frage wie folgt lautet:[QUOTE]Bisher ist es niemandem gelungen, Schach zu einer Wissenschaft zu machen, oder anders gesagt, eine Methode aufzuzeigen, wie man mit einem ausreichenden Grad an Exaktheit in einer beliebigen Stellung den besten Zug finden kann. Sollte dies wirklich geschehen, wird das Spiel an sich seinen Sinn verlieren. Die Anhänger der verschiedenen Systeme und Methoden sollten daran erinnert sein, daß solche intellektuellen Übungen - mehr als alles andere - die Denkweise ihrer Autoren zum Ausdruck bringen. Sie systematisieren nicht das Schach, sondern stellen in systematischer Form die Ansichten des Autors über das Spiel dar. Der Stil besteht aus dem Gesamtkomplex solcher Ansichten. Einerseits setzt der jeweilige Stil einem Spieler Grenzen, andererseits erlaubt er ihm, das zu tun, was er am besten kann. Es gibt keinen universellen Stil. Das, was dieser Definition am nächsten kommt, ist wenn jemand "wie eine Maschine spielt" - ein Ausdruck, der auf die Computertechnologie anspielt. Eine solche Spielweise erfordert unermüdliche, harte Arbeit im Bereich der Eröffnungsvorbereitung, hervorragendes Gedächtnis und gute Technik in der Vorteilsverwertung. Mit dieser Herangehensweise können die Namen auf dem Partieformular genauso gut ausgewechselt werden. Wie dem auch sei: Individualität ist eine Qualität, der jeder denkende Mensch großen Wert beimißt. Sicher nicht zufällig antwortete Großmeister Stein in einem seiner letzten Interviews auf die Frage, ob seine Partien durch etwas Bestimmtes charakterisiert seien: "Ich denke, daß ich meinen eigenen Stil habe." [/QUOTE]Wjatscheslaw Eingorn, Entscheidungsfindung am Schachbrett, GAMBIT-Verlag 2003, S. 19 Eine philosophische Unterstützung erhielt dieser Universalstilgedanke nun aus China. Der Geisteswissenschaftler Jörg Seidel machte in seinem schachphilosophischen Werk Metachess auf das 1986 entstandene Buch: Das [URL="http://www.koenig-plauen.de/JS/Literatur/acheng.htm"]Tao des Schachs[/URL] auf den Exilchinesen Zhong Acheng aufmerksam, das er dort einer gründlichen Analyse und Interpretation unterzog. In diesem Bildungsroman lernt ein bettelarmer Mann vor der trostlosen Kulisse des Chinas vor den Wirtschaftsreformen Teng Hsiao-Pings die Geheimnisse des Schachs kennen und erlangt auf diesem Weg immer mehr allgemeingültige Erkenntnisse. Als er bereits ein starker Spieler des Xiangqi ist, erklärt ihm ein Weiser seine grundlegenden Schwachstellen. Der Hintergrund ist hier das Xiangqi, also das Chinesische Schach, das sich aber vor dem Hintergrund des Folgenden gut auf unser Schach übertragen läßt. Die hinter den Worten des Meisters stehende Philosophie ist die Philosophie des Taoismus, die eine Harmonisierung des weichen Yin mit dem harten Yang anstrebt, was zur Durchdringung der Wirklichkeit führe:[QUOTE]Das yin und das yang durchdringen einander und wechseln sich ab. Man darf am Anfang nicht zu kräftig sein, denn zuviel Kraft verursacht Zerstörung, eine übermäßige Schwäche verursacht Zerstreuung. Dein Fehler ist es, zu viel Kraft zu haben. Wenn der Gegner aggressiv ist, so musst du ihm mit Weichheit begegnen und zugleich die Strategie ausarbeiten, die dich zum Sieg führt. Weichheit bedeutet nicht Schwäche, sie bedeutet Fassen, Empfangen, Bergen. Während du den Gegner (er)fasst (bändigst...), wirst du ihn in die Strategie, die du kreierst, hineinlocken. Und du musst sie entsprechend des Prinzips des „Nicht-Handelns“ gestalten. „Nicht-Handeln“ ist das Tao und begründet die unveränderliche Natur des Schachs. Versuche, es zu ändern und es wird das Schach nicht mehr sein. Du wirst nicht nur verlieren, sondern du wirst nicht mal mehr in der Lage sein, zu spielen. Man kann nicht gegen die Natur des Schachs handeln, sondern du musst für jede Partie deine eigene Gewinnstrategie entwerfen. Wenn du einmal die Natur des Schachs verstanden hast und wenn du in der Lage bist, deine Strategie zu verwirklichen, dann wird es nichts geben, wozu du nicht fähig wärest. All dies ist ziemlich mysteriös, aber wenn du aufmerksam darüber nachdenkst, dann wirst du dir klar darüber werden, dass es wahr ist [/QUOTE]