Schachburg-Archiv: Benutzerthema „Bauernsturm im geschlossenen Spanier“

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Beitrag von Kiffing

In vielen geschlossenen Spaniern überführt Weiß bekanntlich seinen Sb1 über d2 nach f1, wo er dann entweder g3 oder e3 anpeilt. Wenn Weiß, was ich selbst z. B. gerne mache, seinen Springer nach g3 manövrieren will, stellt sich die Idee, ob er zuerst g4 zieht, oder seinen Bg2 dort stehen läßt. Nehmen wir zur Veranschaulichung einen typischen geschlossenen Spanier, etwa die Tschigorinvariante nach 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. 0-0 Le7 6. Te1 b5 7. Lb3 0-0 8. c3 d6 (8. ...d5 wird zum Marshall-Gambit) 9. h3 Sa5 10. Lc2 c5 11. d4 Dc7 12. Sbd2 cxd4 13. cxd4 Lb7 14. d5 Tac8 15. Lb1 Sd7 16. Sf1 Sc4:Mit 17. g4 erobert Weiß Raum, seine Aktionen am Königsflügel nehmen an Gefährlichkeit zu, der wirkungsvolle Hebel ...f5 wird erschwert, und es drohen auf f5 etwaige taktische Motive mit dem Sg3, wenn nach Kh1 der weiße Turm sich auf g1 niedergelassen hat. Dafür ist die Aufreißung der Rochadestellung natürlich durchaus kompromittierend und gibt Schwarz später Gelegenheit zum eigenen Angriff, wenn er die weißen Aktionem rund um seinen König vereitelt hat. Insofern dürfte 17. Sg3 natürlich die sicherere Wahl sein. Ich persönlich würde hier 17. g4 präferieren, weil Weiß hier wirkungsvoller angreifen kann. Doch wie seht ihr das?

Beitrag von zugzwang

Ich sehe, daß ich nichts sehe...:P:ratlos:Nicht daß ich so viel mehr sähe, wenn ich die Stellung nach dem 16. Zug so richtig vor augen hätte. Aber zumindest fiele es mir leichter, etwas darüber zu schreiben.Ansonsten vermute ich sehr stark, daß wir hier eine Tabiya-Stellung vor uns haben, an der sich schon etliche größere Klein- und Großmeister versucht haben.Ich greife auch gern zu Bauern, wenn ich mit meinen Figuren nicht so richtig weiterkomme in blockierten Stellungen. Die Meister dagegen spielen zuerst mit ihren figuren und dann kommt ggf. der vorbereitete Bauernsturm.

Beitrag von Kiffing

Ich habe bisher eigentlich nur für ganze Partien mit dem pgn-Viewer gearbeitet. Aber wenn es bei der Analyse hilft, gerne:[Event "?"][Site "?"][Date "????.??.??"][Round "?"][White "Neue Partie"][Black "?"][Result "*"][PlyCount "32"]1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 a6 4. Ba4 Nf6 5. O-O Be7 6. Re1 b5 7. Bb3 O-O 8. c3d6 9. h3 Na5 10. Bc2 c5 11. d4 Qc7 12. Nbd2 cxd4 13. cxd4 Bb7 14. d5 Rac8 15.Bb1 Nd7 16. Nf1 Nc4 Der Ausgangspunkt meiner Frage war die Überlegung, daß ich meine, daß Weiß in solch einem "normalen" Spanier zu wenige direkte Angriffsmethoden zur Verfügung stehen. Und deswegen wollte ich fragen, ob hier der Bauernsturm mittels 17. g4 angemessen ist, oder doch eher das übliche 17. Sg3 aus objektiven Gründen vorzuziehen sei. Die Idee mit 17. g4 hatte ich irgendwann mal gelesen gehabt, aber war schon ein sehr altes Schachbuch. Ich weiß nicht, was die heutige Theorie dazu sagt.

Beitrag von chessiscruel

ich bin einmal vor vielen jahren ,als ich noch meine 1...e5 Phase und auch mehr Elo hatte wunderschön gegen einen I.M. im Spanier eingegangen.Hier die Partie[Event "Oberwart op"][Site "Oberwart"][Date "2002.07.05"][Round "1"][White "Fercec, Nenad"][Black "chessiscruel"][Result "1-0"][ECO "C98"][WhiteElo "2494"][BlackElo "2135"][PlyCount "45"][EventDate "2002.07.05"][EventType "swiss"][EventRounds "9"][EventCountry "AUT"][Source "ChessBase"][SourceDate "2002.09.10"]1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 a6 4. Ba4 Nf6 5. O-O Be7 6. Re1 b5 7. Bb3 d6 8. c3O-O 9. h3 Na5 10. Bc2 c5 11. d4 Nc6 12. d5 Na5 13. Nbd2 Qc7 14. Nf1 Bd7 15. g4Rfc8 16. Ng3 g6 17. Kh1 Nb7 18. Rg1 Ne8 19. Nf5 gxf5 20. gxf5+ Kh8 21. Nxe5 Ng722. Nxf7+ Kg8 23. Nh6+ 1-0zeigt den klassischen Bauernsturm mit g4,das positionelle Springeropfer auf f5 und seitdem spiele ich kein Spanisch mehr mit Schwarz,diese Partie hat mich geheilt und ich habe mir aktivere Eröffnungen wie z.b Sizilianisch Drachen angeeignet.Natürlich hätte ich viel besser spielen können und den Killerzug s:e5 dürfte ich einfach übersehen haben,ich kann mich nur noch dunkel erinnern.Aber mit beschränkter Bedenkzeit ist sowas schwer zu verteidigen. irgendein Schachmeister hat einmal gesagt,und er hat damit wohl recht,es ist leichter mit einer Minusfigur anzugreifen,als mit einer Mehrfigur zu verteidigen.Das gilt zwar nur bedingt,aber jeder erfahrene Schachspieler weiß,was damit gemeint ist

Beitrag von Kiffing

Ah, danke für die Partie. Jetzt weiß ich auch wieder, wie das alte Schachbuch hieß, von der ich diese Idee hatte. Das hatte ich mir mal ausgeliehen, und es war Kunst der Bauernführung von Hans Kmoch. Den taktischen Springerzug auf f5 nannte er in seiner idiosynkratischen Sprache: "Enteropfer" :grübel:. Der direkte Bauernzug nach g4 ist wohl, wie ich der Partie entnehme, am wirkungsvollsten bei gespieltem d5 und Schließung des Zentrums. Genau da empfehlen sich ja auch Flügelangriffe. Diese Partie läßt mich hier wieder klarer sehen. :)

Beitrag von chessiscruel

Ja Hans Kmoch ist schon allein wegen seiner Sprache,welche sogar die von Nimzowirsch bei weitem übertrifft,ein Mußbuch:top::top:

Beitrag von zugzwang

Die Beispielpartie von chessiscruel zeigt die Idee von g2-g4 sehr gut. Weiß will mit dem S nach f5, komme was wolle.Allerdings ist Schwarz nicht immer gezwungen, den zugegeben sehr lästigen Springer mittels g6xf5 zu schlagen.Ich muß mal wieder Reinhart Fuchs zitieren, der mal anmerkte (sinngemäß wiedergegeben):"Schach ist doch recht einfach. Man bringt seinen Springer nach f5 bzw. f4 und gewinnt..."Als Anhänger dieser Strategie ist ein g2-g4 im geschlossenen Spanier bzw. ähnlichen Strukturen dann schon sinnvoll. Aber: ... Die Bauernstruktur g4-h3 ist so ziemlich das häßlichste, was man der eigenen Königsstellung antun kann - Löcher und Schwachstellen sind f3, f4, h4, h3.Das sollte man im Hinterkopf haben - und vielleicht noch Cecil Purdys Hinweis "Play with the pieces". Dynamisch(er) spielt man mit Figureneinsatz und weniger Bauernunterstützung ...